Kommunale Finanzverwalter glaubten anfangs der 90er Jahre – zunächst in den
Niederlanden, ab 1995 auch in Deutschland – ein Mittel der wundersamen
Geldvermehrung gefunden zu haben, das ihnen helfen könnte, die immer akuter werdenden
Finanznöte ihrer Städte und Gemeinden1 zu lindern. Die Rede ist vom so genannten USCross-
Border-Leasing.
Bundesweit haben mittlerweile etwa 200 Städte2 Cross-Border-Leasingverträge mit
privaten US-Investoren abgeschlossen, die den maroden Gemeindekassen zu einem
warmen Geldregen aus den USA verhalfen. Im Gegenzug wurden Messehallen, Schulen,
Schienennetze und Straßenbahnen, Kanalisationen und Müllverbrennungsanlagen, Klärund
Heizkraftwerke in die USA verpachtet. In die öffentliche Diskussion geriet das
Finanzierungsmodell allerdings erst ab dem Jahr 2001, als die Zahl der Cross-Border-
Leasingverträge deutlich anstieg. So gibt es inzwischen allein in Nordrhein-Westfalen auf
kommunaler Ebene 19 abgeschlossene Leasinggeschäfte dieser Art, die den beteiligten
Städten einmalige Einnahmen in Höhe von 345,5 Millionen Euro erbrachten3. So wurden
zum Beispiel die Dortmunder Westfalenhalle und die Kölner Straßenbahnen vermietet und
dann zurückgeleast. Zu weiterer Publizität verhalfen dieser Finanzierungsform besonders
spektakuläre Leasingobjekte wie das Münchner Rathaus, das zeitweise als Gegenstand
eines Cross-Border-Leasingvertrages in Erwägung gezogen wurde.
In der Einschätzung und Bewertung des Cross-Border-Leasing schieden sich indes sehr
schnell und nachhaltig die Geister. Die Fronten von Befürwortern und Gegnern scheinen
sich zunehmend zu verhärten: Erblickt die eine Seite darin eine „attraktive Möglichkeit zur
Erschließung neuer Finanzmittel für die öffentliche Hand“4, vermag die andere nur „dirty
tricks“5 zu erkennen. Eine vorurteilsfreie und sachliche Beurteilung stellen diese
Extrempositionen sicherlich nicht dar. Eine solche wäre aber um so wichtiger und
notwendiger, als das Cross-Border-Leasing mit Vertragslaufzeiten bis zu 100 Jahren noch lange Gegenstand kommunaler Haushaltspolitik sein wird. [...]
1 Auf deutscher Seite können nicht nur Städte und Gemeinden, sondern auch Bundesländer,
Zweckverbände, kommunale Unternehmen, Bundesunternehmen oder private Unternehmen
Vertragspartei von US-Cross-Border-Leasingtransaktionen sein.
2 Vgl. FAZ vom 25.02.2003 Nr. 47 S. 1.
3 Vgl. Ebenda, S. 4.
4 Vgl. Laudenklos/Pegatzky (2002), S. 1306.
5 Vgl. Rügemer (2002), www.oeko-net.de/kommune/kommune02-02/zzruegem.htm.
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG, ZIEL UND VORGEHENSWEISE
- 2 GRUNDSTRUKTUREN EINER CROSS-BORDER-LEASINGTRANSAKTION
- 2.1 Begriffsdefinitionen und Grundlagen
- 2.1.1 Leasing
- 2.1.2 US-Cross-Border-Leasing
- 2.1.3 Sale-and-lease-back-Modell
- 2.1.4 US-Lease-in/Lease-out Struktur
- 2.1.5 Service-Contract-Struktur
- 2.2 Geeignete Transaktionsgegenstände
- 2.3 Wertermittlung
- 2.4 Vertragspartner
- 2.5 Vertragsbeziehungen
- 2.5.1 Grenzüberschreitende Verträge
- 2.5.1.1 Rahmenvertrag
- 2.5.1.2 Langfristiger Hauptmietvertrag
- 2.5.1.3 Kurzfristiger Untermietvertrag
- 2.5.2 Im Ausland abzuschließende Verträge
- 2.5.2.1 Vertrag zwischen US-Investoren und US-Trust
- 2.5.2.2 Verträge zwischen US-Trust und Banken
- 2.5.3 Im Inland abzuschließende Verträge
- 2.5.3.1 Verträge zwischen Kommune und Banken
- 2.5.3.2 Vertrag zwischen Kommune und Arrangeur
- 2.6 Finanzierungsstruktur und Zahlungsströme
- 2.6.1 Bei Abschluss der Verträge
- 2.6.2 Während der Vertragslaufzeit
- 2.6.3 Bei Ausübung der Kaufoption
- 3 TRANSAKTIONSVORTEILE
- 3.1 Barwertvorteil
- 3.2 Steuerstundungseffekte
- 4 ÖFFENTLICH-RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN BEI CROSS-BORDER-LEASINGVERTRÄGEN
- 4.1 Öffentlich-rechtliche Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde
- 4.1.1 Beschluss der Gemeindevertretung
- 4.1.2 Interne Willensbildung/externe Vertretung
- 4.1.3 Kommunalrechtliche Genehmigungserfordernisse
- 4.1.3.1 Kredit und kreditähnliches Rechtsgeschäft
- 4.1.3.3 Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten
- 4.2 Behandlung des Barwertvorteils im kommunalen Haushaltsrecht
- 4.2.1 Einstellung in den allgemeinen Haushalt oder Zweckgebundenheit
- 4.2.2 Rückzahlung erhaltener Zuschüsse
- 5 STEUERRECHTLICHE BEURTEILUNG VON CROSS-BORDER-LEASINGVERTRÄGEN
- 5.1 Betrachtungsweise in Deutschland
- 5.1.1 Objektzurechnung
- 5.1.1.1 Zivilrechtliches Eigentum
- 5.1.1.2 Wirtschaftliches Eigentum
- 5.1.2 Bilanzierung
- 5.1.2.1 Handelsbilanz
- 5.1.2.2 Steuerbilanz
- 5.1.3 Steuerliche Behandlung des Barwertvorteils
- 5.1.3.1 Hoheitsbetrieb
- 5.1.3.2 Betrieb gewerblicher Art
- 5.1.3.2.1 Körperschaftsteuer
- 5.1.3.2.2 Gewerbesteuer
- 5.1.3.2.3 Umsatzsteuer
- 5.1.3.2.4 Grunderwerbsteuer
- 5.1.3.3 Betriebe mit privatrechtlicher Rechtsform
- 5.2 Betrachtungsweise in den USA
- 5.3 Doppelbesteuerungsabkommen
- 5.3.1 Wirtschaftliches Eigentum
- 5.3.2 Beschränkte Steuerpflicht
- 6 RISIKOANALYSE VON KOMMUNALEN CROSS-BORDER-LEASINGTRANSAKTIONEN
- 6.1 Begriffsdefinition
- 6.2 Risiken vor Vertragsabschluss
- 6.2.1 Allgemeine Vertragsrisiken
- 6.2.1.1 Unterschiedliche Rechtsordnungen
- 6.2.1.2 Unsicherheiten in Sach- und Rechtsfragen
- 6.2.1.2.1 Verbot von Cross-Border-Leasingtransaktionen
- 6.2.1.2.2 Kommunalrechtliche Anerkennung
- 6.2.1.2.3 Steuerrechtliche Anerkennung
- 6.2.1.3 Vertragsabschlussrisiko
- 6.2.2 Finanzierungsrisiken
- 6.3 Risiken nach Vertragsabschluss
- 6.3.1 Risiken rechtlicher Natur
- 6.3.1.1 Verwendung des Barwertvorteils
- 6.3.1.2 Allgemeine Gesetzesänderungen
- 6.3.1.3 Steuerrechtsänderungen
- 6.3.2 Insolvenzrisiken
- 6.3.2.1 Insolvenz der Kommune
- 6.3.2.2 Insolvenz des US-Trust
- 6.3.2.3 Insolvenz der Defeasance-Banken
- 6.3.2.4 Insolvenz des US-Investors
- 6.3.3 Operative Risiken
- 6.3.3.1 Nutzungsausfall/Untergang des Wirtschaftsgutes
- 6.3.3.2 Leistungsstörungen
- 6.3.4 Kündigungswert
- 6.4 Vertragscontrolling
- 7 ZUSAMMENFASSUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit einer rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Analyse von kommunalen Cross-Border-Leasingverträgen. Sie soll die Funktionsweise dieser Finanzierungsmethode aufzeigen und deren Auswirkungen auf die kommunale Haushalts-, Steuer- und Finanzpolitik untersuchen. Dabei werden die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sowohl in Deutschland als auch in den USA beleuchtet. Die Arbeit analysiert die Vor- und Nachteile von Cross-Border-Leasing und beleuchtet die damit verbundenen Risiken.
- Rechtliche Rahmenbedingungen von Cross-Border-Leasingverträgen
- Steuerliche Auswirkungen von Cross-Border-Leasingverträgen auf Kommunen
- Wirtschaftliche Analyse der Vorteile und Risiken von Cross-Border-Leasing
- Risikoanalyse von Cross-Border-Leasingtransaktionen
- Zuständigkeiten und Genehmigungserfordernisse innerhalb der Kommune
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in das Thema Cross-Border-Leasing ein, erläutert die Zielsetzung der Arbeit und skizziert die Vorgehensweise. Kapitel 2 befasst sich mit den Grundstrukturen einer Cross-Border-Leasingtransaktion, beleuchtet die beteiligten Vertragspartner und Vertragsbeziehungen sowie die Finanzierungsstruktur und Zahlungsströme. Kapitel 3 analysiert die Transaktionsvorteile von Cross-Border-Leasing, insbesondere den Barwertvorteil und die Steuerstundungseffekte. Kapitel 4 beleuchtet die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen von Cross-Border-Leasingverträgen im kommunalen Kontext, einschließlich der Zuständigkeiten innerhalb der Gemeinde und der Behandlung des Barwertvorteils im Haushaltsrecht. Kapitel 5 befasst sich mit der steuerrechtlichen Beurteilung von Cross-Border-Leasingverträgen sowohl in Deutschland als auch in den USA und berücksichtigt die Auswirkungen auf die Steuerbilanz und die Doppelbesteuerungsabkommen. Kapitel 6 analysiert die verschiedenen Risiken von Cross-Border-Leasingtransaktionen, sowohl vor als auch nach Vertragsabschluss. Diese beinhalten sowohl allgemeine Vertragsrisiken als auch Finanzierungsrisiken, rechtliche und operative Risiken sowie Insolvenzrisiken.
Schlüsselwörter
Cross-Border-Leasing, Kommunalfinanzen, Steuerrecht, Finanzierungsmethoden, Finanzierungsrisiken, Haushaltsrecht, Doppelbesteuerungsabkommen, USA, Deutschland, Rechtliche Rahmenbedingungen.
- Quote paper
- Moritz Gindra (Author), 2003, Eine rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche Analyse von kommunalen Cross-Border-Leasingverträgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18510