Eines der wesentlichsten Elemente von Computer-Kriegsspielen ist es, die Illusion einer interaktiven Teilnahme an einem Kampfgeschehen herzustellen. Die Spielentwickler greifen dabei auf ein breites Repertoire an stilistischen Instrumenten zur ikonographischen Inszenierung sowie an technischen Mitteln zur Einstellung des Gameplays zurück, um das gesamte Kriegs-Erscheinungsbild für den Spieler so authentisch wie möglich zu machen. Doch wird die Kriegsdarstellung dadurch nicht authentischer, sondern nur an die Erwartungen des Spielers angelehnt. Die weit verbreitete Annahme trifft zwar zu, dass es das wichtigste in der Entwicklung von Kriegsspielen ist, die Simulation für den Spieler so realistisch und detailge-nau wie möglich zu konzipieren. Doch für eine Analyse des Kriegsbildes in Computerspielen muss zuallererst herausgestellt werden, welcher Mittel sich die Spielentwickler bedienen, um den Krieg darzustellen und inwieweit diese Methoden in ihrer vermeintlichen Nähe zur historischen Wirklichkeit doch nur den vorgeprägten Mustern im Gedächtnis des Spielers entsprechen. Denn hierin liegt schließlich die Ursache dafür, dass die Ästhetik der Spielwelt den Vorrang vor historischer Genauigkeit erhält und ein möglichst leicht verständlicher einem realistischen, weil komplexeren Spielablauf vorgezogen wird.
Essay
Die Darstellungsform von Krieg in Computerspielen am Beispiel von Medal of Honor Allied Assault und Call of Duty 2
Von Christopher Reichow
Eines der wesentlichsten Elemente von Computer-Kriegsspielen ist es, die Illusion einer interaktiven Teilnahme an einem Kampfgeschehen herzustellen. Die Spielentwickler greifen dabei auf ein breites Repertoire an stilistischen Instrumenten zur ikonographischen Inszenie- rung sowie an technischen Mitteln zur Einstellung des Gameplays zurück, um das gesamte Kriegs-Erscheinungsbild für den Spieler so authentisch wie möglich zu machen. Doch wird die Kriegsdarstellung dadurch nicht authentischer, sondern nur an die Erwartungen des Spie- lers angelehnt. Die weit verbreitete Annahme trifft zwar zu, dass es das wichtigste in der Entwicklung von Kriegsspielen ist, die Simulation für den Spieler so realistisch und detailge- nau wie möglich zu konzipieren. Doch für eine Analyse des Kriegsbildes in Computerspielen muss zuallererst herausgestellt werden, welcher Mittel sich die Spielentwickler bedienen, um den Krieg darzustellen und inwieweit diese Methoden in ihrer vermeintlichen Nähe zur histo- rischen Wirklichkeit doch nur den vorgeprägten Mustern im Gedächtnis des Spielers entspre- chen. Denn hierin liegt schließlich die Ursache dafür, dass die Ästhetik der Spielwelt den Vorrang vor historischer Genauigkeit erhält und ein möglichst leicht verständlicher einem realistischen, weil komplexeren Spielablauf vorgezogen wird.
In den letzten Jahren hat der Markt für Computerspiele immer weiter expandiert. An- getrieben vom kontinuierlichen technischen Fortschritt und weiter entwickelten Spielen wächst die Gruppe der Computerspiel-User stetig an. Computerspiele werden für immer mehr Menschen zu einer Freizeitbeschäftigung, mit der sie täglich mehrere Stunden Zeit verbrin- gen. Auch die weltweiten Einnahmen der Computerspielbranche haben sich, gegen den Trend der gesamten Unterhaltungsindustrie, beständig vergrößert. Basierend auf diesen Befunden muss somit konstatiert werden, dass auch die Bedeutung des Computerspiels als wichtiges mediales Element der Freizeitbeschäftigung für weite Teile der Gesellschaft, und nicht mehr nur noch für Jugendliche, zugenommen hat. Spiele mit historischem Hintergrund machen da- bei einen signifikanten Teil des gesamten Computerspielumfangs aus. In der Historien-Sparte wiederum sind vor allem Spiele zu finden, in denen der Krieg thematisch eine zentrale Rolle spielt. Dies sind überwiegend Spiele aus den Genres der Ego-Shooter und der Strategiespiele, in denen Geschichte größtenteils in Form von Krieg dargestellt wird.
Die meisten Computerspiele, die sich thematisch mit Krieg im engen und weiten Sinne beschäftigen, nutzen Anspielungen an bekannte, reale Kriegsereignisse. Auf diese Weise wird zum einen der Handlung ein grober Rahmen vorgegeben, zum anderen wird der Spieler mit ihm vertrauten Bildern und historischen Fakten versorgt, welche ihm die Interaktion in der Simulation erleichtern und den gesamten Spielablauf verständlicher machen. Um eine mög- lichst intensive Wirklichkeitsillusion herzustellen, wird an die Vorstellungen und das Vorwis- sen der Konsumenten angeknüpft, weil diese das darstellen, was als das Typische für einen Krieg und die an diesem beteiligten Akteure angesehen wird. Aus diesem Grund werden oft auch viele Klischees bedient, wie z.B. die des blonden oder schnurrbärtigen Deutschen in Kriegsspielen wie „Wolfenstein 3D“ und „Return to Castle Wolfenstein“. Auch werden die Körper der Akteure zumeist idealisiert dargestellt, d.h. kräftig, athletisch und physisch bestens ausgebildet.
Außerdem werden in Kriegsspielen zumeist reale Ereignisse aufgegriffen, die dem fik- tionalen Hintergrund des Spielhelden mehr Nachdruck verleihen sollen. Nur den wenigsten Spielern müsste es beispielsweise noch zusätzlich erklärt werden, dass das Ziel eines ameri- kanischen Landungsbootes am 6. Juni 1944 die Küste der Normandie ist und dass der Gegner Nazi-Deutschland heißt. So ist es von zentraler Bedeutung, dass in Kriegsspielen häufig zent- rale Feldzüge der jeweiligen Kriege simuliert werden. Denn diese bedeutsamen Militäropera- tionen sind gleichzeitig auch diejenigen Kriegsereignisse, die selbst bei ansonsten historisch eher unkundigen Spielern über Film und Fernsehen sowie andere Computerspiele einen ge- wissen Bekanntheitsgrad besitzen. Spielentwickler können daher auf einen großen Fundus an Kriegsmotiven zurückgreifen, auch weil die Rezeption des Krieges in der gesamten Unterhal- tungsbranche sehr präsent ist. Ob dieses Material anderer medialer Darstellungsformen von Krieg historisch korrekt und realistisch ist, spielt dabei kaum eine Rolle.
Evident wird dies, wenn beispielsweise in Ego-Shootern wie „Medal of Honor: Allied Assault“ und „Call of Duty 2“ in einzelnen Missionen ein konkretes historisches Ereignis, hier die besagte Landung der alliierten Truppen an der Küste der Normandie, simuliert wird. Zu Beginn beider Sequenzen werden zunächst im detailliert militärischen Stil Datum, Ort und Uhrzeit angezeigt. Im Anschluss werden vorprogrammierte Filmsequenzen gezeigt, in denen der Spieler keine Möglichkeit hat, auf den Spielverlauf Einfluss auszuüben. Der Spieler wird folglich gezwungen, der Einführung der Spielentwickler zu folgen. Dabei ist die gesamte Dar- stellung eindeutig Steven Spielbergs populären Kriegsfilm „Saving Private Ryan“ aus dem Jahr 1998 nachempfunden. So ist im 2002 erschienenen „Medal of Honor“ die achtzig Sekun- den andauernde Anfangssequenz bestimmt von ständigem Beschuss und Explosionen, einem heftigen Wackeln der Sicht sowie prononcierten Soundeffekten. Im 2005 auf den Markt ge- kommenen „Call of Duty 2“ erinnern die perforierte Tonspur, der verschwommene Blick und das wahllose Durcheinander nach dem Verlassen des Landeboots stark an den besagten Hol- lywoodfilm. Im weiteren Verlauf des Spiels, in dem der Avatar nun aktiv am Spielgeschehen teilnimmt, spitzt sich die Intensität an Hektik und Chaos sogar noch zu.
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- Citation du texte
- Christopher Reichow (Auteur), 2010, Die Darstellungsform von Krieg in Computerspielen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179613