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Mitte der 70er Jahre wurde in den USA bei einem Drittel der
Bevölkerung eine mangelhafte Schreibkompetenz festgestellt. Um
dem drohenden Analphabetismus entgegenwirken zu können, sollte
die Forschung Untersuchungen zur Verbesserung der
Schreibdidaktik anstellen. Allerdings stellte man dabei fest,
daß dieses Vorhaben nur mit einem besseren Wissen über den
eigentlichen Schreibprozeß gelingen konnte. Also konzentrierten
sich die Wissenschaftler fortan auf die einzelnen Prozesse, die
beim Verfassen eines Textes eine Rolle spielen. Im Laufe der
Zeit entstanden zahlreiche Modelle, die den
Textproduktionsprozeß übersichtlich darstellen sollten. Dabei
fanden die motorischen Prozesse weniger Beachtung als die
kognitiven, da diese eine größere Bedeutung für den
Schreibprozeß haben. Die einzelnen Modelle besitzen
verschiedene Schwerpunkte, da die Textproduktionsforschung von
unterschiedlichen Disziplinen untersucht wird. Besonders
erfolgreich auf diesem Gebiet ist die Psychologie. Doch auch
die Sozial- und Erziehungswissenschaften sowie die Linguistik
tragen wichtige Erkenntnisse zur Textproduktionsforschung bei.
Es ist also notwendig, dieses Gebiet interdisziplinär zu
untersuchen.
In dieser Arbeit werde ich zunächst auf die einzelnen
Funktionen der Textproduktion eingehen (Kapitel 2). Gerade in
der heutigen Zeit gewinnt das Schreiben immer mehr an Bedeutung
und ist auch durch die neuen Medien, wie Computer und Internet,
nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Anschließend werde
ich drei bedeutende Modelle vorstellen. Die amerikanischen
Psychologen John Hayes und Linda Flower entwickelten 1980, also
zu Beginn der Textproduktionsforschung, ein Modell für den
Textproduktionsprozeß, das vielen nachfolgenden Wissenschaftlern als Vorlage oder Richtlinie diente (Kapitel
3). Im deutschen Sprachraum ist das Schema eines reflexiven
Schreibprozesses von Sylvie Molitor-Lübbert eines der
bekanntesten. Dieses Modell werde ich in Kapitel 4 vorstellen.
Dabei spielt auch das epistemische Schreiben eine wichtige
Rolle. Der Wissenschaftler Carl Bereiter stellte die Bedeutung
des epistemischen Schreibens in seinem Modell von 1980 dar.
Diese spezielle Funktion des Schreibens werde ich in Kapitel 5
genauer untersuchen. In der anschließenden Zusammenfassung
werde ich die Entwicklung der Textproduktionsforschung
diskutieren und einen Ausblick auf noch offene Fragen geben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Funktion der Textproduktion
3. Das Modell von Hayes & Flower
4. Das Modell von Molitor-Lübbert
5. Das epistemische Schreiben
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
8. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Textproduktionsforschung ist im Vergleich zu anderen Wissenschaften ein junges Gebiet, weswegen hier seitens der Forschung noch ein enormer Handlungsbedarf besteht.
Mitte der 70er Jahre wurde in den USA bei einem Drittel der Bevölkerung eine mangelhafte Schreibkompetenz festgestellt. Um dem drohenden Analphabetismus ent-gegenwirken zu können, sollte die Forschung Untersuchungen zur Verbesserung der Schreibdidaktik anstellen. Allerdings stellte man dabei fest, daß dieses Vorhaben nur mit einem besseren Wissen über den eigentlichen Schreibprozeß gelingen konnte. Also konzentrierten sich die Wissenschaftler fortan auf die einzelnen Prozesse, die beim Verfassen eines Textes eine Rolle spielen. Im Laufe der Zeit entstanden zahlreiche Modelle, die den Textproduktionsprozeß übersichtlich darstellen sollten. Dabei fanden die motorischen Prozesse weniger Beachtung als die kognitiven, da diese eine größere Bedeutung für den Schreibprozeß haben. Die einzelnen Modelle besitzen verschiedene Schwerpunkte, da die Textproduktionsforschung von unterschiedlichen Disziplinen untersucht wird. Besonders erfolgreich auf diesem Gebiet ist die Psychologie. Doch auch die Sozial- und Erziehungswissenschaften sowie die Linguistik tragen wichtige Erkenntnisse zur Textproduktionsforschung bei. Es ist also notwendig, dieses Gebiet interdisziplinär zu untersuchen.
In dieser Arbeit werde ich zunächst auf die einzelnen Funktionen der Textproduktion eingehen (Kapitel 2). Gerade in der heutigen Zeit gewinnt das Schreiben immer mehr an Bedeutung und ist auch durch die neuen Medien, wie Computer und Internet, nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Anschließend werde ich drei bedeutende Modelle vorstellen. Die amerikanischen Psychologen John Hayes und Linda Flower entwickelten 1980, also zu Beginn der Textproduktionsforschung, ein Modell für den Textproduktionsprozeß, das vielen nachfolgenden Wissenschaftlern als Vorlage oder Richtlinie diente (Kapitel 3). Im deutschen Sprachraum ist das Schema eines reflexiven Schreibprozesses von Sylvie Molitor-Lübbert eines der bekanntesten. Dieses Modell werde ich in Kapitel 4 vorstellen. Dabei spielt auch das epistemische Schreiben eine wichtige Rolle. Der Wissenschaftler Carl Bereiter stellte die Bedeutung des epistemischen Schreibens in seinem Modell von 1980 dar. Diese spezielle Funktion des Schreibens werde ich in Kapitel 5 genauer untersuchen. In der anschließenden Zusammenfassung werde ich die Entwicklung der Textproduktions-forschung diskutieren und einen Ausblick auf noch offene Fragen geben.
2. Funktion der Textproduktion
In der heutigen Zeit finden immer mehr Menschen Zugang zu schreibintensiven Berufen. Aus diesem Grund sind die Erwartungen an deren Schreibkompetenz in den letzten Jahren enorm gestiegen.[1] Umgekehrt verbreiten sich die neuen Medien mittlerweile in fast jeden Berufszweig. Es ist also heutzutage nahezu unmöglich, an dieser Entwicklung vorbeizukommen. Deshalb wird es immer wichtiger, neue Erkenntnisse über den Schreibprozeß zu bekommen. Damit beschäftigt sich die Textproduktionsforschung.
Ein Text wird produziert, indem ein Autor etwas schreibt. Es gibt aber viele verschiedene Arten zu schreiben, die jeweils eine andere Funktion besitzen. Deswegen werde ich zu zunächst abgrenzen, was man unter Schreiben und Textproduktion versteht.
Die beiden Begriffe sind in ihrer Bedeutung fast identisch. Allerdings muß man dabei bestimmte Formen des Schreibens ausklammern. Dies fängt schon beim Schreiben von Notizen, wie z.B. einem Einkaufszettel an. In diesem Fall dient das Schreiben der Entlastung des Gedächtnisses.[2] Das Schreiben kann auch dabei helfen, das eigene Wissen zu ordnen und zu überprüfen. Dies geschieht, wenn Prüfungsstoff exzerpiert wird.[3] Auf diese Weise strukturiert der Autor seine Gedanken. Diese Arten zu schreiben sind für die Forschung nicht besonders interessant, da beide vorgestellten Methoden keine eigene kognitive Leistung vom Autor verlangen.
Dies trifft daher eher auf das Verfassen von längeren Texten zu. Hier wird Schreiben als Problemlösestrategie bezeichnet.[4] Dem Autor wird eine Aufgabe gestellt, die ohne weitere Aneignung von Wissen nicht zu lösen ist. In diesem Falle wird eine kognitive Leistung erkennbar, da vorhandenes Wissen mit neuem ergänzt wird.
Schreiben kann aber auch kommunikativ sein, indem etwa ein Brief oder auch eine wissenschaftliche Arbeit verfaßt wird. In diesem Fall muß der Autor zusätzlich seinen Leser und dessen Bildung mit in den Schreibprozeß einbeziehen, um sein Wissen verständlich weitergeben zu können.[5] Für die Forschung sind also die Schreibprozesse interessant, die eine kognitive Eigenleistung des Autors voraussetzen.
Das Produzieren eines Textes ist ohne Schreiben nicht möglich, sofern es sich um einen schriftlichen und nicht um einen mündlichen Text handelt. Der "Schreibprozeß beinhaltet alle mentalen Prozesse und alle zugeordneten materiellen Handlungen, die einen Text erst entstehen lassen. Dazu gehört das Bewußtwerden der Aufgabe bis hin zur Verabschiedung des fertigen Textes."[6] Unter Textproduktion versteht man also "alle gezielten Aktivitäten, die Schreiben als mentalen und sprachlichen Prozeß charakterisieren."[7]
Die Funktion der Textproduktion ist unter anderem die Überwindung von Zeit und Raum. Ein geschriebener Text ist Jahre später und auch an ganz anderen Orten noch lesbar. Diese Eigenschaft macht die Textproduktion auch kommunikativ. Der Autor teilt einem oder mehreren Lesern etwas mit, sofern der Text nicht für einen selbst geschrieben wurde. In diesem Falle liegt eine Erinnerungsfunktion vor. Verträge besitzen eine Objektivationsfunktion. Ihr Inhalt verpflichtet die Unterzeichneten, sich an etwas zu halten, da er für jeden ersichtlich und nachvollziehbar ist. Unter der Repräsentationsfunktion versteht man die Texte, die die Sicht des Produzenten zu einem bestimmten Thema darstellen. Darunter zählen auch Prüfungsarbeiten oder künstlerische Werke.[8]
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[1] Becker-Mrozek, Schreibentwicklung und Textproduktion, 1997, S. 89.
[2] Molitor-Lübbert, Schreiben und Kognition, in: Antos/Krings (Hrsg.): Textproduktion. Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick, 1989, S. 280 f. Im folgenden kurz Molitor-Lübbert, in: Antos/Krings.
[3] Molitor-Lübbert, in: Antos/Krings, S. 281.
[4] Molitor-Lübbert, ebd. S. 279. Siehe auch Kapitel 5.
[5] Molitor-Lübbert, ebd. S. 280.
[6] Krings, in: Antos/Krings (Hrsg.), Textproduktion. Neue Wege der Forschung, S. 47.
[7] Molitor-Lübbert, Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß, in: HSK, S. 1005.
[8] Alle Angaben aus Winter: Metakognition beim Schreiben, S. 6 f.
- Quote paper
- Ellen Rennen (Author), 2000, Kognitive Prozesse bei der Textproduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18347
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