„Hitler ist der Feind der Menschheit, von ihm und vor ihm muss die Welt gerettet werden.“
Heinrich und Thomas Mann setzten sich diese Rettung zum Ziel und nahmen den „Kampf gegen das Böse“ auf – aus dem Exil.
Nach der Machtergreifung Hitlers gab es für die Brüder keine andere Wahl als die der Emigration. Ein Leben in Deutschland wurde für die oppositionellen Schriftsteller zur Gefahr, denn die Nationalsozialisten „hassen zuerst die Intellektuellen, weil diese die Macht haben, ihr Volk auszudrücken und zu überzeugen.“ , so Heinrich Mann. Genau dieses Talent nutzen die Gebrüder Mann, um gegen den Nationalsozialismus anzukämpfen; Heinrich Mann ist sich sicher: Das Wort „wird für die Dauer die grösste Macht sein“ . Diesen verbalen Kampf gegen das Nazi-Regime konnten und wollten die Gebrüder Mann nur außerhalb der deutschen Grenzen fortführen.
„Einen Menschen meiner Art, einen unpolitischen Menschen im Grunde, hätte aus Deutschland nichts, kein Regierungswechsel, keine politische Veränderung, keine Revolution vertreiben können, nichts in der Welt wäre dazu imstande gewesen als gerade nur dies Eine, nur das, was sich Nationalsozialismus nennt, einzig nur Hitler und seine Bande. Denn das ist keine Politik und kein Staat und keine Gesellschaftsform, das ist die Bosheit der Hölle, und der Krieg dagegen ist die heilige Notwehr der Menschheit gegen das schlechthin Teuflische.“
Die Erkenntnis darüber, dass aus dem Nationalsozialismus nichts Gutes kommen könne, und der gemeinsame Kampf gegen das faschistische Regime führten die einst zerstrittenen Brüder wieder zusammen.
Ein gemeinsamer Kampf wäre zuvor nicht möglich gewesen, denn zu groß waren die Unterschiede ihrer ästhetischen und politischen Betrachtungen. Die Differenzen zwischen Thomas und Heinrich Mann und ihre Annäherung sollen zu Beginn der Arbeit ausführlich dargestellt werden.
Der antifaschistische Kampf der Brüder in der Exilpresse, der zugleich ein Kampf für das „wahre Deutschland“ wurde, wird den zweiten großen Teil dieser Arbeit umfassen. Geteilt wird dieser Bereich aufgrund verschiedener Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten in zwei Phasen des Exils: das europäische Exil und das amerikanische Exil. Grund dafür ist neben den verschiedenen Bedingungen in der europäischen und amerikanischen Exilpresse ein Wandel der publizistischen Aktivitäten der Gebrüder Mann im Rahmen derer.
INHALTSVERZEICHNIS
1 Zu Struktur und methodischem Vorgehen
2 Thomas und Heinrich Mann und ihre Meinung zur Politik im Wandel der Zeit
2.1 Der Streit zwischen den Gebrüdern Mann
2.2 Thomas Manns Wandel - Vom Unpolitischen zum verantwortungsbewussten Schriftsteller
3 Das Leben im Exil - Das andere Deutschland repräsentiert durch die Gebrüder Mann
3.1 Der Weg in das Exil
3.2 Thomas Mann als Repräsentant der Kultur
3.2.1 Thomas Manns Begriff von „Deutschtum“ und Kultur
3.3 Heinrich Mann und sein politisches Engagement
4 Einführung in die deutsche Exilpresse 1933 - 1945
5 Die Gebrüder Mann und die deutsche Exilpresse 1933−1940
5.1 Die Arbeit der Gebrüder Mann für die deutsche Exilpresse 1933−1940
5.2 Überblick der wichtigsten europäischen Publikationsorgane der Gebrüder Mann
5.2.1 Heinrich Manns Arbeit für das Pariser Tageblatt/die Pariser Tageszeitung
5.2.2 Heinrich Mann - der verehrte Mittelpunkt der Neuen Weltbühne
5.2.3 Die „Internationale Literatur“
5.2.4 Thomas Manns „Maß und Wert“
6. Die Arbeit der Gebrüder Mann für die deutsche Exilpresse 1940-1945
6.1 Das amerikanische Exil
6.2 Die Publizistische Arbeit der Gebrüder Mann in Amerika
6.3 Thomas Manns Arbeit für die jüdische Zeitschrift „Aufbau“
6.4 Thomas Manns Rundfunkarbeit für die BBC
6.4.1 Thomas Manns Weg zur Sendung „Deutsche Hörer!“
6.4.2 Die Radioreden
7 Analyse
7.1 Darstellung Hitlers und der Nationalsozialisten
7.1.1 Verachtung für den Nationalsozialismus
7.1.2 Verhöhnung der Sprache der Nationalsozialisten
7.2 Aufklärung der Gastgeberländer und des deutschen Volkes
7.2.1 Verbesserung des deutschen Bildes im Ausland
7.2.2 Appeasement-Politik
7.2.3 Juden und Antisemitismus in Deutschland
7.2.4 Demaskierung der Nationalsozialisten: Entlarvung ihrer Lügen
7.2.5 Darstellung des deutschen Volkes
7.2.6 Politische und moralische Aufklärung
7.3 Mittel zur Überzeugung
7.3.1 Das Christentum
7.3.2 Freund-Feind-Schema
7.3.3 Geschichtliche Herleitung des Faschismus
7.3.4 Sarkasmus und Ironie
7.3.5 Rhetorische Fragen
7.3.6 Aufrufe
8 Die Ansichten der Gebrüder Mann über Deutschland nach dem Krieg und die Wirkung ihrer Arbeit
8.1 Keine Rückkehr nach Deutschland
8.2 Ein verlorener Kampf - doch nicht wirkungslos
9 Bibliographie
1 ZU STRUKTUR UND METHODISCHEM VORGEHEN
„Hitler ist der Feind der Menschheit, von ihm und vor ihm muss die Welt gerettet werden.“1
Heinrich und Thomas Mann setzten sich diese Rettung zum Ziel und nahmen den „Kampf gegen das Böse“2 auf - aus dem Exil.
Nach der Machtergreifung Hitlers gab es für die Brüder keine andere Wahl als die der Emigration. Ein Leben in Deutschland wurde für die oppositionellen Schriftsteller zur Gefahr, denn die Nationalsozialisten „hassen zuerst die Intellektuellen, weil diese die Macht haben, ihr Volk auszudrücken und zu überzeugen.“3, so Heinrich Mann. Genau dieses Talent nutzen die Gebrüder Mann, um gegen den Nationalsozialismus anzukämpfen; Heinrich Mann ist sich sicher: Das Wort „wird für die Dauer die grösste Macht sein“4. Diesen verbalen Kampf gegen das Nazi-Regime konnten und wollten die Gebrüder Mann nur außerhalb der deutschen Grenzen fortführen.
„Einen Menschen meiner Art, einen unpolitischen Menschen im Grunde, hätte aus Deutschland nichts, kein Regierungswechsel, keine politische Veränderung, keine Revolution vertreiben können, nichts in der Welt wäre dazu imstande gewesen als gerade nur dies Eine, nur das, was sich Nationalsozialismus nennt, einzig nur Hitler und seine Bande. Denn das ist keine Politik und kein Staat und keine Gesellschaftsform, das ist die Bosheit der Hölle, und der Krieg dagegen ist die heilige Notwehr der Menschheit gegen das schlechthin Teuflische.“5
Die Erkenntnis darüber, dass aus dem Nationalsozialismus nichts Gutes kommen könne, und der gemeinsame Kampf gegen das faschistische Regime führten die einst zerstrittenen Brüder wieder zusammen.
Ein gemeinsamer Kampf wäre zuvor nicht möglich gewesen, denn zu groß waren die Unterschiede ihrer ästhetischen und politischen Betrachtungen. Die Differenzen zwischen Thomas und Heinrich Mann und ihre Annäherung sollen zu Beginn der Arbeit ausführlich dargestellt werden.
Der antifaschistische Kampf der Brüder in der Exilpresse, der zugleich ein Kampf für das „wahre Deutschland“ wurde, wird den zweiten großen Teil dieser Arbeit umfassen. Geteilt wird dieser Bereich aufgrund verschiedener Arbeitsbedingungen und -möglichkeiten in zwei Phasen des Exils: das europäische Exil und das amerikanische Exil. Grund dafür ist neben den verschiedenen Bedingungen in der europäischen und amerikanischen Exilpresse ein Wandel der publizistischen Aktivitäten der Gebrüder Mann im Rahmen derer. Während Heinrich Mann im europäischen Exil zum Repräsentanten der Emigration wurde und eine große Anzahl von Artikeln in verschiedenen Publikationen veröffentlichte, hielt sich Thomas Mann bis zum Jahre 1936 mit einer Kritik am Nationalsozialismus zurück. In der Periode des amerikanischen Exils engagierte sich Thomas Mann besonders in seinen Rundfunkreden für die Londoner British Broadcasting Corporation, als er das deutsche Volk mehrmals zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime aufforderte: “Deutsche stellt euch offen gegen Hitler. […] Nur wenn Ihr Euch selbst befreit, werdet Ihr teilhaben an der neuen Ordnung, die in der Welt aufgerichtet wird.“6 Sein Bruder Heinrich Mann hingegen zog sich mit der Enttäuschung über den Ausbruch des Krieges aus der deutschen Exilpresse zurück.
Die Ziele der publizistischen Arbeit der Schriftsteller sollen in dieser Ausarbeitung besonders deutlich werden. Die Aufklärung des deutschen Volkes gehörte zu den dringlichsten Aufgaben der Gebrüder Mann:
„Es ist notwendig, für die Deutschen drinnen, und für uns Vertreter des geistigen Deutschland draußen, daß wir die Verbindung miteinander aufnehmen. […] Unsere Stimmen werden gehört werden, daheim, wenn wir sie nur eindringlich genug vernehmen lassen.“7
Neben der Entlarvung der Propaganda-Lügen des nationalsozialistischen Regimes bemühten sich die Schriftsteller, ihren deutschen Lesern die vom Faschismus unterdrückten Ideen der Humanität, Demokratie und Freiheit nahezubringen. Die Aufklärung des Auslands über die Vorgänge in Deutschland war eine weitere Aufgabe, die sich die Gebrüder Mann gestellt hatten. In einer Vielzahl ihrer Artikel werden die Zustände im Dritten Reich, die Entwicklung der deutschen Opposition und die Haltung des deutschen Volkes zum Nationalsozialismus aufmerksam verfolgt.8
„Was ist nicht heute im Land der Denker und Dichter, wie es einmal hiess, unmöglich und ‚untragbar‘ geworden an geistigen Werken und Werten!“9 So kritisierte Thomas Mann den Kulturverfall des Dritten Reichs. Als „Vertreter und Treuhänder des „wahren“ und „anderen“ Deutschlands“10 versuchten die Schriftsteller Mann der Weltöffentlichkeit das Bild des traditionellen Deutschlands zu bewahren und die deutsche Kultur zu schützen. Besonders der Einsatz Thomas Manns für die wahre deutsche Kultur sticht in den Artikeln und Reden heraus. Die Herausgabe seiner Zeitschrift „Maß und Wert“, auf die in dieser Arbeit eingegangen wird, stellte sich ganz der Aufgabe der Verteidigung des deutschen Kulturbegriffes.
Einer Analyse der Artikel und Reden der Gebrüder Mann soll der dritte Teil dieser Arbeit gerecht werden. Hier wird eine Auswahl an Zeitschriften und Artikeln den Kampf der Brüder gegen den Nationalsozialismus deutlich machen. Den Abschluss dieser Arbeit wird eine Darstellung des veränderten Verhältnisses der Gebrüder Mann zu Deutschland bilden, verbunden mit einer Einschätzung des Erfolges ihres publizistischen Kampfes.
Die Forschung hat die Bedeutung der Publizistik des Exils längst erkannt. Die deutsche Exilpresse ist inzwischen recht gut erforscht, nicht zuletzt dank der Arbeit von Lieselotte Maas und Hans-Albert Walter. Zu den Gebrüdern Mann gibt es bereits eine Vielzahl von fundierten Biographien und wissenschaftlichen Arbeiten, in denen auch dem Zeitraum des Exils Platz eingeräumt wird, wobei jedes Mal eindeutig das publizistische Schaffen herausgestellt wurde. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel von Thomas und Heinrich Mann finden sich im Online- Archiv der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt und im Archiv der Walter- A.-Berendsohn-Forschungsstelle für Deutsche Exilliteratur in Hamburg. Die 58 Radioreden ]Thomas Manns für die BBC sind in einem Sammelband des Fischer- Verlages abgedruckt. Mit der Untersuchung dieser Texte beschäftigen sich die Arbeit Weidenhaupts „Gegenpropaganda aus dem Exil“ und Hoffschultes „Deutsche Hörer!“.
2 THOMAS UND HEINRICH MANN UND IHRE MEINUNG ZUR POLITIK IM WANDEL DER ZEIT
2.1 DER STREIT ZWISCHEN DEN GEBRÜDERN MANN
Das Verhältnis zwischen den Brüdern Heinrich und Thomas Mann war von früh an problematisch. Heinrich Mann stand als Schriftsteller immer im Schatten seines erfolgreichen Bruders, des Autors der Buddenbrooks. Thomas Mann war sich seines größeren Erfolges bewusst und hielt sich mit Kritik an den Romanen seines Bruders nicht zurück, womit Heinrich Mann sich immer mehr von seiner Familie entfernte.11
Während des Ersten Weltkrieges vertraten die beiden Brüder grundverschiedene Sichtweisen und zwar in Bezug auf die Kunstanschauung des Ästhetizismus und Politik. Thomas Mann verherrlichte und begrüßte den Krieg und empfand ihn als Verteidigung des Deutschtums. Der Schriftsteller stellte sich während dieser Zeit als Sprecher des Reiches für das deutsche literarische Erbe heraus. Doch er machte deutlich, dass er keine politische Verantwortung übernehmen könne und wolle, denn das stehe im Konflikt zu seinem literarischen Wert. Politik galt zu seiner Zeit in weiten Kulturkreisen als „unästhetisch, unpoetisch und gehörte in den Bereich grober Handgreiflichkeiten, geistloser Banalität und brutaler Wirklichkeit“.12 Thomas Manns Einstellung änderte sich mit dem Ersten Weltkrieg, den er mit seiner Schrift „Gedanken im Kriege“ propagierte.
Sein Bruder Heinrich hingegen betrachtete den Ersten Weltkrieg mit Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung und sah es als seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft an, sich politisch zu äußern und zu informieren.
Heinrich Mann hat in seinem Essay „Zola“13 die komplette Unwissenheit seines Bruders eingefangen und seine Einstellung kritisiert. Er griff mit seiner Schrift generell diejenigen Schriftsteller an, die den Krieg unterstützten, darunter sein Bruder Thomas Mann.
„Wie, wenn man ihnen sagte, daß sie das Ungeheure, das jetzt Wirklichkeit ist, daß sie das Äußerste von Lüge und Schändlichkeit eigenhändig mit herbeigeführt haben. […] Im äußersten Falle, nein, dies glaubten wir nicht, daß sie im äußersten Fall Verräter werden könnten am Geist, am Menschen. Jetzt sind sie es. Lieber als umzukehren und, es zurückbannend, hinzutreten vor ihr Volk, laufen sie neben ihm her und machen ihm Mut zu dem Unrecht, das es tut. Sie, die geistigen Mitläufer, sind schuldiger als selbst die Machthaber, die fälschen und das Recht brechen. Für die Machthaber bleibt das Unrecht, das sie tun, ein Unrecht, sie wenden nichts ein als ihr Interesse, das sie für das des Landes setzten. Ihr falschen Geistigen dreht Unrecht in Recht um, wenn es eben durch das Volk geschieht, dessen Gewissen ihr sein solltet.“14
Heinrich Mann rief die Intellektuellen dazu auf, in die entgegengesetzte Richtung politisch aktiv zu werden; so lautete der Kernsatz seines Essays: „Geist ist Tat, die für den Menschen geschieht; - und so sei der Politiker Geist, und der Geistige handle!“15
Diesen Essay empfand Thomas Mann als eine persönliche Attacke gegen sich. Er schottete sich fast drei Jahre ab, um die „Betrachtungen eines Unpolitischen“ zu schreiben. Mit seinem im Jahr 1918 erschienenen Werk wollte der Autor sich vor seinem Bruder und der Öffentlichkeit rechtfertigen. Der von Thomas Mann gewählte Titel „Betrachtungen eines Unpolitischen“ deutet schon auf seinen Versuch, den „apolitischen Romantizismus“ zu retten. Besonders deutlich wird in diesem Buch die antidemokratische Haltung des Schriftstellers. Die Beschäftigung mit Politik heißt aber keinesfalls, dass Thomas Mann nun dieser gegenüber positiver eingestellt gewesen wäre − ganz im Gegenteil heißt es in den „Betrachtungen eines Unpolitischen“: „Denn ich hasse die Politik und den Glauben an die Politik, weil er dünkelhaft, doktrinär, hartstirnig und unmenschlich macht.“16 Für ihn bleibt die Monarchie die ideale Staatsform, für die es sich zu kämpfen lohnt. Thomas Mann selbst bezeichnet seine „Betrachtungen eines Unpolitischen“ sogar als „Gedankendienst an der Waffe“17 für den Ersten Weltkrieg.
2.2 THOMAS MANNS WANDEL - VOM UNPOLITISCHEN ZUM VERANTWORTUNGSBEWUSSTEN SCHRIFTSTELLER DER SCHRITT VON DER ÄSTHETISCHEN ZUR ETHISCHEN WELTBETRACHTUNG
Die politischen und ästhetischen Differenzen der Brüder wurden überwunden, indem Thomas Mann seine apolitische Grundeinstellung änderte. Mit dem aufkommenden Faschismus stufte der Autor die politische Situation nun als so gefährlich ein, dass er sich dazu gezwungen sah, mit seinem künstlerischen Einfluss und seiner Verantwortung als Schriftsteller handeln zu müssen. Auch sein Bruder Heinrich kämpfte gegen den Nationalsozialismus an; dieser gemeinsame Feind brachte die Brüder wieder zusammen. So resümiert Heinrich Mann auf einer Rede zu Thomas‘ 60. Geburtstag: „Der Kampf gegen das Böse, er hat auch uns beide, in jedem Sinne, dahin gebracht, wo wir sind.“18 Thomas Mann sah ein,
„dass es ein Irrtum deutscher Bürgerlichkeit gewesen war, zu glauben, man könne ein unpolitischer Kulturmensch sein; dass die Kultur in schwerste Gefahr gerät, wenn es ihr am politischen Instinkt und Willen mangelt - kurzum, das demokratische Bekenntnis drängte sich auf die Lippen und wollte trotz allen Hemmungen antipolitischer Tradition abgelegt sein.“19
Dieser Sinneswandel wird besonders deutlich in seiner Rede „Von deutscher Republik“20, die er anlässlich des Geburtstages Gerhart Hauptmanns vor Münchener Studenten hielt. Im Jahr 1922 tritt er mit dieser Rede deutlich für die Republik und besonders für die Weimarer Republik ein. Thomas Mann wandelte sich vom Monarchie-Vertreter und Demokratie-Gegner zum Republik- und Demokratieverfechter, womit seine Karriere als politischer Publizist begann. Die Republik sah der Schriftsteller nun als „die der Humanität zuträglichste Staatsform“21 an und seine Aufgabe war es, die zuhörende Studentenschaft davon zu überzeugen: „Mein Vorsatz ist, ich sage es offen heraus, euch, sofern es nötig ist, für die Republik zu gewinnen und das, was Demokratie genannt wird und was ich Humanität nenne.“22
Die Verwirklichung seiner Idee der Demokratie schien jedoch durch den aufziehenden Nationalsozialismus gefährdet. Durch seine Rede „Deutschland und die Demokratie“ (1925) versucht er dem Faschismus entgegenzuwirken, indem er auf seine Gefahren hinweist. In seiner „Deutschen Ansprache“ vom Oktober 1930 wird er noch deutlicher und attackiert, erschüttert vom Ausgang der Reichstagswahlen, deutlich die wachsende nationalsozialistische Bewegung und bezeichnet sie als „exzentrische Barbarei, […], Emanzipation der Roheit […] Diktatur und Gewalt“.23
Durch die Befürwortung der Demokratie Thomas Manns hatten die Gebrüder Mann nun eine Basis für ihren gemeinsamen Kampf und Thomas Mann würdigte Heinrich noch auf dessen 70. Geburtstag dafür, wie früh dieser die Ideen der Demokratie vertrat: „Du, lieber Heinrich, hast die neue Situation des Geistes früher geschaut und erfaßt, als wohl wir alle; du hast das Wort ‚Demokratie‘ gesprochen, als wir alle noch wenig damit anzufangen wußten […].“24
Thomas Manns Demokratievorstellungen unterschieden sich allerdings von denen seines Bruders und waren in erster Linie künstlerisch gemeint und immer im Hinblick auf die Kultur. Mit dem auftretenden Nationalismus wurde seine Idee der Demokratie und so auch die Grundlage eines humanen Lebens gefährdet. Bedroht wurde durch den Nationalismus auch das, was Thomas am Herzen lag: die deutsche Kultur und der deutsche Geist. Der Dichter nahm sich vor, das deutsche Kulturgut zu verteidigen. Schon der Beginn dieser selbst gestellten Aufgabe führte ihn unfreiwilliger Weise in das Exil. Der Autor verurteilte, dass die Nationalsozialisten sein Vorbild Richard Wagner als Repräsentanten ihrer Ideen verwendeten - und das tat er öffentlich in seinem Vortrag „Leiden und Größe Wagners“, mit dem er den Hass des Regimes auf sich zog. Dieser Vortrag war der Auslöser für sein unfreiwilliges Exilleben.
3 DAS LEBEN IM EXIL - DAS ANDERE DEUTSCHLAND REPRÄSENTIERT DURCH DIE GEBRÜDER MANN
3.1 DER WEG IN DAS EXIL
Während gegen Thomas Mann und seinen Wagner-Vortrag an der Universität München propagiert wurde, befand er sich in der Schweiz, auf einem Zwischenstopp einer Vortragsreise. Die Warnung seiner Kinder Erika und Klaus Mann vor der Gefahr einer Rückkehr nahm er ernst und beschloss, zunächst in der Schweiz zu bleiben. Dass er sein geliebtes Heimatland erst im Jahre 1949 wiedersehen sollte, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und so landete er in seiner zufälligen Abwesenheit im Exil.
Heinrich Mann musste hingegen aus Deutschland flüchten. Der Schriftsteller sah sich als Intellektueller und Befürworter der Demokratie in Gefahr und befand sich innerhalb von drei Wochen im Exil. Zu seiner Emigration äußerte er sich in seinem veröffentlichten Aufsatz „Bekenntnis zum Übernationalen“: „Ich habe den alten Macht- und Nationalstaat verlassen, weil sein sittlicher Inhalt ihm ausgetrieben ist.“25 Die antifaschistische Haltung Heinrich Manns zeigte schon sehr bald Konsequenzen seitens der Nationalsozialisten, die den Kampf gegen die Intellektuellen aufnahmen. Am 25. August 1933 veröffentlichte Adolf Hitler eine erste Liste von Deutschen, denen die Staatsbürgerschaft entzogen werden sollte, darunter natürlich auch die Namen der Schriftsteller, die zur Opposition gehören könnten. Es war nicht unerwartet, dass Heinrich Manns Name auf dieser Liste stand. Der Entzug seiner Staatsbürgerschaft traf ihn kaum, er hat vielmehr seinen Hass gegen die Nazis bestätigt.26
Für die Brüder war das europäische Exil von unterschiedlicher Relevanz. Für Heinrich Mann bedeutete es keine große Umstellung, denn er fühlte sich schon immer als ein „Bürger Europas“; das französische Exil war für ihn aufgrund mehrerer schon in Frankreich verbrachter Aufenthalte mehr wie eine zweite Heimat. Er beherrschte die französische Sprache und liebte die französische Kultur. Zudem hatte der Schriftsteller in Frankreich die Möglichkeit, politisch und literarisch zu arbeiten, und war finanziell unabhängig. An die Situation, im Kampf gegen den Nationalsozialismus als Einzelgänger in der Opposition zu stehen, hatte er sich schon gewöhnt, denn diese Position hatte er ja bereits im Ersten Weltkrieg eingenommen.
Für Thomas Mann war diese Gegebenheit allerdings ein neues Erlebnis, das ihn zu Beginn sehr zu schaffen machte; so schrieb er als Antwort auf seine Ausbürgerung:
„Es ist mir nicht an der Wiege gesungen worden, dass ich meine höheren Tage als Emigrant, zu Hause enteignet und verfehmt in tief notwendigem politischen Protest verbringen würde. […] Höchst Falsches musste geschehen, damit sich mein Leben so falsch, so unnatürlich gestaltete.“27
Auch die Vorstellung, seine Arbeit im Exil fortsetzen zu müssen, und die Abgeschnittenheit von seinem Heimatland, dem er so verbunden war, belasteten ihn:
„Ich bin ein viel zu guter Deutscher, mit den Kultur-Überlieferungen und der Sprache meines Landes viel zu eng verbunden, als daß nicht der Gedanke eines jahrelangen oder lebenslänglichen Exils eine schwere, verhängnisvolle Bedeutung für mich haben müßte. Dennoch haben wir notgedrungen begonnen, uns nach einer neuen Lebensbasis, womöglich doch wenigstens im deutschen Sprachgebiet, umzusehen. Mit 57 Jahren mag ein solcher Verlust der bürgerlichen Existenz […] keine Kleinigkeit sein.“28
Trotz der Verstoßung aus ihrer Heimat suchten die Gebrüder Mann die Nähe zu Deutschland; Thomas mit seinem Aufenthalt in der Schweiz sogar zur deutschen Sprache. Die Brüder waren zu Beginn ihres Exils überzeugt von einem „Sturz“ Hitlers und hofften, bald wieder nach Deutschland zurückkehren zu können. Dank ihres Status als erfolgreiche Schriftsteller29 blieben ihnen zum Teil finanzielle Probleme, die ihre Kollegen plagten, erspart. Im Gegensatz zu anderen Emigranten, die durch die Bürokratie der Asylländer zusätzliche Probleme bekamen und staatenlos waren, hatten es beide Brüder leicht. Nach Verlust ihrer deutschen Staatsbürgerschaft erhielten sie problemlos die Staatsbürgerschaft der Tschechoslowakei.30
Nachdem Thomas Mann sich zu Zeiten des auftretenden Faschismus und Nationalismus stark zur politischen Stellungnahme hingewandt hatte, waren seine ersten drei Jahre im Exil umso erstaunlicher - er schwieg. Er hielt sich mit der Kritik am Nationalsozialismus zurück, weil er befürchtete, ansonsten seine deutsche Leserschaft zu verlieren. Seine Bücher wurden im Deutschen Reich noch verkauft und er befürchtete, dass eine Kritik am neuen Regime ein Erscheinungsverbot seiner Literatur nach sich gezogen hätte. Später rechtfertigte er sich dafür in einem öffentlichen Brief, der in dem Pariser Tageblatt publiziert wurde:
„Als Deutschland dann wirklich in diese Hände gefallen war, gedachte ich zu schweigen; ich meinte, mir durch die Opfer, die ich gebracht, das Recht auf ein Schweigen verdient zu haben, das es mir möglich machen würde, etwas mit herzlich Wichtiges, den Kontakt mit meinem innerdeutschen Publikum aufrecht zu erhalten.“31
Sein Bruder Heinrich hingegen engagierte sich in Frankreich weiterhin politisch; er begann dort mit seiner publizistischen und repräsentativen Aktivität. Sowohl sein tagespolitisches Engagement als auch seine Romane standen unter einer Perspektive: dem Kampf gegen den Faschismus und für eine bessere Zukunft. „Heinrich war vielleicht der erste antifaschistische Schriftsteller im Westen Europas.“32 Bereits im Oktober 1933 wurde er in Paris zum Ehrenvorsitzenden des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller im Exil und zum Präsidenten der Freiheitsbibliothek gewählt. Später kommt noch seine Tätigkeit für den Volksfrontausschuss hinzu. Auf all seine politischen Tätigkeiten soll im Folgenden der Arbeit genauer eingegangen werden.
Im Jahre 1936 unterstützte Thomas Mann endlich seinen Bruder Heinrich und die gesamte deutsche Emigrantenopposition. Die Brüder bekämpften nun beide den Nationalsozialismus mit der Waffe, die sie am besten beherrschten: dem Wort. Thomas Mann kritisierte zum ersten Mal öffentlich den Nationalsozialismus in einem offenen Brief, in dem er sich zur deutschen Emigration bekannte und Nazideutschland eine Absage erteilte:
„Die tiefe […] Überzeugung, daß aus der gegenwärtigen deutschen Herrschaft nichts Gutes kommen kann, für Deutschland nicht und für die Welt nicht, - diese Überzeugung hat mich das Land meiden lassen, in dessen geistiger Überlieferung ich tiefer wurzle als diejenigen, die seit drei Jahren schwanken, ob sie es wagen sollen, mir vor aller Welt mein Deutschtum abzusprechen.“33
Daraufhin entzogen die deutschen Machthaber ihm, seiner Frau und vier seiner Kinder34 im Dezember 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft. Viel mehr als dieser Verlust traf ihn jedoch die Aberkennung der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. Unter anderem durch den darauffolgenden offenen Schmähbrief an den Dekan, der in den Kreisen der Emigranten einen tiefen Eindruck hinterließ, wurde Thomas Mann zum „Botschafter eines anderen besseren Deutschlands im Exil“35.
„Sinn und Zweck des nationalsozialistischen Staatsystems ist einzig der und kann nur dieser sein: das deutsche Volk unter unerbittlicher Ausschaltung, Niederhaltung, Austilgung jeder störenden Gegenregung für den ‚kommenden Krieg‘ in Form zu bringen, ein grenzenlos willfähriges, von keinem kritischen Gedanken angekränkeltes, in blinde und fanatische Unwissenheit gebanntes Kriegsinstrument aus ihm zu machen. Einen anderen Sinn und Zweck, eine andere Entschuldigung kann dieses System nicht haben; alle Opfer an Freiheit, Recht, Menschenglück eingerechnet die heimlichen und offenen Verbrechen, die es ohne Bedenken auf sich genommen hat, rechtfertigen sich allein in der Idee der unbedingten Ertüchtigung zum Kriege.“36
Thomas und Heinrich Mann haben sich von nun an beide als Repräsentanten der unterdrückten deutschen Opposition gefühlt, als Sprachrohr des zum Schweigen verurteilten demokratischen Teils des deutschen Volkes, als das im Gegensatz zu ihrem vom Nazismus infizierten Landsleuten ‚andere‘ und ‚bessere‘ Deutschland“.37
3.2 THOMAS MANN ALS REPRÄSENTANT DER KULTUR
„Wo ich bin, ist die deutsche Kultur.“38 − Diesen Satz soll Thomas Mann bei seiner Ankunft in New York gesagt haben. Trotz seiner Abneigung gegen die Nationalsozialisten fühlt er sich seiner Heimat Deutschland und seiner Kultur verbunden und sieht sich als Träger und Repräsentant dieser deutschen Kultur. Sie zu bewahren und das Ausland darüber aufzuklären, die nationalsozialistische Kultur nicht mit der deutschen Kultur zu verwechseln, gehörte zu seinen dringlichsten Aufgaben.
Ein einschneidendes Erlebnis für die deutsche Kultur und ein schwerer Schock für Thomas Mann und seine Schriftstellerkollegen war die Bücherverbrennung im Mai 1933.39 Thomas Mann notierte an diesem Tag in seinem Tagebuch:
„Man muß sich klar darüber sein, daß, staatlich-historisch genommen, die deutschen Vorgänge positiv zu werten sind, obgleich sie mit deutscher Geistigkeit und Kultur so wenig zu tun haben wie Bismarcks Werk. […] Man muß erkennen, daß die Mächte der geistfeindlichen Rohheit die historischen Aufgaben an sich genommen haben und mit einer Energie, an der es die Republik gebrach, durchführen. Sie irren nur, wie ich vorläufig glauben muss, wenn sie sich für umfassend halten und auch im Kulturellen für produktiv. Hier, scheint mir noch, sind sie hoffnungslos, und die Absonderung, ja Abwanderung des deutschen Geistes wird die Folge ihres Sieges sein.“39
Die Gleichschaltung von Staat und Kultur durch die Nationalsozialisten ging noch weiter, indem die Preußische Akademie der Künste von „Juden und Marxisten“40 gesäubert wurde.41 Die „feindlichen“ Autoren erhielten Publikationsverbote und wurden von Nationalsozialisten verfolgt. Diese gründeten die Reichskulturkammer und die Reichsschrifttumskammer, die das kulturelle und literarische Leben nach den Vorstellungen der NSDAP steuerten; sie erfanden ihre ganz eigene Kultur und deuteten Aussagen von Wagner, Schiller und Nietzsche zu ihren Gunsten um.42 Thomas Mann versuchte durch seine publizistische Arbeit dagegen anzugehen und die Darstellungen der Nationalsozialisten als Lügen zu entlarven sowie für die Bewahrung des Bildes der „wahren“ deutschen Kultur zu kämpfen.
3.2.1 THOMAS MANNS BEGRIFF VON „DEUTSCHTUM“ UND KULTUR
Thomas Mann war durch die Gefahr des Nationalsozialismus, der mit der „Barbarei“ des Deutschtums begann, davon überzeugt, dass Politik und Kultur miteinander vereinbart werden müssten, und erkannte,
„dass es ein Irrtum deutscher Bürgerlichkeit gewesen war, zu glauben, man könne ein unpolitischer Kulturmensch sein; dass die Kultur in schwerste Gefahr gerät, wenn es ihm am politischen Instinkt und Willen mangelt“43.
Die Einheit von Staat und Kultur sieht Thomas Mann nun als notwendig an. Warum die Kultur ein wichtiger Bestandteil dieser Einheit ist, versucht Thomas seinen Lesern immer wieder nahezubringen.
„Sie [die Kultur] ist nicht Spiel und Luxus, und wer ihr anhängt, wer Sorge um sie trägt, kein schwachherziger Schönling. Sie ist das Ernsteste, denn sie ist die einst als Fortschrittsglaube in die Zeit projizierte, in Wahrheit aber außerzeitliche Bemühung um Annäherung des Menschen an seine Idee, um die Vermenschlichung des Menschen.“44
Die Kultur könne nur bestehen, wenn Freiheit des Geistes und der Kunst vorausgesetzt werde, so Thomas Mann.45
„Wer möchte ein Buch lesen, von dem er im voraus weiss, dass der Verfasser darin nicht seine eigenen Gedanken ausdrückt, nicht frei seinem Genius folgt, sondern gezwungen ist, sich einer die Aufsicht führenden Ideologie anzupassen, ihr nach dem Munde zu reden und sich in Verneigungen vor ihr zu erschöpfen? Welchen Sinn hätte eine solche Lektüre?“46
Der Autor versucht gegen das Bild, das die Nationalsozialisten von deutscher Kultur schaffen, anzugehen:
„[…] die Kultur besteht nicht in Romanen, Gedichten und Bildern: sie ist kein entbehrlicher Luxus und kein müssig üppiger Schönheitsanspruch. Nur die Dummheit hält sie dafür. Kultur ist das Menschentum selber: sie ist das, was den Menschen vom Tier unterscheidet: der Ausdruck ewiger Annäherung des Menschen an seine Idee, seine angeborene Verpflichtung auf Anstand vor Gott auf Vernunft, Wahrheit, und Recht: Ausdruck seines Dranges nach Vollkommenheit, dessen heiterstes und strengstes Symbol allerdings die künstlerische Bemühung ist.“47
Die deutsche Kultur wurde in Thomas Manns Augen geprägt von erfolgreichen deutschen Künstlern und Denkern. Nicht selten verwendet er in seinen Artikeln zur Beschreibung von Deutschland die Phrase „Deutschland - das Land der Dichter und Denker“48. Dazu gehörten für ihn vor allem Goethe, Schiller, Schopenhauer, Nietzsche und Wagner − von ihnen „gingen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Impulse für die Idee einer deutschen Kultur aus“.49 Weimar hat in Thomas Manns Kulturgeschichte eine große Bedeutung und „galt als der Inbegriff deutschen Geistes und deutscher Bildung - einer Bildung, die freilich humanistisch sein wollte.“50
Vor allem Goethe zitierte der Schriftsteller immer wieder in seinen Artikeln und Romanen, um seine Ansichten über Kultur zu unterstreichen.51 Sein Vorbild Goethe „blieb die bestimmende Orientierungsfigur, die eine deutsche Kultur mit Tiefe, aber ohne barbarischen Exzess verbürgte“.52
Der Schriftsteller bezeichnete auch die deutsche Sprache als ein Aushängeschild der deutschen Kultur.
„Die deutsche Sprache ist die Trägerin und Vermittlerin grosser und keiner Zukunft entbehrlicher Traditionswerte, ein herrliches Instrument, eine Orgel, auf der einige der reichsten Fugen und emportragensten Melodien der Menschheit erklungen sind und auch in der Wirrnis dieser Zeit fortfahren zu erklingen.“53
Diese sah Thomas Mann durch die Nationalsozialisten gefährdet: Er beobachtete eine „Verhunzung der deutschen Sprache“54 und fühlte sich durch seinen Sprachstil, den er in seinen publizistischen Texten verwenden konnte, mit der deutschen Kultur und seiner Heimat verbunden. Für seine Sprachgewandtheit wurde der Schriftsteller weltweit anerkannt und so wurde er auch zum Vertreter der deutschen Sprache und Literatur.
Die deutsche Sprache und die „wahre deutsche Kultur“, alles was Deutschland einst ausmachte, befand sich also in den emigrierten Bewahrern der wertvollen deutschen Traditionen und nicht mehr in Deutschland. Mit dieser Überzeugung schließt Thomas Mann im Jahr 1939 seine Rede auf dem Deutschen Tag in New York ab:
„Wir sprechen dem Reiche des Hitler das Deutschtum ab. Wir setzen ihm unseren deutschen Glauben an Kultur und Menschlichkeit entgegen, nicht ohne Hoffnung, dass wir ihn eines Tages auch im deutschen Land wieder bekennen dürfen!“55
3.3 HEINRICH MANN UND SEIN POLITISCHES ENGAGEMENT
„Eine endgültige Tatsache ist unser sittliches Bewußtsein, das wir in Jahrtausenden nicht umsonst erworben haben: wir sollen Ereignisse, die des Menschen unwürdig sind, bekämpfen, bis menschenwürdige eintreten.“56
Während sein Bruder zum Repräsentanten der deutschen Kultur wurde, entwickelte Heinrich Mann sich zum Vorreiter der Emigration und zum Antifaschisten. Ihm war zu Beginn des Exils vor allem wichtig, die Emigranten zu organisieren und ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen: „Die Emigration zwingt zur Gemeinschaft. Der Einzelne ist nicht zuerst Marxist, Jude, Hand-oder Kopfarbeiter: vor allem ist er Emigrant.“57 So forderte er die Emigranten zur finanziellen Versorgung ihrer Kollegen und zum gegenseitigen Schutz vor Nationalsozialisten auf, und vor allem sollten sie die Öffentlichkeit über die Zustände in Deutschland informieren.58
„Die Emigration allein darf Tatsachen und Zusammenhänge aussprechen. Sie ist die Stimme ihres stumm gewordenen Volkes, sie sollten es sein vor aller Welt. […] Die Emigration wird darauf bestehen, daß mit ihr die größten Deutschen waren und sind, und das heißt zugleich: das beste Deutschland.“59
Heinrich Mann bemühte sich, dem selbst gesetzten Ziel, das Sprachrohr des „stumm gewordenen Volkes“ zu sein, gerecht zu werden. In der Exilpresse erschienen etwa 330 Aufsätze, Aufrufe und Vorworte60 Heinrich Manns, mit welchen er versuchte, die Haltlosigkeiten und Lügen des faschistischen Regimes herauszustellen. Mit seinen Essays entscheidet er sich zum politischen Engagement und stellt sein Verhältnis zur politischen Öffentlichkeit dar.
Nicht nur die Exilpresse wurde zur Waffe für seinen Kampf gegen den Nationalsozialismus, Heinrich Mann übernahm auch wichtige Ämter im literarischen und politischen Bereich. Er wurde bereits im Oktober 1933 zum Ehrenvorsitzenden des in Paris gegründeten Schutzverbandes deutscher Schriftsteller berufen, ein „Kampfverband“61, der sich die Förderung der gegenseitigen Unterstützung der Schriftsteller, die Organisation von Zusammenkünften, propagandistische Aufklärungsarbeit, Papierbeschaffung und vieles mehr zur Aufgabe machte.
Der Verband wurde zu einem Kraftzentrum der deutschen Emigration und zu einer „Stelle des Zusammenfindens und Zusammenhaltens“62. Über 150 Veranstaltungen führte der Schutzverband deutscher Schriftsteller durch und versuchte die Öffentlichkeit außerdem durch die Publikationen „Der Schriftsteller“ (1934) und „Der deutsche Schriftsteller“ anzusprechen (1937/39 vor allem das deutsche Volk wollte er durch illegale Verbreitung erreichen.63
[...]
1 Mann, Thomas: Eine Botschaft an das Deutsche Volk, in: Das freie Wort, Dezember 1942. S. 1.
2 Brief von Heinrich Mann an seinen Bruder, in: Wysling, Hans (Hrsg.): Thomas Mann/Heinrich Mann. Briefwechsel von 1900 bis 1949, Frankfurt am Main 1975, S. 15.
3 Mann, Heinrich: Die grössere Macht, in: Pariser Tageblatt, 1938, 6. November 1938, S. 1.
4 Ebd.
5 Mann, Thomas: Deutsche Hörer!, Rede 15.10.1942, S. 80.
6 Mann, Thomas: Eine Botschaft an das Deutsche Volk, in: Das freie Wort, Dezember 1942, S. 1.
7 Brief von Thomas Mann an seinen Bruder, in: Wysling, Hans (Hrsg.): Thomas Mann/Heinrich Mann, S. 182.
8 Vgl. Berglund, Gisela: Deutsche Opposition gegen Hitler in Presse und Roman des Exils. Eine Darstellung und ein Vergleich mit der historischen Wirklichkeit. Stockholm, 1972, S. 72.
9 Mann, Thomas: Wo ist das wahre Deutschtum? in: Pariser Tageszeitung, Jg. 3, 1938, Nr. 872 (21.12.1938),A S. 1.
10 Diekmann, Helmut: "Erdbebenjahre": Von der Volksfrontpolitik bis zum finnisch-sowjetischen
Winterkrieg. Aspekte der späten dreißiger Jahre im Spiegel der deutschen Exilpresse und Exilliteratur. Stockholm 1994, S. 1.
11 Vgl. Hamilton, Nigel: The Brothers Mann. The lives of Heinrich and Thomas Mann 1871−1950 and 1875−1955. London 1978, S. 79f.
12 Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil. Thomas Manns Radioansprachen für deutsche Hörer 1940 bis 1945, Konstanz 2001, S. 13.
13 Der Essay wurde im Jahr 1915 in René Schickeles „Die Weissen Blätter“ publiziert (vgl. Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 169).
14 Heinrich Mann: Zola, in: Macht und Mensch. Essays Studienausgabe in Einzelbänden, Frankfurt am Main 1989, S. 112f.
15 Ebd.
16 Mann, Thomas: Betrachtungen eines Unpolitischen, zitiert nach: Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 19.
17 Mann, Thomas: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Bd. 7, S. 9.
18 Wysling, Hans (Hrsg.): Thomas Mann/Heinrich Mann, S. 15.
19 Mann, Thomas: Kultur und Politik, in: Sonntags-Beilage der National-Zeitung Basel, den 23. Juli 1939.
20 Die Vossische Zeitung und die Frankfurter Zeitung erkannten die Wichtigkeit seiner republikanischen Rede und veröffentlichten diese unter dem Titel „Spirit and Being of the German Republic“ (vgl. Hamilton, Nigel: The Brothers Mann, S. 206f.).
21 Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 26.
22 Mann, Thomas: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Bd. 11, zitiert nach: Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 24.
23 Mann, Thomas: Deutsche Ansprache, zitiert nach: Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 31.
24 Wysling, Hans (Hrsg.): Thomas Mann/Heinrich Mann, S. 210.
25 Mann, Heinrich: Bekenntnis zum Übernationalen, zitiert nach: Dittberner, Hugo: Heinrich Mann. Eine kritische Einführung in die Forschung, Frankfurt am Main 1974, S. 43.
26 Vgl. ebd., S. 274.
27 Mann, Thomas: „Wohin habt ihr Deutschland gebracht?“, in: Pariser Tageszeitung, Jg. 2. 1937, Nr. 221 (18.01.1937), S. 1 und in: Kunst und Wissen, 1943, Nr. 5, Mai, S. 11.
28 Mann, Erika (Hrsg.): Thomas Mann. Briefe 1937 - 1947, Frankfurt am Main 1979, S. 329.
29 Heinrich und Thomas Mann waren schon zu Zeiten der Weimarer Republik zum „kulturellen Aushängeschild“ geworden. Thomas Mann, international berühmt, verkaufte auch außerhalb des
deutschsprachigen Raumes seine Werke und musste sich nicht um seine finanzielle Existenz sorgen (vgl. Kurze, Hermann: Thomas Mann. Epoche - Werk - Wirkung, München 1985, S. 215).
30 Heinrich Mann erhielt im Jahr 1935 die Staatsbürgerschaft der Tschechoslowakei. Er war dort ein anerkannter antifaschistischer Schriftsteller und ihn als Bürger ihres Landes bezeichnen zu können, war für viele Gemeinden in der Tschechoslowakei eine Ehre. Diese Ehre sollte auch Thomas zuteilwerden, als ihm drei Jahre später seine Staatsbürgerschaft entzogen wurde.
31 Mann, Thomas: „Wohin habt ihr Deutschland gebracht?“, in: Pariser Tageszeitung, Jg. 2. 1937, Nr. 221 (18.01.1937), S. 1.
32 Hamilton, Nigel: The Brothers Mann, S. 298.
33 Brief von Thomas Mann an die „Neue Zürcher Zeitung“ (3.2.1936), abgedruckt in: Mann, Erika (Hrsg.): Thomas Mann. Briefe 1889−1936. Bd. 1. Frankfurt am Main 1961, S. 413.
34 Erika und Klaus Mann waren bereits 1934 ausgebürgert worden.
35 Weidenhaupt, Heike: Gegenpropaganda aus dem Exil, S. 37.
36 Mann, Thomas: Antwort auf meine Ausbürgerung, in: Kunst und Wissen, 1943, Nr. 5 (Mai), S. 11; Briefwechsel mit Bonn, in: Gesammelte Werke in dreizehn Bänden, Bd. 13, S. 787.
37 Diekmann, Helmut: Erdbebenjahre, S. 56.
38 Heinrich Mann berichtet in seinem Werk „Ein Zeitalter wird besichtigt“: „Als mein Bruder nach den Vereinigten Staaten übersiedelt war, erklärte er schlicht und recht: ‚Wo ich bin, ist die deutsche Kultur‘.“ In: Wysling, Hans (Hrsg.): Thomas Mann/Heinrich Mann, S. 226.
39 De Mendelssohn, Peter, und Jens Inge (Hrsg.): Thomas Mann. Tagebücher 1933 - 1934, Frankfurt am Main 1977. S. 83f.
40 Vgl. Inge, Jens: Dichter zwischen links und rechts, München 1971, S. 181f.
41 Darunter auch Heinrich Mann, der sich zuvor als Präsident leidenschaftlich für die Akademie engagiert hatte. Thomas Mann gab daraufhin seinen Austritt aus der Akademie bekannt.
42 Vgl. Gut, Philipp: Thomas Manns Idee einer deutschen Kultur, Frankfurt am Main 2009, S. 221.
43 Mann, Thomas: Kultur und Politik, in: National-Zeitung, Jg. 20, 23.7.1939, Nummer 334.
44 Mann, Thomas: Freiheit und Geist sind Ein und Dasselbe, in: Der deutsche Schriftsteller, 1938, Heft 11 (November 1938), S. 3.
45 Vgl. ebd.
46 Ebd.
47 Mann, Thomas: „Wir sprechen dem Reiche des Hitler das Deutschtum ab“!, in: Argentinisches Tageblatt, 8. Januar 1939.
48 Vgl. ebd.
49 Gut, Philipp: Thomas Manns Idee einer deutschen Kultur, S. 33.
50 Ebd., S. 257.
51 Goethe wurde auch zum Gegenstand seines Romans „Lotte in Weimar“, in welchem Thomas Mann versuchte, die deutsche Tradition vor der Barbarei der Nazis zu bewahren und ihr Weiterleben zu ermöglichen.
52 Ebd.
53 Mann, Thomas: An die Deutschlehrer Amerikas, in: Aufbau, Jg. 7, 18.04.1941, S. 7.
54 Mann, Thomas: Deutsche Hörer, Rede 18. Februar 1944, S. 121.
55 Mann, Thomas: „Wir sprechen dem Reiche des Hitler das Deutschtum ab“!, in: Argentinisches Tageblatt, 8. Januar 1939.
56 Mann, Heinrich: Mut, zitiert nach: Dittberner, Hugo: Heinrich Mann, S. 171.
57 Mann, Heinrich: Schule der Emigration, zitiert nach: Köpke, Wulf: Der Sinn dieser Emigration. Heinrich Manns Engagement für die Solidarität des Exils, S. 168, in: Koopmann, Helmut und Peter-Paul Schneider (Hrsg.): Heinrich Mann Jahrbuch 3/1985. Sein Werk im Exil. Referate des III. internationalen HeinrichMann-Symposiums, Lübeck 1986.
58 Winkler, Lutz (Hrsg.): Antifaschistische Literatur. Programme, Autoren, Werke, Bd. 1, Kronberg 1977, S. 62.
59 Mann, Heinrich: Aufgaben der Emigration, in: Herden, Werner (Hrsg.): Verteidigung der Kultur. Antifaschistische Streitschriften und Essays. Berlin und Weimar 1973, S. 15f.
60 Winkler, Lutz (Hrsg.): Antifaschistische Literatur, S. 62.
61 Pawek, Karl: Heinrich Manns Kampf gegen den Faschismus im französischen Exil 1933 - 1940, Hamburg 1972, S. 38.
62 Ebd.
63 Vgl. Maas, Lieselotte: Handbuch der deutschen Exilpresse 1933−1945. Bd. 1, Eberhard Lämmert (Hrsg.),München/Wien 1976, S. 482.
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