Ein 21 Quadratkilometer kleiner Flecken Erde mitten im pazifischen Ozean, von schwarzem vulkanischem Staub und Sand bedeckt, südlich der großen japanischen Inseln. Von der Spitze des Vulkans Suribachi aus, sieht man den Rauch unterirdischer Eruptionen aufsteigen, während heiße, übel riechende Schwefelquellen die Luft mit einem beißenden Gestank schwängern. Das ist die Insel Iwo Jima („Schwefelinsel“). Ein amerikanischer Soldat hat seine Eindrücke wie folgt auf den Punkt gebracht:
„That place did not need a war to be hell.“1
Trotzdem sollte das Eiland zum Schauplatz einer der blutigsten Kämpfe des Zweiten Weltkrieges werden. Im Verlauf der im Februar und März 1945 von den Alliierten unter Führung der Amerikaner durchgeführten „Amphibienlandeoperation“, wurden tausende Fotound Filmaufnahmen der Ereignisse gemacht. Doch nur ein bestimmtes Bild, ein Schnappschuss von einer vierhundertstel Sekunde, sollte symbolhaft für die Schlacht und die amerikanische Siegesgewissheit im Krieg in das „kollektive Gedächtnis“ einer Nation eingehen und zum vielleicht meistgedruckten Kriegsfoto überhaupt werden.2
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel die Entstehungsgeschichte dieser Fotografie zu beschreiben. Darüber hinaus soll ihre zentrale Rolle in der US-amerikanischen Erinnerungskultur von 1945 bis ins frühe 21. Jahrhundert hinein dargestellt werden.
Erinnerungskultur soll dabei nach Christoph Cornelißen als „formaler Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse“ verstanden werden.3 Um dies zu erreichen sollen Argumente dafür gefunden werden, dass ein „kollektives Gedächtnis“ existiert. Weiterhin soll die unmittelbare Bedeutung des Fotos für das Jahr 1945 erläutert und die mediale Verarbeitung im 20.- und 21.
Jahrhundert dargestellt werden um daran zu zeigen, dass ein einzelnes Bild sowohl in der Lage ist ein konkretes Ereignis zu repräsentieren als auch Manifestation des Selbstverständnisses großer Teile einer Nation zu sein.
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Hauptteil
I Die Entstehungsgeschichte von „Raising the Flag on Iwo Jima“
1.1 Strategische Bedeutung von Iwo Jima
1.2 Überblick über Schlachtvoraussetzungen und Schlachtverlauf
1.3 Die erste Flagge auf dem Mt. Suribachi
1.4 Rosenthals Schnappschuss
II Die Rezeptionsgeschichte von „Raising the Flag on Iwo Jima“
2.1 Überlegungen zur Existenz eines „kollektiven Gedächtnisses“
2.2 Rezeptionsgeschichte des Fotos im Jahr 1945
2.3 Rezeptionsgeschichte des Fotos nach
2.3.1 Das U.S. Marine Corps War Memorial
2.3.2 Verarbeitung im Film - von John Wayne zu Clint Eastwood
2.3.3 Andere Formen der Verarbeitung
2.3.4 „Raising the Flag on Iwo Jima“ - Eine Fälschung?
2.3.5 Neue Feinde, alte Strategien - von Iwo Jima zu „9/11“
C Schluss
D Anhang
1. Bild- und Quellenanhang zur Hausarbeit
2. Abkürzungsverzeichnis
3. Quellen- und Literaturverzeichnis
Einleitung
Ein 21 Quadratkilometer kleiner Flecken Erde mitten im pazifischen Ozean, von schwarzem vulkanischem Staub und Sand bedeckt, südlich der großen japanischen Inseln. Von der Spitze des Vulkans Suribachi aus, sieht man den Rauch unterirdischer Eruptionen aufsteigen, während heiße, übel riechende Schwefelquellen die Luft mit einem beißenden Gestank schwängern. Das ist die Insel Iwo Jima („Schwefelinsel“). Ein amerikanischer Soldat hat seine Eindrücke wie folgt auf den Punkt gebracht:
„ That place did not need a war to be hell.“1
Trotzdem sollte das Eiland zum Schauplatz einer der blutigsten Kämpfe des Zweiten Weltkrieges werden. Im Verlauf der im Februar und März 1945 von den Alliierten unter Führung der Amerikaner durchgeführten „Amphibienlandeoperation“, wurden tausende Foto- und Filmaufnahmen der Ereignisse gemacht. Doch nur ein bestimmtes Bild, ein Schnappschuss von einer vierhundertstel Sekunde, sollte symbolhaft für die Schlacht und die amerikanische Siegesgewissheit im Krieg in das „kollektive Gedächtnis“ einer Nation eingehen und zum vielleicht meistgedruckten Kriegsfoto überhaupt werden.2
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel die Entstehungsgeschichte dieser Fotografie zu beschreiben. Darüber hinaus soll ihre zentrale Rolle in der US-amerikanischen Erinnerungskultur von 1945 bis ins frühe 21. Jahrhundert hinein dargestellt werden. Erinnerungskultur soll dabei nach Christoph Cornelißen als „formaler Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse“ verstanden werden.3 Um dies zu erreichen sollen Argumente dafür gefunden werden, dass ein „kollektives Gedächtnis“ existiert. Weiterhin soll die unmittelbare Bedeutung des Fotos für das Jahr 1945 erläutert und die mediale Verarbeitung im 20.- und 21. Jahrhundert dargestellt werden um daran zu zeigen, dass ein einzelnes Bild sowohl in der Lage ist ein konkretes Ereignis zu repräsentieren als auch Manifestation des Selbstverständnisses großer Teile einer Nation zu sein.
I Die Entstehungsgeschichte von „Raising the Flag on Iwo Jima“
1.1 Die strategische Bedeutung von Iwo Jima
Im Zusammenhang mit dem Vorrücken der Alliierten auf die japanischen Heimatinseln, wurde Iwo Jima spätestens Ende 1944 ein strategischer Standort von höchster Wichtigkeit für beide Seiten. Die Insel verfügte über zwei fertig gestellte Flugfelder mit Start- und Landebahnen, ein drittes war noch in Bau befindlich.4
Die Alliierten sahen Iwo Jima als entscheidenden Schritt auf dem Weg nach Tokyo an, weil von hier aus Luftunterstützung für die über Japan operierenden Bomberverbände stationiert werden konnte. Außerdem sollte sie als Rettungsinsel für beschädigte Bomber dienen, die sich auf dem Rückflug von ihren Einsätzen über Feindgebiet befanden. Den Japanern drohte nach dem Fall von Saipan im Juni 1944 nun der Verlust einer wichtigen Operationsbasis gegen die US-Seestreitkräfte. Darüber hinaus fungierte Iwo Jima als Außenposten im Pazifik. Das Abhandenkommen des Herzstücks des japanischen Frühwarnsystems hätte eine ernsthafte Bedrohung der Hauptzentren Osaka und Tokyo nach sich gezogen.
Neben diesen taktischen Überlegungen spielte auch die psychologische Dimension eine Rolle. Iwo Jima war das erste Stück japanischer „Heimaterde“, das von den Alliierten ins Visier genommen wurde. Eine erfolgreiche Landung auf der Insel wäre somit aus Sicht der Amerikaner ein Schlag gegen die Moral des Feindes gewesen.5
1.2 Überblick über Schlachtvoraussetzungen und Schlachtverlauf
Iwo Jima schien von der Natur für eine Verteidigung geschaffen worden zu sein. Der Kommandant der über 21 000 japanischen Soldaten General Tadamichi Kuribayashi fand ideale geologische Bedingungen vor, die er in seine Strategie einbezog. Die Küsten waren bedeckt mit schwarzem, vulkanischem Sand, der sich bei genauerer Betrachtung als Granulat aus kleinen, festen Kügelchen erwies - leicht genug um verweht zu werden und locker genug um tief darin einzusinken und somit Mensch wie Maschine das Vorankommen massiv zu erschweren. Die Angreifer konnten daher nur langsam operieren und waren ein leichtes Ziel für die Geschütze auf dem zur Festung ausgebauten etwa 170 m hohen Vulkan Mt. Suribachi, der als höchster Punkt die Insel wie ein natürlicher Wach- und Aussichtsturm überragte.6
Nördlich von diesem strategisch wichtigen Punkt an der Südspitze der Insel, erstreckte sich ein Plateau, das von den Japanern für Start- und Landebahnen genutzt wurde. Der äußerste Norden war zerfurcht von Klippen, Spalten und Felskanten. Die anderen Höhenzüge der Insel bestanden wie der Suribachi aus gut zu bearbeitenden Vulkangestein, das über eine Vielzahl natürlicher Höhlen verfügte und im Verlauf der Befestigungsarbeiten um weitere künstliche Höhlen und Bunkeranlagen erweitert wurde. Über Tunnel und getarnte Schützengräben verbunden, konnten die Japaner aus diesem höher gelegenen Höhlensystem heraus die Alliierten unter Beschuss nehmen, ohne ihre Deckung aufgeben zu müssen.7
Die meisten oberirdischen Anlagen inklusive der japanischen Flugzeuge fielen dem 72- tägigen Bombardement zum Opfer, das die Alliierten in Vorbereitung auf die Landungsoperation aus der Luft und vom Wasser aus auf die Insel hatten niedergehen lassen. In dieser Zeit schwiegen die Waffen der Verteidiger und notwendige Reparaturen wurden nachts durchgeführt, um die genaue Position der Geschützstellungen nicht preiszugeben. Nachdem erste Strandabschnitte durch hohe Verluste für die Alliierten erobert werden konnten, erreichten am Nachmittag des 19. Februar mehr und mehr Truppen inklusive schwerem Kriegsgerät Iwo Jima. Die Strategie der Marines bestand zunächst darin die schmalste Stelle der Insel, unmittelbar am Fuß des Suribachi, unter ihre Kontrolle zu bringen, um den Berg vom Norden der Insel zu isolieren. Als dieser Schritt gelungen war, teilten sich die Landungstruppen in zwei Richtungen auf. Die eine wandte sich nach Süden um die weitestgehend selbstständig operierende Kommandozentrale Mt. Suribachi einzunehmen, während sich die andere nach Norden in Richtung der Flugfelder orientierte. In den folgenden Tagen gelang es den Landungstruppen trotz widriger Wetterumstände und erbitterter Gegenwehr Meter und Meter der Insel unter ihre Kontrolle zu bringen. Als besonders charakteristisch für die Invasion auf Iwo Jima kann der Einsatz von Sprengladungen und Flammenwerfern (auch vom Panzer aus) betrachtet werden, die sich angesichts der Vielzahl von Bunkeranlagen und Höhlen als effektiv erwiesen. Außerdem ist der weitgehende Ausfall der einkalkulierten Fahrzeuge aufgrund des ungeeigneten Untergrunds hervorzuheben, der die Fußtruppen dazu zwang, den Nachschub per Hand vom Strand bis ins innere der Insel zu transportieren. Nachdem der Mt. Suribachi unter großen Verlusten von den Alliierten eingenommen wurde, konzentrierte Kuribayashi seine verleibenden Truppen auf den unwirklichen, felsigen Norden der Insel.8
Die dortigen Kämpfe waren die verlustreichsten der gesamten Landungsoperation, was einem besonders heftig umkämpften Teilstück den vielsagenden Spitznamen „Meat Grinder“ („Fleischwolf“) einbrachte. Bis am 26.03.1945 die Insel endgültig als erobert und sicher gelten konnte, hatten in den 36 Tagen der Schlacht fast 7000 alliierte Soldaten ihr Leben gelassen, etwa 19 000 wurden verwundet. Von den über 21 000 japanischen Verteidigern gingen lediglich rund 1000 in Gefangenschaft.9
1.3 Die erste Flagge auf dem Mt. Suribachi
Da der verlustreiche Pazifikkrieg einer besonders intensiven journalistischen Begleitung zur Legitimation in der Heimat bedurfte, hatte das US-Militär schon vor der Landung auf Iwo Jima beschlossen, die Medien in neuer Form einzubeziehen. Die Berichterstattung vor Ort wurde durch Rundfunkreporter auf den Schiffen und etwa 90 „embedded journalists“10 auf der Insel gewährleistet, die die Verbindung zwischen der Front und den USA herstellen und so die Landung auf der Insel zu einem frühen Beispiel für eine annähernde Gleichzeitigkeit von Kriegsgeschehen und Nachvollzug in der eigenen Gesellschaft machen sollten (unter Zensurbedingungen). Dadurch war es auch möglich Zeitungsberichte aus der Heimat an die Front gelangen zu lassen, um in einer Rückkopplung die Moral der Truppe zu stärken. Aus medialen Gründen war von den Verantwortlichen das Hissen einer Flagge auf dem Mt. Suribachi für den 23.02.1945 (dem 5. Tag der Landung) vorgesehen.11
Lt. Harold Schrier wurde beauftragt mit einem 40-Mann Platoon12 den Gipfel einzunehmen und dort eine kleine amerikanische Flagge (71x137cm) aufzurichten.
Der Trupp wurde begleitet von Sgt. Lou Lowery, einem Fotographen des Marine Corps Magazins „Leatherneck“, der das Ereignis festhalten sollte. Obwohl sich der Zug ohne Deckung zum Gipfel bewegte und somit feindlichem Feuer schutzlos ausgesetzt gewesen wäre, traf er auf keinerlei Widerstand. Nachdem kurzerhand ein japanisches Wasserrohr zum Flaggenmast umfunktioniert wurde, wehten gegen 10.30 Uhr Ortszeit die „Stars and Stripes“ über Iwo Jima. Das Ereignis wurde auf der Insel und von den umliegenden Schiffen lautstark bejubelt13. Lowery hatte den historischen Augenblick zudem im Bild festgehalten und die Nachricht von der Flaggenhissung wurde per Rundfunk in die Heimat geschickt.14
1.4 Rosenthals Schnappschuss
Die Nachricht, dass eine Flagge gehisst werden sollte, hatte sich am Vormittag des 23.02.1945 vor Ort herumgesprochen. Die Nachricht drang auch zu Joe Rosenthal15, einem Fotografen von Associated Press vor, der die Nacht auf der „USS Eldorado“ verbracht hatte, um seine Bilder von den ersten Tagen der Invasion zu sichten. Rosenthal kehrte, in der Hoffnung von der Flaggenhissung Bilder machen zu können, zum Suribachi zurück. Dort hatte Lt. Col. Chandler Johnson von Marineminister James Forrestal den Befehl erhalten, die geschichtsträchtige Flagge als Museumsstück sicherzustellen. Da Johnson die erste Fahne ohnehin als zu klein empfand, beauftragte er Pvt. Rene Gagnon eine größere Flagge (141x244cm) und neue Radiobatterien zu den Soldaten auf den Gipfel zu bringen. Während des Aufstiegs traf dieser auf Sgt. Mike Strank, Cpl. Harlon Block, Pvt. Franklin Sousely und Pvt. Ira Hayes, die den Auftrag erhalten hatten, Telefonverbindungen auf die Spitze des Vulkans zu verlegen.
Währenddessen traf Rosenthal am unteren Ende des Suribachi auf den Kriegsfotografen Bob Campbell und den Marine-Kameramann Bill Genaust. Obwohl das ursprünglich eingeplante Fotomotiv bereits auf dem Gipfel wehte, überredete Rosenthal seine Kollegen trotzdem zum Aufstieg. Er erinnert sich: „ And we went up - not knowing what kind of a picture we would get - certainly not a picture of a flag going up because it was already up.”16
Etwa auf halbem Weg kam ihnen Lou Lowery entgegen, der bei kleineren Scharmützeln des Platoons auf dem Gipfel seine Kamera eingebüßt hatte. Der Film war jedoch unbeschädigt und so konnte er sich den Kommentar nicht verkneifen, dass das Trio den entscheidenden Augenblick verpasst hatte.17
Dessen ungeachtet setzten sie ihren Aufstieg fort und erreichten fast zeitgleich mit Rene Gagnon und dem kleinen Trupp Marines den Gipfel, die sich gerade an die Arbeit machten die kleinere Flagge gegen die größere auszutauschen. Während die Marines damit beschäftigt waren die neue Fahne an einem Wasserrohr zu befestigen, suchte sich Rosenthal, in Erwartung wenigstens vom Flaggentausch Bilder zu bekommen, einen leicht erhöhten Standpunkt.
Genaust stellte sich mit seiner „Bell and Howell Autoload camera“ unmittelbar neben ihn, um die Szene zu filmen. Sechs Marines richteten in einer gemeinsamen Bewegung den schweren Mast auf, während eine andere Gruppe fast zeitgleich die kleinere Fahne inklusive Rohr zu Fall brachte. Rosenthal betätigte den Auslöser seiner „Speed Graphic“, während Genaust die Szene auf Farbfilm bannte. Beide waren sich unsicher ob ihre Aufnahmen gelungen waren, daher machte Rosenthal noch weitere Bilder, u.a. von einer Gruppe jubelnder Marines mit erhobenen Helmen und Waffen unter dem Sternenbanner. Während Rosenthal und Genaust nur die neue Flagge aufnahmen, gelangen Campbell u.a. Aufnahmen die beide Fahnen gleichzeitig zeigen.
Rosenthal ging wieder an Bord der „USS Eldorado“ um seinen Film von dort aus via Kurierflugzeug nach Guam zu schicken. Am nächsten Tag erschienen einige kurze Zeitungsausschnitte über die Flaggenhissung18 und den Austausch, so wie die Heimat auch vorher schon zum Teil sehr detailliert über den Schlachtverlauf in Kenntnis gesetzt wurde.19 Rosenthal konnte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, was genau er auf seinem Agfa-Film festgehalten hatte. Die schwarz-weiß Aufnahme zeigt 6 Soldaten, deren Gesichter nicht zu erkennen sind, in einer Trümmerlandschaft vor neutralem Himmel, wie sie einer dynamischen Bewegung nach rechts vorwärts und nach oben ihre Energie auf eine beflaggte Stange konzentrieren, die in die Erde gerammt wird.
Der vom Betrachter aus gesehen äußerst rechte Soldat konzentriert sich auf die Arbeit am Fußende, während die übrigen zugleich in einer starken Bewegung den Fahnenmast aufrichten. Der Soldat zur äußersten Linken hat den aufstrebenden Flaggenmast bereits aus den Händen gegeben.20
II. Die Rezeptionsgeschichte von „Raising the Flag on Iwo Jima“
2.1 Überlegungen zur Existenz eines „kollektiven Gedächtnisses“
Bevor die Wirkung eines Bildes auf und in eine(r) Gesellschaft untersucht werden kann, soll nach der Existenz eines „kollektiven Gedächtnisses“21 gefragt werden, welches als Voraussetzung für eine dauerhafte Rezeption vorausgesetzt werden muss. Die Vorstellung, dass Erinnerungen von einer größeren Personengruppe geteilt werden erklärt sich nach Kristina Scholz dann, wenn unter diesen „Erinnerungen“ nicht nur das verstanden wird, was das Individuum erlebt hat, sondern auch das, was es als Mitglied einer Gesellschaft über deren Vergangenheit an Wissen, Normen und Erfahrungen auf kollektiver Ebene (Schule, Medien, soziales Umfeld) vermittelt bekommt.
Dass das Einordnen von Informationen und das Verständigen über Vergangenheit ein sozialer Prozess ist, erkannte als erster Maurice Halbwachs. Nach seinen Überlegungen ist die Erinnerung nicht ausschließlich individuell, da der Einzelne in großem Maße von seinem sozialen Bezugsrahmen beeinflusst ist, welcher dafür sorgt, dass bestimmte Versionen der Vergangenheit innerhalb einer sozialen Gruppe weitergegeben werden. In der Interaktion mit anderen finden sich demnach Vorgaben darüber, welche Erinnerungen „speicherungswürdig“ sind. Ergänzt um eine gemeinsame Sprache und kollektive Wertvorstellungen, konditioniert diese Interaktion Form und Inhalt des persönlichen Gedächtnisses, indem sie beim Erstellen von Sinnzusammenhängen unterstützend oder sogar vorgebend einwirkt. Die geteilten gemeinsamen Erinnerungen einer Gruppe bilden laut Halbwachs ein (vielleicht verzerrtes) Gedächtnis, auf dessen Grundlage sich die Mitglieder in der Gegenwart eine Identität als Teil der Gruppe erschließen und gemeinsame Verhaltensmuster entwickeln.
Jan Assmann wandte sich gegen die Vorstellung von Halbwachs, nach der ein „kollektives Gedächtnis“ mit seinen Gruppenmitgliedern aussterbe. Seiner Meinung nach bleibt das Gruppengedächtnis („kommunikatives Gedächtnis“) durch spezielle Mechanismen erhalten, die eine Gesellschaft dem Verlust identitätsstiftender Erinnerung entgegensetzt. Die „Verwandlung von Geschichte in Kultur“ durch Verdinglichung von Erinnerungen nennt Assmann das „kulturelle Gedächtnis“, welches nach dem Aussterben einer Generation von der nachfolgenden nach deren Maßgabe in den Identitätskatalog der Gesellschaft aufgenommen wird und wieder auf persönliches und kollektives Gedächtnis zurückwirkt.22 Während Assmanns Überlegungen das Gedächtnis von der Gruppen- auf die Gesellschaftsebene heben, fragt Harald Welzer23 danach, auf welche Art und Weise in demokratischen Gesellschaften Erinnerungen zum Kulturgut werden. Sein Konzept rückt die Medien in den Fokus des „kommunikativen“ bzw. „sozialen“ Gedächtnisses, da sie in sich Geschichte und Erinnerung transportieren. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass vor allem medial vermittelte Bilder und Geschichten die Vorstellungen ganzer Generationen prägen und persönliche wie kollektive Vergangenheit mittels interpersonaler und massenmedialer Kommunikation ständig neu geformt werden.24
2.2 Rezeptionsgeschichte des Fotos im Jahr 1945
Die Wirkungskraft des Bildes wurde angesichts der aufkeimenden Kritik an den großen Verlusten im Pazifikkrieg dringend benötigt. Während amerikanische Truppen nur noch 30 Kilometer vor Köln standen und sich der Sieg in Europa langsam abzeichnete, wurde immer klarer, dass der amerikanische Einsatz in Asien noch lange dauern und hohe Verluste nach sich ziehen würde. Man benötigte ein unmissverständliches Siegeszeichen, auch weil die Verfügbarkeit einer Atombombe noch nicht absehbar war. Das Bild war das erhoffte Symbol und wurde als solches in den meisten Sonntagszeitungen der USA am 25.02.1945 abgedruckt. Um die Dynamik noch zu unterstreichen, wurde ein Beschnitt auf Hochformat vorgenommen.
Die politische und militärische Führung des Landes machte sich zunehmend Sorgen über die abnehmende materielle Spendenbereitschaft und die aufkommende Kriegsmündigkeit im Zusammenhang mit den Einsätzen im Pazifikraum.
Daher ließ Präsident Franklin D. Roosevelt noch kurz vor seinem Tod ein Ölgemälde des Fotos anfertigen, welches die Szene farbig und vor dramatisch verdunkelten Hintergrund zeigt. Außerdem wurde die bildhafte Botschaft mit dem Schriftzug „Now All Together“ noch mal unmissverständlich klar gemacht. Diese neue mediale Form wurde als Werbeplakat für die 7. US-Kriegsanleihe („War Loan“) verwendet. Im Mai 1945 wurden dreieinhalb Millionen Plakate in verschiedenen Größen in Filmtheatern, Fabriken, Eisenbahnstationen oder Bussen aufgehängt.25
Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses nahmen bei ihren öffentlichen Auftritten wiederholt Bezug auf das Bild, dessen künstlerische Qualität eine zeitgenössische Kritik mit Leonardo da Vinci gleichsetzte. Senator Joseph O. Mahony, von dem die erste Initiative für eine Briefmarke ausging, sagte in einer Rede: „ It is a memorial to the men in whose blood our victory is being written. It is a reminder of the ideals for which we fight.”26 Zur weiteren flächendeckenden Durchdringung des öffentlichen und privaten Raumes in den USA trug die Herausgabe einer 3-Cent Briefmarke bei, auf der Rosenthals Foto abgebildet war. Gleich in dreifacher Hinsicht war dies etwas Besonderes: Erstens wurde sie zu Ehren der Marines in grüner Farbe gestaltet, obwohl eine Marke dieses Betrags Purpur hätte sein müssen. Zweitens war es ein Novum, dass noch lebende Personen auf einer Briefmarke abgebildet wurden und drittens wurden bis 1948 137 Millionen Exemplare verkauft, so viele wie nie zuvor von einem Motiv. Obwohl es das „National Flag Code Committee” für nicht vertretbar hielt, dass die amerikanische Flagge rückseitig beleckt und durch Entwerter- Maschinen gejagt werden würde, erschien die Marke am 07. Juli 1945. Es wurden intensive Recherchen durchgeführt, um die Identität der Flaggenhisser zu ermitteln. James Bradley, Ira Hayes und Rene Gagnon wurden zum Teil gegen ihren Willen ausfindig gemacht und in die Heimat zurückbefohlen. Als „authentische Helden“ im Weißen Haus empfangen, mussten sie die „7th War Loan Tour“ quer durchs Land als werbewirksame Sensation begleiten. Am 09. Mai 1945, unmittelbar nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, durfte sie die mittlerweile ausgetauschte Originalflagge auf dem Kapitol hissen. Das Bild weitete damit seine Bedeutung auch auf den gerade in Europa errungenen Sieg aus.
Eine weitere große Geldsammelveranstaltung fand am 11. Mai auf dem Times Square in New York statt, als vor einer begeisterten Menschenmenge ein überlebensgroßen Gipsreplikat der Szene enthüllt wurde. Ihren Höhepunkt erreichte die Werbung für die Kriegsanleihe am 04. Juli, dem Nationalfeiertag der USA, in der Hauptstadt, als für 350 000 Besucher der Nachthimmel über dem Washington Monument in einem riesigen Feuerwerk mit den Umrissen der US-Flagge, dem Gesicht von Präsident Truman und der Szene des Flaggenhissens illuminiert wurde.
Weiterhin wurde der Flugzeugträger „Iwo Jima“ in Auftrag gegeben, jedoch nach dem Einsatz der Atmbomben und der Kapitulation Japans am 02. September wieder abbestellt.27 Joe Rosenthal erhielt für „Raising the Flag on Iwo Jima“ den Pulitzer-Preis für Fotografie. Das erste und einzige Mal, dass die renommierte Auszeichnung schon im Entstehungsjahr des Bildes vergeben wurde.28
Ein Hinweis darauf, dass das Foto schon unmittelbar nach seiner Entstehung auf weltweite Resonanz traf, könnte das Bild von Jewgeni Chaldej sein, welches die Hissung der sowjetischen Fahne auf dem Reichstag in Berlin zeigt. Möglicherweise sollte mit der nachweislich inszenierten Aufnahme ausgedrückt werden, dass hier die richtige Fahne, am richtigen Ort zur richtigen Zeit von den richtigen Personen gehisst wurde, um den Sieg gegen einen Feind zu verdeutlichen, anstatt „nur“ eines Fortschrittes im andauernden Pazifikkrieg.29 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Rosenthals Foto in den Augen der Amerikaner mehr zeigte als 6 Soldaten, die ein japanisches Wasserrohr in die Erde rammen. Mit diesem Symbol der gemeinschaftlichen Stärke ging das Versprechen über einen baldigen, erfolgreichen Kriegsausgang einher, weshalb sich große Teile der Nation hinter dem Bild zur letzten materiellen und moralischen Mobilisierung zusammenschlossen.
2.3 Rezeptionsgeschichte des Fotos nach 1945
2.3.1 Das U.S. Marine Corps War Memorial
Denkmäler markieren einen Kernbereich historischer Identität, da sie Grundlagen individueller und national-kollektiver Existenz repräsentieren. Sie halten Sinnstiftungen und Identitätsangebote bereit und prägen durch ihren Symbolcharakter und ihre attraktive Erscheinung inmitten bevorzugter Landschafts- oder Stadtbildgestaltung maßgeblich das „kollektive Gedächtnis“.30
Einer der ersten, der Rosenthals Schnappschuss noch vor der Publikation in diversen Tageszeitungen zu sehen bekam, war der Marinekünstler Felix de Weldon. Er erkannte sofort den monumentalen Charakter der Aufnahme und machte sich augenblicklich daran die Szene dreidimensional abzubilden. Er baute mehrere Gipsmodelle unterschiedlicher Größe, von denen einige auch in die Werbung für die Kriegsanleihe einbezogen wurden. Nach Ende des Krieges fertigte er eine Vielzahl von Statuen nach Vorlage des Fotos für Auftraggeber aus dem ganzen Land an, so dass diese heute noch flächendeckend in den USA zu finden sind.
Das Marine Corps plante ebenfalls ein eigenes Denkmal zur öffentlichen Herausstellungen seiner Leistungen an prominenter Stelle in Washington errichten zu lassen. Da die zuständige Denkmalkommission dieses jedoch auf stadteigenem Grund ablehnte, war das Marine Corps gezwungen in Arlington, knapp außerhalb des Stadtgebietes, in unmittelbarer Nachbarschaft des nationalen Soldatenfriedhofes ein repräsentatives Grundstück zu erwerben. Es wurden 850 000 Dollar für das Projekt gesammelt und Felix de Weldon wurde mit dem Bau beauftragt. Dieser fertigte daraufhin ein riesiges Gipsmodell, welches in 140 handhabbare Gussformen zerlegt werden konnte. Die Einzelteile wurden in Brooklyn in Bronze gegossen und vor Ort zusammengeschweißt. Jede Figur misst 10 Meter in der Höhe, der Fahnenmast ist 18 Meter lang. Inklusive Sockel erreicht das Monument eine Höhe von 24 Metern. Der zentrale Teil der Inschrift lautet „Uncommon valor was a common virtue“. Der Ausspruch geht auf ein Communiqué von Admiral Nimitz während der Schlacht um Iwo Jima zurück. Außerdem sind in den Sockel die Namen aller Kämpfe eingemeißelt, an denen das Corps seit seiner Gründung beteiligt war.31 Damit werden die Ereignisse auf der Pazifikinsel aus dem Kontext des Zweiten Weltkrieges gelöst und in die Tradition einer Teilstreitkraft gestellt.
Das Monument wurde am 10.11.1954, dem 179. Jahrestag des Marine Corps, eingeweiht. Der Zeremonie wohnten sowohl die drei überlebenden „Flagraiser“, als auch die Familien der drei gefallenen Protagonisten des Fotos bei. Zusätzlich waren die Soldaten der ersten Flaggenhissung eingeladen. Die Feier unterstrich die Ambivalenz der Statue: während Vizepräsident Nixon in seiner Rede von einem Symbol des amerikanischen Sieges im Zweiten Weltkrieg sprach, erschien Präsident Eisenhower nur widerwillig, weil er Foto und Denkmal als vom Marine-Corps vereinnahmt empfand.32
Die größte Bronzeplastik der Welt muss auch aus verteidigungspolitischer Sicht der amerikanischen Nachkriegszeit betrachtet werden. Die großen Truppenteile Heer, Marine und Luftwaffe kämpften um die knappen finanziellen Mittel. Auch durch öffentlichkeitswirksame Arbeit wie das Arlington-Monument oder Werbefilme konnte sich das Marine Corps trotz heftigem Widerstand aus Washington als eine Art unabhängige vierte Teilstreitkraft behaupten, auch wenn man formal der Marine unterstand.
Obwohl das „U.S. Marine Corps War Memorial“ offiziell eine Statue für das Marine-Corps ist, hat sich im Volksmund der Begriff „Iwo Jima Memorial“ eingebürgert. Wie das Foto, auf dessen Vorlage der Entwurf zurückgeht33, erinnern die sechs monumentalen Figuren an die Schlacht auf der kleinen Pazifikinsel, wie sie auch an den Zweiten Weltkrieg an sich erinnern. Dabei war die unmittelbare Nachkriegszeit in den USA von einem Mangel an Erinnerungszeremonien und dem Wunsch den Krieg hinter sich zu lassen geprägt. Erinnerungsarbeit fand in erster Linie im kleinen Rahmen statt und bereits bestehende lokale Denkmäler für den Ersten Weltkrieg wurden um die Namen der im Zweiten Weltkrieg Gefallenen ergänzt, wodurch deutlich wird, dass der Zweite Weltkrieg als Folge des Ersten angesehen wurde. Forderungen nach einem großen nationalen Denkmal kamen zunächst nicht auf. Das „U.S. Marine Corps War Memorial“ bildet hier eine bemerkenswerte Ausnahme. Als monumentale Reinkarnation amerikanischen Kampfeswillens hat es seinen Ursprung noch in Kriegszeiten, als die ersten Vorschläge verschiedener Politiker und Militärangehöriger unter dem Eindruck von „Raising the flag on Iwo Jima“ gemacht wurden.
So kommt es, dass die Bronzeplastik, ungeachtet der Spezialisierung auf eine militärische Teilstreitkraft, über fünf Jahrzehnte hinweg in der öffentlichen Wahrnehmung stets eine ausreichende Erinnerungsmanifestation an den Zweiten Weltkrieg und das amerikanische Militär insgesamt darstellte. Sie war Ausdruck der von den meisten Amerikanern vorrangig mit dem Krieg verbundenen Emotion und als Bühne für Zeremonien ritueller Erinnerung über Jahrzehnte ausreichend.34 Erst im Jahr 2004 wurde zusätzlich das „Second World War Memorial“ in Washington eingeweiht.35
2.3.2 Verarbeitung im Film - von John Wayne zu Clint Eastwood
Auch in der amerikanischen Populärkultur wird der Wandel von der Kriegs- zur Friedenszeit deutlich. Die bis 1945 erschienene Masse an Kriegsromanen und Kriegsfilmen verschwand nach 1945 abrupt. So thematisiert einer der populärsten Filme der Nachkriegszeit „The Best Years of our Lives“36 (1946) heikle Themen wie das Schicksal heimkehrender Veteranen, den Atombombeneinsatzes, die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Generationen oder den anhaltenden Rassismus und aufkommenden Anti-Kommunismus. Erst mit den 1950er Jahren entdeckte Hollywood den Krieg als Thema wieder für sich. Ende 1949 kam ein Film in die amerikanischen Kinos, der bewusst mit der Assoziation der Zuschauer mit einem der bekanntesten Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg spielte - „Sands of Iwo Jima“.37
Kriegsfilme arbeiten mit moralischen Kalkülen, erproben die Wertvorstellungen des Zuschauers am historischen Fall und lassen starke Gefühlserlebnisse zu, indem sie ihre Erzählungen um die Dilemmata des Soldaten herum organisieren. In diesem Sinne ist Krieg im Kino stets ein Anlass zur moralischen Erziehung. Über das emotionale Erleben wird ein historisches Verständnis von Krieg eingeübt, das zum normativen Bezugsgrund künftiger Handlungen werden kann und soll. „Sands of Iwo Jima“ bietet eine solche Lektion. Regisseur Allan Dwan inszeniert die Kämpfe um die Pazifikinsel als Reminiszenz an das finanziell am Film beteiligte Marine Corps. Den zentralen historischen Verweis bildet dabei Rosenthals Foto, als Szene kollektiven Kampfgeistes.
Zentrale Botschaft des Filmes ist der Gedanke, dass sich das Sterben für die gute Sache der Gemeinschaft lohne. Der konventionelle „combat movie“ beschreibt eine Bekehrungsgeschichte anfangs aufbegehrender Soldaten über eine Folge immer heftiger werdender Kampfhandlungen, in deren Verlauf die Gruppe ausgedünnt wird und sich gleichzeitig mit der Befehlsstruktur des Militärs versöhnt. Methodisch kombiniert „Sands of Iwo Jima“ originale Bilder historischer Kampfeinsätze mit Spielszenen, die unter Mitwirkung der drei werbewirksamen Flaggenhisser durchgeführt wurden.38
Die Hauptrolle des Films, Sgt. John Stryker, wird verkörpert von John Wayne, der das Bild des Marines durch seine Bekanntheit popularisierte und mit dem amerikanischen Westernmythos fusionierte. Der Film brachte ihm nicht nur eine Oscarnominierung für den besten Hauptdarsteller ein, sondern er katapultierte ihn auch in den Rang eines Filmstars ersten Ranges.
Die Geschichte wird in Form einer „Voice-over“ erzählt und erstreckt sich über die Ausbildung, den ersten Kampfeinsatz auf der Pazifikinsel Tarawa, der Urlaubszeit auf Hawaii und die finalen Schlacht um Iwo Jima. Durch die Einbindung einer Art „Vater-Sohn- Beziehung“ zwischen Stryker und einem seiner Marines, wird das Kampfgeschehen mit „großen Gefühlen“ kombiniert und die Logik militärischer Hierarchien wird in Bezug zur Logik der zivilen Familie gesetzt. Spätestens als die Vaterfigur auf dem Mt. Suribachi fällt39, erkennt der Rest der Truppe, beim Verlesen des letzten Briefes, die versteckte Güte des väterlichen Anführers. Der Film endet mit einer Reihe von Großaufnahmen auf die Gesichter der Marines, auf denen sich das Mitgefühl für den Gefallenen in jenes kriegerische Pathos verwandelt, aus dem heraus das Hissen der Flagge möglich wurde. Der Zuschauer soll somit im Angesicht des beginnenden Kalten Krieges in den Werten, Situationen und Bildern des Zivilen das Militärische erkennen und einüben.
Trotz seiner „genrestereotypischen Erzählweise“ wurde „Sands of Iwo Jima“ für vier Oscars nominiert und gehörte mit fünf Millionen Dollar Nettogewinn in den USA und Kanada zu den größten Kassenschlagern des Jahres 1949.40
[...]
1 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 21ff.
2 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1.
3 Cornelißen, Christoph, Was heißt Erinnerungskultur? Begriff-Methoden-Perspektiven, in: GWU. Zeitschrift des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands 2003, Bd. 54, Seelze, S. 555.
4 Simmons, Edwin H., The United States Marines 1775-1975, New York 1976, S. 156-161.
5 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 5ff.
6 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 21-39; der Mt. Suribachi hat sich seit 1945 um 10 Meter in die Höhe gehoben.
7 Marling, Karal A., Wetenhall, John, Iwo Jima. Monuments, Memories and the American Hero, Cambridge 1991, S. 21-39.
8 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 42ff.
9 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1ff. Die Zahlen schwanken je nach Darstellung und teilweise innerhalb von Darstellungen: Simmons = knapp 6000 tote und über 17 000 verwundete Amerikaner, 23 000 gefallene japanische Verteidiger vgl. Simmons, Edwin H., The United States Marines 1775-1975, New York 1976, S. 156-161; Buell = 6821 Amerikaner gefallen, 19 217 verwundet, 20 000 Japaner gefallen und 1200 gingen in Gefangenschaft vgl. Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 21ff.; Warren = 6 318 Amerikaner gefallen, über 19 000 verwundet, über 21 000 Japaner gefallen vgl. Warren, James A., American Spartans. The U.S. Marines: A Combat History from Iwo Jima to Iraq, New York 2005, Seiten 34-69. Für umfangreiches Bildmaterial zur Schlacht um Iwo Jima vgl. Hammel, Eric, Iwo Jima, St. Paul 2006.
10 Bezeichnung für truppenbegleitende Journalisten (Fotografen, Kameramänner u.ä.) die ins unmittelbare Kriegsgeschehen „eingebettet“ sind. Der Begriff wurde erst im späten 20./frühen 21. Jahrhundert geprägt.
11 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1ff.
12 Kleiner militärischer Verband, der in der deutschen Militärterminologie dem „Zug“ entspricht.
13 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 96-125 sowie Marling, Karal A., Wetenhall, John, Iwo Jima. Monuments, Memories and the American Hero, Cambridge 1991, S. 40-83.
14 Eine Auswahl von Lowerys Bildern wird im Bildanhang zur Verfügung gestellt.
15 1911-2006, Sohn jüdischer Einwanderer aus Osteuropa; vor Iwo Jima war Rosenthal u.a. als Kriegsfotograf in England, Marrakesch, Casablanca, Algier, Neuguinea, Guam und Peleliu tätig, vertiefend zur Biographie Rosenthals vgl. Thomey, Tedd, Immortal Images. A personal history of two photographers and the flag-raising on Iwo Jima, Annapolis 2008.
16 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 106.
17 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 96-125 sowie Thomey, Tedd, Immortal Images. A personal history of two photographers and the flagraising on Iwo Jima, Annapolis 2008, S.10ff.
18 Vgl. „Florida Man raised flag on summit of Suribachi“ by The Associated Press via Navy Radio“, Artikel vom 24.02.1945 abgedruckt bei Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 112.
19 Vgl.“U.S. Marines Storm Ashore on Iwo Island - Landing Effected”, Artikel vom 19.02.1945 oder “Resistance Grows. Japanese Fighting Back Fiercely as American Push Inland on Iwo” by Wireless to The New York Times, Artikel vom 20.02.1945 abgedruckt bei Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 68 und 93.
20 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1ff.
21 Laut James Wertsch könnte in der Debatte um ein „kollektives Gedächtnis“ das Wort „Gedächtnis“ durch den Begriff „Wissen“ (über Vergangenheit) ersetzt werden, da dies die Aneignung nicht selbst erlebter Geschehnisse besser beschreibt vgl. Wertsch, James V., Voices of collective remembering, Cambridge 2002, S.27.
22 Scholz, Kristina, The greatest story ever remembered. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg als sinnstiftendes Element in den USA, Diss., Frankfurt am Main 2008, S.27 ff.
23 Vgl. Welzer, Harald, Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München 2005 sowie vertiefend Eichenberg, A. [Hrsg.], Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2010.
24 Scholz, Kristina, The greatest story ever remembered. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg als sinnstiftendes Element in den USA, Diss., Frankfurt am Main 2008, S.31 ff.
25 Dülffer, Jost, Iwo Jima. Die patriotische Siegesikone der USA, in: Paul, Gerhard [Hrsg.], Das Jahrhundert der Bilder. Bd. 1 1900 - 1949, Göttingen 2009, S. 674-681 sowie Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US-amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1ff; vgl. auch den Bildanhang dieser Arbeit.
26 Buell, Hal, Uncommon valor, common virtue. Iwo Jima and the photograph that captured America, New York 2006, S. 155-178.
27 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 1 ff.
28 Von den 92 Pulitzer-Preisen für Fotos oder Fotoserien, die zwischen 1942 und 1999 verliehen wurden, entfielen 29 auf Bilder, die direkt oder indirekt mit (Bürger-)Kriegen in Zusammenhang standen. Am häufigsten wurden Fotografen von Associated Press mit 26 Preisen ausgezeichnet. Auch in den Jahren 1977, 1984, 1993 und 1999 spielte die US-amerikanische Flagge eine (Neben-)Rolle, vgl. Buell, Hal, Zeitbilder. 45 Jahre PulitzerPreis-Fotografie, Köln 2000, zu Rosenthals Foto S. 20-23.
29 Dülffer, Jost, Iwo Jima. Die patriotische Siegesikone der USA, in: Paul, Gerhard [Hrsg.], Das Jahrhundert der Bilder. Bd. 1 1900 - 1949, Göttingen 2009, S. 674-681. Glasenapp zieht ebenfalls Parallelen zwischen Iwo Jima und Berlin, lässt aber offen ob Chaldej oder gar Stalin, der den Befehl zum Hissen einer Flagge auf dem Reichstag gab, von Rosenthals Foto beeinflusst wurden vgl. Glasenapp, Jörn, Die Sowjetflagge auf dem Reichstag - Ikone des Sieges, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland [Hrsg.], Bilder im Kopf. Ikonen der Zeitgeschichte, Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln 2009, S. 50-57.
30 Vogt, Arnold, Den Lebenden zur Mahnung. Denkmäler und Gedenkstätten - zur Traditionspflege und historischen Identität vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Hannover 1993, S. 11ff. sowie speziell zu den Vereinigten Staaten: Mayo, James M., War Memorials as Political Landscape. The American Experience and Beyond, New York 1988.
31 Vgl. Miller, Thomas W. Jr., The Iwo Jima Memorial and the Myth of the 13th Hand, Arlington 2001, S.1-17.
32 Dülffer, Jost, Über-Helden - Das Bild von Iwo Jima in der Repräsentation des Sieges. Eine Studie zur US- amerikanischen Erinnerungskultur seit 1945, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 3 (2006) H. 2, URL: <http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Duelffer-2-2006> (abgerufen am 25.09.2011, 16:34 Uhr), Abschnitt 3.
33 Die Ähnlichkeit ist offensichtlich und beabsichtigt. Trotzdem gibt es kleine Unterschiede zum Foto, so ist z.B. der vom Betrachter ganz rechte Soldat nicht so stark von der Gruppe abgehoben wie auf Rosenthals Aufnahme. Warum das Foto nicht 1:1 umgesetzt wurde ist aus der Literatur nicht ersichtlich. Möglicherweise haben statische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt oder de Weldon wollte einen eigenen künstlerischen Fingerabdruck hinterlassen.
34 Scholz, Kristina, The greatest story ever remembered. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg als sinnstiftendes Element in den USA, Diss., Frankfurt am Main 2008, S. 31-82.
35 Die Planungen für das Denkmal gehen zurück bis in die 1980er Jahre, vgl. Brinkley, Douglas [Hrsg.], The World War II Memorial. A Grateful Nation Remembers, Washington 2004.
36 Etges, Andreas, The Best War Ever? Der Deutungswandel des Zweiten Weltkrieges in US-amerikanischen Filmen am Beispiel von “The Best Years of Our Lives” und “Saving Privat Ryan”, in: Chiari, Bernhard [Hrsg.], Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts, im Auftrag des militärgeschichtlichen Forschungsamtes (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 59), München 2003, S. 163-178.
37 Scholz, Kristina, The greatest story ever remembered. Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg als sinnstiftendes Element in den USA, Diss., Frankfurt am Main 2008, S. 65ff.
38 Vonderau, Patrick, Art. Todeskommando/Du warst unser Kamerad/Iwo Jima, die große Schlacht - Sands of Iwo Jima, in: Klein, Thomas, Stiglegger Marcus, u.a. [Hrsg.], Filmgenres - Kriegsfilm, Stuttgart 2006, S. 87-92 sowie Paul, Gerhard, Krieg und Film im 20. Jahrhundert. Historische Skizze und methodologische Überlegungen, in: Chiari, Bernhard [Hrsg.], Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts, im Auftrag des militärgeschichtlichen Forschungsamtes (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 59), München 2003, S. 3-63.
39 Dass es die zweite Flagge war und dass in Wahrheit niemand bei der Szene verletzt wurde, blieb außen vor.
40 Vonderau, Patrick, Art. Todeskommando/Du warst unser Kamerad/Iwo Jima, die große Schlacht - Sands of Iwo Jima, in: Klein, Thomas, Stiglegger Marcus, u.a. [Hrsg.], Filmgenres - Kriegsfilm, Stuttgart 2006, S. 87-92.
- Citation du texte
- Martin Mehlhorn (Auteur), 2011, „Raising the Flag on Iwo Jima“ Entstehungsgeschichte einer Ikone und ihre Bedeutung für die US-amerikanische Erinnerungskultur von 1945-2006, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/181641
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