Im Frühsommer 1584 wurde Simon Stürtzenbecher aus Girlan in Südtirol verhaftet, weil er "ain klains unvogtbars töchterle, so bey ime kindts diern gewesst" vergewaltigt habe. Der zuständige Richter des Gerichts Altenburg, Balthasar Dopsl, versuchte sich zwar vor der Behandlung des Falles zu drücken, hatte damit aber bei der Innsbrucker Regierung keinen Erfolg. Im August 1584 supplizierte Simon Stürtzenbechers Ehefrau Anastasia zugunsten ihres Ehemannes. Das Schreiben selbst liegt leider nicht vor, wurde aber von der Regierung zum Anlass genommen, den Altenburger Richter erneut aufzufordern, er solle für die Fällung des Richterspruches durch die Geschworenen sorgen, dann nach Innsbruck Bericht erstatten und weiteren Bescheid abwarten. Das Urteil wurde zwischen dem 11. und 18. August 1584 gefällt. Das Berichtsschreiben des Richters Dopsl ist nicht erhalten. Die Innsbrucker Regierung bestätigte am 29. August 1584 das Urteil, ohne dessen Inhalt selbst in ihrem Schreiben zu erwähnen. Es ist daher nicht bekannt, wozu Simon Stürtzenbecher verurteilt wurde. Auch sein weiteres Schicksal und das seiner Familie konnten nicht geklärt werden.
Zu untersuchen war, ob eine Verurteilung auf die Galeeren in diesem Fall im Rahmen des Möglichen lag.
Inhalt
Ausgangslage
Rechtliche Voraussetzungen und generelle Handhabung der Gesetze
Galeeren
Praxis der Galeerenstrafen
Stellung der Galeerenstrafe im Strafrecht
Resümee
Kommentierte Bibliographie
Ausgangslage
Im Frühsommer 1584 wurde Simon Stürtzenbecher aus Girlan in Südtirol verhaftet, weil er "ain klains unvogtbars töchterle, so bey ime kind ts diern gewesst" vergewaltigt habe. Der zuständige Richter des Gerichts Altenburg, Balthasar Dopsl, versuchte sich zwar vor der Behandlung des Falles zu drücken, hatte damit aber bei der Innsbrucker Regierung keinen Erfolg. Im August 1584 supplizierte Simon Stürtzenbechers Ehefrau Anastasia zugunsten ihres Ehemannes. Das Schreiben selbst liegt leider nicht vor, wurde aber von der Regierung zum Anlass genommen, den Altenburger Richter erneut aufzufordern, er solle für die Fällung des Richterspruches durch die Geschworenen sorgen, dann nach Innsbruck Bericht erstatten und weiteren Bescheid abwarten. Das Urteil wurde zwischen dem 11. und 18. August 1584 gefällt. Das Berichtsschreiben des Richters Dopsl ist nicht erhalten. Die Innsbrucker Regierung bestätigte am 29. August 1584 das Urteil, ohne dessen Inhalt selbst in ihrem Schreiben zu erwähnen. Es ist daher nicht bekannt, wozu Simon Stürtzenbecher verurteilt wurde. Auch sein weiteres Schicksal und das seiner Familie konnten nicht geklärt werden.i
Zu untersuchen war, ob eine Verurteilung auf die Galeeren in diesem Fall im Rahmen des Möglichen lag.
Rechtliche Voraussetzungen und generelle Handhabung der Gesetze
Die "Constitutio Criminalis Carolina", die Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., wurde 1532 erlassen und galt, theoretisch, als Strafgesetzbuch für das gesamte Reich. Viele der einzelnen Territorien wie etwa Sachsen erließen aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte eigene Halsgerichtsordnungen mit teilweise abweichenden Bestimmungen, die regional dann größere Bedeutung erlangten als die Carolina.
iTLA Innsbruck, Parteibuch, Bd. 42, fol. 128r (1584 Jun 18); 189r-v (1584 Aug 11); Causa Domini, Bd. 13, fol. 46r (1584 Jun 18); 72v-73r (1584 Aug 29).
Generell ist zu beachten, dass die Carolina dem Richter selbst weiten Ermessensspielraum für die Anwendung lässt. In der Praxis war dieser Spielraum noch wesentlich größer. Wenn etwa die Carolina für Zauberei die Todesstrafe durch Verbrennen vorsah (Art. 109), so wurde in der Praxis je nach Schwere des Falles die Strafe durch vorherige Enthauptung erleichtert oder durch zusätzliche Körperstrafen verschärft. Diese Vorgehensweise korrespondiert eng mit dem unten noch zu erläuternden Prinzip der "poena extraordinaria", der außerordentliche n Strafen.
Haftstrafen waren mangels räumlicher Voraussetzungen weitgehend unbekannt. Je nach Schwere des Verbrechens ging die Strafe an die Ehre (beispielsweise durch Pranger), den Leib oder das Leben. Immer ist dabei das Bestreben zu erkennen, entweder den Übeltäter zu kennzeichnen und ihm so weitere Taten unmöglich zu machen, oder die Gemeinschaft ganz von ihm zu befreien. Gerade in Fällen, in denen Wiederholungsgefahr bestand oder wenn die Täterschaft nicht bewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde sehr häufig zum Mittel des zeitweiligen oder lebenslangen Landesverweises gegriffen. Die Galeerenstrafe als gesetzlich verordnetes Strafmaß für eine bestimmte Tat findet sich nirgends. Artikel 119 der Carolina sah für Vergewaltigung (Notzucht) "einem Räuber gleich" die Todesstrafe durch das Schwert vor. Die 1573 erlassene Tiroler Landesordnung enthält auch Artikel zum Strafrecht. Buch 8, Titel 40 nennt als Strafe für Vergewaltigung den Tod durch Ertränken - eine Strafart, die sonst eher für Frauen reserviert war. Beide für Tirol geltenden, das Strafrecht berührenden Gesetzeswerke setzten also die Todesstrafe für Fälle von Vergewaltigung. Bisher ungeklärt ist, wie diese Bestimmung in der Praxis gehandhabt wurde.
Galeeren
Galeeren als Kriegsschiffe spielten im Mittelmeerraum seit der Antike eine entscheidende Rolle. Die letzte große Seeschlacht, die mit Galeeren bestritten wurde, war die von Lepanto 1571, in der die türkischen Truppen gegen Venedig und die verbündeten christlichen Mächte eine verheerende Niederlage erlitten. Erst in den folgenden Jahrhunderten wurde dieser Schiffstyp von den Segelschiffen abgelöst, die stärker mit Kanonen bewaffnet werden konnten und dadurch höhere Schlagkraft besaßen.
Auch Venedig als die seit dem Mittelalter die Adria beherrschende Seemacht verfügte über eine Anzahl von Galeeren, deren Bemannung aber bis in das 16. Jahrhundert offenbar weitgehend aus eigenen Ressourcen - Freiwilligen, Kriegsgefangenen und Sklaven - sicher gestellt wurde. Dies änderte sich in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus einer Reihe von Ursachen. Die Bedrohung durch die Türken führte in Venedig dazu, dass man den Aufbau einer stärkeren Seestreitmacht anstrebte. Mit der Galeasse wurde dafür ein neuer Schiffstyp entwickelt, der wesentlich mehr Ruderer erforderte als die früher üblichen leichten Galeeren. Die massenhafte Einfuhr amerikanischen Edelmetalls führte in Europa zu Inflation und damit auch zu steigenden Löhnen, wodurch die freiwilligen Galeerenkräfte sehr viel teurer und so gut wie unbezahlbar wurden. Gleichzeitig band die aufstrebende Industrie in der Stadt Venedig selbst die eigenen Arbeitskräfte, so dass kein Überschuss mehr für die Schiffe zur Verfügung stand.
Auf der Suche nach Lösungen kam man auf die Idee, Straftäter zum Dienst auf den Galeeren einzusetzen. Das Interesse der Mittelmeermächte an billigen Arbeitskräften ergab für die Binnenländer die Möglichkeit, unliebsame Straftäter loszuwerden. Ob für die Binnenländer auch finanzielle Vorteile damit verbunden waren, ist unklar. Einerseits haben Venedig und die übrigen Seemächte wohl Prämien für übersandte Galeerensträflinge gezahlt. Andererseits war der weite Transport zu den Häfen für die Entsenderländer mit erheblichen Kosten verbunden. Zumindest im Fall Österreichs scheint es, als hätten die verurteilenden Gerichte diese Kosten tragen müssen, die daher gar nicht in jedem Fall an einer Verurteilung zur Galeere interessiert sein konnten. Ein Landesverweis mag für sie aus ihrer Sicht das gleiche Resultat zu einem sehr viel günstigeren Preis erbracht haben. Die Zentralregierung dagegen dürfte diejenige gewesen sein, die die Prämien kassierte, und war daher sehr viel stärker daran interessiert, dass die ihr untergebenen Gerichte Verurteilungen zur Galeerenstrafe aussprachen. Dieser Aspekt scheint in der Forschung aber bisher weitgehend unbeachtet geblieben zu sein.
Praxis der Galeerenstrafen
Manche der Mittelmeeranrainer wie Spanien bemannten schon um die Wende zum 16.
Jahrhundert ihre Galeeren vorwiegend mit Strafgefangenen und rekrutierten diese teils auch schon aus anderen europäischen Ländern. Auch Venedig schickte immer wieder Gesandte umher, die Strafgefangene für die Galeeren beschaffen sollten. Verschiedene für das habsburgische - Königreich Böhmen geltende Edikte aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von 1556 forderten die Gerichtsherren auf, zum Tode verurteilte Verbrecher stattdessen zu mehrjährigen Galeerenstrafen zu begnadigen. Viele dieser Edikte gehen offenbar direkt auf die Initiative der venezianischen Gesandten zurück. Völlig unklar ist bisher allerdings, wie viele Gefangene aus den österreichischen Ländern tatsächlich nach Venedig (oder auch anderswohin) geschickt wurden.
Die Verurteilung einer größeren Gruppe von Wiedertäufern aus den habsburgischen Erblanden zur Galeerenstrafe statt Verbrennung - was für Wiedertäufer eigentlich die übliche Strafe war - im Jahr 1540 scheint ein Einzelfall gewesen zu sein. In den 1570er Jahren gab es eine ganze Reihe von Gefangenentransporten aus Böhmen nach Venedig. Aus den innerösterreichischen Ländern - für die alleine eine detailliertere Untersuchung in diesem Zusammenhang vorliegt - ist dann erst für 1635 ein Transport von Galeerensträflingen nach Venedig überliefert.
In den übrigen süddeutschen Ländern setzen die Galeerenurteile ebenfalls um 1570 ein
(Augs burg 1566, Bayern 1569, Nürnberg 1571). Zeitlich stehen sie damit eng in Zusammenhang mit den verstärkten Rüstungen der Seemächte vor und nach der Seeschlacht von Lepanto.
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iTLA Innsbruck, Parteibuch, Bd. 42, fol. 128r (1584 Jun 18); 189r-v (1584 Aug 11); Causa Domini, Bd. 13, fol. 46r (1584 Jun 18); 72v-73r (1584 Aug 29).
- Citation du texte
- Sabine Schleichert (Auteur), 2003, Galeerenstrafe in Tirol im 16. Jahrhundert?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18310
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