„Ist uns auch der Wunsch, Menschen zu essen, zutiefst fremd, so gilt nicht das gleiche vom Wunsch, zu töten. Nicht jeder von uns empfindet ihn; aber wer würde es wagen, anzunehmen, daß er in der Menge nicht vorhanden ist, ebenso wirklich, wenn nicht sogar ebenso unerbittlich wie der Sexualhunger? Die Häufigkeit unnützer Massenmorde in der Geschichte verdeutlicht die Tatsache, daß in jedem Menschen ein potentieller
Mörder lebt.“ (George Bataille, Erotik. S. 71)
Oder, anders ausgedrückt: in jedem Menschen lauert eine hungrige, unbezwingbare Bestie, die Töten und sexuelles Handeln gleichermaßen zur Befriedigung benötigt. Was George Bataille in diesem Zitat proklamiert, erscheint zunächst schockierend und unwirklich, sind wir doch meist geneigt, alles nicht Schöne – in diesem Fall sogar das Böse – in uns abzustreiten. Objekte des Ekels, Obszönität und Gewalt erwecken Abscheu, Scham und Furcht, aber auch eine unleugbare Neugier. Am deutlichsten wird diese Ambivalenz im Kontext der Sexualität, mehr noch, wenn man versucht, eine Beziehung zwischen Sexualität und einer Ästhetik des Hässlichen herzustellen.
Ästhetik und Hässlichkeit bilden im Sprachgebrauch per se einen Widerspruch, den die Literatur aufzubrechen weiß. Ästhetik ist hier nicht gleichzusetzen mit Schönheit, sondern im genannten Kontext mit Sinnlichkeit. Sowohl der Marquise de Sade als auch Anne-Sophie
Brasme, Schriftsteller, zwischen deren Werken mehr als zweihundert Jahre liegen, zeigen in ihren Romanen „Die 120 Tage von Sodom“ und „Karneval der Monster“ die wahre Natur des Menschen, von der er sich mit aller Macht zu entfernen versucht. Auch hinter einer oftmals glatten, bekömmlichen Oberfläche schlummert ein monströses Geschöpf, unterdrückt
durch Moral, Religion, gesellschaftliche Konventionen und dem unbedingten Wunsch, seiner animalischen Natur zu entrinnen.[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. V orbemerkungen
1.2. Methodik und These
2. Begriffsbestimmungen und Traditionen
2.1. Wandel der Ästhetik im18.Jahrhundert
2.2. Karl Rosenkranz ,Ästhetik des Hässlichen’
2.2.1. Das Naturhässliche, das Geisthässliche und das Kunsthässliche
2.2.2. DasWidrige
2.3. George Batailles ,Erotik’
2.3.1. GrenzenundVerbote
2.4. Julia Kristevas ‘Power of Horror - An essay on Abjection’
2.5. Schlussfolgerung
3. Literarischer Teil
3.1. Herr-Knecht-Verhältnis
3.1.1. Herrscher und Sklaven
3.1.2. Wechselspiel
3.2. Geschlechterdiskurs
3.2.1. Die Verteufelung des Weiblichen
3.2.2. Aufbruch der Traditionen
3.3. Metamorphose und Identität
3.3.1. Objektivierung
3.3.2. Das Kunstwerk
3.4. Die Ästhetik des Hässlichen
3.4.1. Das Schreckliche, Niedrige, Abstoßende
3.4.2. Der Karneval der Monster
4. Schlussbetrachtung
4.1. Exkurs: Filmische Rezeption
4.2. Fazit
5. Literaturverzeichnis
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur
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