Die Arbeit untersucht die rechtliche und soziale Dimension von Online-Bewertungsportalen wie Spickmich.de oder Meinprof.de. Hierbei wird zunächst in die gesellschaftliche Problematik des sog. Social Scoring eingeführt, bevor auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Nutzern und Portalbetreibern eingegangen wird, wobei insbesondere der Einfluss des Telemedienrechts Berücksichtigung findet. Anschließend werden datenschutzrechtliche Aspekte sowie zivilrechtliche (Abwehr-)Ansprüche näher beleuchtet, bevor abschließend das Phänomen des Social Scoring insgesamt kritisch bewertet und in den gesellschaftliche Kontext eingeordnet wird.
Meinungsportale wie „Meinprof.de“ oder „Spickmich.de“ ermöglichen es Studenten bzw. Schülern Ihre Dozenten oder Lehrer anonym im Internet zu bewerten. Die Betroffenen beklagen die Anonymität, die angeblich fehlende Aussagekraft sowie die diffamierende Wirkung der Bewertungen. Auch die Rechtsprechung[1] muss sich vermehrt mit dieser Problematik auseinandersetzen. Dieser Beitrag beleuchtet das Phänomen des Social Scoring und gibt einen Überblick über die rechtlichen Fragestellungen.
I. Einführung
Immer mehr entwickelt sich das Internet zu einer Plattform der Meinungsäußerung für jedermann. Während es bis vor einiger Zeit noch erforderlich war eine eigene Website zu betreiben, um sich im World Wide Web beteiligen zu können und sich Interaktivität weitgehend auf Foren und Gästebücher beschränkte, geht der Trend im Zuge des Web 2.0 weg von statischen, hin zu dynamischen Websites mit interaktiven Inhalten. Zunehmend gestaltet nicht mehr der Betreiber, sondern dessen Nutzer den Inhalt des Webauftritts. Neben einer Vielzahl community-basierter Angebote entstehen vermehrt Websites, die ihren Usern die Möglichkeit eröffnen, Lehrer[2], Professoren[3] oder Arbeitgeber[4] zu bewerten.
In Deutschland wird der Meinungsmarkt dabei vor allem von den Portalen „Meinprof.de“ und „Spickmich.de“ dominiert, deren Benutzer anonym Professoren bzw. Lehrer mittels eines Scoring-Verfahrens in verschiedenen Kategorien bewerten können. Dass die Meinungsportale kein Schattendasein fristen, sondern rege genutzt werden, zeigt sich daran, dass auf „Meinprof.de“ bereits 289.538 Bewertungen abgegeben wurden[5]. Bei „Spickmich.de“ sind 200.000 Nutzer registriert[6]. Wird an diesen Portalen oft kritisiert, dass die Bewertungen anonym abgegeben werden[7], so ist zu bedenken, dass es das Unterordnungsverhältnis zwischen Schülern und Lehrern bzw. Studenten und Professoren schwierig oder gar unmöglich macht offen Kritik zu üben, zumal sich wirksame interne Evaluationsverfahren noch nicht weitläufig durchgesetzt haben. Probleme ergeben sich also nicht per se aus dem anonymen Bewertungssystem, sondern daraus, dass diese Portale zweckwidrig dazu genutzt werden können, ungerechtfertigt schlechte Bewertungen zu vergeben oder abfällige Kommentare zu verfassen.
Zwar liegen in Deutschland noch keine aussagekräftigen Statistiken über Fälle von CyberMobbing an Lehrern und Professoren vor, doch allein die Tatsache, dass vermehrt Leitfäden zum Umgang mit dem Cyber-Bullying[8] herausgegeben und Urteile zu dieser Thematik gesprochen werden, sowie das von der Europäischen Kommission ins Leben gerufen Forschungsprojekt „Teachers in bullying situations“[9], lassen erahnen, wie bedeutsam diese Problematik ist. Aufgrund dieser Entwicklungen meldete sich kürzlich auch der Deutsche Philologenverband zu Wort und forderte Lehrer nicht länger als „digitales Freiwild“ zu behandeln[10]. Der internationale Vergleich zeigt dabei ein ernüchterndes Bild: 17% der Lehrer in Großbritannien waren bereits Opfer von Cyberbullying[11].
Die Frage, ob Bewertungen in Meinungsportalen dem rechtswidrigen Cyber-Bullying zugerechnet werden können und ob bzw. welche Rechte den Betroffenen gegen Bewertungen im Internet zur Verfügung stehen, soll im Folgenden geklärt werden.
Mit dem Siegeszug des Web 2.0 wächst die Möglichkeit und auch die Bereitschaft Auskünfte über die eigene Person im Internet zu veröffentlichen. Social Community Networks wie Facebook[12] oder StudiVZ[13] weisen beeindruckende Nutzerzahlen und eine ebenso erstaunliche Bereitschaft zur öffentlichen Preisgabe persönlicher Daten auf. Der erhebliche Unterschied der Social Scoring Plattformen besteht zwar darin, dass weit weniger Informationen preisgegeben werden, dies aber nicht durch den Betroffenen selbst, sondern von dritter Seite geschieht. Zu klären ist also auch, ob und in welchem Umfang der Betroffene die Eingabe persönlicher Daten in Meinungsportale dulden muss und welche Rechte ihm gegebenenfalls zur Seite stehen.
II. Funktionsweise
Die Nutzung von besagter Portale ist denkbar einfach: Nach einem kurzen Anmeldevorgang unter Angabe und anschließender Verifikation der E-Mail Adresse kann es losgehen. Eine Überprüfung, ob der Angemeldete wirklich Schüler oder Student ist, findet weder a priori oder a posteriori statt[14]. Der erlangte persönliche Login erlaubt die Nutzung des Bewertungssystems, welches sich von Anbieter zu Anbieter nur im Detail unterscheidet: So ermöglich „Spickmich.de“ eine Bewertung in den Kategorien „guter Unterricht“, „cool und witzig“, „fachlich kompetent“, „motiviert“, „faire Noten“, „faire Prüfungen“, „menschlich“, „gut vorbereitet“, „vorbildliches Auftreten“ und „beliebt“[15], wohingegen die Nutzer von „Meinprof.de“ ihre Dozenten in Sachen „Fairness“, „Unterstützung“, „Material“, „Verständlichkeit“, „Spaß“, „Interesse“, „Verhältnis von Note/Aufwand“ und „Weiterempfehlung“ beurteilen. Die zu vergebenden Wertungen folgen dabei einem an Schulnoten angelehnten Punktesystem, welches bei „Spickmich.de“ von der Note 1-6, bei „Meinprof.de“ von 1-5 reicht. Die Durchschnittsnote wird erst ab einer gewissen, aber sehr niedrig und damit nicht sonderlich repräsentativ angesetzten[16] Anzahl abgegebener Wertungen angezeigt. Offensichtlich eindimensionale Wertungen, die ausschließlich aus Einzelbewertungen der Notenstufe 1 oder 6 bestehen, fließen bei „Spickmich.de“ zudem nicht in die Bewertung ein[17]. Auch wird die Zahl der abgegeben Bewertungen angezeigt. Trotz der Registrierung erfolgt die Bewertung jedenfalls nach außen vollkommen anonym. Darüber hinaus ermöglicht ein Freitextfeld Kommentare abzugeben oder Zitate der bewerteten Personen einzustellen.
III. Social Scoring
Die Vorteile von Bewertungen im Internet gegenüber herkömmlichen InhouseEvaluationsverfahren liegen auf der Hand: Der Betroffene kann sich der Bewertung nicht entziehen und die einzelne Meinung bekommt durch das große Publikum und die jederzeitige Abrufbarkeit eine größere Bedeutung die Gefahr, dass das Evaluationsergebnis nach kurzer Zeit wirkungslos im Aktenschrank verschwindet, wird damit verkleinert. Darüber hinaus wird sich der „Prüfling“ aufgrund des weitaus größeren sozialen Drucks, den die Veröffentlichung im Internet mit sich bringt, womöglich eher dazu veranlasst fühlen, das Ergebnis ernst zu nehmen und gegebenenfalls daraus Konsequenzen zu ziehen, was unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssteigerung zumindest bei Schulen und Universitäten, die Teil des öffentlichen Interesses sind zu begrüßen ist.
Nicht verkannt werden darf aber auch, dass gerade diese Faktoren erhebliche Probleme, wie die Gefahr des Missbrauchs der Meinungsmacht etwa in Form des Cyber-Mobbings, heraufbeschwören können. Nicht ganz fernliegend sind daher Befürchtungen, dass die Bewertungsportale lediglich zu einem Ventil für frustrierte Schüler und Studenten avancieren könnten. Zudem besteht ein bedeutsamer wertungsmäßiger Unterschied darin, ob jemand schriftlich und so erkennbar subjektiv seine Meinung über eine Person verfasst oder die Meinung in Form einer Note ausdrückt. Letzteres erweckt bei dem an Testberichte gewöhnten User vielmehr den Eindruck einer objektiven und damit richtigen Aussage, sodass es eher an der gebotenen, kritischen Überprüfung der Aussage fehlen wird[18]. Andererseits liegt eine notenmäßige Evaluation schon deshalb nahe, weil der schulische und universitäre Bereich gerade durch derartige Leistungsnachweise geprägt ist[19]. Problematisch ist insbesondere, dass die erfassten Menschen keine Kontrolle und keine Wahl über ihre Eintragung in den Portalen haben. Auf lange Sicht ist sogar denkbar ob Chance oder Gefahr wird sich zeigen dass sich Social Scoring Plattformen zu einer Art sozialen SCHUFA entwickeln. So könnten sie etwa dahingehend an Bedeutung gewinnen, dass die Evaluationswerte von Arbeitgebern bei der Einstellung berücksichtigt werden. Der Aussagewert ist dabei in doppelter Hinsicht kritisch zu hinterfragen: Einerseits besteht die naheliegende Möglichkeit die Bewertungsfunktion zum Frustabbau oder zur Ausschaltung missliebiger Kollegen zu gebrauchen[20], andererseits sind auch ehrliche Bewertungen problematisch: Dadurch, dass alle Wertungen ohne Zeitablauf in dem Gesamtergebnis berücksichtigt werden, entspricht die Note möglicherweise nicht mehr der gegenwärtigen Realität. Verbessert sich der Bewertete etwa als Reaktion auf die schlechte Benotung, so wird sich dies unter Umständen gar nicht oder nur marginal in dem Ergebnis widerspiegeln. Es bietet sich also an, die Bewertungen nur zeitlich beschränkt zu speichern, um so das Ergebnis aktuell zu halten. Weiter ist zu bedenken, dass das Internet nicht mit dem Campus oder dem Schulhof vergleichbar ist, wo Äußerungen in einem abgegrenzten und überschaubaren Bereich bleiben. Vielmehr werden die Bewertungen aus dem inneruniversitären bzw. -schulischen Bereich herausgetragen und der gesamten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies macht einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium Internet und den persönlichkeitsrelevanten Informationen umso wichtiger, zumal die Scoringportale selbst keine Hobbyprojekte mehr sind, sondern vielleicht auch mit den gespeicherten Daten (Stichwort: Datawarehouse) Gewinne erwirtschaften wollen. Es sind neben den Chancen also immer auch die Gefahren von Scoringund Ratingverfahren zu bedenken[21]. Eine Ausdehnung auf weitere bedeutsame Felder des täglichen Lebens wird nicht lange auf sich warten lassen: Eine Plattform zur Bewertung von Finanzberatern ging kürzlich online[22].
IV. Rechtliche Bewertung
Wie schon ein Blick auf die sehr kontrovers geführte Diskussion, sowie die Gerichtsverfahren rund um das Portal „Spickmich.de“ zeigt, spielt die juristische Bewertung der Meinungsportale eine zentrale Rolle. Daher sollen im Folgenden kurz die rechtlichen Rahmenbedingungen skizziert werden; die Frage, ob durch Bewertungen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts erfolgt, wird wegen ihrer immensen Bedeutung für alle Normen im Anschluss zentral unter Punkt IV. 4. erörtert.
1. Strafrechtliche Bewertung
Oft werden negative Bewertungen von den Betroffenen als beleidigend und bloßstellend empfunden, sodass zunächst ein Blick auf die strafrechtlichen Normen geboten ist.
[...]
[1] Vgl. LG Berlin, MMR 2007, S. 668; OLG Köln, MMR 2008, S. 101.
[2] Social Network für Schüler mit Möglichkeit Lehrer zu bewerten http://www.spickmich.de.
[3] Bewertung von Professoren in Deutschland http://www.meinprof.de.
[4] Die Möglichkeit Arbeitgeber zu bewerten bietet http://www.kununu.com.
[5] Der aktuelle Stand ist direkt auf der Hautseite (http://www.meinprof.de) einsehbar.
[6] OLG Köln, MMR 2008, S. 101.
[7] A. Schilde-Stenzel , „Lehrevaluation“ oder Prangerseiten im Internet: www.meinprof.de Eine datenschutzrechtliche Bewertung, RDV 2006, S. 104 (106).
[8] Vgl. etwa M. Demmer , Wenn Lehrer und Lehrerinnen selbst betroffen sind. Tipps zum Umgang mit InternetMobbing (Cyberbullying), 2007 (abrufbar unter: http://www.gew-hb.de/Binaries/Binary5030/md-pk-tipps.pdf).
[9] Forschungsprojekt der Leuphana Universität Lüneburg im Auftrag der Europäischen Kommission: http://www.uni-lueneburg.de/zag/proj_teachers.html; Abschlussbericht v. 15.03.08 abrufbar unter http://www.leuphana.de/zag/tibs2008.pdf.
[10] Deutscher Philologenverband , Diffamierung von Lehrern im Internet nimmt beängstigende Ausmaße an, Pressemitteilung v. 11.06.2007 (abrufbar unter: http://bildungsklick.de/pm/53485/diffamierung-von-lehrern-iminternet-nimmt-beaengstigende-ausmasse-an).
[11] H. Witteriede, P. Paulus , Teachers in bullying situations (Tibs). Final project report., ZAG Forschungsund Arbeitsberichte des Zentrums für Angewandte Gesundheitswissenschaft Leuphana Universität Lüneburg, 2008, S. 44 (abrufbar unter: http://www.leuphana.de/zag/tibs2008.pdf)
[12] Englischsprachige Social Community für jedermann: http://www.facebook.com.
[13] Deutschsprachige Social Community für Studierende: http://www.studivz.net.
[14] Lediglich die Nutzungsbedingungen verlangen vom Bewertenden im Falle von „Meinprof.de“ Studierender oder Doktorand zu sein.
[15] Bis September 2007 waren noch die Kategorie „sexy“, „gelassen“ und „leichte Prüfungen“ enthalten, wurden nun jedoch (vermutlich wegen heftiger Kritik) ersetzt.
[16] „Spickmich.de“: ab 4 abgegebenen Benotungen (vgl. http://www.spickmich.de/faq/25).
[17] OLG Köln, MMR 2008, S. 101 (102).
[18] Ähnlich G. Dorn , Lehrerbenotung im Internet. Eine kritische Würdigung des Urteils des OLG Köln vom 27.11.2008, DuD 2008, S. 98 (102).
[19] OLG Köln, MMR 2008, S. 101 (103).
[20] So auch Schilde-Stenzel (Fn. 7), RDV 2006, S. 104 (106).
[21] Vgl.: R. B. Abel , Rechtsfragen von Scoring und Rating, RDV 2006, S. 108 (113 ff.).
[22] Fidor AG Gemeinsam mehr Geld! (http://www.fidor.de).
- Arbeit zitieren
- Markus Hecht (Autor:in), 2008, E-Valuation 2.0, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178969
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