Die griechische Polis Mytilene1 auf der Insel Lesbos war im 6. Jahrhundert v. Chr. Schauplatz
leidenschaftlicher Parteikämpfe, die den Kampf gegen die Tyrannis Einzelner (Penthilos,
Melanchros, Myrsilos) oder ganzer Familien (Penthiliden, Kleanaktiden) zum Inhalt hatten.
Weiterhin sah man sich dem Einfluss der persischen Großmacht gegenüber, die nach dem
Scheitern des Ionischen Aufstandes Lesbos zwang auf ihrer Seite in der Seeschlacht von
Salamis mitzukämpfen.2
Nachdem die Perser endgültig abgewehrt werden konnten, fand sich Lesbos als wichtiges
Mitglied innerhalb des Ersten Attischen Seebundes wieder. Im Laufe der Zeit gelang es aber
Athen aus der anfänglichen Symmachie eine Alleinherrschaft zu formen, unter die sich alle
anderen verbündeten Poleis zu fügen hatten. Die zunehmende Abneigung dem Hegemon
gegenüber lies in Mytilene und anderen Poleis auf Lesbos den Wunsch aufkommen sich
wieder aus dem Einflussbereich der Großmacht zu lösen. Die Gelegenheit dazu schien in den
ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges gekommen.
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel diesen Abfall nach den schriftlichen Überlieferungen zu
rekonstruieren. Thukydides belässt es im dritten Buch seiner „Geschichte des
Peloponnesischen Krieges“ aber nicht bei einer bloßen Ereignisgeschichte, sondern verlagert
den Handlungsort auch nach Athen selbst. In der Diskussion um das Schicksal Mytilenes
eröffnet sich damit ein Blick auf das athenische Volk und dessen Selbstverständnis. Hier liegt
ein Erkenntnisgewinn für das allgemeine Verständnis von Demokratie verborgen, den es
aufzuspüren und zu charakterisieren gilt.
Darüber hinaus soll die Frage nach der inneren Struktur Mytilenes aufgeworfen werden, die
gerade vor dem Hintergrund des allgemeinen Kriegszustandes und den damit in
Zusammenhang stehenden inneren Parteikämpfen der griechischen Welt im 5. Jahrhundert v.
Chr. an Bedeutung gewinnt. Dass bei den Ereignissen von 428/427 über den Einzelfall hinaus
generelle Phänomene der athenischen Herrschaft im Seebund zu Tage treten, soll
abschließend mit einem Blick auf das Konstrukt des Ersten Attischen Seebundes vor dem
Hintergrund des Abfalls von Mytilene nachgewiesen werden.
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Hauptteil
I Der Attische Seebund
1.1 Die Entstehung des Attischen Seebundes
1.2 „Die Athener und ihre Bundesgenossen“
II Der Abfall Mytilenes vom Attischen Seebund
2.1 Die Stellung Mytilenes im Attischen Seebund
2.2 Eine Rekonstruktion der Ereignisse nach Thukydides
2.2.1 Von langer Hand geplant
2.2.2 Die List der Athener scheitert
2.2.3 Der Krieg beginnt
2.2.4 Die mytilenische Gesandtschaft in Olympia
2.2.5 Kämpfe auf Lesbos
2.2.6 Der Fall von Mytilene
2.2.7 Die Mytilene-Debatte in Athen
a) Die Rede Kleons
b) Die Rede des Diodotos
c) „So nah war Mytilene der Gefahr... “
2.3 Der Abfall von Mytilene bei Diodor, Aristoteles und Strabon
III Rückschlüsse aus der Revolte von Mytilene
3.1 Zur Topographie Mytilenes
3.2 Verfassung, Bevölkerungsstruktur und politische Gesinnung in Mytilene
3.3 Zur Mytilene-Debatte bei Thukydides
3.4 Rückschlüsse auf Athens Herrschaft im Attischen Seebund
3.4.1 Direkte Herrschaftsmittel
a) Militärische Überlegenheit
b) Beamte
c) Rechtssprechung und Strafmaßnahmen
d) Die innere Struktur des Seebundes als Machtstütze Athens
e) Kolonien und Besatzungen
3.4.2 Indirekte Herrschaftsmittel
C Schluss
D Anhang
1. Abkürzungsverzeichnis
2. Quellen- und Literaturverzeichnis
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