Immer wieder wird die Verringerung der Arbeitszeit als Königsweg bei der Sicherung von Arbeitsplätzen und bei der Reduktion von Arbeitslosigkeit angesehen. Und so sind auch tarifliche Abkommen, wie sie zum Beispiel bei der Volkswagen AG getroffen wurden, und wie dies durch Entwicklungstendenzen des "Bündnis für Arbeit" in bestimmten Punkten bestätigt wurde, als neuer Teil der arbeitspolitischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Nach Markus Promberger stellen sie mitunter die "einzige unmittelbar arbeitsplatzsichernde Form solcher Bündnisse" dar. Er geht sogar soweit, den Modellen von Volkswagen, der metalverarbeitenden Industrie oder der Ruhrkohle AG Pioniercharakter zuzuschreiben.
Allerdings darf nicht vergessen werden, daß arbeitsplatzsichernde Modelle immer in eine soziale Umwelt eingegliedert sind und das somit auch immer eine Wirkung auf eben diese Umwelt, die meist nicht intendiert ist, vorliegt.
Im der vorliegenden Arbeit soll deshalb dieses Phänomen am Beispiel des sogenannten VW-Modells näher beleuchtet werden. Hierzu wird es zunächst notwendig sein, zu klären, was unter arbeitsmarktpolitischen und beschäftigungspolitischen Maßnahmen zu verstehen ist, um dann das VW-Modell als "neuen Typ" von vorangegangen Typen abzugrenzen. Kurz wird am Ende dieses Kapitel dann noch der sogenannte "Tabubruch" des VW-Modells erläutert. Im folgenden Kapitel wird dann auf die beschäftigungssichernde Arbeitszeitverkürzung am Beispiel der Volkswagen AG eingegangen, also auf die sogenannte Vier-Tage-Woche und deren Umsetzung innerhalb der Volkswagen AG. Im vierten Kapitel wird dann näher auf die sozialstrukturellen Konsequenzen der Vier-Tage-Woche eingegangen. Bedingt durch den Umstand, daß dem Einzelnen mehr Zeit, aber weniger Geld zur Verfügung stehen, erscheint es notwendig, aufzuzeigen, wie die Angestellten der Volkswagen AG mit diesen Einkommenseinbußen umgehen. Im folgenden werden dann anhand ausgewählter Beispiele (Familie/Freizeit/Eigenarbeit) der Einfluß der Vier-Tage-Woche auf bestehende soziale und sozialstrukturelle Gefüge vorgestellt. Kapitel 5 bietet dann abschließend eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was versteht man unter arbeitsmarktpolitischen und beschaftigungspolitischen MaBnahmen?
2.1 Beschaftigungssicherung und Arbeitszeitverkurzung
2.2 Neuer Typ beschaftigungssichernder Arbeitszeitverkurzung
2.3 Beschaftigungssicherung als Tabubruch?
3. Beschaftigungssichernde Arbeitszeitverkurzung am Beispiel der Volkswagen AG .
3.1 Die Vier-Tage-Woche bei VW
3.2 Die Umsetzung der 28,8-Stunden-Woche
4. Sozialstrukturelle Konsequenzen des VW-Modells
4.1 Mehr Freizeit - weniger Geld
4.1.1 Umgang mit EinkommenseinbuBen
4.2.1 Die Auswirkungen der 28,8-Stunden-Woche auf die familiale Lebensfuhrung
4.2.2 Auswirkungen der 28,8-Stunden Woche auf die Gestaltung der Freizeit
4.2.3 Zunehmende Eigenarbeit und Schwarzarbeit - eine Folge der 28,8-Stunden- Woche?
5. Zusammenfassung der gewonnen Ergebnisse
6. Literatur:
1. Einleitung
Immer wieder wird die Verringerung der Arbeitszeit als Konigsweg bei der Sicherung von Arbeitsplatzen und bei der Reduktion von Arbeitslosigkeit angesehen. Und so sind auch tarifliche Abkommen, wie sie zum Beispiel bei der Volkswagen AG getroffen wurden, und wie dies durch Entwicklungstendenzen des “Bundnis fur Arbeit” in bestimmten Punkten bestatigt wurde, als neuer Teil der arbeitspolitischen Landschaft nicht mehr wegzudenken. Nach Markus Promberger stellen sie mitunter die “einzige unmittelbar arbeitsplatzsichernde Form solcher Bundnisse” dar. Er geht sogar soweit, den Modellen von Volkswagen, der metalverarbeitenden Industrie oder der Ruhrkohle AG Pioniercharakter zuzuschreiben.[1]
Allerdings darf nicht vergessen werden, daB arbeitsplatzsichernde Modelle immer in eine soziale Umwelt eingegliedert sind und das somit auch immer eine Wirkung auf eben diese Umwelt, die meist nicht intendiert ist, vorliegt.
Im der vorliegenden Arbeit soll deshalb dieses Phanomen am Beispiel des sogenannten VW-Modells naher beleuchtet werden.
Hierzu wird es zunachst notwendig sein, zu klaren, was unter arbeitsmarktpolitischen und beschaftigungspolitischen MaBnahmen zu verstehen ist, um dann das VW-Modell als “neuen Typ” von vorangegangen Typen abzugrenzen. Kurz wird am Ende dieses Kapitel dann noch der sogenannte “Tabubruch” des VW-Modells erlautert.
Im folgenden Kapitel wird dann auf die beschaftigungssichernde Arbeitszeitverkurzung am Beispiel der Volkswagen AG eingegangen, also auf die sogenannte Vier-Tage- Woche und deren Umsetzung innerhalb der Volkswagen AG.
Im vierten Kapitel wird dann naher auf die sozialstrukturellen Konsequenzen der Vier- Tage-Woche eingegangen. Bedingt durch den Umstand, daB dem Einzelnen mehr Zeit, aber weniger Geld zur Verfugung stehen, erscheint es notwendig, aufzuzeigen, wie die Angestellten der Volkswagen AG mit diesen EinkommenseinbuBen umgehen. Im folgenden werden dann anhand ausgewahlter Beispiele (Familie/Freizeit/Eigenarbeit) der EinfluB der Vier-Tage-Woche auf bestehende soziale und sozialstrukturelle Gefuge vorgestellt.
Kapitel 5 bietet dann abschlieBend eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
2. Was versteht man unter arbeitsmarktpolitischen und beschaftigungspolitischen MaBnahmen?
,Arbeitszeitpolitik ist Bestandteil aktiver Beschaftigungspolitik (...) Wenn erforderlich arbeiten alle etwas weniger, damit alle wieder arbeiten konnen, die wollen."[2]
Beschaftigungs- und Arbeitsmarktpolitik werden mittlerweile als wichtige Bestandteile der Reform des Arbeitsmarktes angesehen. Zum einen sollen durch sie Arbeitsplatze gesichert werden, zum anderen soll auch das Ziel verfolgt werden, die Lebensqualitat der Arbeiter und Angestellten zu steigern.[3]
Unter Beschaftigungs- und Arbeitsmarktpolitik versteht man im Allgemeinen die Gesamtheit von MaBnahmen staatlicher wie auch anderer Institutionen, welche dazu beitragen, Hohe und Struktur der Beschaftigung in Einklang mit dem Erwerbspersonenpotential zu bringen, vollwertige Beschaftigung der Erwerbstatigen zu sichern sowie regionale und sektorale Beschaftigungsstrukturen zu verbessern.[4] Sehr undifferenziert gestaltet sich allerdings die genaue Grenze zwischen Arbeitsmarkt- und Beschaftigungspolitik, bzw. die Weite/Enge der Definition. Allerdings pladieren aktuell einige Autoren dafur, angesichts momentaner okonomischer Probleme die Bekampfung, bzw. Vermeidung von Arbeitslosigkeit klar in den Mittelpunkt beschaftigungspolitischer MaBnahmen zu stellen.[5]
Eine Abgrenzung gegeneinander kann auch wie folgt vorgenommen werden: Arbeitsmarktpolitik meint zunachst jeden intentionalen Versuch, den Arbeitsmarkt zu beeinflussen, wahrend die Beschaftigungspolitik als Teilbereich der Arbeitsmarktpolitik verstanden werden kann, welche eine absichtliche Beeinflussung des Arbeitsmarktes im Sinne einer positiven Auswirkung auf das Beschaftigungsniveau meint.
Problematisch ist bei dieser Auffassung allerdings der Umstand, was genau unter positiven Auswirkungen zu verstehen ist. So werden z.B. betriebsbedingte
Kundigungen oft auch von der Geschaftsleitung als positiv bewertet, da sie dazu beitragen sollen, Standorte und verbleibende Arbeitsplatze zu sichern.[6] Weiterhin problematisch bleibt die Bewertung von beschaftigungssichernden MaBnahmen, wenn man die tatsachliche Sicherung von Arbeitsplatzen in Betracht zieht, weshalb vor diesem Hintergrund die Einbeziehung dieses Faktors in die Definition der beschaftigungssichernden MaBnahmen mehr als fragwurdig erscheint.[7] Nicht gleichgesetzt werden darf Arbeitszeitpolitik mit Wachstumspolitik. Arbeitszeitpolitische Reformen sind so zu konzipieren, dass sie den
Beschaftigungsaufbau und das gesamtwirtschaftliche Wachstum nicht behindern. Dabei gilt es vier Bedingungen zu erfullen:
- Arbeitszeitpolitische Regelungen durfen die Investitionstatigkeit in den Unternehmen nicht negativ beeinflussen. Sie sind kostenneutral auszugestalten. Auch eine Verringerung der Betriebsnutzungszeiten ist auszuschlieBen.
- Bei arbeitszeitpolitischen Veranderungen mussen qualifikationsbedingte Engpasse auf der Seite des Arbeitsangebots vermieden werden. Hierzu sind auch ausreichende Planungszeitraume zu sichern und QualifizierungsmaBnahmen durchzufuhren. Daruber hinaus sollten Arbeitszeitregelungen reversibel gehandhabt werden konnen.
- Arbeitszeitpolitische Regelungen durfen die Konsumnachfrage nicht negativ beeinflussen. Dabei ist zu berucksichtigen, dass auch positive Beschaftigungswirkungen den privaten Verbrauch anregen wurden.
- Langfristige Effekte auf die Lohnentwicklung sind zu vermeiden. Dies bedeutet, dass arbeitszeitpolitische MaBnahmen mit den Zeitpraferenzen der Arbeitnehmer sowie den betrieblichen Erfordernissen in Einklang gebracht werden sollten. Ansonsten kommt es zu unerwunschten Ausweichreaktionen (z.B. Uberstunden oder Lohndruck). Verschiedene Untersuchungen gehen von kurzfristig positiven Beschaftigungswirkungen, aber auch von Produktivitatseffekten im Gefolge von Arbeitszeitverkurzungen aus. Durch veranderte Angebots-Nachfrage-Relationen am Arbeitsmarkt kann es zu steigendem Lohndruck kommen. Dem konnte durch eine mittelfristige Lohnpolitik im Rahmen etwa eines Bundnisses fur Arbeit begegnet werden.[8]
Allgemeiner definiert Markus Promberger Beschaftigungspolitik “als Arbeitsmarktpolitik, die die Sicherung oder Erhohung der Beschaftigung zum Ziel hat.”[9]
Eine passende Unterscheidungsdimension sieht Promberger in der Handlungsebene bzw. Akteurskonstellation, da es sich hier um Beschaftigungspolitik auf der tariflichen bzw. der unternehmerischen Ebene handelt, im Gegensatz zum klassischen Verstandnis von Beschaftigungspolitik, welches Beschaftigungspolitik im Bereich der staatlichen Institutionen bzw. der klassischen Wohlfahrtsverbande ansiedelt.
Eine besondere Rolle fallt in der aktuellen Debatte vor allem den Unternehmen und Betrieben zu, da deren Bedeutung als beschaftigungspolitischen Akteure immer weiter zunimmt.[10]
Beschaftigungspolitik auf der Unternehmensebene umfaBt demnach nach dem aktuellen Stand der Literatur folgenden MaBnahmenkatalog:
- langfristig geplanter, bestandsorientierter Personalbedarf, Personalentwicklung und Personaleinsatz
- Personalanpassung zum Erhalt und Ausbau von Beschaftigung
- Arbeitserhaltende und arbeitsschaffende Stabilisierung der Beschaftigung
- die Verringerung oder die Umverteilung von Arbeitszeiten zu Gunsten einer beschaftigungsorientierten betrieblichen Arbeitspolitik
- Implementation tariflicher Vorgaben im Betrieb
- Verzogerung bzw. der ganzliche Verzicht von Personalabbau
- Forderung von betrieblicher Aus- und Weiterbildung
- Standortsicherung uber entsprechende Abkommen (entsprechend hier Rucknahme ubertariflicher Sonderzahlungen unter Bezugnahme auf eine wirtschaftlich schlechte Gesamtsituation)
- Verhandlungen uber die Senkung von Personalkosten
Gerade Standortsicherungabkommen erlebten mit der Rezession von 1993/94 einen wahren “Boom”, bestehend aus einem Paket aus vermindertem Einkommen, veranderten Arbeitszeiten und Beschaftigungsgarantien.
Bei naherer Betrachtung kann auch festgehalten werden, das die Betriebe und Unternehmer als Akteure in aller Regel binnenorientiert handeln, was bedeutet das sie in die betriebsinterne Beschaftigungssituation eingreifen, um sie gemaB neuer Erfordernisse zu gestalten. Des weiteren gestaltet sich Beschaftigungspolitik auf Betriebs- und Unternehmensebene immer als gemischt-motivierte Handlungskonstellation, in welcher der Erhalt oder Ausbau des Beschaftigungsvolumens mit betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen in Einklang zu bringen ist.10[11]
AuBenwirkungen betrieblicher beschaftigungssichernder MaBnahmen, wie etwa die Entlastung des lokalen externen Arbeitsmarktes durch Neueinstellungen, oder die Ubernahme von Auszubildenden, sind nicht intendiert und zunachst nur positives Beiprodukt, auch wenn aktuell zu beobachten ist, daB die AuBenbindung der Beschaftigungspolitik von Unternehmen durchaus zunimmt (Beteiligung an Arbeitskraftepools, Uberlassung von Arbeitnehmern an andere Betriebe, gemeinsame Entwicklungsabteilungen mit anderen Betrieben). Insgesamt spricht man heute von einer Verbetrieblichung beschaftigungssichernder MaBnahmen, wobei es vor allem um die Umverteilung, Verkurzung oder aber eventuell auch um die Verlangerung von Arbeit geht.[12]
2.1 Beschaftigungssicherung und Arbeitszeitverkurzung
Weitestgehend wird die Verkurzung der Arbeitszeit als das effektivste Instrument bei der Sicherung vorhandener Stellen und bei der Bekampfung von Arbeitslosigkeit angesehen.[13]
Arbeitszeitverkurzung kann auf zweierlei Art und Weise umgesetzt werden: einmal durch die Verkurzung der Lange der Lebensarbeitszeit sowie durch die Verkurzung der Lange der individuellen Arbeitszeit pro Tag, Woche, Monat oder Jahr.
Als tarifpolitisches Hauptinstrument hat sich allerdings durch alle Wirtschaftsbereiche hindurch die Verkurzung der individuellen Wochenarbeitszeit etabliert.[14]
2.2 Neuer Typ beschaftigungssichernder Arbeitszeitverkurzung
Zu beschaftigungssichernden Arbeitszeitverkurzungen kam es vor allem in den Bereichen, in denen akute Konjunjturprobleme auf die bereits schon langer bestehenden strukturelle Schieflagen trafen, so etwa im Steinkohlebergbau, bei der Volkswagen AG oder im Bereich der metallverarbeitenden Industrie.[15]
Typisch fur den neuen Typ beschaftigungssichernder Arbeitszeitverkurzung ist, das die beschaftigungssichernde Intention der MaBnahmen absolut im Mittelpunkt des Programms steht und durch kollektive Arbeitszeitverkurzungen umgesetzt wird..
Einen ersten Hohepunkt erlebten diese kollektiven Arbeitszeitverkurzungen in Deutschland erstmals mit der Rezession der Jahre 1993/94.
Der wesentliche Unterschied zu Vorgangerprogrammen liegt vor allem darin, das der Anspruch erhoben wird, ausschlieBlich der Beschaftigungs- und Standortsicherung aus arbeitsmarktpolitischer und okonomischer Perspektive zu dienen.
Weitaus hoher liegt bei dem neuen Typ die Verkurzung der Wochenarbeitszeit, von in der Regel 6% bis 20%, wahrend im Vergleich bei alteren Ansatzen lediglich eine Senkung der Wochenarbeitszeit um etwa 3% erreicht wurde.
Weiterhin zeichnen sich Arbeitszeitverkurzungen neuen Typs dadurch aus, daB es nur noch einen partiellen Lohnausgleich oder gar keinen Lohnausgleich gibt, dabei allerdings auf betriebsbedingte Kundigungen verzichtet wird. Altere Modelle haben sich immer dadurch ausgezeichnet, zumindest einen nominalen vollen Lohnausgleich bereit zu stellen, d. h. das Bruttoeinkommen der Beschaftigten bleibt konstant unter Nichtberucksichtigung der Inflation. Dies bedeutet aber, daB Lohne auf Grund von Inflation trotzdem sinken konnen, wie zum Beispiel in den 80er Jahren geschehen. Dabei sind aktuelle Vereinbarungen allerdings lediglich als Instrument zur Bewaltigung eines Ausnahmezustands konzipiert, daB Auslaufen des Programms sieht eine Ruckkehr zum arbeitszeitpolitischen Normalzustand vor.[16]
2.3 Beschaftigungssicherung als Tabubruch?
Neuere beschaftigungssichernde MaBnahmen stellen einen Tabubruch in zweierlei Hinsicht dar: zum einen verzichten hier die Gewerkschaften erstmals auf den vollen Ausgleich des Nominallohns, zum anderen wird dafur auf Unternehmerseite das Recht Entlassungen betreffend ein Stuck weit aufgeweicht. Genauso wie hier sowohl von Unternehmerseite wie auch von Gewerkschaftsseite ein “Tabubruch” begangen wurde, wurde die angewendeten Modelle auch von beiden Seiten heftigst kritisiert.
Das Unternehmerlager ubte Praventivkritik fur folgende Modelle in dieser Richtung, die Gewerkschaftsseite kritisierte etwa die Modelle der Volkswagen AG und der Ruhrkohle AG als zu unternehmerfreundlich.[17]
3. Beschaftigungssichernde Arbeitszeitverkurzung am Beispiel der Volkswagen AG
“DaB die Idee einer radikalen Arbeitszeitverkurzung im einstigen Staatskonzern Volkswagen entstanden ist, war kein Zufall: Der Durchschnittslohn liegt um rund 1000 Mark hoher als im Mittel der Metallindustrie. Unter 30 Stunden zu arbeiten und dabei auch leichte Einkommenskurzungen in Kauf zu nehmen, konnten sich bei VW mehr Arbeitnehmer erlauben als anderswo.”[18]
Zunachst kann angemerkt werden, das beschaftigungssichernde kollektive Arbeitszeitverkurzungen in vier verschiedenen Varianten angetroffen werden konnen:
- als tarifvertragsahnliche Absprachen
- als Firmentarifvertrage mit zwingendem Charakter fur alle Einzelbetriebe
- als sektorale Vereinbarungen mit optionalem Charakter
- als Betriebsvereinbarungen
Mit den meisten Schlagzeilen und am medientrachtigsten wurden diese Aspekte im Jahr 1993 von der Volkswagen AG umgesetzt.[19]
Zunachst wurde das VW-Modell im Rahmen eines Firmentarifvertrages eingefuhrt, um dann spater im Jahr 1994 in den Vereinbarungen eines Flachentarifvertrages ubernommen zu werden.[20]
3.1 Die Vier-Tage-Woche bei VW
Wie bereits erwahnt zahlt die Vier-Tage-Woche der Volkswagen AG zu den prominentesten Beispielen beschaftigungssichernder Arbeitszeitverkurzungen, auch als “Vereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschaftigung” bekannt geworden. Notwendig wurde diese MaBnahme durch Einbruche der Absatzzahlen auf dem europaischen Automobilmarkt, sowie durch geplante bzw. durchgefuhrte RationalisierungsmaBnahmen der Konzernleitung. Trotzdem wurde fur das Jahr 1995 ein Personaluberhang von 30 000 Mitarbeitern prognostiziert, was zur Folge gehabt hatte, daB etwa ein Drittel der Arbeitsplatze in den sechs deutschen Produktionsstandorten gefahrdet gewesen ware.[21]
Von der Konzernfuhrung wurden drei Losungsmoglichkeiten erwogen:
- Paket aus Kurzarbeit, Vorruhestandsregelungen und Aufhebungsvertragen
- Massenentlassungen mit Sozialplan
- Arbeitszeitverkurzungen ohne vollen Lohnausgleich
Die Kurzarbeitslosung kam nicht zur Anwendung, da VW von ihr als Mittel des “weichen” Personalabbaus schon seit mehreren Jahren vermehrt Gebrauch machte und Kurzarbeit per Gesetz nur uber einen bestimmten Zeitraum angewendet werden darf. Unter Einbeziehung dieser Regelung ware die Kurzarbeitsregelung spatestens mit dem Ende des Jahres 1994 fur VW ausgelaufen. Zusatzlich waren, durch betriebliche Zulagen beim Kurzarbeitergeld, fur VW Mehrkosten von 500 Mio. Euro entstanden.[22]
Am Ende hatte die Kurzarbeitsregelung nur eine Verschiebung akuter Probleme in die Zukunft bedeutet.[23]
Massenentlassungen sollten weitestgehend vermieden werden, da diese nicht mit der Unternehmenskultur der Volkswagen AG vereinbar sind, sie sind quasi tabu. Volkswagen ist der groBte Arbeitgeber des Landes Niedersachsen, von einem Arbeitsplatz bei Volkswagen hangen zwei Arbeitsplatze in der Industrie oder im Dienstleistungsgewerbe des Landes Niedersachsen ab. Des weiteren stellt das Land Niedersachsen den groBten Kapitaleigner im Aufsichtsrat, was zum einen dazu fuhrt, daB das Land seine Interessen massiv einbringt, auf der anderen Seite aber auch darum bemuht ist, arbeitsmarktpolitische “Katastrophen” fur die Region zu vermeiden.[24] [25] Weiterhin wurden auch betriebsbedingte Kundigungen deshalb ausgeschlossen, weil der Sozialplan die Volkswagen AG ebenfalls mehrere Milliarden DM gekostet hatte und somit eine hohe Belastung von Liquiditat und Geschaftsergebnis bedeutet hatte. Massenentlassungen hatten weiterhin langwierige Verhandlungen mit dem Betriebsrat erfordert und hatten vor allem Arbeitnehmer mit langjahriger Betriebszugehorigkeit geschutzt, wahrend jungeren Mitarbeiter, welche allerdings oft hoher qualifiziert sind, die Entlassung gedroht hatte. Dies hatte sich weitergehend negativ auf die Belegschaftsstruktur ausgewirkt, weil zum einen eingespielte Arbeitszusammenhange durchbrochen worden waren, zum anderen das Zusammengehorigkeitsgefuhl der Belegschaft untergraben worden ware, was zu einem Klima gegenseitigen MiBtrauens und Konkurrenz hatte fuhren konnen.[26]
So entschied man sich 1993 mit Wirkung zum 1.1.1994 einen Firmentarifvertrag zwischen der Volkswagen AG und der IG Metall in Kraft zu setzen (“Tarifvertrag zur
Sicherung der Standorte und der Beschaftigung”[27] ), welcher die regelmaBige Arbeitszeit von 36 Stunden bis auf 28,8 Stunden verkurzte.[28]
[...]
[1] Promberger 2002: 9
[2] Farthmann 1983
[3] http://www.bda- online.de/www/bdaonline.nsf/0/abfd0e31e97b36d8c12568f9004f243b/$FILE/Arbeitszeitpolitik- Benchmarking-Bericht.doc (01.03.2003, 00.17)
[4] Promberger, 2002: 72
[5] ebd: 73
[6] ebd: 74ff
[7] ebd: 75
[8] http://www.bda- online.de/www/bdaonline.nsf/0/abfd0e31e97b36d8c12568f9004f243b/$FILE/Arbeitszeitpolitik- Benchmarking-Bericht.doc. (01.03.2003, 00.17)
[9] Promberger 2002: 76
[10] ebd: 76 ff
[11] ebd: 79 ff
[12] ebd: 80 ff
[13] http://www.vwl.uni-mannheim.de/institut/papers/599a.pdf (01.03.2003, 14.15)
[14] Promberger 2002: 82
[15] ebd: 91
[16] ebd: 87 ff
[17] ebd: 88
[18] http://www.box6.boeckler-boxen.de/praxis/prax.betrieb/art.9/ (02.03.2003, 01.05)
[19] http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
[20] Promberger 2002: 91 und http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
[21] http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
[22] Promberger 2002: 103
[23] http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
[24] Promberger 2002: 103
[25] http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
[26] Promberger 2002: 104
[27] Nach Meinung einiger Autoren ist die Bezeichnung “Tarifvertrag zur Sicherung der Standorte und der Beschaftigung jedoch irrefuhrend, da er zwar betriebsbedingte Kundigungen umgeht, jedoch von vorneherein einen sozialvertraglichen Sozialabbau gewahrleistet und dadurch eher als “Sozialvertragliches Rationalisierungs-Schutzabkommen zu interpretieren sei. Vgl: http://edok01 .tib.uni- hannover.de/edoks/e002/307041794.pdf (02.03.2003, 00.10): S.89
[28] http://www.zwe.uni-bremen.de/data/arbeit.html#zeit (02.03.2003, 00.17)
- Arbeit zitieren
- Heiko Wallauer (Autor:in), 2003, Das VW-Modell als Beispiel beschäftigungssichernder Arbeitszeitverkürzung: Wie wurde es umgesetzt und welche sozialstrukturellen Konsequenzen ergaben sich daraus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18260
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