Im Vorwort beklagt Heinrich Heine die Talentlosigkeit, die die meisten deutschen Gelehrten davon abhält, sich über Religion und Philosophie populär auszusprechen. Falls es sich nicht auch um eine Talentlosigkeit handelt, überhaupt in der sachlich richtigen Weise über etwas zu sprechen, das man auch noch richtig erkannt haben muss, dann ist zumindest ein sehr großes Versäumnis zu beklagen, dass man nicht recht zu wissen scheint, worüber man redet. Da das Volk nach Wissen hungert, müsste dem dringend Abhilfe geschaffen werden. Ich werde deshalb einige dieser wissenswerten Dinge ansprechen und manches bekömmliche oder auch schwerer verdauliche Geistesbrot anbieten. Jedenfalls wird zu sehen sein, dass die Fragen der Philosophie und der Religion auch Fragen der Naturwissenschaft sind.
Vorwort
von Heinrich Heine:
„Große deutsche Philosophen, die etwa zufällig einen Blick in diese Blätter werfen, werden vornehm die Achseln zucken über den dürftigen Zuschnitt alles dessen, was ich hier vorbringe. Aber sie mögen gefälligst bedenken, dass das wenige, was ich sage, ganz klar und deutlich ausgedrückt ist, während ihre eignen Werke zwar sehr gründlich, unermessbar gründlich, sehr tiefsinnig, stupend tiefsinnig, aber ebenso unverständlich sind. Was helfen dem Volke die verschlossenen Kornkammern, wozu es keinen Schlüssel hat? Das Volk hungert nach Wissen und dankt mir für das Stückchen Geistesbrot, das ich ehrlich mit ihm teile.
Ich glaube, es ist nicht Talentlosigkeit, was die meisten deutschen Gelehrten davon abhält, über Religion und Philosophie sich populär auszusprechen. Ich glaube, es ist Scheu vor den Resultaten ihres eigenen Denkens, die sie nicht wagen, dem Volke mitzuteilen. Ich, ich habe nicht diese Scheu, denn ich bin kein Gelehrter, ich selber bin Volk. Ich bin kein Gelehrter, ich gehöre nicht zu den siebenhundert Weisen Deutschlands. Ich stehe mit dem großen Haufen vor den Pforten ihrer Weisheit, und ist da irgendeine Wahrheit durchgeschlüpft und ist diese Wahrheit bis zu mir gelangt, dann ist sie weit genug.“
(In: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland)
Einleitung
Im Vorwort beklagt Heinrich Heine die Talentlosigkeit, die die meisten deutschen Gelehrten davon abhält, sich über Religion und Philosophie populär auszusprechen. Falls es sich nicht auch um eine Talentlosigkeit handelt, überhaupt in der sachlich richtigen Weise über etwas zu sprechen, das man auch noch richtig erkannt haben muss, dann ist zumindest ein sehr großes Versäumnis zu beklagen, dass man nicht recht zu wissen scheint, worüber man redet. Da das Volk nach Wissen hungert, müsste dem dringend Abhilfe geschaffen werden. Ich werde deshalb einige dieser wissenswerten Dinge ansprechen und manches bekömmliche oder auch schwerer verdauliche Geistesbrot anbieten. Jedenfalls wird zu sehen sein, dass die Fragen der Philosophie und der Religion auch Fragen der Naturwissenschaft sind.
Was das Betreiben der Wissenschaft bewirkt hat, sieht der Mensch in jedem Bereich seines Lebens. Die Art und Weise wie er lebt, welche Hilfsmittel er hat, sein Leben zu meistern, wie er die Natur, die er jetzt häufiger einfach nur Umwelt nennt, sich zu nutze macht, um in ihr bestehen zu können und um seine Vorstellungen von Leben überhaupt zu verwirklichen, oder einfach nur in den Tag hineinzuleben und ungeplant ins nächste Jahr, das alles sind Auswirkungen, die von den Ergebnissen der Forschung stark betroffen sind oder sogar unmittelbar herrühren. Jedenfalls gilt das für die Menschen, die nicht direkt von der Hand in den Mund leben und eine Art Kultur oder Zivilisation aufgebaut haben, die man zum Medienzeitalter zählt.
Ein moderner Mensch lässt sich morgens von einer mechanischen Vorrichtung, die die Zeit angibt, wecken, betätigt einen Schalter, der über einen Leuchtkörper Licht aufscheinen lässt, benutzt bereits beim Waschvorgang elektrische Apparaturen, entnimmt die Zutaten zu seinem Frühstück aus Kühlschrank, Toaster und Kaffeemaschine, bekleidet sich mit maschinell hergestellten Erzeugnissen der Textilindustrie, muss noch etliche andere mechanische Systeme benutzen und beachten, ehe er in sein mechanisch- angetriebenes und elektronisch gesteuertes Automobil steigt, um zu seinem, vermutlich technisierten, Arbeitsplatz zu gelangen. Wollte man die Fülle der naturwissenschaftlichen Errungenschaften und Erkenntnisse erläutern, die dabei umgesetzt und verwirklicht und für die Erledigung mannigfacher Aufgaben dienlich wurden, würde das ganze Bibliotheken füllen. Ganze Bibliotheken und Datenbänke wurden bereits gefüllt! Das Betreiben insbesondere der Naturwissenschaften hat schon immer einen starken unmittelbaren Einfluss auf das menschliche Leben und seinen Fortschritt gezeitigt.
Eine andere Frage wäre, inwieweit die Naturwissenschaften irgend etwas zur Entwicklung des Geistes beigetragen haben oder ob sie sogar etwas zur Beantwortung der Sinnfrage des Lebens zu sagen haben. Ist der Mensch allweiser geworden, seit Erfindung des Rasierapparates? Sind die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts intelligenter oder wenigstens gebildeter als die des 18. Jahrhunderts? Eine Frage, die zu verneinen sich in unserer Zeit einige Fernsehsender mit ihren Quizsendungen erfolgreich gewidmet zu haben scheinen.
Wichtigere Fragen hat man sich schon vor Jahrhunderten gestellt: Kann die Erforschung unseres Kosmos über die Erforschung der physischen Welt hinausgehen? Kann sie die geistige Welt, das Jenseitige mit einschließen, oder wenigstens nachweisen? Was heißt hier schon „wenigstens“! Das wäre doch ein echter Triumph der Wissenschaft mit unübersehbaren Folgen für die Geisteswissenschaften und die Religionen.
Sind Naturwissenschaftler in der Lage „wissenschaftlich“ etwas über Geist und Gott auszusagen, oder doch wenigstens über die Entstehung und das Ziel des Lebens? Oder ist das auch wieder zu hoch gestapelt? Wir werden sehen!
Behauptungen und Hypothesen gibt es genug, aber schaffen sie auch Wissen und halten sie der Wahrheitsprüfung stand? Wahrheiten sind manchmal enttäuschend, öfter überraschend und vielleicht auch sensationell, wenn man sie als solche erkannt hat. Sie sind aber dann klar und unumstößlich. Das kann man von „wissenschaftlichen“ Verlautbarungen nicht immer behaupten. Vielmehr, behaupten kann man alles, aber hält es den erforderlichen Nachprüfungen stand?
Wir sind ein Bestandteil der Natur und denken doch, wie „von außen“, über sie nach wie sonst nichts, was zur Natur dazugehört. Müssen wir uns erst mehr im „Außen“ umschauen, damit wir das „Innen“ besser verstehen?
1. Kapitel Die Atomphysik und Gott
Werner Heisenberg stellt in seinem Werk „Physik und Philosophie“ fest, „dass die Erfahrung eine unbestreitbare Wahrheit enthält, dass es nicht irgendeiner menschlichen Autorität überlassen bleiben kann, zu entscheiden, was wirklich in der Natur geschieht, sondern dass diese Entscheidung durch die Natur oder in diesem Sinne durch Gott selbst getroffen wird.“
Zu entscheiden hat der Mensch nichts zur Realität, außer zu seiner eigenen. Es muss ihm also irgendwie von außen gesagt werden, was „wirklich in der Natur geschieht“. Es muss ihm geoffenbart werden. Steht es so aussichtslos?
Heisenberg wusste, wovon er schrieb, denn er sah sich in seiner Forschung vor einer Schwelle der Erkenntnis, die er nicht mehr überschreiten konnte. Das machte ihn demütig, nicht verzweifelt. Am Anfang der Weisheit steht die Erkenntnis der eigenen Ohnmacht über die naturgegebenen Grenzen nicht hinausgehen zu können. Sind diese Grenzen dann auch gottgegebene Grenzen? Kann es überhaupt Grenzen geben für den Menschen, wenn sie nicht gottgegeben sind?
In der Quantenphysik, dem Spezialgebiet Heisenbergs und anscheinend dem Grenzgebiet der Atomphysiker, ist man vorsichtig mit Behauptungen über Realitäten. Heisenberg mahnte die menschlichen Autoritäten ab. Derzeit stehen die wissenschaftlichen Autoritäten höher im Kurs als die kirchlichen, die seit den Galileiprozessen abqualifiziert sind. Aber für beide gilt: der Mensch muss sich seiner Grenzen bewusst sein. Theologen und Wissenschaftler haben beide nicht zu entscheiden, was wirklich geschieht, sie müssen sich der Realität beugen, die sich in der Natur zeigt. Die Natur ist die Welt, die uns zugänglich ist.
Gibt es eine unsichtbare Realität, die der Mensch nicht sichtbar machen kann, muss es jemand anderes für ihn tun. Jemand, der offenbar zum Hüben und Drüben gehört. Und dem Mensch bleibt nur zu hoffen - oder zu fürchten -, dass es geschehen wird. Eine Offenbarung durch Gott wird nicht unbedingt mit den bekannten Naturgesetzen übereinstimmen. Das ist unstrittig. Strittig ist nur, ob es eine solche Offenbarung gab, gibt oder geben wird. Und das Wohl und Wehe der Menschen wird davon abhängen, sie als solche zu erkennen.
Gerade hinsichtlich der Entstehung und der Fortentwicklung des Lebens stimmen die Aussagen der Offenbarung Gottes nicht mit den Aussagen der prominentesten wissenschaftlichen Meinung überein wie ich die Mehrheitsmeinung nennen will. Mehrheiten müssen nicht immer recht haben, aber sie müssen gehört werden.
Heisenberg zeigte in seinem Werk auf, dass man lange vergebens versucht hat, die Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik, jedenfalls auch die vermeintlichen, besonders das der Natur als allgemeingültig unterstellte Prinzip der Kausalität auf jedes beliebige Forschungsgebiet anzuwenden und als universal nachzuweisen. Von diesen Versuchen musste man Abstand nehmen. Aber selbst Einstein versuchte den aus der Quantenphysik gewonnenen Fakten und den unausweichlichen Schlussfolgerungen zu widerstehen. Er war nicht willens klein beizugeben.
Die Wirklichkeit sollte so sein, dass sie ihm zusagte. Das tat sie fortwährend nicht. Andere erkannten früher als Einstein, dass es keinen Sinn machte, noch länger darauf zu warten, dass das Unvermeidliche durch das Auffinden anderer Realitäten doch noch vermeidlich würde.
Das Festhalten an der Kausalität der physischen Realitäten passt auf der philosophischen und psychischen Ebene zur Ablehnung eines Schöpfergottes, denn wenn die Welt aus sich völlig erklärbar ist, braucht sie auch keinen Gott. Der Forscher kann dann beruhigt seinen „Gott-losen“ Forschungen nachgehen.
Wenn es hingegen keine lückenlose Kausalität gibt, ist die Existenz eines Gottes, also jemand der so etwas wie die erste Kausalität ist, gefährlich nahe in das Gesichtsfeld des nach existentiellen Realitäten nachsinnenden Forschers gerückt. Einstein hatte vielleicht kein Problem mit einer höchsten Existenzform als Chefmathematiker und Baumeister, aber sehr wohl als personalen Gott wie er in den heiligen Schriftrollen von Einsteins Vorvätern, die Juden waren, bezeugt ist.
Einstein reiht sich in einer Hinsicht ein in das Heer der agnostischen Hochdenker, die sich gerne ihre Unabhängigkeit bewahren. Bei Einstein ist klar ersichtlich, dass er als höchstes erstrebenswertes Ideal die Autonomie des Individuums sah. Eine Abhängigkeit von Gott und eine Verantwortlichkeit einem höheren Wesen gegenüber käme in Konflikt mit der Grenzlosigkeit der Selbstbestimmung, wäre zu befürchten, wenn man wirklich so frei ist mit dem, was man im Leben bestimmen mag.
In Einsteins Schriften kommt auffällig häufig das Wort „selbständig“ vor. Was Einstein schreibt, hat immer wieder mit allen möglichen Freiheiten zu tun, die der Mensch haben sollte. Man stelle sich das große Glück vor, das ein heranwachsendes Kleinkind hat, sein Freiheitsstreben nicht willkürlich durchsetzen zu können wie es das vielleicht mit seinem unausgereiften Willen möchte. „Kinder an die Macht“ heißt es in einem nicht ganz ernst gemeinten Schlager. Kinder sind an der Macht! Die Machthaber sind im Verstehen Kinder. In ihren Ansprüchen sind sie aber näher den Göttern.
„Wer von der kausalen Gesetzmäßigkeit allen Geschehens durchdrungen ist, für den ist die Idee eines Wesens, welches in den Gang des Weltgeschehens eingreift, ganz unmöglich,“ schreibt Einstein selbstoffenbarend. Er hatte also einen logischen Grund zeitlebens einen persönlichen Feldzug gegen die Quantenmechanik zu führen, die ein Eingreifen von außerhalb unser innerweltlichen Realitäten wieder möglich erscheinen ließ. Die Quantenmechanik hängt wie ein Damoklesschwert über den Hütten der „die-Welt-erklärt-sich-selbst-hinlänglich-Theorien“.
Einstein sagte auch weniger klar, dass ein Gott, der belohnt und bestraft, für ihn schon darum undenkbar ist, „weil der Mensch nach äußerer und innerer gesetzlicher Notwendigkeit handelt, vom Standpunkt Gottes aus also nicht verantwortlich wäre.“
Auch damit hat Einstein sicher nicht recht. Der Mensch handelt eben nicht wie uns die Psychologen weis machen wollen nach unausweichlichen Gesetzmäßigkeiten. Einen Standpunkt eines nicht existenten Gottes beurteilen zu wollen, konnte eigentlich auch einem Einstein nicht gelingen, hätte er wissen müssen.
Die Aussage ist auch sonst nicht überzeugend. Weder ist sicher, dass der Mensch stets nach Notwendigkeiten handelt, gibt es doch auch in der Physik eben diese Notwendigkeiten nicht, warum sollte es sie dann ausgerechnet beim Menschen geben, der als einziges irdisches Lebewesen über sich selbst nachdenken kann. Noch weiß man sicher, was mit Belohnung und Bestrafung ein Gott wirklich bezwecken wird. Auch menschliche Väter belohnen und bestrafen ihre Kinder, die doch angeblich nur nach inneren oder äußeren Gesetzmäßigkeiten handeln! Deshalb würde niemand behaupten, dass diese Väter etwas Sinnloses tun.
Was Einstein abseits mathematischer Notwendigkeiten gedacht und geschrieben hat, erscheint vergleichsweise oberflächlich durchdacht, wenn es überhaupt durchdacht ist. Er war nicht der große Weise wie manche von ihm behaupten wollen. Wenigstens er selber hatte diesen Anspruch nicht. Er nahm geistige Anleihen bei Koryphäen wie Freud, zu einer Zeit, als dessen Theorien noch etwas galten. Man sollte sich nie von anderen Menschen in wichtigen Fragen abhängig machen, ganz gleich wie diese Menschen heißen.
In moralischen und theologischen Fragen war Einstein Laie. Es besteht der Verdacht, dass Einstein seinem Wunschdenken Ausdruck verliehen hat. Er konnte nicht umhin eine Vernunft im Weltenbau zu erkennen. Er lehnte es aber ab, an den Gott seiner Väter zu glauben. Insbesondere scheint ihm der Gedanke missfallen zu haben, Gott könne so etwas wie ein „Vater“ sein „ein Wesen, zu dem man gewissermaßen in einer persönlichen Beziehung steht, so respektvoll diese auch sein mag.“
Der jüdische Gott ist für ihn nur „Phantasieersatz“ für die Beseitigung des Aberglaubens. Das scheint wohl eine Anleihe bei Marx und Engels zu sein. Auch deren Aussagen gelten heute nicht mehr so viel.
Eine seltsame Logik, die Einstein da präsentiert: die Juden haben den Aberglauben abgeschafft, indem sie einen neuen Aberglauben setzten! Ein schlichter Gedankengang auch dies: Wer an Gott glaubt, tut dies aus „kindlicher Einfalt“ und Naivität, er hat Gott nach dem Bilde des Menschen erdacht. So einfach kann man Gott abschaffen! Aber Einstein macht es sich da zu einfach. Wenn die Menschen, die die Bibel geschrieben haben, einen Gott nach ihrem Bilde entworfen haben, dann sind sie wahrhaft Übermenschen! Sie haben keinen Heldengott wie irgendein Hindugott entworfen. Und auch keinen unerreichbar fernen „unmenschlichen“ Gott wie der Allah der Muslime. Sie zeigen auf einen Gott, der eine historische Instanz ist und in die Biographie jedes Menschen eigreift.
Das Zeugnis derer, die „Erfahrungen“ mit Gott gemacht haben, darf man dann nicht ernst nehmen, wen man so argumentiert wie Einstein. Man kann dieses Zeugnis immer noch, wenn auch unbefriedigend, wegerklären. Ernst nehmen können die Einsteins dieser Welt solche „glaubende“ Menschen eher nicht, und ihnen Glauben zu schenken, hat man sich verboten. Das ist eine riskante Weltanschauung.
Überlegen wir ganz scharf: ein real existenter Gott verschwindet nicht ins Nichts des Aberglaubens, nur weil sich Menschen ihn oder irgendeinen anderen Gott in ihrer Naivität so denken. Dieser Verschwinde-Gott ist dem gleich, den die Atheisten wegdiskutieren, oder anders gesagt: der Gott, an den die Atheisten glauben, existiert nicht. Aber vielleicht existiert derjenige Gott, der existiert!
Dann ist es aber auch ganz offensichtlich, dass er sich offenbaren muss, wenn wir etwas von ihm wissen können sollen! Das müssen Atheisten und Theisten gleichermaßen einsehen. Ohne einen göttlichen Input können Menschen nichts Göttliches wissen. Gott bleibt so lange tot wie er nicht in Erscheinung tritt.
Atheisten bevorzugen an das Nichts zu glauben, getreu dem Vorschlag John Lockes: „Will Jemand so skeptisch sein, sein eigenes Dasein zu leugnen (denn ein wirklicher Zweifel daran ist offenbar unmöglich), so mag er sein geliebtes Glück, Nichts zu sein, geniessen.“ Aber damit haben sie natürlich so gut wie nichts gewonnen. Der Gläubige gewinnt – vielleicht – alles.
Ein erheblicher Teil seines Forscherlebens verwendete Einstein darauf die Quantenlehre zu widerlegen. Er konnte sie aber nicht als Aberglaube abtun, denn „ernsthafte“ Wissenschaftler, darunter Nobelpreisträger, konnten ihre Aussagen auf experimentelle Nachweise stützen und ihre gedanklichen Überlegungen waren auch nicht zu widerlegen. Trotzdem blieb Einstein zeitlebens bei seinem Determinismus. Nicht nur, dass das Vergangene wohltuend nachvollziehbar zu sein hatte, weil es ja nur strengen Gesetzmäßigkeiten folgen musste, auch vor der Zukunft musste man keine große Angst haben, sie war sozusagen voraussehbar, sie würde keine großen Überraschungen bieten, denn auch sie war „deterministisch“, gesetzmäßig, regelhaft. Keine Angst vor der Hölle! Erst recht nicht vor einem Himmel! Das ist vielleicht beruhigend für die, die keine großen Überrraschungen lieben und es sich erträglich in der Welt eingerichtet haben.
Die Bibel ist ein krasses Gegenstück zu diesem Weltbild, weil sie Unglaubliches aus der Vergangenheit berichtet und schwere Auswirkungen auf die Zukunft behauptet – und zwar ganz abseits der experimentellen Wissenschaft. Und weil sie Unglaubliches über die Zukunft berichtet, was gar nicht „in der Welt“ ist. Es wird ja durchweg eine andere Weltsicht betrieben als die der naturwissenschaftlichen Forschung, die nur gelten lässt, was messbar ist. Zwei Welten prallen aufeinander, so scheint es, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Auch Darwins Entwicklungslehre braucht den Determinismus und ist dementsprechend nicht mit philosophischen Systemen oder Glaubenssätzen zu vereinbaren, die eine ewig gültige Kausalität, die alles materiell erklärt, ablehnen. Dazu gehört der christliche Glaube, der glauben darf, dass klassische Physik und „Kausalität“ nur da gilt, wo sie gelten soll, dass aber Gott sie jederzeit durchbrechen kann und dies auch häufig tut und zulässt; und dass es andere auch tun, wann immer Gott es will, oder wann immer er sich die Freiheit nimmt, es zuzulassen. Das wagt man nur deshalb klug kombiniert nennen, weil es niemand widerlegen kann.
Das ist etwas was Naturwissenschaftler berufsmäßig ablehnen, etwas Unwiderlegbares zur Basis des Erkenntniserwerbs zu machen. Und bei jenen, die Agnostizismus zur Lebensanschauung gemacht haben, ist es abzulehnen, das Leben nach unbeweisbaren Prinzipien auszurichten. Kein Wunder also, wenn bei all jenen die Bibel nicht hoch im Kurs steht. Aber möglicherweise beruht diese Einschätzung auf einem Missverständnis und man hat nur zu oberflächlich gelesen! Vielleicht hätte man das Buch der Bücher nur mit dem gkleichen Ernst und dem gleichen Wissensdust lesen mögen, wie man seine beruflichen Aktivitäten entfaltet.
Nach christlicher Lehre ist der Mensch keineswegs gezwungen, das Böse zu tun und Gott ist nicht gezwungen, die Entscheidungen des Menschen hinzunehmen. Das lässt sich zwar naturwissenschaftlich nicht beweisen. Das schadet aber nichts, denn das Gegenteil lässt sich auch nicht beweisen.
Es gibt auch christliche Wissenschaftler, die nichts gegen Kausalitäten haben, wenn sie sagen, dass sie zu dem Schluss kommen, die Existenz des Menschen müsse eine Ursache haben, die quantitativ größer ist und qualitativ höheres Leben, mehr Kreativität, mehr Intelligenz, mehr Energie für Emotion und Willen besitzt. Kausalität ist hochwillkommen und wird bedankt, solange sie nicht zum Gott gemacht wird.
In der Evolutionstheorie ist sie hingegen nur ein lästiger Götze. Und zwar deshalb: die Evolutionstheorie würde dem Kausalitätsprinzip, das sie einesteils unbedingt braucht, doch immer auch widersprechen und sie würde daher eher ein Feind der Herrschaft der Kausalität sein, da sie eine Wirkung ohne wirkliche Ursache behauptet. Vor der Materie war Nichts. Wie sollte Nichts ausreichen, um Materie oder Energie hervorzubringen? Vor dem Leben war unorganisierte Materie. Wie sollte ein Stück Dreck Programmsoftware werden, die sich selbst reproduziert und sich geschickt den unterschiedlichsten Anforderungen mit viel Sinn und Zweckerfüllung anpasst? Vor dem Geist war nur organisierte Materie. Wie sollte eine funktionierende Maschine das Denken anfangen und Gefühle bekommen?
Ständig entstehen Dinge, die eine neue Qualität darstellen, für die es keine ausreichende Ursache in der physischen Welt gibt. Diese Tatsachen kann man nicht leugnen. Man tut gut daran, sie anzuerkennen, damit man nicht ganz zum Narren wird. Wer diesen Tatsachen nicht Rechnung trägt und sie wegdiskutiert, ist gezwungen viel Närrisches zu ersinnen, um die Welt als sinnlose Welt „erklärt“ zu haben. In dem Wort „erklären“ steckt allerdings das „klar“ oder „klären“ oder „klarmachen“. So wird nichts klar. So entfernt man sich immer mehr von der Realität, so taucht man immer tiefer unter ins Reich der Fabeln.
Genau genommen nimmt die Evolutionstheorie Ursachen an wie Zufall und Auslese, die nicht geeignet sind für das Entstandene eine ausreichende Erklärung zu sein. Die Kausalitäten sind erfunden und so nicht gegeben. Und hier treffen wir schon auf ein Phänomen, dass Begrifflichkeiten benutzt werden, obwohl die Voraussetzungen dafür gar nicht vorliegen. Dies hat es vor dem 19. Jahrhundert nicht gegeben, jedenfalls nicht in solchen Ausmaßen. Mit der Entwicklungslehre wurde ein Sprachgebrauch eingeführt und immer weiter getrieben, der die ursprüngliche Klarheit der Bedeutungsinhalte verschleierte, um damit eine Scheinwirklichkeit zu erschaffen, die sich dem normalen Volk, das die Sprache noch im herkömmlichen Sinne benutzt, nicht mehr erschließt. Wir werden ganz zum Schluß dieses Buches noch einmal auf die Macht der Sprache eingehen müssen.
Anstatt dem zu misstrauen, was die Fortschrittler aus ihren Wolkenkuckucksheimen abseits der handfesten technischen Errungenschaften zusammenfabulierten, gab man ihnen einen Vertrauensvorschuß wie ein Almosenempfänger sie dem gibt, von dem er gerade den Taler empfangen hat. Wer vermutet da Falschgeld? Die technische Entwicklung war so rasant, dass einem der Atem stockte. Der fehlte dann zum bedächtigen Luftholen. Der materiell-technische Fortschritt war in jeder Beziehung atemberaubend.
Die Tendenz des Denkens im 19. Jahrhundert führte zu einem wachsenden Vertrauen in die wissenschaftliche Methode und in rationale Begriffe. Dafür gewann man eine wachsende Skepsis gegenüber den Begriffen der gewöhnlichen, nichtgelehrten Sprache, die nicht zum wissenschaftlichen Denken passte, z.B. jener der Religion. Ob das eine glückliche Entwicklung war? Oder erkennt man da den Spruch wieder: „Ihr könnt nicht dem Mammon dienen und Gott“. Oder: „Wer die Welt liebt und das was in ihr ist, kann Gott nicht lieben.“ Man kann sich nicht zugleich dem Diesseits und dem Jenseits zuwenden, außer in der rechten Weise!
Ein Werner Heisenberg ist wegen seiner Verdienste um die Atomphysik weltbekannt. Aber wer kennt ihn wegen seiner metaphysischen Bemerkungen, die, wenn sie zutreffend sind, viel wichtiger zur Kenntnisnahme wären als sämtliche seiner naturwissenschaftlichen Abhandlungen!
„Das Vertrauen in die wissenschaftliche Methode und in das rationale Denken ersetzte alle anderen Sicherungen des menschlichen Geistes“ vermerkt Heisenberg wissenschaftskritisch ohne dabei selbstkritisch sein zu müssen, und: „Nur die ethischen Werte der christlichen Religion wurden von dieser Bewegung ausgenommen, wenigstens zu Anfang!“
Das lässt aufhorchen. Was meinte er mit Sicherungen des menschlichen Geistes? Gibt es Stimmen im Innern, die einen zu Mäßigung und Demut rufen? Mäßigung ist eine Vorsichtsmaßnahme der Überhebung. Demut leitet sich von „Dienen“ ab. Wenn Wissenschaftler den Menschen dienen wollen und nicht darauf aus sind Reputation, Ruhm und Ehre für sich zu erringen, wovon sonst niemand etwas hat, dann müssen sie beachten, dass sie nicht die Macher der Naturgesetze und der Wahrheiten sind, die sie erkennen möchten, sondern dass es eine Gunst ist, verstehende Einblicke in das Naturschauspiel zu bekommen. Wer dies missachtet, lässt seinen Geist treiben und am Ende hat es ihn mit fortgetrieben, dahin, wo es keinen festen Boden mehr gibt, wo alles schwankt und zu Bruch geht.
Es war dies ein unfester Boden, auf den sich die Naturwissenschaften seit Mitte des 19. Jahrhunderts begeben haben, als man damit anfing, zu spekulieren, inwieweit sich das Recht des Stärkeren naturnotwendig in allen Bereichen des Lebens durchsetzen müsste. Nicht alle Wissensgebiete infizierte der Darwinismus. Am Anfang dieses Irrglaubens an das Recht des Stärkeren stand jedoch Darwins Theorie vom Ursprung der Arten.
Auch wenn man nicht beweisen kann, dass die Wissenschaft ohne Gott die Gräuel der beiden Weltkriege als Festlichkeit des Materialismus, der Lebensverneinung und -zerstörung und des Atheismus heraufbeschworen hat, so hat sie doch ihren nicht unwesentlichen Anteil beigetragen.
Nun zieht gerade Heisenberg die Schlussfolgerung, dass die Physik des 20. Jahrhunderts den starren Rahmen der Denkweisen des 19. Jahrhunderts von ewigen Gültigkeiten irgendwelcher Gesetzmäßigkeiten aufgelöst und wieder mehr Raum geschaffen habe für ein physikalisch-metaphysikalisches Weltbild. Als Auslöser mag man hierzu die Relativitätstheorie betrachten, die zeigte, dass Raum und Zeit nicht unveränderlich und nicht unabhängig sind. Einstein selbst war es, der ein aufgeklärteres Denken wieder möglich zu machen schien.
Wenn aber der Mensch in Raum und Zeit hineingestellt ist, dann ist er zumindest was die Zeit anbelangt, doch auch ein „veränderlicher“ Mensch. Umso mehr müsste es gelten, wenn man ihn aus Raum und Zeit herausnimmt!
Eine andere folgenreiche Theorie, die von Wissenschaftlern erdacht wurde, die sich Demut bewahrt haben und die physikalische Forschung verändert hat, war die Quantentheorie. Sie stellt die Idee von der Wirklichkeit der Materie und der Kausalität von Ereignissen in Frage. Nur, wenn es Materie nicht gibt, wo bleibt dann der Materialismus? Man sieht hier den unmittelbaren Zusammenhang von naturwissenschaftlicher Forschung und Philosophie.
Platon hätte gelacht. Wenn Kausalitäten unterbrochen werden können oder für Ereignisse gar nicht mehr notwendig sind, wo bleibt dann die Entwicklungslehre mit ihren Dogmen?
Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts entdeckte man wieder diejenigen Denker, die sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Masse der Skeptiker durch eine mehr ursprüngliche, nichtmaterielle Naturbetrachtung abhoben. Ralph Waldo Emerson war einer von ihnen. Er konnte Naturphilosoph nur sein, weil er die Natur betrachtete. Dabei kam ihm der Gedanke, den schon so viele vor ihm so ähnlich gedacht hatten: „Materie ist Erscheinung und nicht Substanz.“
Heute weiß man, dass man auch hierzu das Gegenteil nicht beweisen kann, weil es fraglich ist, ob es so etwas wie Substanz überhaupt gibt. Irgendwie ist der Satz von Emerson doch eine prophetische Vision, denn heute sagt die Naturwissenschaft: „Wir wissen nicht mehr als: Materie ist Erscheinung und nicht Substanz.“
Und man wird sich nun weiter mit der Erscheinung auseinandersetzen müssen, die Substanz hat ausgedient und kommt nicht mehr wieder aufs wissenschaftliche Tablett. In der Quantenphysik ist es so: desto genauer man die Substanzen anschaut, desto mehr verschwinden sie und es bleibt nur noch etwas „in Erscheinung“ getretenes. Dieses „In-Erscheinung-Treten“ ist interessanter Weise ein biblischer Begriff und steht da, wo man darüber informiert wird, dass Gott die Dinge aus dem Nicht-Sichtbaren gemacht hat.
Es heißt da im Hebräerbrief: „Durch Glauben erkennen wir, dass die Weltzeiten durch Gottes Wort bereitet worden sind, also das, was man sieht, aus Unsichtbarem entstanden ist.“
Diese Aussage korrespondiert mit dem ersten Buch Mose, eintausendfünfhundert Jahre früher, aber im gleichen Geist geschrieben, in dem es heißt, dass Gott durch sein Wort: „Es werde...“ die Dinge werden ließ oder werden gemacht hat.
Der altgriechische Text von Heb 11,3 lässt verschiedene komplementäre Übersetzungen zu. Aus was sind die geschaffenen Dinge geworden? Hier verschiedene Lesarten:
-nicht aus Erscheinendem
-aus Unsichtbarem
-nicht aus dem sinnlich Wahrnehmbaren
-nicht aus etwas offenbar Gewesenem.
Das Diesseitige, ist damit gesagt, ist in jedem Fall aus dem Jenseitigen geworden.
Auf die Frage, wozu die Materie ist, gibt der Prophet des 19. Jahrhunderts, Emerson, die Antwort: „dass die erhabene, universale Wesenheit, die nicht Weisheit oder Liebe oder Schönheit oder Macht ist, sondern alles zugleich und jedes ganz, dasjenige ist, um dessentwillen und durch welches alles existiert.“
Hier bringt jemand schon einmal die Naturphänomene, für die der Mensch ein Sinn hat, mit dem Schöpfer aller Dinge in Verbindung, als gäbe es da eine Notwendigkeit, die dem zufälligen Entstehen entgegengesetzt ist. Der Mensch kann wissen, was schön ist, weil er ein endliches Erkenntnisvermögen für eine unendliche Qualität Gottes hat. Ebenso verhält es sich mit Liebe und Macht.
Emerson war ein Zeitgenosse Darwins, des großen Freundes von zufälligen Großartigkeiten. Für die Quantenphysiker, die es zu seiner Zeit noch nicht gab, hat Emerson folgende, damals nicht mehr moderne Idee parat: „Die Natur ist ein Fixpunkt, an dem wir unsere Abweichung messen können.“
Er hätte ebenso sagen können: „Wir sind ein Fixpunkt, an dem wir die Abweichungen der Natur messen können.“ Die Quantenphysiker sagen nämlich, dass das, was man misst, immer ein Messergebnis ist, niemals objektive Wirklichkeit. Der Mensch und besonders seine Absicht fließen stets in das Messergebnis ein. Es ist gerade so als wollte man einen fliegenden Käfer einfangen, um zu untersuchen wie er fliegt. Sobald man ihn gefangen hat, fliegt er nicht mehr. Lässt man ihn wieder fliegen, kann man ihn nicht mehr untersuchen. Die Philosophen wissen schon, warum sie nicht Naturwissenschaftler geworden sind! Man verliert sich im Messen und sieht das Eigentliche nicht mehr. Und doch gehören beide, Philosophen und Naturwissenschaftler, zur gleichen Zunft der Forscher. Ihre Ergebnisse müssen sich gleichen, sonst sind sie falsch.
Glaubt man Heisenberg, so gibt es Bereiche des Forschens, wo Erscheinungen mathematisch beschrieben und mit Begrifflichkeiten versehen werden können, die keinen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit haben. Sie sind modellhaft. Die Physik des 20. Jahrhunderts soll dies deutlich gemacht haben. Und „so erkennt man, dass auf Grund der Erfahrungen der modernen Physik unsere Haltung gegenüber solchen allgemeinen Begriffen wie Geist, Seele, Leben, Gott verschieden sein muss von jener des 19. Jahrhunderts, da diese Begriffe eben zur natürlichen Sprache gehören und deshalb mit der Wirklichkeit unmittelbar verbunden sind.“
Das ist gewissermaßen das Gegenteil von dem was Einstein vertrat. Für ihn war die Mathematik, die von vielen als einzige exakte Wissenschaft betrachtet wird, die einzige Wirklichkeit, die wirklich zählte. Heisenberg dreht den Spieß um und sagt mehr oder weniger unverblümt, dass der Altagsmensch näher zur Wirklichkeit steht, als der bis in die Elementarteilchen vorstoßende Forscher. Das ist leicht erklärlich,w enn die Elementarteichen nicht geschaffen worden sind, um erforscht zu werden, sondern um usn Leben möglich zu machen.
Die Begriffe aus der klassischen Physik passen nicht genau auf die Natur, wie wir sie uns vorstellen. Selbst die Begriffe Vorstellung und Beobachtung entsprechen sich, obwohl sie doch entgegengesetzt sind. Die Vorstellung kann der Wirklichkeit entsprechen. Aber wir wissen es nicht. Die Beobachtung kann beirren. Das wissen wir. Und doch haben wir keine anderen Begriffe, um die Natur zu beschreiben. Es muss also zwangsläufig eine Lücke klaffen zwischen dem Anspruch des zum Ausdruck gekommenen Sachverhalts und der Wirklichkeit. Das was wir beobachten, ist nicht die Natur selbst, sondern die Natur, die wir unserer Fragestellung, unserer Untersuchung aussetzen.
Das berühmte Miller-Experiment, mit dem man die Grundbausteine des Lebens erzeugen wollte, wurde gerade so aufgebaut, dass das erwünschte Ergebnis in Aussicht gestellt war: die Produktion von Aminosäuren. Das sind komplexere Kohlenwasserstoffe als man sie in der unbelebten Natur gewöhnlich vorfindet. Aber es sind immer noch Moleküle, die sehr viel einfacher strukturiert sind als die Kohlenwasserstoffverbindungen der Proteinmoleküle, die in unseren Lebenszellen in großer Zahl vorkommen und unverzichtbar sind. Sie herzustellen benötigt viel mehr Know-how als man bei den Miller-Experimenten einsetzte.
Man schränkt die Natur so weit ein oder hilft ihr so weit auf die Sprünge wie man es für richtig hält. Das ist natürlich legitim. Die Frage ist nur, was man für Schlüsse aus den erzielten Ergebnissen zieht. Hat die Natur die Kohlenwasserstoffverbindungen hergestellt? Wohl schon, doch nur weil es der Mensch so gewollt hat. Er schuf die Voraussetzungen. Ist das Metaphysik?
Heisenberg mahnt zur Zurückhaltung gegenüber Aussagen, die endgültig sind oder Jenseitiges mit Diesseitigem wegdiskutieren wollen. Es hört sich beinahe so an, als sei er auf dem besten Weg zu einem Philosoph des Jenseitigen zu werden. So weit haben ihn seine physikalischen Studien gebracht! Er hat den Nobelpreis für seine Beiträge zur Quantenphysik bekommen, nicht für seine Philosophie! Das besagt gar nichts über das Urteilsvermögen des Preisverleihungskomitees.
Heisenberg warnte davor, Verständnis über die Dinge des Lebens nicht an die gewöhnliche Sprache knüpfen zu wollen, denn nur da werde die Wirklichkeit berührt. Eine „Kunstphysiksprache“ erfasse die Wirklichkeit gar nicht, obwohl man ja in der Wissenschaft bemüht sein muss, sich exakt auszudrücken. Exakter als wie es die Ursprünge der Sprache hergeben, geht es nicht.
Was besagt dies für so Begriffe wie „Seele“, „Geist“ und „Gott“? Genauer geht es nicht? Heißt das, der Wissenschaft nicht zugänglich? Unerforschbar? Aber exakte Wirklichkeit?
Freilich, Atheisten lehnen solche Schlussfolgerungen ab, aber sie sind überlegenswert. Sie sind scharfsinnig, so scharf, dass sie manche unzulässigen Gedankenfolgen zerschneiden, zum Beispiel die Annahme, dass nur sein kann, was mit dem Tastsinn erfasst werden kann. Heisenberg hätte gesagt, der Tastsinn vermittelt den Eindruck einer nicht bloß materiellen Sache. Der Tastsinn ist nur in Verbindung mit dem geistigen Erfassen zu gebrauchen. Heisenberg war Physiker und Philosoph. Und wie man wissen sollte, in beidem brachte er sehr beachtliches zustande! Und immer war er auf die Umsetzbarkeit des Erdachten in die Praxis bedacht.
Heisenberg vertrat also die Meinung, es sei Skepsis angebracht gegen jede Art von Skepsis hinsichtlich dieser ungeregelten Sprachregelungen, die nicht geregelt werden können. Er hoffte, dass mit dem rechten Maß an Skeptizismus die Physik vielleicht ein Tor zu einem neuen und weiteren Ausblick auf die Beziehungen zwischen dem menschlichen Geist und der Wirklichkeit öffnen könnte. Er zweifelte nicht daran, dass es da eine aufschlussreiche Beziehung gibt.
Alles Forschen ist eng an das Ich und dessen Erleben der Realität geknüpft. Im Menschen gibt es keinen ruhigen Punkt. Oder wie Max Born, sein Physikerkollege, sagte: „Wir suchten, wie seinerzeit Archimedes, nach dem ruhenden Punkt und fanden ihn nicht.“
Archimedes hatte gesagt: „Gib mir einen Punkt, wo ich stehen kann und ich werde die Erde in Bewegung setzen.“
Im Zeitalter des Quantenuniversums haben wir nach Born feststellen müssen, dass es diesen Punkt gar nicht gibt. Alles ist ständig in Bewegung. Die Frage ist nur, wozu? Diese Frage muß beantwortet werden. Ich behaupte, dass sie von Physikern und Philosophen zugleich beantwortet werden kann.
Im Alten Testament heißt es bei Hiob 37,14 „Stehe Still und betrachte die Wunder Gottes!“
Um die Wunder Gotes wahrzunehmen, muß man Stille bei sich einkehren lassen. Umtriebiges Forschen scheint nicht gefragt zu sein. Still sein ist immer noch besser als vor Finsternis an Erkenntnissen nichts hervorbringen zu können: „Wir können vor Finsternis nichts vorbringen“ (Hiob, 37,19).
Gibt es ein Mittel, die Finsternis zu vertreiben? Sollte man es mit dem hellsten Licht gleich versuchen?
Wenn der Mensch mit seinem Denken allein gelassen wird, kreisen sie um ihn selbst. Sogar im Schlaf und im Unterbewusstein kreisen unsere Gedanken um ich weiß nicht was alles. Jede einzelne Sinneszelle ist mit dem Gehirn verbunden und hat etwas zu melden. Jedenfalls ist man abgekommen von der Einstellung des 19. Jahrhunderts, nämlich zu hoffen, dass aller Glaube nur durch eine rationale Analyse aller Argumente, durch sorgfältige Überlegung begründet werden sollte, und dass die andere Art des Glaubens, bei der eine als Wirklichkeit angenommene oder scheinbare Wahrheit einfach ohne selbständiges Denken als Lebensgrundlage genommen wird, überhaupt nicht vorkommen sollte.
Ein wichtiges Prinzip für die Aufstellung von Theorien war für Heisenberg, dass Theorien dann etwas taugen, wenn nur beobachtbare Größen in ihr auftreten. Die Evolutionstheorie wäre demnach kaum ein taugliches Mittel, die Vorgänge in der Natur zu beschreiben, da man die Entwicklung nicht direkt beobachten kann, allenfalls die Auswirkungen sieht, die als solche interpretiert werden müssen, damit die Theorie überhaupt haltbar ist.
Die entscheidenden Ereignisse, die man gerne beobachten würde, sind ja immer schon vorbei und vergangen, wenn es sie überhaupt je gegeben hat. Heisenberg hat sich zwar selber nicht immer an dieses Prinzip gehalten – was Wunder, als ob Vorgänge im Größenbereich der Elementarteilchen gut beobachtbar wären - aber in der Atomphysik besteht die Möglichkeit Theorien mathematisch zu bestätigen oder zu widerlegen. Diese Möglichkeit besteht in den Systemen des Lebendigen nicht, schon deshalb weil sie zu komplex sind. Es bleibt beim Theoretisieren.
Einstein brachte klug gegen Heisenbergs Prinzip vor: „Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.“ Es wäre auch ganz falsch, eine Theorie nur auf beobachtbaren Größen gründen zu wollen. Das ist nun nicht so zu verstehen, dass die beobachtbaren Naturvorgänge von unserem Urteil abhängen würden, sondern die erfahrbare Erkenntnis über die Natur erlaubt aus dem sinnlichen Eindruck auf den zugrunde liegenden Vorgang zu schließen. Theorie und Kenntnis der Naturgesetze sind zwei verschiedene Dinge. Einstein meinte also, dass man in der Theorie dazu kommt, zu sagen, was möglich ist und was nicht. Und dann könne man ja in der Natur nachschauen, ob es sich so oder so verhält. Genau das geschah, als man erst nach Aufstellung von Einsteins spezieller Relativitätstheorie durch eine Messung die Richtigkeit seiner wissenschaftlichen Aussage bestätigen konnte.
Ich würde das dennoch anders ausdrücken: eine Theorie hat sich in der Praxis zu verifizieren und zu bewähren, tut sie das nicht, kann man sie getrost ablegen. Wer immer eine Weltanschauung, eine Religion oder einen Glauben, der irgendeinen Bezug zum Alltag hat, für richtig hält, sollte zusehen wie er sich in der Praxis lebt. Eine Theorie muss erlebenswert sein!
Der Glaube daran, dass die Welt auf einer Schildkröte getragen wird, hat keinen Bezug zu meinem Leben. Ich könnte allenfalls daraus die Lehre ziehen, dass ich mein Leben nicht zu ernst nehmen sollte. Was soll ich dann noch ernst nehmen? Wenn aber die Geschichte um Adam und Eva stimmt, kann ich es mir nicht leisten, mein Leben nicht ernst zu nehmen.
Im Übrigen ist die Schöpfungstheorie genauso wie die Evolutionstheorie eine Theorie, die mit dem Beobachtbaren begründet werden kann, aber nicht muss. Sie kann es, wenn sie sagt, alles was wie eine Maschine zweckgemäß und zielgerichtet funktioniert, hat auch einen Konstrukteur, den Konstrukteur der Natur nennt sie Schöpfergott. Dies wäre ein Beispiel für die induktive Erkenntnisgewinnung.
Die Evolutionstheorie behauptet, dass die Maschinen der Natur durch Zufall und Selektion entstanden sind. Dies ist jedoch nicht beobachtbar. Ihre Theorie ist demnach deduktiv. Sie ist zudem nicht haltbar, wenn sie keine richtigen Voraussagen macht. Darauf komme ich noch zurück.
Doch auch für das Schöpfungsmodell gilt, dass der Schöpfungsakt nicht sichtbar ist. Insofern ist sie auch eine durch Deduktion gewonnene Theorie, wenn sie von einer allgemeinen Anschauung „Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ auf alles weitere schließt: „also hat er auch den Menschen erschaffen“. Diese Anschauung kann noch immer als richtig angenommen werden, da sie noch nicht widerlegt werden konnte.
Heisenberg sagte auch: „Eine physikalische Theorie glauben wir dann anschaulich zu verstehen, wenn wir uns in allen einfachen Fällen die experimentiellen Konsequenzen dieser Theorie qualitativ denken können und wenn wir gleichzeitig erkannt haben, dass die Anwendung der Theorie niemals innere Widersprüche enthält.“
Hätte sich Heisenberg mit der Evolutionstheorie unter diesem Grundsatz beschäftigt, hätte er zu dem Schluss kommen müssen, dass die Theorie so unverständlich ist und bleiben muss, da die inneren Widersprüche nicht zu überbrücken sind.
Dass durch Zufall eine Auslese in progressiven Schritten, sozusagen in „weiser Vorsehung“, auf ein zweckmäßiges Ziel hin, das nicht vorherbestimmt sein darf und deshalb auch geleugnet werden muss, erfolgen kann, ohne dass die Auslese nicht zugleich die Zwischenprodukte wegen ihrer Nutzlosigkeit bzw. ihrer unfertigen Zweckbestimmung ausmerzt, diese Annahme oder besser gesagt Aneinanderreihung von Annahmen, ist eine Aneinanderreihung von unüberbrückbaren Widersprüchen. Da die Evolution stets ihre Kinder frisst, wachsen keine Eltern nach, um eine nicht ersonnene Idee wie man künftig noch erfolgreicher werden kann, weiter verfolgen zu können.
Vielleicht wird es eines Tages gelingen, die Quantentheorie mit der Relativitätstheorie in Einklang zu bringen, aber es will nicht gelingen, einer geist- und sinnlosen Evolution einen Mechanismus beizutun, der eine Entwicklung zu immer mehr raffinierter Zweckbefriedigung, zu Sinn und Geist automatisiert.
Immanuel Kant, auch ein Naturbeobachter, vertrat in seiner Schrift „Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseyns Gottes“ die Auffassung:
„Man kann keine allgemeine Ursache angeben, weswegen die Klauen der Katze, des Löwen u.a.m. so gebauet sein, dass sie Sporen, das ist, sich zurücklegen können, als weil irgend ein Urheber sie zu dem Zwecke, um vor das Abschleifen gesichert zu sein, so angeordnet hat, indem diese Tiere geschickte Werkzeuge haben müssen, ihren Raub zu ergreifen und zu halten.“
Kant war klug genug, einzusehen, dass aus Unsinn ohne Sinn nichts Sinnvolles werden kann. Sinn bringt Ordnung in ein Chaos oder verhindert es. Umgekehrt funktioniert es nicht. Das lehrt einen bereits das Denken. Und es scheint so als hätte das Denken die Begrifflichkeiten bestätigt, die es benutzt.
Bereits die Theorie verbietet die Theorie. Warum so viele wissenschaftliche Geister vorgeben, dies nicht zu erkennen, ist ein Phänomen, jedoch kein Rätsel wie sich erhellen wird. Es gibt ja noch das wissenschaftliche Gebiet der Psychologie, aus dem wir verschiedenfältige Nutzen ziehen. Und daher wissen wir auch, dass kluge Menschen nicht immer folgerichtig denken, was wir nicht aus der eigenen Erfahrung wissen können, denn wir wollen uns nicht der Klugheit und deshalb der Irrtumsfähigkeit bezichtigen.
Max Born, Physiker und Philosoph zugleich und zugleich von hohem Rang in beidem, sagte einmal: „Der Verstand unterscheidet zwischen möglich und unmöglich. Die Vernunft unterscheidet zwischen sinnvoll und sinnlos ... Es ist Zeit, dass die Vernunft auf den Plan tritt, um das, was heute möglich ist, noch rechtzeitig auf das Sinnvolle zu beschränken.“
Es ist möglich, dass eine Ente vom Himmel herunter in das Maul des Fuchses fällt. Aber es macht wenig Sinn daran zu glauben, dass es tatsächlich geschieht. Es ist ein sinnloses Ereignis und man erkennt sofort, dass die Natur nicht so eingerichtet ist.
Die Evolutionslehre setzt noch sinnlosere und zufälligere Ereignisse voraus wie wir noch sehen werden. Und das wird keinesfalls bestritten, weder von Befürwortern noch Gegnern der Theorie. Vielleicht sagte deshalb der Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1979, Steven Weinberg, den für evolutionistisch fix Denkende typischen Satz: „Je genauer wir das Universum erklären können, desto weniger Sinn scheint es zu machen.“
Zu viel gibt es da, was den herkömmlichen Erwartungen gründlich widerspricht. Da nennt man es nur noch sinnlos. Vielleicht muß man auch nur mit den Augen wieder richtig zu schauen lernen, damit man das Mögliche und zugleich Sinnvolle entdeckt.
Seit der Aufstellung der Quantentheorie gibt es im Denken der Physiker keine kausale Determiniertheit der Einzelereignisse im klassischen Sinne wie es in Newtons Welt gegolten hatte. Man rechnet lieber mit Wahrscheinlichkeiten. Ernst Haeckel, der Anwalt der Evolutionslehre, zu einer Zeit als sie noch sehr umstritten war, hatte also unrecht, als er proklamierte, sein zweites Welträtsel gelöst zu haben. Seine Gedankengänge kommen ungemein plump daher. So schrieb er zu seinem Glauben an die uranfängliche Entwicklung in „Die Welträtsel“ folgendes:
„Ist der »erste Anfang« dieser kosmogenen Bewegung erst einmal gegeben, so lassen sich dann nach jenen mechanischen Prinzipien die weiteren Vorgänge in der Bildung der Weltkörper, der Sonderung der Planetensysteme usw. sicher ableiten und mathematisch begründen.“
Haeckel hat kein einziges der Welträtsel gelöst, noch mathematisch begründen können. Und was ihm sicher erschien, gilt heute als unmöglich. Er hat dafür Sachverhalte, die man schon seit Jahrtausenden weiß und wissen kann, zu „Rätseln“ erklärt. So werden Begriffe benutzt, um Klares unklar und Unwahres wirklich erscheinen zu lassen!
Dabei wollte Haeckel nur Empirist sein, jemand dessen Erkenntnisse auf Erfahrung beruhen. Heute will niemand mehr etwas von ihm wissen. Man darf es nicht übertreiben mit der Einführung einer neuen Weltordnung! Und die anderen Planeten sollte man auch aus dem Spiel lassen. Niemand war bei der Bildung der Planeten dabei. In Hiob 38,4 hört man Gott zum jung, dynamisch und erfolgreich gewesenen und immer noch ziemlich eingebildeten Hiob die Gewissensfrage stellen: „Wo warst du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest!“ Ja, wo waren Haeckel oder Darwin? Und wo sind sie heute? Sind sie nicht widerlegt mit dem wenigen, was sie angestellt haben?
Der Empirismus der Physiker bis zum 20. Jahrhundert nahm zu ihrer Arbeitsgrundlage an, dass alle Ereignisse, die sich irgendwo, irgendwann im Universum ereignen und ereignet haben, ausschließlich auf Naturgesetzlichkeiten beruhen. Diesie alleine müssten den Gang der Weltgeschichte im Mikrokosmos und im Makrokosmos bestimmen. Sie laufen fort und fort nach dem allgemeineren Gesetz von Ursache und Wirkung, das nicht durchbrochen werden könne. Dieses Prinzip gelte immer und gleichmäßig und sei nicht subjektiv abhängig.
Dieser Denkweise war auch Einstein verhaftet, der sich sein ganzes Leben damit beschäftigte, der Quantenmechanik ihre Unbestimmbarkeit und Unvorhersehbarkeit des Geschehens zu nehmen und die Kausalität wieder einzuführen als Töpfchensitzer im Thronsaal Gottes. Es gelang ihm jedoch nicht. Der Unternehmensberater und Wissenschaftsjournalist Ostermann schrieb zum methodischen Empirismus: „Es sind aber gerade diese empiristischen Prinzipien, auf denen die areligiösen, atheistischen, materialistischen Naturphilosophien beruhen, die an der Quantenphysik wissenschaftlich nachweisbar, falsch sind.“
Einstein war der Meinung, dass es zwischen Begriffen wie Raum, Zeit, Masse, Energie, Gravitation und Magnetismus einen Kausalzusammenhang geben müsse. Den gibt es wohl auch. Aber meist ist es wie im wirklichen Leben: es gibt oft verschiedene Ursachen für das, was dabei herauskommt. Der Apfel fällt nicht aus meiner Hand, weil ihn die Schwerkraft dazu bestimmt hat oder weil ich ihn losgelassen habe, sondern weil ich ihn loslassen wollte. Das ist ein qualitativer und entscheidender Unterschied. Ja, sehr oft kommt es auf das Wollen von irgendjemand an!
Dass es Schwerkraft gibt, kann Wirkung eines Willens sein, der die Schwerkraft einrichtete. Aber dieser Wille kann letztursächlich sein. Sogar mein eigener Wille kann letztursächlich sein. Das ist der große Unterschied zu mechanisch-physikalischen Vorgängen. Sie mechanisch-physikalisch zu erklären, ohne einen Rest an Misstrauen, alles sei nun erklärt, will und kann nicht gelingen.
Und deshalb durfte Einstein am Ende, wenn auch widerwillig, doch erkennen, dazu beigetragen zu haben, nachzuweisen, dass Kausalität nicht die Basis allen Geschehens ist.
Das hätte er vermutlich auch von seiner Großmutter erfahren können. Die wusste das mit dem Apfel schon. Aber sie beherrschte die höhere Mathematik nicht. Großes Können, seltene Gaben, schützen vor Uneinsichtigkeit nicht! Max Born hatte die nicht selbstverständliche Gabe, neben hohem Verstand auch noch Einsichtsfähigkeit zu besitzen. Er erkannte:
„Das Individuum fühlt die Nichtigkeit menschlicher Wünsche und Ziele und die Erhabenheit und wunderbare Ordnung, welche sich in der Natur sowie in der Welt des Gedankens offenbart.“
Diese verflixte wunderbare Ordnung, auf die man angewiesen ist, damit man vernünftig und zuverlässig Forschen kann und mit seinem Willen auch das bewirkt, was man wirklich wollte, nämlich Äpfel fallen zu lassen und dergleichen! Schön wäre es, könnte man nachweisen, dass die Ordnung doch Chaos ist, so dass man keinen Gesetzgeber, keinen Ordnungsgeber bräuchte und in Ruhe weiterforschen könnte! Das würde manchen vielleicht so passen. Doch je tiefer man beim Forschen vordrang, „desto ruheloser wird das Weltall ... alles ist in Bewegung ... Der Tanz der Atome, der Elektronen und der Atomkerne obliegt trotz seiner Wildheit Gottes ewigen Gesetzen.“
So schrieb der Atomphysiker Max Born, nicht gerade ein Bestseller bei Wissenschaftskollegen, die zwar immerzu von Gesetzen reden, aber ungern von einem Gesetzgeber, den Born altmodisch „Gott“ nennt.
Doch wir müssen dem Tanz der Elemente etwas näher treten, um zu verstehen, was Physiker, die alles erklären wollen, so bedrückt. Sie haben einen Blick, tief hinein in den Mikrokosmos getan. Dabei haben sie den Eindruck gewonnen: der größte Teil eines Atoms scheint leer zu sein.
Beinahe 100% der Masse eines Atoms fällt auf den winzigsten Teil des Atoms, den Kern, der einen Raum von nur 3x10 hoch minus 14 m ausmacht und demzufolge den Millionstel Teil eines Atomdurchmessers ausmacht. Der Rest ist Raum, der von den Elektronen, wie genau ist unbekannt, eingenommen wird. Was heißt schon eingenommen? Schnell flitzt es vorbei, von Verweilen keine Spur. Der „Spielraum“ der Elektronen ist der Raum der unbeschränkten Möglichkeiten.
Ein Atom ist in sich nie fest und still. Da ist immer Bewegung. Und durch die Bewegung unterscheidet sich jedes Atom vom anderen. Das scheint eines der Prinzipien der Schöpfung zu sein, die Individualität, die dabei in Erscheinung tritt. Jedes Atom ist einmalig. Das ist verwirrend und unvorstellbar. Wenn schon ein Atom einmalig ist, um wie viel mehr gilt das für den Menschen?
Das Prinzip der Individualität, ein Ausdruck der Vielfallt der Schöpfung, ist ein Phantomschatz. Man erfasst, dass man etwas wertvolles geschaut, aber noch ehe man es ergriffen, entwischt es wieder in die Unbestimmbarkeit. John Eccles, der Nobelpreisträger und wohl berühmteste Hirnforscher des zwanzigsten Jahrhunderts, war so beeindruckt von diesem Schatz, dass er ihn auch zu würdigen wusste und nicht umhin konnte als in ihm ein Gottesbeweis für sich zu sehen: „Es ist die Gewissheit des inneren Kerns einer einzigartigen Individualität, die keine andere Lösung als eine göttliche Schöpfung zulässt. Ich gestehe ein, dass keine andere Erklärung haltbar ist.“
Das ist starke Medizin, die manchen schwer runtergeht und bitter schmeckt. Besonders vielleicht, weil Eccles aus der Gehirnforschung kommt!
Was wirklich in den Atomen und Elementarteilchen wirkt, ist nur statistisch festzustellen, als ob ein Geist, der dahinter schwebt, den Tanz der Atome mal so, mal anders veranstaltet und sich sonst ungern in die Karten schauen lässt. Ein feiner, raffinierter Tänzer allemal. Er ist auch nur in seinen Ergebnissen feststellbar, so dass man ihn mit den naturgesetzlichen Abläufen verwechseln kann.
Wer wollte hier Klarheit schaffen, wenn nicht der Geist selbst! Gibt es keinen Geist, das muss klar sein, kann es auch nie Klarheit geben. Die Teile eines Ganzen können immer nur für sich festgestellt werden; was ihnen übergeordnet ist, bleibt ungewiss.
Vierzig Jahre hat Einstein vergeblich versucht diese unumstößlichen Erkenntnisse umzustoßen. Sie passten nicht in sein Weltbild. Aber sie waren aus der Welt nicht herauszuforschen. Vierzig Jahre, nach Einsteins eigenem Dafürhalten erfolglose, Forscherjahre, haben der Wissenschaft dennoch einen großen Dienst erwiesen. Denn nun weiß man, die Prinzipien der klassischen Physik, die auf der materialistischen Naturphilosophie beruhen und den Empirismus zur Basis haben, sind wissenschaftlich nicht haltbar. Einstein hat dieses Urteil unterschrieben, wenn auch ungewollt – so wie bei der Empfehlung zum Bau der Atombombe.
Die moderne Physik hat gezeigt, dass es notwendig ist grundlegende Begriffe wie Wirklichkeit, Raum und Zeit neu zu überdenken. Das sind aber Bereiche ebenso gut der Philosophie.
Die Quantentheorie hat die stärksten Veränderungen hinsichtlich der Wirklichkeitsvorstellung angestoßen. Es war Max Planck, der als erster bei der Wärmestrahlung feststellte, dass Energie in Energiequanten existiert, die nicht näher bestimmbar sind. Das widersprach den bisherigen Erkenntnissen der klassischen Newtonschen Physik. Dann entdeckte Einstein den photoelektrischen Effekt, wonach Atome unter dem Einfluss von Licht Elektronen aussenden können. Die Energie der ausgesandten Elektronen hängt dabei nicht von der Intensität des Lichts ab, sondern nur von der Wellenlänge des Lichts. Demnach musste das Licht aus Wellen bestehen, die sich durch den Raum bewegten. Licht ist feststellbar einmal als das eine, das andere mal als das andere. Wie ist das zu verstehen?
Die Fassung der Quantentheorie von Einstein hatte zu einer Beschreibung des Lichts geführt, die völlig verschieden war von der seit Huyghens üblichen Wellenvorstellung. Licht konnte also entweder als eine elektromagnetische Wellenbewegung gedeutet werden so wie es seit Maxwells Arbeiten und Hertz` Experimenten angenommen wurde, oder als aus einzelnen Lichtquanten bestehend, die sich mit hoher Geschwindigkeit durch den Raum bewegten. Das Kernmodell des Atoms kann unter den Gesetzen der Newtonschen Mechanik die Stabilität des Atoms nicht erklären. Die Quantentheorie macht es möglich.
Nach der Quantentheorie gibt es überhaupt keine völlig objektive Beschreibung der Natur mehr. Das Ideal von der vollständigen Objektivität der klassischen Physik ist zerstört, nachdem Einstein mit der Relativitätstheorie schon kräftig daran gerüttelt hatte.
Was hat die Relativitätstheorie zur Klärung über den Ursprung des Menschen und der Systeme des Lebendigen beigetragen?
Der am meisten charakteristische Zug der speziellen Relativitätstheorie ist die Lichtgeschwindigkeit. Sie beträgt 300 ts. Kmh. Ihr zufolge können zwei Vorgänge, die an zwei weit voneinander entfernten Punkten stattfinden, keine unmittelbare kausale Verbindung haben, wenn sie sich zu solchen Zeiten ereignen, dass ein Lichtsignal, das im Moment des Vorgangs von dem einen Punkt ausgeht, den anderen erst nach der Zeit des anderen Vorgangs erreicht und umgekehrt. In diesem Fall sind die zwei Ereignisse gleichzeitig.
Angenommen Person B befindet sich linear 150 ts km und Person C 300 ts km von Person A entfernt, während sich Person B genau zwischen Person A und C befindet. Wenn B und C jeweils um Punkt x Uhr in die Hände klatschen und A zur gleichen Zeit ein Fernrohr mit ausreichendem Fernblick auf B und C richten, dann wird für A Person B offenbar mit einer Verspätung von Zeit x+o,5 Sekunden und C sogar x+1 Sekunden später in die Hände geklatscht haben. Angenommen das In-die-Hände-Klatschen dauert nur o,4 Sekunden. Dann kann es sich trotzdem im Hinblick auf die Kausalität um ein gleichzeitiges Ereignis gehandelt haben.
Die Lichtgeschwindigkeit wird als eine universelle Naturkonstante betrachtet. In der Quantentheorie gibt es eine weitere Naturkonstante, das Planksche Wirkungsquantum. Es lässt vermuten, dass sich alle Naturereignisse auf sprunghafte Vorgänge im Bereich der Elementarteilchen zurückführen lassen. Planck hatte festgestellt, dass Energie in Form von Wärme, die er dazu benutzte, um einen schwarzen Körper zum Glühen zu bringen, als Energie in Form von Lichtstahlen wieder herauskam. Bei wachsender Energie hatte das Licht eine höhere Frequenz. Genauer gesagt: die Wellenlänge der ausgestrahlten Strahlung nahm proportional zur Energiemenge, die er hinein gab, zu.
Diese Konstante, das Plancksche Wirkungsquantum, war demnach ein höchst unstetes Produkt aus Energie und Zeit. Das Quantum h drückt die Größe der zulässigen Unstetigkeit in der Natur aus.
Was man sucht, ist die Wirklichkeit, die vielleicht doch an Bedingungen geknüpft ist, die Möglichkeit, die sich noch verwirklicht, sobald die Bedingungen stimmen. Ist hier Raum für das Eingreifen einer Macht von Außen? Ist das nur eine Analogie zu dem Walten und Wirken Gottes und seiner Voraussagen?
Der Begriff der Unbestimmbarkeit bedeutet, dass Licht nur als Teilchen oder als Welle zu messen ist. Es ist immer das, als was man es misst. Es kann nicht beides zugleich sein. Je genauer man die Position eines Teilchens bestimmen will, desto ungenauer lässt sich seine Geschwindigkeit messen und umgekehrt. Ein Teilchen ist räumlich beschränkt, eine Welle ist räumlich ausgebreitet. Die Kenntnis des Ortes eines Teilchens ist komplementär zu der Kenntnis seiner Geschwindigkeit oder seiner Bewegungsgröße. Wenn wir die eine Größe mit großer Genauigkeit kennen, können wir die andere nicht mit hoher Genauigkeit bestimmen, ohne die erste Kenntnis zu verlieren. Aber wir müssten beide kennen, um das Verhalten des Systems zu kennen.
Heisenberg wies nach, dass die Ungewissheit hinsichtlich der Position mal der Ungewissheit hinsichtlich seiner Geschwindigkeit mal seiner Masse nie einen bestimmten Wert unterschreiten kann: die Plancksche Konstante. Diese Feststellung entspricht der sogenannten Heisenbergschen Unschärferelation. Sie bedeutet zugleich das Ende der seit Laplace bevorzugten Annahme des strengen Determinismus des Weltgeschehens.
Die Unbestimmbarkeit erinnert an den Zustand eines Menschen als Erlöster, weil er es glaubt, oder als Verlorener, weil er es nicht glaubt. Wenn aber nicht alles deterministisch ist, warum sollte es dann eine Vorbestimmung durch Gott geben? Steht fest, wer verloren geht, wer erlöst wird? Ist kein Raum für eine Begnadigung? Die Bibel lehrt, bei Gott seien alle Dinge möglich. Die Welt scheint auch so eingerichtet zu sein, dass alle Dinge möglich sind.
Den Physikern wurde schnell klar, das Planksche Wirkungsquantum, definitionsgemäß die zweite Naturkonstante, ließ rein theoretisch Raum für ein nicht messbares Eingreifen von außerhalb, eine Interaktion, die nicht auf die Wechselwirkung der Elementarteilchen zurückzuführen ist.
Daraus folgt, eine objektive Beschreibung von Vorgängen in Raum und Zeit ist nur dort möglich, wo wir mit Gegenständen oder Vorgängen in einem verhältnismäßig großen Maßstab zu tun haben, wo Planks Konstante als praktisch unendlich klein angesehen werden kann. Ebenso wie die Lichtgeschwindigkeit als praktisch unendlich groß angesehen werden muss.
Nach der dritten Naturkonstanten wird noch gesucht. Es gibt zu einem vollständigen System nach Ansicht der Physiker drei Werte, die der Länge, Geschwindigkeit und Masse. Es fehlt bei dieser Vorstellung noch die Länge. Für die Laien waren dies alles nur Gedankenspielereien. Aber ein Einstein sagte zu den Erkenntnissen der Quantenphysik, dass sie ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hätten, ohne dass sich irgendwo fester Grund zeigte, auf dem man hätte bauen können. Was hätte Einstein auch bauen wollen, außer seiner eigenen Welt?
In seinem jüdischen Alten Testament hätte er in Jeremia 10,12 nachlesen können:
„Gott hat die Erde gemacht durch seine Kraft, den Erdkreis festgestellt durch seine Weisheit und die Himmel ausgespannt durch seine Einsicht“ oder in Sprüche 3, 19-20:
„Gott hat durch Weisheit die Erde gegründet, und durch Einsicht die Himmel festgestellt. Durch seine Erkenntnis sind hervorgebrochen die Tiefen, und die Wolken träufelten Tau herab.“
Man glaubt es auf Anhieb, wenn jemand behauptet, dass es viel Weisheit bedarf, eine solche Welt aufzubauen!
Die Quantenphysik brachte noch weitere, höchst merkwürdige Erkentnisse zutage. Einer ihrer prominentesten Vertreter, Niels Bohr, fand eine Erklärung für die scheinbare Stabilität der Atome.
Da das Atom seine Energie nur um unbestimmbare Energiebeträge ändern kann, existiert es auch nur in unbestimmten stationären Zuständen, deren energieärmster der „Normalzustand“ des Atoms ist, zu dem es nach jeder Wechselwirkung wieder zurückkehrt.
Niels Bohr blieb nichts anderes übrig, als das sogenannte Korrespondenzprinzip aufzustellen. Es besagt, dass die Gesetze der Quantentheorie so sein müssten, dass sie im Grenzfall großer Quantenzahlen in die klassischen Gesetze übergehen, da zum Beispiel, wo die Gesetze der Kinematik und Mechanik ihre Gültigkeit beweisen. Dazu musste man die Vorstellung einer Bahnbewegung der Elektronen gänzlich fallen lassen (Heisenberg). Das würde bedeuten, dass ein Atom nichts Statisches ist, sondern nur als ein bestimmter möglicher Zustand oder vielmehr ein möglicher Übergang von einem Zustand in einen anderen beschrieben werden kann.
Die Unbestimmtheit oder Unbestimmbarkeit, was nicht ganz dasselbe ist, impliziert aber, dass etwas vom Menschen beobachtet werden soll, liegt darin, dass die Eigenschaften von atomaren Objekten erst dann fest zu liegen scheinen, wenn sie gemessen werden. Vorher sind sie unbestimmt.
Ein Atom ist eine Ansammlung seiner Möglichkeiten, bis es eine Wirklichkeit annimmt, aber nur die Wirklichkeit, nach der man gerade sucht. Das hört sich verdächtig nach den Potentes oder Möglichkeiten von Aristoteles an, die er der Materie gab.
Die Materie hat eine Möglichkeit, etwas aus sich mit Hilfe der Bewegung zu machen. Bei Aristoteles war Gott der Anstoßgeber am Anfang der Bewegung und des Elemententanzes. Sein Wille tat es. Auch beim Menschen kommt Bewegung in seine Möglichkeiten, wenn er es will. Gott stieß aber mit einem Ziel an. Etwa so wie ein Billiardspieler. Er hat ein bestimmtes Ziel mit seinen Anstößen. Und selbst bei einem Billiardspiel, ist das vordergründige Ziel, wo die Kugel hin soll, nur das untergeordnete Ziel. Am Ende steht der Gewinn des Spiels. Und auch dieser ist vielleicht nur Mittel zu einem weiteren Zweck.
Für Atomphysiker des zwanzigsten Jahrhunderts ist ein Atom kein Ding, es ist nichts, was man mit den herkömmlichen Begriffen wie Ort, Geschwindigkeit, Energie, Ausdehnung beschreiben könnte.
Heisenberg, der Aristoteles des zwanzigsten Jahrhunderts, entdeckte, dass die grundlegenden Gesetze der Natur in Abhängigkeit zwischen Größen bestehen, die es nicht in der realen, sinnlich zugänglichen Natur gibt. Das hatte Bohr vorhergesagt.
Man stelle sich die Verwirrung und das Erstaunen der Physikergrößen jener Zeit vor! Das war zu unschön, um wahr zu sein! Alles war so schön newtonisch eingerichtet in der physikalischen Welt und dann so etwas! So muss sich Scott gefühlt haben, als er am Südpol die Flagge Amundsens sah, „der Weg war umsonst“, oder „der Weg, den wir wähnten, war ein ganz anderer Weg“, nicht der der Entdecker, sondern der zu lange mit falschen Erwartungen gegangene Weg. Wie kann man nur die Rechnung ohne den Wirt machen?
Bohrs Meinung nach waren Atome keine Dinge, die dem menschlichen Auge zugedacht waren und vielleicht auch keine Dinge, die vom menschlichen Spürsinn erfasst werden könnten. Das bedeutet aber zugleich die Unteilbarkeit nicht der Materie, sondern zwischen einem menschlichen Beobachter und seinem Objekt der Begierde. Die Beschreibung der Wirklichkeit ist nicht vollständig, wenn der Beobachter darin nicht vorkommt. Das würde bedeuten, dass die Welt vielleicht doch für den Menschen geschaffen ist! Ist das nicht beängstigend? Für einen wie Einstein schon. Für andere ist es nichts Neues und so selbstverständlich, dass man nicht glaubt, die Naturwisenschaften bemühen zu müssen, um es bestätigt zu bekommen.
Die Welt, das Universum, scheint ein Platz zu sein, der Platz macht für den Menschen; alles was er mit der Nase riecht und mit den Augen sieht und mit der Zunge kostet, ist genug, damit er die Welt verstehen kann. Hängt er seine Nase tiefer in die Elemente, mit seinen künstlich verlängerten Sinnen, nimmt sein Staunen zwar zu, aber er erfährt im Grunde qualitativ nichts Neues. Dem Menschen sind Grenzen gesetzt. Er kann es drehen und wenden wie er will, darüber lässt sich nicht streiten. Es gilt die richtigen Schlüsse zu ziehen!
Alles gehört zum Ganzen, daraus leitet sich der Begriff Komplementarität ab, den Bohr in die Wissenschaft einführte. Der Atomphysiker Schrödinger hatte das Atom beschrieben als ein System, das nicht aus einem Atomkern und Elektronen, sondern aus einem Atomkern und Materiewellen besteht. Bohr betrachtete die beiden Bilder, das Partikel- und das Wellenbild, als zwei komplementäre Beschreibungen derselben Realität. Jede dieser Beschreibungen kann aber nur teilweise richtig sein. Heisenberg: „Es muss Grenzen für die Anwendung des Teilchenbildes ebenso wie für die Anwendung des Wellenbildes geben, denn sonst könnte man die Widersprüche nicht vermeiden. Wenn man aber jene Grenzen berücksichtigt, die durch die Unbestimmtheitsrelationen gezogen sind, so verschwinden die Widersprüche.“
Besonders Einstein suchte nach Widersprüchen in dieser Theorie, die sein Weltbild durcheinander brachte, sie erwies sich jedoch als widerspruchsfrei und, was für manche noch viel schlimmer war, sie wurde auch allen Experimenten gerecht.
Komplementär bedeutet eigentlich sich entsprechen oder ergänzen, aber jedenfalls verschieden, dual. Komplementäre Vorgänge sind in der Philosophie, Theologie, Psychologie und Soziologie bekannt und auch anderswo auffindbar. Es scheint ein in diesem Universum allgemein verbreitetes Phänomen zu sein. Dazu gehören auch die einander entgegengesetzten und doch zusammengehörende Einheiten des Ganzen wie zum Beispiel Teilchen und Welle. Und korrespondieren Mann und Frau in der geheimnisvollsten Einheit, der Ehe, nicht auch? Und auch da geht nicht alles streng deterministisch zu! Niemand kann voraussagen, ob das gut geht, mit den Zweien, die vor dem Traualtar stehen. Aber die Möglichkeit besteht eindeutig! Oder doch nicht?
Eine Welt, in der es keine kausal deterministische Gesetzmäßigkeit gibt, kann dennoch sinnvoll vorausgeplant sein. Die Planung macht manches möglich, was nicht notwendig ist, sie ist aber nicht so, dass alles, was wird, alles andere über den Haufen wirft. Dieses Prinzip der Komplementarität zieht sich durch das ganze menschliche Erleben.
Theologen haben darauf hingewiesen, dass es in der Bibel auffällig zahlreiche Entsprechungen der Komplementarität gibt, zum Beispiel mit dem Begriffspaar Seele - Leib. Die Bibel ist ein Buch voller Komplementaritäten, geradeso wie sie in der Schöpfung vorkommen. Da ist die materielle Schöpfung, der Schöpfer ist nicht materiell.
Die Schöpfung selbst ist voll von Komplementaritäten. Sie bilden immer Begriffspaare. Zum Beispiel Geist und Gehirn. Das Gehirn ist materiell. Aber der Geist ist nicht das Gehirn. Ein anderes Beispiel ist die stoffliche Zelle und ihre genetische Information. In der belebten Natur entfaltet sich alles aus der Information, die im Genmaterial des Zellkerns steckt. Aber die Information ist nicht materiell, wenngleich sie in stofflicher Form vorliegt. Geradeso wie diese Worte nicht materieller Natur sind. Sie erscheinen, nachdem ich sie geschrieben habe, als pixelige Anordnung in der elektronischen Anzeige des Bildschirms und sind auf die Codierung des Stromflusses zurückzuführen, diese wiederum auf die Buchstaben der Tastatur oder sie werden alternativ gleich auf Papier mit Druckerschwärze niedergeschrieben. Wir haben hier schon sinniger Weise auf zwei fundamentale Welträtsel hingewiesen. Geist und Leben, die für die Materialisten als Grundlage nur Materie haben sollen. Für Kreationisten sind sie klare Hinweise auf die Existenz einer höheren Macht.
Einstein konnte sich mit diesem Gedanken nie anfreunden, weshalb er weder zu Borns Unbestimmtheit noch Bohrs Komplementarität gerne Kaffee trank.
Für einen Mathematiker wie ihn musste folgende Vorstellung Unbehagen auslösen: Wenn eine Blume nicht an sich schön ist, sagen wir, weil sie bestimmte geometrische Muster oder Zahlenverhältnisse nicht wiedergibt oder diese zwar vorhanden sind, aber nicht die Schönheit auslösen, sondern nur schön ist, weil der Betrachter sie so empfindet, weil eine Art Wechselwirkung vor der Feststellung „die Blume erscheint mir schön“ stattgefunden hat zwischen Objekt Blume und Subjekt Beobachter, die selbstredend nicht messbar oder errechenbar ist, dann hinge ja die Wirklichkeit wie wir sie erleben vom Menschen und seinem Willen, seinem plumpen oder feingesinnten Geschmack ab, von etwas quasi metaphysischem!
Einen Willen gibt es ja physikalisch nicht. Wenn Einstein sagte, Gott würfelt nicht, meinte er eigentlich, Gott müsste alles festgelegt haben, dem Menschen obliegen keine Einflussnahmen auf das Naturschauspiel. Der Mensch stellt nur fest und wundert sich, solange er kein perfekter Rechner ist.
Einstein hatte eine pantheistische Auffassung. Gott sei in allem. Wenn aber Gott in allem ist, ist er nicht gerade das Ebenbild des Menschen, und dann besteht auch keine Gefahr auf einer Ebene mit ihm verkehren zu müssen. Einstein hat sich also seinen eigenen Gott erschaffen.
Bohr hatte eine Antwort parat auf Einsteins Frage, wie man sich die Welt vorstellen müsse, wenn nicht streng deterministisch, so dass letzten Endes auch Gott sich an die Regeln halten musste: große Vorsicht sei geboten, wenn man der Vorsehung Eigenschaften in der Umgangssprache zuschreibt. Damit meinte er, dass Einstein gar nicht wissen konnte, was er behauptete. Gott entzieht sich jeder Messung. Möglicherweise aber nicht einer Prüfung. Nun hat er die Welt aber so gemacht, dass sich sogar die geschaffenen Dinge der unzweideutigen Messung entziehen!
Bohrs physikalische Erkenntnis veranlasste ihn auch zur Biologie etwas zu sagen. Da seine Physik irrationale Elemente aufwies, da er Thesen vertrat, die rational nicht ableitbar waren, konnte er auch schlüssig folgern: „Von diesem Gesichtspunkt aus muss die Existenz des Lebens als eine Elementartatsache aufgefasst werden, für die keine nähere Begründung gegeben werden kann und die als Ausgangspunkt für die Biologie genommen werden muss.“
Obacht! „Genommen werden muss!“ Dies wird jedoch weitgehend abgelehnt. Biologen lassen sich nicht gern von Physikern etwas vorsagen. Auch wenn Bohr bis heute nicht widerlegt wurde. Theistische Philosophen argumentieren hier wie theistische Naturwissenschaftler: man mag auf Ursachen so lange zurückgehen wie man will und dabei auf eine Handreichung Gottes verzichten, aber irgendwann kann man nicht mehr anders. Er ist erste Ursache. Sie haben da ein leichtes „Problem“, sie können Gott als erste Ursache definieren, sonst sei er nicht Gott. Und niemand kann ihnen da nicht widersprechen. Wie soll das gehen, eine erste Ursache finden, die nicht Gott ist?
Gott ist erste Ursache, oder einfach nur Schöpfer, wenn man die Ursachen und Wirkungen als Kette ohne Anfang und Ende versteht, weil Anfang und Ende in einem Kreislauf zusammenhängen. Und so kommen Theisten zu dem unausweichlichen Schluß:
Vor der Materie war das Nichts, aber nur, wenn vor dem Nichts noch Gott war. Vor dem Leben war Materie, aber nur, wenn der Materie von Gott Leben eingehaucht wurde. Vor dem Geist war der Mensch aus Erde aber nur, wenn er geistbegabt wurde.
Nach Bohrs Sprache sind das Elementartatsachen. Und es ist klar, warum diese nicht allgemein akzeptiert werden konnten. Stattdessen versuchte man alle möglichen Erklärungsversuche für die Welt, um an diesen Tatsachen vorbeizukommen. Die vergeblichen Versuche sind Legion und meist von wenig praktischem Nutzen.
Manche Wissenschaftler versuchen sich, weil ihnen ihre eigene materialistische Weltanschauung nicht ausreicht, in fernöstlicher Weisheitslehre. Einer der einflussreichsten Esoteriker C. wollte die Atomphysik mit indischer Philosophie verbinden, weil er meinte, dass die Abhängigkeiten in einer pantheistischen Welt sogar noch weiter gehen als nur mathematisch oder biologisch-genetisch. Er lässt den Inder Nagajuna sagen: „Dinge leiten ihre Natur und ihr Sein von gegenseitigen Abhängigkeiten her und sind nichts in sich selbst.“ Das könnte auch der Dalai Lama gesagt haben. Die Inder haben dieses Prinzip soziologisch verwirklicht, denn bei ihnen gilt der Mensch ohne seine Sippe nichts.
Auch der Physiker Wolfgang Pauli sagte: „Was wir heute bräuchten, wäre eine Synthese zwischen ostasiatischer Weisheit und abendländischer aktiver, auf naturwissenschaftlicher Einsicht gegründeter Tendenz zur Beherrschung der Natur.“
Doch wie das Beispiel des nach Westen ausgerichteten Indien zeigt, scheint das auch nicht die Lösung zu sein. Die Zahl der Unfreien nimmt dort ständig zu. Unfrei heißt fremdbestimmt. Die tägliche Brotkrume kann sehr fremd sein, solange man sie noch nicht hat.
Es schwingen sich immer nur ein paar wenige zu Beherrschern der Natur auf und meinen dabei doch immer Beherrscher der Menschen. Dabei haben sie sich doch nicht einmal selber im Griff! Wie auch! Man hat ja die Materie auch nicht im Griff.
Es gibt aber immer wieder Naturwissenschaftler, die mit physikalischen Studien anfangen und eine Grenzüberschreitung zur Metaphysik nicht verhindern können, weil sie sich aufdrängt.
Der Astrophysiker James Jeans bezeichnete die Materie als gebundene Wellen, da sie ja eigentlich gebundene Energie sind, und Licht oder Strahlung als ungebundene Wellen. Das gesamte Universum besteht so gesehen aus nichts anderem als gebundenen oder ungebundenen Wellen. Demnach war der Ausspruch Gottes, es werde Licht am Anfang der Schöpfung eine naturwissenschaftlich exakte Aussage und der Schöpfungsbericht in der Bibel hätte eine wissenschaftlich überprüfbare Grundlage. Das muss denen, die der Bibel immerzu die Wissenschaftlichkeit absprechen, bitter aufstoßen.
Jeans dachte über die Grenzen des Universums hinaus. Er schrieb: „Die Naturphänomene kleinster Bauart lassen sich überhaupt nicht in dem Raum-Zeit-Rahmen darstellen – sie lassen sich nur darstellen, wenn man das Raum-Zeit-Kontinuum verlässt ... Es ist denkbar, dass Vorgänge, die außerhalb des Kontinuums liegen, den so genannten Lauf der Ereignisse innerhalb des Kontinuums bestimmen und dass die scheinbare Unbestimmtheit der Natur nur aus unserem Versuch entstehen kann, Geschehnisse, die sich in vielen Dimensionen ereignen, in eine kleine Zahl von Dimensionen hineinzuzwängen“ (aus: „Der Weltenraum und seine Rätsel“).
Man sieht, manche Naturwissenschaftler sehen sich gezwungen, Gott doch noch ein Hintertürchen zu öffnen. Wir werden später noch vermerken, dass es nicht nur im Mikrokosmos solche Bereiche von „Fremdeinflußnahme“ oder „Außeneingriffe“ geben kann, sondern auch im Makrokosmos.
Jeans, den die Thematik doch sehr beschäftigt hat, bringt auch dass Beispiel von Würmern, die nur zweidimensional denken können und deshalb die Nässe des Bodens nicht auf Regen zurückführen können, sondern auf eine Unbestimmtheitstheorie verfallen müssen, die das Nasswerden oder Trockensein des Bodens als Ergebnis von zufälligen Ereignissen werten muss. Dem Menschen könnte es genauso gehen. Es existiert dann aber noch eine Welt über unserer Welt. Man kann es auch Jenseits nennen.
Keine physikalische Theorie hat die These von Gott wirklich nahegelegt. Sie sind alle nur dazu gedacht, einen Teilbereich der Wirklichkeit zu beschreiben. Nichts anderes gilt für die Quantentheorie. Man hat aber eine Art metaphysische Büchse der Pandora geöffnet.
Kann die Quantentheorie die These von Gott stützen? Zunächst einmal stellt sie unsere herkömmliche Vorstellung von der Welt als Ansammlung von Materie ganz gehörig in Frage. Wie die Energie, also das, was die Dinge antreibt, im Einzelnen verfügbar gemacht wird und den Lauf der Dinge mitbestimmt, ist eben doch nicht mechanisch bestimmbar oder voraussehbar. Man spricht in der Quantenphysik richtigerweise nicht mehr so sehr von Wirklichkeiten, sondern von Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten. Dies ist genau der Grenzbereich, in dem es andere als die gewöhnlich erlebbaren Ereignisse gibt.
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- Roman Nies (Author), 2011, Die Naturwissenschaften und Gott, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180614
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