Die vorliegende Hausarbeit soll ein Versuch sein, einige Aspekte einer Erzählung zu beleuchten und damit erkennbarer und verständlicher zu machen. Dabei stellt sich die Frage nach dem Warum und dem Wozu eines solchen Tuns. Der Zweck einer solchen Interpretation, so denke ich, sollte es nicht sein, einen literarischen Text so zu zerlegen, daß wir damit unsere eigene Meinung über ihn belegen können, sondern vielmehr, unserem Staunen über ein Kunstwerk gleichsam Boden unter den Füßen zu geben und zu entdecken, was uns sein Schöpfer nach dem Grundsatz „prodesse et delectare - nützen und erfreuen“ 1 zeigen will von seiner Welt und wie es ihm gelingt, uns daran Geschmack finden zu lassen.
In diesem Fall handelt es sich bei dem Kunstwerk um die Erzählung „Am 2. März des bewußten Jahres“ 2 aus dem Band „Sonetschka und andere Erzählungen“ und bei der Schöpferin um die russische Autorin Ljudmila Ulitzkaja. Sie wurde 1943 im Ural geboren und wuchs in Moskau auf, wo sie heute noch lebt. Seit Anfang der achtziger Jahre ist sie freischaffende Schriftstellerin und Publizistin und erhielt 1996 den „Prix Médicis“. 3 In der Erzählung „Am 2. März des bewußten Jahres“ (im Original „Vtorogo marta togo goda“) von 1992 stellt sie uns eine jüdische Familie in Rußland vor Augen. Im Mittelpunkt steht das fast zwölfjährige Mädchen Lilja, das bei seinen Großeltern, beide Medizinprofessoren, aufwächst. Prägend sind für dieses Mädchen sowohl die Beziehung zu ihrem sterbenden Urgroßvater als auch die komplizierte Gefühlswelt der Pubertät mit ihren physischen und psychischen Veränderungen, die Schwierigkeiten in der Schule und die Konfrontation mit dem Nachbarjungen Bodrik.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Personen und Persönlichkeiten
3. Tat- und andere Orte
4. Von Gerüchen und Farben
5. Gemischte Gefühle
6. Schluß
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit soll ein Versuch sein, einige Aspekte einer Erzählung zu beleuchten und damit erkennbarer und verständlicher zu machen. Dabei stellt sich die Frage nach dem Warum und dem Wozu eines solchen Tuns. Der Zweck einer solchen Interpretation, so denke ich, sollte es nicht sein, einen literarischen Text so zu zerlegen, daß wir damit unsere eigene Meinung über ihn belegen können, sondern vielmehr, unserem Staunen über ein Kunstwerk gleichsam Boden unter den Füßen zu geben und zu entdecken, was uns sein Schöpfer nach dem Grundsatz „prodesse et delectare – nützen und erfreuen“[1] zeigen will von seiner Welt und wie es ihm gelingt, uns daran Geschmack finden zu lassen.
In diesem Fall handelt es sich bei dem Kunstwerk um die Erzählung „Am 2. März des bewußten Jahres“[2] aus dem Band „Sonetschka und andere Erzählungen“ und bei der Schöpferin um die russische Autorin Ljudmila Ulitzkaja. Sie wurde 1943 im Ural geboren und wuchs in Moskau auf, wo sie heute noch lebt. Seit Anfang der achtziger Jahre ist sie freischaffende Schriftstellerin und Publizistin und erhielt 1996 den „Prix Médicis“.[3] In der Erzählung „Am 2. März des bewußten Jahres“ (im Original „Vtorogo marta togo goda“) von 1992 stellt sie uns eine jüdische Familie in Rußland vor Augen. Im Mittelpunkt steht das fast zwölfjährige Mädchen Lilja, das bei seinen Großeltern, beide Medizinprofessoren, aufwächst. Prägend sind für dieses Mädchen sowohl die Beziehung zu ihrem sterbenden Urgroßvater als auch die komplizierte Gefühlswelt der Pubertät mit ihren physischen und psychischen Veränderungen, die Schwierigkeiten in der Schule und die Konfrontation mit dem Nachbarjungen Bodrik.
Die Erzählung beginnt mit dem Rückblick auf den vergangenen Winter und der Beschreibung des Urgroßvaters Aaron, der an Krebs leidet und bald sterben wird. Seine Urenkelin Lilja legt sich oft neben ihn aufs Bett und lauscht seinen Geschichten biblischen und historischen Ursprungs. Lilja ist fast zwölf und leidet unter den Erscheinungen der Pubertät, die sie an sich wahrnimmt. Ihre Großeltern Alexander und Bella stehen der Beziehung zwischen dem Alten und dem Mädchen mit gemischten Gefühlen gegenüber. Sie haben beide eine Ausbildung im Ausland genossen, sind beide Mediziner und bekennen sich zum Atheismus. Es scheint auch, daß sie in Zeiten leben, in denen sie mit Repressalien zu rechnen haben. Es wird geschildert, wie ihr Leben aussieht, und der Leser erhält Informationen über ihre Familie bzw. die Angehörigen Liljas, die nicht bei ihren Eltern aufwächst. Im Folgenden wird ein Gespräch zwischen den Großeltern wiedergegeben, in dem ihre Gefühle angesichts der Unterhaltung Aarons und Liljas zum Ausdruck kommen.
Nun werden wir zu Liljas Schule geführt. Lilja ist wegen ihrer jüdischen Herkunft in der Klasse eine Außenseiterin und wird zudem von ihrem Mitschüler Bodrik geärgert, indem er ihr jeden Tag auf dem Nachhauseweg das Schultor in den Rücken schlägt. Lilja erprobt einige Fluchtversuche, die aber allesamt mißlingen.
Inzwischen ist die Erzählung am 1. März „des bewußten Jahres“ angelangt. Lilja täuscht eine Krankheit vor, um nicht zur Schule gehen zu müssen, wird aber von Bella dazu gezwungen. In der Schule ereignet sich etwas Besonderes. Eine Lehrerin bringt den Kindern bei, daß alle Völker in ihrem Staat gleich sind, was nicht die vorherrschende Meinung zu sein scheint, da eine Art Kastensystem errichtet wurde und Juden darin zur untersten, verfolgten Klasse gehören. Als Lilja nach dem Unterricht zu Hause ankommt, lauert Bodrik ihr auf und greift sie an. Lilja wird von Zorn erfaßt und verprügelt Bodrik. An dieser Stelle ist wieder ein Rückblick eingeschoben, in dem deutlich wird, daß in der Vergangenheit eine gewisse Faszination zwischen Lilja und Bodrik herrschte.
Zu Hause angekommen, fällt Lilja in einen tiefen Schlaf in dem Wunsch, allem entfliehen zu können. Währenddessen liegt der Urgroßvater im Sterben. Als Bella die Enkelin weckt, entdeckt sie die Schrammen, die diese von der Prügelei weggetragen hat. Nachdem sie erfahren hat, was geschehen ist, geht sie sogleich voller Wut zusammen mit Lilja zu den Bodrows, die ihre Nachbarn sind. Jedoch ist der Ausgang dieser Episode mit der Trinkerin Tonka und ihrem Sohn Bodrik, der angeschlagen im Bett liegt, nicht ganz deutlich. Lilja schließt sich daraufhin in der Toilette ein, wo sie entdecken muß, daß sie soeben ihre erste Menstruation hat, was sie in Todesangst versetzt.
Am Schluß der Erzählung, es ist nun der 2. März, stehen vier kurze parallele Stü>
Gerade an dieser letzten Sequenz wird deutlich, was Werner Bergengruen einmal so ausgedrückt hat: „Was ihn bezauberte, das waren die Erlebnisse von Individuen inmitten geschichtlicher, also allgemeiner Vorgänge“.[4] Was Ulitzkaja uns hier darbietet, ist das Schicksal, die kleine Gefühls- und Erlebniswelt des jüdischen Mädchens Lilja inmitten der Situation in ihrem Land. Oder andersherum: Die Vorgänge im damaligen Rußland werden uns hier exemplarisch und ausschnitthaft an einer Familie verdeutlicht.
In der vorliegenden Interpretation sollen nun folgende Aspekte nacheinander beleuchtet werden:
Zuerst sollen die „mitspielenden“ Figuren vorgestellt, ihr Charakter und ihre Eigenschaften beschrieben und ihre Beziehungen untereinander dargestellt werden. Hierauf folgt ein Abschnitt über die Szenerie, die Orte und Räume, in denen sich das Geschehen abspielt. Sodann möchte ich auf die Gestaltung und Motivik der Erzählung eingehen.
2. Personen und Persönlichkeiten
Der Ausschnitt der Welt, den Ulitzkaja uns in ihrer Erzählung vor Augen führt, wird bevölkert von ganz unterschiedlichen Menschen. Ihre Verschiedenheit liegt sowohl im Alter und Geschlecht als auch in ihrer Weltsicht und ihrem Charakter. Was ihnen allen gemeinsam ist, ist ihre Begrenztheit, wobei es sich jedoch um eine allgemein menschliche Eigenschaft handelt.
Da ist zunächst die jüdische Familie Shishmorski, deren ältester Vertreter der Urgroßvater Aaron ist. Wir erleben diesen „einfache[n] Schuster“[5] in der letzten Phase seinen 90-jährigen Lebens, ganz versunken in seinen Erinnerungen und doch schon über sie hinausweisend. Er ist ein tief religiöser Mann und daher rührt wohl auch der „stille[r] Mut“[6], mit dem er sein Krebsleiden trägt, und der zärtliche Blick, den er seiner Umgebung schenkt. Was für Lilja an ihrem Urgroßvater besonders wichtig ist, sind die „duftenden ledergebundenen Bücher[n]“, der „orientalische[n] Zimt- und Honiggeruch“ und vor allem das „fließende[n] goldene[n] Licht“[7], das ihn umgibt. An anderer Stelle wird gesagt, er rieche nach „Kampfer und altem Papier“.[8] Alter und Krankheit prägen auch sein Äußeres: „gelblich – graue[n] Augen“,[9] wimpernlose Lider,[10] ein „zahnlose[r] Säuglingsmund“[11] und „ausgedörrte[n] Hände“.[12] Aaron bildet in dieser Geschichte einen Ruhepol, einen stillen Mittelpunkt und einen Zufluchtsort für seine Urenkelin Lilja. Aber am Ende kann er ihr – von Krankheit und Tod in Beschlag genommen – keinen Schutz mehr bieten. Doch er hinterläßt ihr ein Erbe, bestehend aus biblischen und historischen Wahrheiten; er gibt ihr das Größere seines eigenen Daseins weiter, in der Hoffnung auf ein Fortbestehen seiner selbst und seiner Tradition.
[...]
[1] zitiert nach Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, S. 711
[2] im folgenden zitiert als „Am 2. März“
[3] Angaben entnommen aus dem Buch „Sonetschka und andere Erzählungen“
[4] Werner Bergengruen: Der letzte Rittmeister, S. 94
[5] „ Am 2. März“, S. 228
[6] ebd. S. 223
[7] ebd., S. 230
[8] ebd., S. 224
[9] ebd., S. 222
[10] ebd., S. 244
[11] ebd., S. 228
[12] ebd., S. 244
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