In seiner Monographie „Frischer Wind oder faschistische Reaktion? Die Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus 1933“ erörtert Konrad Zollinger die Positionen einer Vielzahl schweizerischer Zeitungen gegenüber dem sog. Frontismus von 1933, einer schweizerischen Variante des Nationalsozialismus.
Das vorliegende Werk ist eine Dissertation, welche von Konrad Zollinger an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich eingereicht wurde. Der Autor hat die Absicht, die Schweizer Presse im Zeitraum vom 30. Januar bis zum 30. September 1933 auf ihre Haltung zum Frontismus zu untersuchen. Die gewählte Periode beginnt mit der Machtübernahme Hitlers und dem damit in Zusammenhang stehenden Beginn des Fron- tenfrühlings. Bis zum Herbst 1933 hatten die Blätter ihre Meinung zu den Fronten ge- macht, zumal dann mit der bevorstehenden Wahl eines Frontisten in den Schaffhauser Ständerat oder den Zürcher Gemeinderatswahlen (mit einem Kandidaten der ationalen Front) konkrete Ereignisse anstanden. Die Stellungnahme der Presse zu den Fronten än- derte sich danach praktisch nicht mehr.1
Das Buch ist in zehn Kapitel gegliedert, welche sich nach den Parteien (und deren Grosstheorien oder Stände) und den Konfessionen richten. Um eine möglichst vielseitige Darstellung ist Zollinger bemüht, indem er Zeitungen aus allen Kantonen berücksichtigt. Ebenso untersucht er die städtische Presse gleichermassen wie die ländliche.2 Zu Beginn einiger Kapitel befindet sich eine Standortbestimmung der jeweiligen Denkrichtung in Bezug auf den Faschismus. In ihr wird die Haltung einiger Exponenten der Partei oder Kirche wiedergegeben und eine allgemeine Stossrichtung festgestellt. So stellt der Autor z.B. für die Freisinnigen und deren liberale Faschismustheorie fest, das sie „nicht wie die Linke […] auf die neue Strömung mit der Parole ‚Kampf dem Faschismus’ [antworteten], sondern [dass] sie […] vielmehr [hofften], das Volk endlich zu einem politischen Be- wusstsein erziehen zu können, welches solche antidemokratischen Staatsformen gerade verhindern würde.“3 Solche Standortbestimmungen dienen als Basis zum Verständnis der Reaktionen der anschliessend aufgeführten Presseorgane auf den Frontismus und er- schliessen den Gesamtkontext.
Bis auf die letzten zwei Kapitel wird in allen die Presse der Partei bzw. deren nahe stehenden Zeitungen im Allgemeinen untersucht, um im Anschluss daran einige Blätter konkret zu analysieren. Die Auswahl dieser Blätter erfolgte nach den oben erwähnten Kriterien sowie einer Unterteilung in einige wichtige, ausführlich besprochene und in auflageschwächere, kürzer ausgeführte Zeitungen.4 Alle diese Kapitel enthalten eine Zusammenfassung der vorher ausgeführten Darstellungen der Zeitungen und ihrer Haltung gegenüber den Frontisten.
Die letzten zwei Kapitel befassen sich einerseits mit überparteilicher Presse (einem - aus heutiger Sicht schwer verständlichen - Phänomen) und andererseits mit den Parteiorganen der im Zentrum stehenden Frontisten. Nur gerade einmal zwanzig Prozent der in der Schweiz erschienen Zeitungen um 1933 waren überparteilich oder parteiunabhängig. Der Tages-Anzeiger war damals die landesweit auflagenstärkste Tageszeitung und wird vom Autor deswegen exemplarisch angeführt. Obwohl in dieser Zeitung regelmässig über die Fronten berichtet wurde, bezog sie nie eindeutig Stellung zu ihnen. Die Wahrung ihrer Neutralität schien selbst hier oberstes Gebot gewesen zu sein.5
Was das letzte Kapitel angeht, so fällt die gewonnene Erkenntnis ernüchternd aus. Die Organe der Fronten argumentierten in inkonsistenter Weise und wenn Vorwürfe ge- gen sie erhoben wurden, drehten sie den Spiess in der Regel einfach und erhoben diesel- ben Vorwürfe gegen ihre Angreifer. Grundsätzlich führten sie alle gegen sie gerichteten Ressentiments auf jüdische oder freimaurerische Einflüsse zurück und entzogen sich so jeder Auseinandersetzung.6
Am Ende seines Werks stellt Zollinger den gesamten Inhalt im Überblick dar und zieht seine Schlussfolgerungen. Hervorzuheben ist hierbei, dass „nur eine Minderheit der schweizerischen Zeitungen […] die hiesigen Fronten als ‚faschistisch’ oder ‚nationalso- zialistisch’“7 bezeichneten. Wichtig für die Kommentare über die Frontisten in den ver- schiedenen Zeitungen waren nicht nur die eigenen parteipolitischen Interessen und deren Vereinbarkeit mit den Fronten, sondern auch die Sprachregion, in der die Zeitung er- schien. Da Frankreich vom Faschismus nicht im gleichen Masse betroffen war wie Deutschland und Italien, sah man in der Romandie die Gefahr des Übergreifens desselben entsprechend als nicht so gross an.8
Frischer Wind oder faschistische Reaktion? ist ein gut strukturiertes und übersicht- lich gestaltetes Werk, in dem - trotz der scheinbar unüberblickbaren Zahl von Zeitungen die aufgeführt werden - die Orientierung nie verloren geht. Der Autor argumentiert sach- lich und bleibt politisch neutral. Der Gesamtumfang des Buches erlaubt eine fundierte Auseinandersetzung mit den Reaktionen verschiedenster Parteien und Denkrichtungen auf die Fronten, die im Frühjahr 1933 „plötzlich“ auf der politischen und gesellschaftli- chen Bühne erschienen.
Trotzdem ist das Adjektiv „plötzlich“ natürlich insofern zu relativierten, als dass die Fronten nicht aus heiterem Himmel auf die politische Bühne fielen, sondern in einem engeren Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen im Vorfeld in der Schweiz und (v.a. europäischen) Ausland zu sehen sind. Verglichen mit der Partizipationsdauer einiger Parteien in der Politik erlebten die Fronten jedoch trotzdem einen „plötzlichen“ Aufstieg, währen sie zuvor lediglich ein Randphänomen darstellten. Insofern erhält dieser Begriff seine Richtigkeit.
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1 ZOLLINGER, Konrad: Frischer Wind oder faschistische Reaktion? Die Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus 1933, Zürich 1990, S. 17-39.
2 Ebd., S. 19f.
3 Ebd., S. 126.
4 ZOLLINGER, Konrad: Frischer Wind oder faschistische Reaktion? Die Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus 1933, Zürich 1990, S. 20.
5 Ebd., S. 405-411.
6 Ebd., S. 399-404.
7 Ebd., S. 413.
8 ZOLLINGER, Konrad: Frischer Wind oder faschistische Reaktion? Die Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus 1933, Zürich 1990, S. 413-422.
- Arbeit zitieren
- M.A. Manuel Irman (Autor:in), 2007, Rezension zu "Frischer Wind oder faschistische Reaktion? Die Haltung der Schweizer Presse zum Frontismus 1933" von Konrad Zollinger (1990), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183259
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