„Da der Dichtung zauberische Hülle / Sich noch lieblich um die Wahrheit wand - / Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle, / Und was nie empfinden wird, empfand. / An der Liebe Busen sie zu drücken / Gab man höhern Adel der Natur, / Alles wies den eingeweihten Blicken, / Alles eines Gottes Spur. // Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen, / Seelenlos ein Feuerball sich dreht, / Lenkte damals seinen goldnen Wagen / Helios in stiller Majestät. / Diese Höhen füllten Oreaden, / Eine Dryas lebt´ in jenem Baum / Aus den Urnen lieblicher Najaden / Sprang der Ströme Silberschaum.
Denken wir heute an die „Entzauberung der Welt“, dann mag uns verschwommen vor Augen stehen, was Friedrich Schillers philosophisches Gedicht Die Götter Griechenlands (1788-1800) in poetischer Klarheit sentimentalisch ausdrückt. Die entzauberte Welt ist eine Welt ohne transzendente Dimension. „Unsre Weisen“, die Theologen und Wissenschaftler der Neuzeit, haben sie systematisch (durch den transzendenten Monotheismus und die exakten Naturwissenschaften) entzaubert. Von animistischen und anthropomorphen Deutungsmustern des Mythos befreit wird die Natur zur Faktenwelt neutralisiert und damit zum nutzbaren Rohstoff degradiert, denn die entzauberte Welt ist eine anthropozentrische Welt. Erst jetzt wird der Mensch wirklich zum Maß aller Dinge und dieses Maß ist prinzipiell maßlos. Das zweckrationale berechnende Beherrschen kennt nur temporäre technische Grenzen. Ethische Bedenken gleiten in die Rolle sachfremder Einwände ab. Der Fluß, einst Wohnung des Flußgottes, kann jetzt begradigt werden. Der heilige Hain wird (so Hegel) zum Holz. Selbst der Mond, einst eine Göttin, ist längst ein berechenbarer Landeplatz für Raketen geworden. Die Kehrseite dieser anthropozentrischen Entwicklung bildet die „transzendentale Obdachlosigkeit“ des Menschen, ein weiterer Begriff, der in den kulturkritischen Jargon der Moderne eingegangen ist und häufig als Synonym für die „Entzauberung der Welt“ gebraucht wird. In ihm drückt sich der Preis des Entzauberungsprozesses aus. Der göttliche Kosmos schwindet und die ethischen Werte verlieren ihre metaphysische Verankerung. Der Wegfall eines Obdachs, einer den Menschen einschließenden sinnerfüllten transzendenten Ordnung, wird als Verlust erfahren.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Die „Entzauberung der Welt" als religionssoziologischer Begriff
- Rationalität und „Entzauberung" bei Max Weber
- Die „Entzauberung der Welt" als Prozeß der Rationalisierung
- Die „Entzauberung der Welt" als „Ausschaltung der Magie"
- Die protestantische Ethik als Endpunkt des Entzauberungsprozesses
- Die „Entzauberung der Welt" als kulturphilosophischer Begriff
- Die „Entzauberung der Welt" als „Intellektualisierungsprozeß"
- Die „Entzauberung der Welt" als „Desillusionierung der Wissenschaften"
- Schlußbemerkung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Begriff der „Entzauberung der Welt" bei Max Weber. Sie analysiert die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs in Webers religionssoziologischen und kulturphilosophischen Schriften und beleuchtet die Genese und Wirkung des Entzauberungsprozesses.
- Rationalität und „Entzauberung" bei Max Weber
- Der Entzauberungsprozeß als religionsgeschichtliches Phänomen
- Die protestantische Ethik als Endpunkt des Entzauberungsprozesses
- Die „Entzauberung der Welt" als „Intellektualisierungsprozeß" in der Moderne
- Die „Entzauberung der Welt" als „Desillusionierung der Wissenschaften"
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet den Begriff der „Entzauberung der Welt" im Kontext von Webers religionssoziologischen Untersuchungen. Es analysiert die Rationalitätsstufen in Webers Werk und zeigt, wie die „Entzauberung" als ein Prozeß der Ablösung von magischen Weltbildern und der Herausbildung einer rationalen Weltanschauung verstanden werden kann. Weber sieht den protestantischen Asketismus als Endpunkt dieses Entzauberungsprozesses, der die Welt aus religiöser Sicht radikal entwertet und gleichzeitig eine rationale Lebensführung in der Welt fordert.
Das zweite Kapitel untersucht den Begriff der „Entzauberung der Welt" in Webers kulturphilosophischen Schriften. Es zeigt, dass Weber den Begriff in diesem Kontext als Ausdruck für die „Intellektualisierung" der okzidentalen Kultur verwendet. Die „Entzauberung der Welt" wird hier als ein fortschreitender Prozeß der Rationalisierung und Intellektualisierung verstanden, der die Wissenschaften von metaphysischen Sinnzusammenhängen löst und zu einer Desillusionierung der Wissenschaften führt. Am Ende dieses Prozesses steht die moderne Wissenschaft, die sich jeder wertrationalen Fragestellung entzieht und nur noch zweckrationalen Zielen dient.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Entzauberung der Welt, Max Weber, Religionssoziologie, Kulturphilosophie, Rationalität, Intellektualisierung, Protestantische Ethik, Moderne, Wissenschaft, Desillusionierung, Nihilismus, Wertpluralismus, Lebensführung, Weltanschauung, Magie, Metaphysik.
- Citation du texte
- Magister Artium Robert Schulze (Auteur), 2000, Versuch über die "Entzauberung der Welt", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180409
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