Federico Fellinis Achteinhalb ist ein Film, dessen Analyse nicht nur für den
Zuschauer, sondern auch für Kritiker und Filmanalytiker eine Herausforderung
darstellt. Fellini reiht in seinem Film nicht nur Sachmitteilungen hintereinander,
sondern beschreibt die Handlung mit vielen Metaphern in fast literarischer
Form.1 Dementsprechend finden wir in seinem Film „Achteinhalb“ sehr oft
symbolische Motive wieder, die in einer Objektanalyse näher betrachtet werden
sollten.
Achteinhalb beschreibt die Schaffenskrise des Filmregisseurs Guido Anselmi
(Marcello Mastroianni), die sich auch auf dessen privates Leben auswirkt und
sich zu einer Lebenskrise ausweitet. Für seinen neuesten Film, dessen
Produktionsvorbereitungen bereits auf Hochtouren laufen, fehlen Guido Ideen
und Konzepte. Er belügt alle Mitwirkenden am Film, denen er suggeriert, volle
Kontrolle zu haben, und belügt und betrügt gleichzeitig auch seine Frau. Da er
glaubt, physisch krank zu sein, geht er in das Sanatorium eines Kurorts, wo er
sich immer wieder in Phantasien und Träume, zum Teil in Erinnerungen
frühester Kindheit flüchtet.
Die Handlung ist ausschließlich aufgebaut auf der Beschreibung des
Protagonisten Guido Anselmi. Alle Auseinandersetzungen des Films haben in
seiner Person ihren Bezugspunkt. Die Wichtigkeit seines Charakters wird auch
durch die sehr subjektivistische Kameraführung unterstützt. (Wehende Tücher
nehmen nicht nur dem Protagonisten, sondern auch der Kamera und somit dem
Zuschauer die Sicht.) Auf der Darstellung von Guidos Beziehungen zu den ihn
umgebenden Personen und seines seelischen Zustands stützen sich alle
Handlungselemente. [...]
1 Vgl.: Schleicher, Harald: Filmreflexionen: Autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc
Godard und Federico Fellini, Tübingen 1991, S. 132.
Inhalt
1. Einleitung
2. Guidos Situation
3. Die Frauen in Achteinhalb
4. Guidos Kindheit
5. Die symbolischen Motive
6. Fazit
1. Einleitunq
Federico Fellinis Achteinhalb ist ein Film, dessen Analyse nicht nur fur den Zuschauer, sondern auch fur Kritiker und Filmanalytiker eine Herausforderung darstellt. Fellini reiht in seinem Film nicht nur Sachmitteilungen hintereinander, sondern beschreibt die Handlung mit vielen Metaphern in fast literarischer Form.[1] Dementsprechend finden wir in seinem Film „Achteinhalb" sehr oft symbolische Motive wieder, die in einer Objektanalyse naher betrachtet werden sollten.
Achteinhalb beschreibt die Schaffenskrise des Filmregisseurs Guido Anselmi (Marcello Mastroianni), die sich auch auf dessen privates Leben auswirkt und sich zu einer Lebenskrise ausweitet. Fur seinen neuesten Film, dessen Produktionsvorbereitungen bereits auf Hochtouren laufen, fehlen Guido Ideen und Konzepte. Er belugt alle Mitwirkenden am Film, denen er suggeriert, volle Kontrolle zu haben, und belugt und betrugt gleichzeitig auch seine Frau. Da er glaubt, physisch krank zu sein, geht er in das Sanatorium eines Kurorts, wo er sich immer wieder in Phantasien und Traume, zum Teil in Erinnerungen fruhester Kindheit fluchtet.
Die Handlung ist ausschlieGlich aufgebaut auf der Beschreibung des Protagonisten Guido Anselmi. Alle Auseinandersetzungen des Films haben in seiner Person ihren Bezugspunkt. Die Wichtigkeit seines Charakters wird auch durch die sehr subjektivistische Kamerafuhrung unterstutzt. (Wehende Tucher nehmen nicht nur dem Protagonisten, sondern auch der Kamera und somit dem Zuschauer die Sicht.) Auf der Darstellung von Guidos Beziehungen zu den ihn umgebenden Personen und seines seelischen Zustands stutzen sich alle Handlungselemente. Daher ist weder eine Analyse des Films noch eine Beschreibung Guidos moglich, ohne auch dessen Psyche zu analysieren, einen
Umstand den Fellini unter anderem durch Beschreibungen fruhester Kindheitserfahrungen in Ruckblenden sowie Traume und Phantasien Guidos unterstutzt.
„In 8 1/2ist die Darstellung der seelischen Bedrangnis des Protagonisten Guido aufs engste mit der Reflexion uber das Medium Film verwoben.“[2]
Der Alptraum Guidos, mit dem der Film beginnt, ist die Darstellung seiner Schaffenskrise und konfrontiert den Zuschauer sogleich mit dem Ausgangsproblem: Was tun, wenn die Quelle der Kreativitat zu versiegen droht? Sie erlaubt einen ersten Einblick in die Innenwelt des Helden und zeigt gleichzeitig seinen groGten Konflikt auf: „Ich habe nichts zu sagen und doch will ich etwas sagen. [3] Von Anfang an wird deutlich, dass die Analyse des Films, der zahlreiche Hinweise darauf enthalt, dass Fellini in seinem Film auch autobiografische Elemente verarbeitet, auch eine Analyse der Psyche des Protagonisten sein muss, in dessen Figur alle Konflikte zusammenlaufen und auf dessen Seelenzustand, die symbolischen Motive in Achteinhalb anzuwenden sind. Die folgende Objektanalyse wird sich auf diesen Aspekt konzentrieren.
2. Guidos Situation
Der Film beginnt mit einer Traumsequenz, die analysiert werden sollte, zumal Fellini selbst sagte, dass der Schussel zu Achteinhalb gleich am Anfang zu finden sei. In seinem Traum glaubt Guido ersticken zu mussen. Er will weg fliegen, sieht in der Entfernung das Skellet eines undefinierbaren turmartigen Bauwerks (, bei dem es sich, wie der Zuschauer spater erfahrt, um eine fur Guidos Filmkulisse entworfene Startrampe handelt,) und wird schlieGlich von zwei Mannern zuruckgehalten, die ihn mit einer Schlinge am FuG einfangen. Der Traum hat ihm auf drastische Art seine Situation vor Augen gefuhrt: Nach acht Filmen ist er erschopft und mude, sein neuestes Projekt geht nicht voran, er zweifelt am Sinne seines bisherigen Schaffens, er ist deprimiert. Guido hat sich in eine schier ausweglose Lage hineinmanovriert. Anfangs weicht er noch in Traume und Phantasien aus, wobei ihm die imaginierte Person Claudia hilft und Hoffnung schopfen lasst. Doch spatestens als Claudia, die schlieGlich tatsachlich auftritt, seine Lebenslugen zu kritisieren wagt, ist ihm auch dieser Fluchtweg versperrt und er muss sich der von ihm selbst herbei gefuhrten Situation stellen:
- Guido steckt in einer kreativen Krise, doch die Produktionsvor- bereitungen zu seinem neuen Film sind bereits in vollen Gange.
- Er trifft sich mit einer langjahrigen Geliebten und verleugnet aber der Umwelt gegenuber ihre Existenz.
- Er ruft seine Ehefrau zum Kurort, obwohl ein Zusammentreffen mit der Geliebten unvermeidlich sein wird.
- Er sucht Aufrichtigkeit im Kontakt zu andern Menschen und belugt sie dennoch fortwahrend.
- Er verleugnet die moralische Legitimation und Kompetenz der Kirche und sucht zugleich Rat bei den Kirchenvertretern.
Dass Claudia es ist, die ihn auf den Boden der Tatsachen zuruckholen wurde, wird in einem bildhaften Metapher bereits in der Traumsequenz am Anfang des Films abgedeutet: Einer der Manner, die ihn einfangen, ist Claudias Manager.
Guidos kunstlerische Krise ist nur ein Teil seiner Lebenskrise. Statt lebendiger, befriedigender Beziehungen zu seiner Frau, Freunden und Mitarbeitern hat er sich in ein Lugengerust verstrickt, das keine Spontaneitat mehr zulasst und immer mehr Unaufrichtigkeiten nach sich zieht.[4] Er wahnt sich krank, doch der Arzt kann nur allgemeine Erschopfung feststellen, seine Leiden sind nicht korperlicher, sonder seelischer Natur. Statt sich seinen beruflichen und personlichen Problemen zu stellen, entflieht er in Tagtraume oder aber entzieht sich der Situation auf andere Weise: Er stellt sich schlafend oder versteckt sich hinter einer Zeitung. Das Motiv der Luge lasst den Protagonisten physisch und psychisch zerbrechen, da sein privates und berufliches Leben auf Lügen aufbaut und mehr und mehr dekonstruiert wird.
[...]
[1] Vgl.: Schleicher, Harald: Filmreflexionen: Autothematische Filme von Wim Wenders, Jean-Luc Godard und Federico Fellini, Tubingen 1991, S. 132.
[2] Vgl.: Schneider, Werner: Filmen als authentische Existenzform. Federico Fellinis „8 y>“ als
moralischer Traktat, o.O., o.J., S. 149.
[3] Charakter des Guido in: Federico Fellini: Achteinhalb.
[4] Vgl.: Schneider, S. 140.
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