Kennzeichnung des Diabetes mellitus Typ 2 unter Einbezug sozioepidemiologischer und pathogenetischer Aspekte sowie der weiteren Bedeutung als Risikofaktor von Folgeerkrankungen.
In den meisten industrialisierten Ländern scheinen die gefürchtetsten Geißeln der Menschen wie Hungersnot, Kriege und Seuchen mit modernster Wissenschaft verbannt.
Augenscheinlich steht also einem langem, gesunden Leben in Wohlstand nichts mehr im Wege. Doch seit mehreren Jahren fällt immer häufiger der Begriff „Zivilisationserkrankungen“, welche die Menschen mit einer hohen Mortalität behaften. Wie erklärt sich jedoch ein für die Menschen eher positiv terminierter Begriff wie „Zivilisation“ in der Verbindung mit einem eher negativen Wort wie „Erkrankung“?
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Diabetes mellitus
2.1 Kennzeichnung des Diabetes mellitus
2.2 Sozioepidemiologische und ökonomische Aspekte
2.3 Ätiologie und Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2
2.4 Bedeutung des Diabetes mellitus Typ 2 als Risikofaktor weiterer Erkrankungen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Klassifikation des Diabetes mellitus (Quelle: ADA1997)
Abb. 2: Symptome eines Diabetes mellitus (Quelle: Steinbeck, 2005)
Abb. 3: Allgemein begünstigende Faktoren des Typ-2-Diabetes (Quelle: Dennis, 2005; Steinbeck, 2005)
Abb. 4: Berechnung des Grundumsatzes bei einem schlanken Mann und einer gleichschlanken Frau (Quelle: Haber, 2005)
Abb. 5: Berechnung des täglichen Energieverbrauchs (Quelle: Hettinger, 1993)
Abb. 6: Pathogenese der chronischen Komplikation bei Diabetes mellitus (Quelle: Siegenthaler, 1992)
Abb. 7: Stufenleiter der Entstehung atherosklerotischer Erkrankungen (Quelle: Mayer/ Benzer/ Wonisch, 2004)
1 Einleitung
Nachfolgende Aussagen renommierter Wissenschaftler sollen die vom Diabetes Typ 2 ausgehende Gefahr und die Forschungsnotwendigkeit verdeutlichen.
„To do nothing is no longer an option“ (Kofi Annan, 2006) anlässlich der UN- Resolution zum Diabetes.
…..Gegenwärtig wird der Typ 2 Diabetes als rapid steigend eingestuft und löst den derzeitigen Risikofaktor das Rauchen ab (Linß, 2006).
….. Canadische Epidemiologen bestätigen durch eine Studie in Ontario (Canada), dass Diabetes die Lebenszeit um durchschnittlich mehr als 12 Jahr verkürzt (Douglas, 2004), in Kombination mit einer Fußulzerationen gar um 14 Jahre (Van Baal, 2010). …..experimentelle Studien an Tieren bestätigen die Übertragung epigenetische Veränderungen - verschlechterte Insulinsekretionsleistung durch umprogrammierte BetaZellen - durch die ungesunde Ernährung des Vaters (Ng, 2010).
…..Angesichts der Prävalenz von Diabetes sind effektiv anwendbare Präventionsprogramme notwendig, um bezahlbar Folgeerkrankungen vorzubeugen... Das Potential konservativer Therapie durch Lifestyleänderungen ist groß (S. Bischoff, 2011).
In den meisten industrialisierten Ländern scheinen die gefürchtetsten Geißeln der Menschen wie Hungersnot, Kriege und Seuchen mit modernster Wissenschaft verbannt. Augenscheinlich steht also einem langem, gesunden Leben in Wohlstand nichts mehr im Wege. Doch seit mehreren Jahren fällt immer häufiger der Begriff „Zivilisationserkrankungen“, welche die Menschen mit einer hohen Mortalität behaften. Wie erklärt sich jedoch ein für die Menschen eher positiv terminierter Begriff wie „Zivilisation“ in der Verbindung mit einem eher negativen Wort wie „Erkrankung“?
Zivilisation ist die Gesamtheit der durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt geschaffenen und verbesserten sozialen und materiellen Lebensbedingungen. Zivilisationserkrankungen sind Krankheiten, die durch Zivilisation verbundene Lebensweise hervorgerufen werden (Christoph, 1999; Wermke, 2000). Die Gene können nicht der Grund dafür sein, denn Sie haben sich innerhalb der letzten 1000 Jahre nicht verändert (Martin, 2010). Das Erschließen von Lebensräumen, die Vereinfachung von alltäglichen Abläufen und die Schaffung von Sicherheit ist jedoch gleichzeitig verbunden mit steigender Immobilität durch sitzende Tätigkeit, Übergewicht und die eigene Bequemlichkeit. Ein Indikator ist die Fernsehdauer, je höher diese ist, umso höher ist die kardiovaskuläre Mortalität. Die Hazard Ratio für 1 Stunde täglichen Fernsehkonsum beträgt 1,18, bei 4 Stunden betrug sie 1,46 (Dunstan, 2010).
Die NHANES-Studie untersuchte 5555 erwachsene Männer und Frauen, wovon 68,0% der Probanden insgesamt übergewichtig waren. Der Anteil adipöser Personen betrug 33,8% (Flegal, 2010). In Deutschland sind fast zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung, etwa jeder dritte Jugendliche und jedes fünfte Kind übergewichtig. Dies bedeutet eine Verdreifachung innerhalb der letzten 10 - 15 Jahre (Künast, 2004; Hutsteiner, 2004). Ein adipöser Patient verursacht 40% mehr ambulante Kosten und ca. 70% mehr stationäre Kosten (Wirth, 2006). Fehlende körperliche Aktivität verursacht mehr als 2 Mio. Todesfälle im Jahr (WHO, 2006). Das sind bis zu 33 Prozent frühzeitiger Todesfälle, die sich durch körperliche Inaktivität sowie durch Über- bzw. Fehlernährung bedingen, was als Hauptursachen von Zivilisationserkrankungen gelten (Bachel, 2003).
Die Inzidenz und Prävalenz von Zivilisationserkrankungen steigt in den meisten Industrieländern drastisch an. Dies betrifft insbesondere Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 (im folgenden Typ 2 Diabetes benannt). Spätkomplikationen sind eine über das 2fache gesteigerte Mortalität bei Herzinfarkt und Apoplex (Limberg, 2003; Wirth, 2003). Dieses Risiko betrifft nicht nur die Industriestaaten sondern auch die Schwellenländer sowie alle Rassen (Erbguth, 2011; Yatsuya, 2010). Adipositas, Hypertonie, Hypercholesterinamie und eine gestörte Glukosetoleranz im Kindesalter zeigen das spätere Diabetesrisiko und haben eine prädiktive Bedeutung für vorzeitige Todesfälle. Die Mortalitätsrate von Kinder im höchsten Quartil der Glukosetoleranz ist um 73% höher, als derer im niedrigsten Quartil (Franks, 2011).
Die Prävalenzanalyse zeigte in den sechziger Jahren eine Diabeteshäufigkeit der deutschen Bevölkerung von 0,6 Prozent und meist im höheren Alter diagnostiziert. In den neunziger Jahren lag sie bei 2 - 3 Prozent. Neuste Zahlen gehen von 12% der 20-79-Jährigen aus und prognostiziert eine fast ausweglose Situation für unser Gesundheitssystem (Danne, 2011). Der Typ 2 Diabetes, auch als „Altersdiabetes“ bezeichnet, wurde mit einem deutlichen Anstieg der Betroffenen in einem Altersbereich von über 65 Jahren definiert (Michaelis, 1987). Laut neuesten Schätzungen stieg bis heute die Rate auf ca. 10 Prozent an, Tendenz stark steigend (Martin, 2003).
In den letzten Jahren tritt der Typ 2 Diabetes jedoch in immer jüngeren Jahren auf. Eine Ursache dafür ist, dass 20% der Kinder und Jugendlichen bereits schon heute Übergewichtig sind (Wirth, 2005). Kinder und Jugendliche mit einem metabolischen Syndrom haben ein 2-3 fach höheres Risiko für einen späteren Typ 2 Diabetes (Magnussen, 2010). Dieses höhere Risiko ist jedoch an das Fortbestehen des Übergewichtes gebunden (Yeung, 2010). Das Ergebnis zeigt jedoch auch die präventive Chance einer Gewichtsreduktion. Welche epigenetischen Gefahren veränderte Umweltbedingung-en wie falsche Ernährung bei Diabetes beinhalten, zeigt ein Tierexperiment von Ng in Nature. Die ungesunde Ernährung des Vaters programmierte die Betazellen des weiblichen Nachkommens so ungünstig um, dass eine verschlechterte Insulinsekretionsleistung entstand (Ng, 2010).
Betrachtet man die Dimension dieser nicht notwendigen Erkrankung, so ist jeder Weg gerechtfertigt, um die Betroffenen zum Handeln zu animieren.
Die verschlechterte Energiebilanz durch geringe körperliche Aktivität gilt als eine Hauptursache und beinhaltet gleichzeitig den Lösungsweg. Gezielte sportliche Interventionen werden derzeit vielschichtig erforscht und bestätigen eine gute Wirkung.
2 Diabetes mellitus
2.1 Kennzeichnung des Diabetes mellitus
Der Diabetes mellitus ist eine chronische Erkrankung des gesamten Stoffwechsels. Laut Praxis-Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft gilt er als Sammelbegriff für heterogene Störungen des Stoffwechsels, deren Leitbefund die chronische Hyperglykämie ist. Ursache ist entweder eine gestörte Insulinsekretion oder eine gestörte Insulinwirkung oder auch beides (Brückel, 2005; Hauner, 2011). Neben der vordergründigen Störung des Kohlenhydratstoffwechsels sind auch der Fett-, Eiweiß- und Elektrolytstoffwechsel beeinträchtigt (Michaelis, 1987). Übergreifend wird der Diabetes mellitus, im Volksmund auch „Zuckerkrankheit“ genannt, als Sammelbegriff für eine ätiologisch und pathogenetisch heterogene Gruppe chronischer Krankheiten (Shapiro, 2000). Die Klassifikation der Diabetestypen wurden 1985 von der WHO und 1997 von der ADA (American Diabetes Association) erarbeitet und ist in Abb. 1 dargestellt (s. S. 18). Der Typ 2 Diabetes ist dabei die häufigste Form mit 90 - 95 Prozent der Betroffenen neben dem Typ 1 Diabetes mit 5 - 10 Prozent und weiteren eher seltenen Formen (Hauner, 2011; Sam/Kann/Ivan, 2006). Die Definition beider anhand des Vorkommens in bestimmten Altersbereichen ist für die Zukunft nicht mehr so deutlich differenzierbar, wie es in der Vergangenheit vorgenommen wurde. Vergleicht man die Literaturangaben, so wird die Erstmanifestation des Typ 1 Diabetes ausschließlich bis zum ca. 25. Lebensjahr beschrieben (Pschyrembel, 1998; Steinbeck, 2004).
Das Vorkommen des Typ 2 Diabetes hat sich jedoch in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. Mit steigendem Alter erhöht sich zwar das Risiko für diese Krankheit, die Altersschwelle jedoch sinkt rapide. In den 90iger Jahren noch, wurde ein deutlicher Anstieg der Typ 2 Diabetesdiagnosen mit über 65 Jahren beschrieben (Michaelis, 1987; Austenat, 2005), nach der Jahrtausendwende zeigte sich dieser Anstieg schon mit über 40 Jahren (Steinbeck, 2005). Seit dem Jahr 2004 kann dies jedoch nicht mehr gelten, denn der jüngste „Altersdiabetiker“ ist 5 Jahre alt und wohnt in Leipzig (Kurth, 2004). Daraus ergibt sich eine Klassifikation des Diabetes mellitus anhand der pathologischen Vorgänge (Austenat, 2005) Im Vergleich dazu, der Typ 1 Diabetes, er ist definierbar durch die autoimmunologische Destruktion der ß-Zellen der Langerhans-Inseln im Pankreas. Exogene Faktoren wie Viruserkrankungen können den Krankheitsprozess begünstigen. Siegmund (2011) kommentiert die Epidemiologie des Typ 1 Diabetes als deutlich zunehmend und beschreibt weiterhin einen steigenden Anteil an übergewichtigen und adipösen Patienten. Bestätigt wird dies durch eine epidemiologische Kohortenstudie (n=589) in Pittsburgh, sie erkennt einen Anteil von 28,6% Übergewichtigen, 3,4% Adipösen und resümiert eine Versiebenfachung an Adipositasfällen bei Typ 1 Patienten (Conway, 2010). Der Typ-2-Diabetes als Primärparameter dieser Arbeit, wird mit einem meist schleichenden Verlauf beschrieben, worin sich die die sehr hohe Dunkelziffer begründet. Die zentrale Rolle ist die pathologische Störung des Glukosestoffwechsels, eine Insulinresistenz und abnorme Insulinsekretion. Diese endokrine Störung ist durch erhöhte Nüchtern-Blutzuckerwerte über 6,7 mmol/l bzw. im 2 Stunden oralen Glukose-Toleranztest, über 10 mmol/l venös oder 11,1 mmol/l kapillär gekennzeichnet (Pschyrembel, 1998; Hauner, 2003; Wirth, 2003; Austenat, 2005;). Bei Patienten mit dieser gestörten Glukosetoleranz besteht das Risiko einer späteren Diabetesmanifestation von ca. 5 Prozent pro Jahr. Die Glukosetoleranz kann sich jedoch im Verlauf wieder normalisieren (Steinbeck, 2004).
Eine weitere Form ist der Gestationsdiabetes (im folgenden GDM), der in Deutschland laut AQUA-Institut im Jahr 2009 bei 3,4 Prozent der Schwangerschaften auftrat. Die Gefahr des GDM ist eine erhöhte Mortalität und Morbidität für Mutter und Kind, sowie für das zukünftige Auftreten eines manifesten Typ 2 Diabetes. Im Vergleich zu 1997 (Häufigkeit 0,49%) zeigt sich ein ständiger Anstieg. Getahun (2010) analysierte das Register der Kaiser Permanenten Versicherung Kaliforniens und erkannte eine Prävalenz innerhalb der 2. Schwangerschaft von 5,6% und der dritten bei 7,0%. Weiterhin ist das typische Bild eine Normalisierung der Stoffwechselparameter meist nach der Entbindung, wobei der Zustand sich innerhalb von drei Jahren bei ca. 20 Prozent der Betroffenen wieder verschlechtert. Vergleichbare Zahlen liefert Ekelund (2010) mit einer Prävalenz von 30% nach 5 Jahren. Insgesamt zeigten 51 % der Frauen nach 5 Jahren eine Glukosetoleranzstörung. Die Ursache dafür kann der stetig ansteigende BMI der Mütter sein (Beyerlein, 2010) und der fehlende Verlust des überschüssigen Gewichts nach der Schwangerschaft (Kleinwechter, 2011). Doch nicht nur die Wiederkehr des Diabetes ist eine Gefahr. Mütter mit einem GDM übertragen auf ihre Nachkommen auch das Risiko eines Übergewichts mit 40% und die des abdominalen Adipositas mit 25,7% (Pirkola, 2010). Diese Erkenntnis beinhaltet auch Chancen für die Therapie und Prävention. Wenn die Häufigkeit eines Typ 2 Diabetes nach einem GDM so hoch ist, so kann dieser auch als Prädiktor für nachfolgende präventive Maßnahmen wie eine gezielte Sporttherapie oder eine generelle Lifestyleänderung gegen einen manifesten Diabetes dienen. Die Basis bildet sich jedoch durch eine engmaschige Diagnostik, Nachkontrolle und Patientenaufklärung, da trotz intensiver diabetologischer und geburtsmedizinischer Betreuung die Selbsteinschätzung von Müttern nach einem kürzlich durchgemachten GDM falsch bewertet werden. Nur 26 % erachten das Risiko als hoch, 32% der Befragten schätzten trotz Aufklärung das Risiko als niedrig ein (Morrison, 2010).
Weitere sekundäre Diabetesformen stellen mit 1 Prozent der Erkrankungsrate den geringsten Teil dar und treten meist nach Erkrankungen des Pankreas wie Entzündungen oder Tumore auf (Berger, 1992; Steinbeck, 2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1 Klassifikation des Diabetes mellitus (Quelle: ADA, 1997)
Die Diagnose, des mit einem meist schleichenden Verlauf gekennzeichneten Typ-2-Diabetes erfolgt häufig durch Zufall. Der zukünftige Patient spürt keine direkten Auswirkungen oder Schmerzen, weshalb die Festlegung von Risikofaktoren und Symptomkennzeichnungen (s. Abb. 2) hoher Relevanz bedarf.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Symptome eines Diabetes mellitus (Quelle: Steinbeck, 2005)
Eine frühzeitige Krankheitsbestimmung dient der Minderung von Komplikationen und der Prävention von Folgeerkrankungen. Genau damit beschäftigten sich in den letzten Jahren vielfältige Arbeiten. Sie untersuchten neue prädiktive Marker zur Früherkennung und Prävention des Typ 2 Diabetes, da Menschen mit dieser Erkrankung höhere gesundheitliche Risiken haben (siehe auch 2.4). Salomaa (2010) analysierte 31 Serumparameter bei den Teilnehmern der FINRISK97 Kohorte (7827 Teilnehmer), von denen 417 innerhalb des Beobachtungszeitraumes einen Diabetes entwickelten. Die statistische Auswertung erkannte vier Parameter (Adiponectin, Apolipoprotein B, Interleukin-1-Rezeptor- Antagonist und Ferritin) als beste Prädiktoren. Auch Chao (2010) untersuchte Serumproben innerhalb der WHIOS-Kohorte (1584 Frauen), die jedoch im Vergleich zu klassischen Parametern wie z. B. Bauchumfang, Familienanamnese, körperliche Aktivität, Alkohol und Alter nicht besser waren (Martin, 2010). Für eine dringend notwendige Früherkennung ist das eine sehr wichtige Erkenntnis, denn sie sind einfach und kostengünstig zu erhebende. Im Rahmen einer einfachen Befragungen, selbständigen Vermessung oder betrieblichen bzw. allgemeinärztlichen Untersuchung könnten so Mortalitäten, Morbiditäten und auch Kosten gesenkt werden.
Besondere Gefahren eines Diabetes sind neben den Folgeerkrankungen (siehe 2.4) hypo und hyperglykämische Entgleisung. Das ketoazidotische Koma kann weiterhin eine stets lebensbedrohliche Komplikation sein. Es ist Ausdruck eines schweren Insulinmangels, meist ausgelöst durch einen nicht erkannten oder schlecht eingestellten Diabetes mellitus. Bei Typ 2 Diabetikern tritt häufiger ein hyperosmolares Koma ein, dabei ist der Unterschied das Fehlen der Ketose.
Weitere Komplikationen/Folgeerkrankungen sind Mikroangiopathie (Nieren, Augenfundus), Neuropathie, Makroangiopathien, inapparenten kardiovaskulären Erkrankung und eine Hypertonie die neben der primären (essentiellen) Hypertonie auch eine sekundäre Hypertonie (durch die Schädigung der Nieren verursacht) sein kann. Überlebensnotwendig bei Typ-1-Diabetes ist die Substitution von Insulin (Shapiro, 2000; Schmülling, 2003, Austenat, 2005).
2.2 Sozioepidemiologische und ökonomische Aspekte
Die Inzidenz und Prävalenz von Zivilisationserkrankungen steigt in den meisten Industrieländern drastisch an. Dies betrifft sowohl Stoffwechselerkrankungen, insbesondere Typ 2 Diabetes, degenerative Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates (Bachel, 2003). Mit diesem Hintergrund untersuchen Forscher wie z.B. die amerikanische SIGT-Studie globale Diabetes-Screenings und erstellen daraus gesundheitsökonomische Perspektiven: Screening und Intervention=180.635$ vs. kein Screening=205.966$ (Kahn, 2010).
In der Regierungserklärung durch die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft vom 17. Juni 2004 kommt schon damals die dramatische, gesundheitspolitische Auswirkung durch Stoffwechselerkrankungen zum Ausdruck. Danne (2011) beschreibt die Diabetesepidemie im Kontext unseres Gesundheitssystems als nicht bewältigbar, Der Kostendruck wird zu bedenklichen Einschränkungen bei der Behandlung diabetesbedingter Erkrankungen führen. Eine Milliarde Menschen weltweit sind übergewichtig und erzeugen bspw. in den USA 117 Mrd. Dollar jährlich an Gesundheitskosten. In Deutschland sind fast zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung, etwa jeder dritte Jugendliche und jedes fünfte Kind übergewichtig. Dies bedeutet eine Verdreifachung innerhalb der letzten 10 - 15 Jahre (Künast, 2004, Hutsteiner, 2004). Die US National Longitudinal study of Adolescent Health erkannte, dass 70,5% von stark adipösen Jugendlichen diese schwere Form des Adipositas auch im Alter behielten (The, 2010). Im Allgemeinen verursacht fehlende körperliche Aktivität weltweit mehr als 2 Mio. Todesfälle im Jahr (WHO, 2006). Das sind bis zu 33 Prozent frühzeitiger Todesfälle, die sich durch körperliche Inaktivität sowie durch Über- bzw. Fehlernährung bedingen, die als Hauptursachen von Zivilisationserkrankungen gelten (Bachel, 2003).
Die Prävalenzanalyse des Typ-2-Diabets zeigt in Deutschland eine Häufigkeit innerhalb der Bevölkerung in den sechziger Jahren von 0,6 Prozent, laut neuesten Schätzungen stieg auf ca. 10 Prozent im Jahr 2002 (Martin, 2003) und heute auf schätzungsweise 12% der 20-75 Jährigen (Danne, 2011). Die dramatische Situation wird durch die Prognose unserer Zukunft deutlich, Schwarz et al.(2011) schätzt eine Verdopplung der Diabetesrate in Deutschland für das Jahr 2020.
Laut einer Versicherten-Stichprobe der AOK Hessen für den Zeitraum 1998 - 2001 wurde bei 5,7 Mio. der deutschen Bevölkerung Diabetes diagnostiziert, als unentdeckt werden weitere 2 Mio. geschätzt (Hauner, 2002). Die im Schwarzwald-Baar-Kreis durchgeführte St.Georgen-Studie erkannte 42 Prozent der Menschen dort als übergewichtig und 19 Prozent als adipös. 61 Prozent der Adipösen und 27 Prozent der Übergewichtigen litten an einem metabolischen Syndrom (Jacob, 2006).
Vergleichbare Zahlen beschreiben weltweit eine Versechsfachung der Diabetes mellitus Häufigkeit von 1985 mit 30 Mio. Personen auf 194 Mio. nach fast 20 Jahren (IDF, 2004). Zimmer (2004) beschreibt eine Populationsstudie in Augsburg, bei der 40 Prozent der 55 bis 74-Jährigen entweder unter einem Prädiabetes oder einem manifesten Diabetes litten. In Europa liegt die Prävalenz derzeit bei 8 Prozent und es wird ein Anstieg bis zum Jahr 2010 auf 10 Prozent geschätzt (Zimmer, 2005). Wenn nichts gegen diese Entwicklung unternommen wird, schätzt die IDF „International Diabetes Förderation“, dass in 25 Jahren 330 Mio. Menschen an dieser Stoffwechselerkrankung weltweit leiden (ebenda, 2004). In Deutschland schätzte Hauner (2006) im Jahr 2010 die Zahl der Diabetiker auf 10 Millionen Tendenz zunehmend und diese Vorhersage traf ein.
Die wohl folgenschwerste Erkenntnis ist, dass der Typ-2-Diabetes mit seinen Auswirkungen immer häufiger in jungen Jahren auftritt. Der jüngste Patient in Deutschland ist derzeit fünf Jahre alt (Kurth, 2004). Eine Studie in Südbayern mit 520 stark übergewichtigen Kinder und Jugendlichen zwischen 9 und 20 Jahren erkannte an 6,7 Prozent eine Störung des Zuckerstoffwechsels (Wabitsch, 2004). Der Primärfaktor ist meist ein Übergewicht und Bewegungsarmut. Derzeit liegt die Prävalenzrate adipöser Kinder bei 4 - 8 Prozent und ist tendenziell steigend. Adipöse Schulkinder bleiben zu 50 Prozent und Jugendliche zu 80 Prozent auch im Erwachsenenalter adipös, was durch daraus resultierende Sekundärerkrankungen wie z. B. Diabetes Typ 2 von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung ist (van Egmond-Fröhlich, 2006; Nething, 2006). Ähnliche Zahlen zitiert die Osterländervolkszeitung OVZ (2006) und beruft sich auf das nordrhein-westfälische Verbraucherschutzministerium. Demnach ist zum Zeitpunkt der Einschulung eine Rate von übergewichtigen Kindern mit 11,4 Prozent durch Schuleingangsuntersuchungen bestätigt, die bis zur Schulentlassung auf 21,7 Prozent ansteigt. Vergleichbare Zahlen aus dem Jahr 1993 zeigen eine ca. 27 Prozent geringere Häufigkeit adipöser Kinder.
Der Hinweise auf eine Stoffwechselerkrankung ist auch in diesem Altersbereich neben einer positiven Familienanamnese, das Vorliegen eine manifeste Adipositas und einer pathologischen Glukosetoleranzstörung (Danne, 2003). Weiterhin ist bekannt, dass nur die Jugendlichen den höchsten Bildungsabschluss und Gesundheitszustand erreichen, die mit geringem Fernsehkonsum, geringerem Körpergewicht und auch besserer Fitness leben. Hoher Blutdruck, gestörte Glukosetoleranz und Hypertriglyzeridamie sind bei adipösen Kindern genauso wie bei Erwachsenen nachweisbar und somit Frühanzeichen und Risikofaktoren einer späteren Arteriosklerose (Nething et al., 2006).
Menschen, die an Typ 2 Diabetes leiden, erhöhen durch die vielfach höheren Risiken an kardiovaskulären Erkrankungen, Augenerkrankungen, Amputationen, Nierenversagen und Infektionen die Kosten unserer Krankenkassen. 4 - 5 Prozent der Kosten des derzeitigen Gesundheitssystems entstehen durch Diabeteserkrankungen. Durch mehr Untersuchungen, Medikamente, längere und häufigere Krankenhausaufenthalte bestehen bedeutend höhere Aufwendungen, die für einen Patienten mit Diabetes einen zwei bis fünfmal höheren Wert, als für einen Patienten ohne Diabeteserkrankung bedeuten. Dazu kommen noch indirekte Kosten wie Arbeitsausfall und familiäre Belastungen, die für den Betroffenen auch psychosozial bedeutsam sind (WHO, 2003).
Allein im Jahr 2001 wurden in Deutschland 22 Milliarden Euro für die Behandlung von Folgen des Diabetes ausgegeben (OVZ, 2006). 20 Prozent der gesamten Leistungsausgaben aller deutschen gesetzlichen Krankenversicherungen entfallen auf diabetesbedingte Komplikationen und somit auf 10 Prozent unserer Bevölkerung (Finck, 2011). In den USA fallen ca. ein Drittel diabetesbedingter Kosten auf die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms. 77% der fußamputierten Diabetiker sind nicht mehr in der Lage nach dem chirurgischen Eingriff nach Hause zurückzukehren, sie mussten im Hospital oder Nachsorgeeinrichtung wie Rehabilitation verbleiben. Durch Nachsorge entstehen nochmal 40-50% an zusätzlich Kosten, zusätzlich zur medizinischen Behandlung (Spraul, 2011). Im Jahr 2007 betrugen in den USA diese Kosten 174 Mrd. wovon 54 Mrd. für die nichtmedizinische Betreuung anfielen (Driver, 2010). Allgemein könnten zwei Drittel der Kosten von verhaltensbedingten Erkrankungen eingespart werden. Voraussetzung dafür wäre eine Änderung des Lebensstils (Berg, 1999).
Diese Feststellungen sollten nicht nur sozioökonomischen Folgen schnellstmöglich klären, sie müssen auch zum Handeln anregen, dass jeder Einzelne die Chance auf ein gutes Lebensniveau und generell auf eine hohe Lebenserwartung hat.
- Arbeit zitieren
- Sven Zeißler (Autor:in), Dr. Andree Hillebrecht (Autor:in), 2011, Kennzeichnung des Diabetes mellitus Typ 2, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180274
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