Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Forschung mit der vielschichtigen Erzählung Mauritius von Craûn. Dabei stellte sich als problematisch heraus, dass Zeit und Ort des Entstehens nur eingegrenzt werden können (zwischen 1180/90 und 1230/40 ), der Verfasser unbekannt und die vermutlich altfranzösische Vorlage verloren gegan-gen ist.
Auch in Folge der äußeren Umstände gibt es kontroverse Beurteilungen zum inter-pretatorischen Verständnis des Textes. So gibt es weit auseinander gehende Ansich-ten, vor allem zur Bedeutung der Minnehandlung. Für den einen fungiert die Novelle als exemplum und „fordert zur Kritik an den handelnden Personen auf und versucht […] letztlich die Angehörigen des angevinischen Hochadels zu treffen“ , für den anderen liest sich der Mauritius „als prinzipielle Warnung vor der minne“ .
In der folgenden Auseinandersetzung soll daher versucht werden das Minneideal des Erzählers zu analysieren. Dabei möchte ich zunächst den Minnediskurs betrachten und diesen mit dem Ideal der Hohen Minne vergleichen. In einem weiteren Punkt wird geprüft, ob der Erzähler diesem, zu Beginn der Novelle vorgestellten Ideal, im weiteren Verlauf treu bleibt. Bei beiden Punkten wird untersucht, nach welchem Minneideal die Protagonisten agieren und wie sich dieses entwickelt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Minnediskurs des Erzählers
3. Die weitere Entwicklung der Minnehandlung
3.1. Der Klagemonolog des Mauritius
3.2. Der Vertrag
3.3. Der Schlaf des Mauritius
3.4. Die Einforderung des Minnelohns
3.5. Die Minneklage der Gräfin
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit geraumer Zeit beschäftigt sich die Forschung mit der vielschichtigen Erzählung Mauritius von Craûn. Dabei stellte sich als problematisch heraus, dass Zeit und Ort des Entstehens nur eingegrenzt werden können (zwischen 1180/90 und 1230/40[1] ), der Verfasser unbekannt und die vermutlich altfranzösische Vorlage verloren gegangen ist.
Auch in Folge der äußeren Umstände gibt es kontroverse Beurteilungen zum interpretatorischen Verständnis des Textes. So gibt es weit auseinander gehende Ansichten, vor allem zur Bedeutung der Minnehandlung. Für den einen fungiert die Novelle alsexemplumund „fordert zur Kritik an den handelnden Personen auf und versucht […] letztlich die Angehörigen des angevinischen Hochadels zu treffen“[2], für den anderen liest sich der Mauritius „als prinzipielle Warnung vor derminne“[3].
In der folgenden Auseinandersetzung soll daher versucht werden das Minneideal des Erzählers zu analysieren. Dabei möchte ich zunächst den Minnediskurs[4] betrachten und diesen mit dem Ideal der Hohen Minne vergleichen. In einem weiteren Punkt wird geprüft, ob der Erzähler diesem, zu Beginn der Novelle vorgestellten Ideal, im weiteren Verlauf treu bleibt. Bei beiden Punkten wird untersucht, nach welchem Minneideal die Protagonisten agieren und wie sich dieses entwickelt.
2. Der Minnediskurs des Erzählers
Der, dem Prolog folgende, Minnediskurs erörtert die Ansicht des Erzählers zum Wertstæter minneund den daraus resultierenden Verhaltensweisen. Dabei wird zunächst vor den Mühen dieser aufopferungsvollen Aufgabe gewarnt:swer stæteclichen minnet./ vil der gewinnet/ beide schaden und arbeit./(V. 295ff.). Dann aber wird die beschwerlichestætein Bezug zu reichem Lohn gestellt (V. 298-306), dem aberschadenunausweichlich vorausgeht. Der Erzähler geht sogar soweit zu sagen:schade ist Minne râtgebe(V. 332). Zum Ende des Diskurses gibt der Erzähler dann folgenden Rat zum richtigen Minneverhalten der Ritter:
Swer minnet unde minne hât,
dem wil ich geben einen rât,
daz er unstæte fliehe
und sich an stæte ziehe:
sô beladet er sich vaste
mit einem süezen laste
und endet allez daz er wil. (V. 341-347)
Dem Ideal des Erzählers entsprechend wird der vorbildliche Minnediener und Musterritter Mauritius, der Protagonist der Erzählung, eingeführt. Dieser ist in seinem Auftreten tadellos und zeichnet sich vor allem durch Ruhm und Treue aus:
der lop nie von im geliez,
[…] der was dienstes bereit
vil manegen tac mit stætigkeit.
turnieren und geben
was allez sîn leben,
âne lôn, vor allen dingen.
[…]er wasschœn und wol gezogen
und aller dinge unbetrogen,
hövesch unde wîse. (V. 271-277)
Damit entspricht er den, in der Hohen Minne propagierten, ritterlichen Wertentriuweundstæte. Den Gesetzen der Hohen Minne folgend,êreals Lohn für vorbildlichen Minnedienst zu erhalten, wird prophezeit, was Mauritius nach seinen Anstrengungen zu erwarten hat:durch das müese im widervarn/ êre von guoten wîben./ […] diu guoten gebent hôhen muot,/ ir lôn ist êre und guot.(V. 400-414).
3. Die weitere Entwicklung der Minnehandlung
3.1. Der Klagemonolog des Mauritius’
In dem Klagemonolog (V. 417-523) bedauert der verzweifelte Protagonist die Feindseligkeit der Minnedame, die zu Beginn der Erzählung als Gräfin von Beamunt vorgestellt wurde, und beschwert sich über die Vergeblichkeit seines Dienstes:[…] der ich vil gedienet hân./ diu wil es niht verguot hân.(V.431f.). Charakteristisch für die Klage sind Zentralwörter wiearbeit(V. 425), leit(V. 426), kumber(V. 441) undswære(V.449).[5]
Mit der Erkenntnis, dass der Minnedienst auch ohne Lohnerfüllung seitens der Dame, Ruhm und Anerkennung gebracht hat (V. 436-440), müsste sich Mauritius nach dem Prinzip der Hohen Minne zufrieden geben:
„Hohe Minne ist eine Bewährungsminne-eine Minne, deren Bestehen, deren Bewältigung sich trotz Hoffnungslosigkeit in einem erhöhten Selbstwertgefühl und gesteigertem Ansehen >auszahlen< kann.“[6]
Dies tut er aber nicht, sondern steigert sich im Gegenteil immer mehr in sein Leid hinein, äußert sogar Gedanken an den Tod (V. 468f.), der ihm besser vorkommt als das schmerzliche Leben. Auch hadert er vehement mit dem Schicksal, das es vermeintlich nicht gut mit ihm meint:hæte heil baz ze mir getân,/ so hæte ez halbez mich vermiten/ daz ich sus gar hân erliten.(V. 518ff.). Den traditionellen Vorstellungen von Minnedienst entspricht das nicht: dass der Verehrer so verzweifelt und heftig darauf insistiert seine Wünsche erfüllt zu bekommen ist untypisch. Hier treten somit erste Unterschiede zu den Vorstellungen der Hohen Minne auf.
Davon unberührt ist die Gräfin, dem gängigen Minneideal entsprechend, zur Minneherrin stilisiert. Sie hat den Ritter bisher ignoriert, sich als distanziert und kalt erwiesen. In ihrer Verantwortung liegt es, dass er sich in dieser misslichen Lage befindet und nur sie kann ihn daraus befreien:si ist von der ich muoz genesen,(V. 470).
[...]
[1] Vgl. Klein, Dorothea: ‘Mauricius von Craûn’ oder die Destruktion der Hohen Minne. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 127 (1998), S. 271-294, hier S. 271.
[2] Borck, Karl-Heinz: Zur Deutung und Vorgeschichte des Moriz von Craun. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 35 (1961), S. 113-144, hier S. 144.
[3] Kokott, Hartmut: Mit grossem schaden an eere (V.1718). Zur Minne-Lehre des ‚Moriz von Craûn’. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 107 (1988), S. 362-385, hier S. 362.
[4] Mauritius von Craûn, hg. v. Heimo Reinitzer. Tübingen 2000 [ATB 113], V. 263-416.
[5] Vgl. Schweikle, Günther: Minnesang. Stuttgart 1989, S. 171.
[6] Schweikle, Günther: Minnesang. Stuttgart 1989, S. 169.
- Quote paper
- Anonymous,, 2006, Das Minneideal des Erzählers im "Mauritius von Craûn", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180951
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