Japan weist weltweit gesehen in jeglicher Hinsicht eine krisenresistente externe Demokratieeinbettung auf. Im Vergleich mit hochentwickelten Demokratien ist die ökonomische Einbettung überdurchschnittlich solid, wohingegen bei der Einkommensverteilung, der Zivilgesellschaft und der internationalen Integration Defizite auszumachen sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Externe Einbettung der Demokratie
2.1. Sozioökonomischer Kontext
2.2. Zivilgesellschaft in Japan
2.3. Internationale Integration Japans
3. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das politische System Japans ist eine rechtsstaatliche Demokratie, welcher ein hohes Demokratisierungsniveau attestiert wird. Gemäss einer von The Economist 2010 erhobenen Demokratiebewertung gilt Japan als «volle» Demokratie und erzielte Rang 22 von 167 untersuchten Staaten (Economist Intelligence Unit, 2010, S. 3-8). Bewertungsgrundlage dieses Rankings bildete das Wahlverfahren inklusive Parteien-Pluralität, Bürgerfreiheiten, Funktionstüchtigkeit der Regierung, politische Partizipation und politische Kultur (Economist Intelligence Unit, 2010, S. 29). Bei dieser wie auch anderen Demokratiebewertungen wird lediglich die interne Demokratieeinbettung beleuchtet. Diese Vorgehensweise greift zu kurz.
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bildet deshalb die externe Einbettung der japanischen Demokratie. Entsprechend der Systemtheorie wird die politische Ordnung eines Staates als dynamisches und offenes System begriffen, welches über Schnittstellen Interaktionsbeziehungen zur Umwelt pflegt. Als externe Einbettung umschliesst diese Umwelt die Demokratie in Form von Einbettungsringen, welche das System stabilisieren bzw. destabilisieren und dadurch dessen Qualität verbessert oder verschlechtert (Merkel, 2010, S. 35). Damit wird deutlich, dass die alleinige Berücksichtigung der internen Demokratieprozesse unzureichend ist. Für eine ganzheitliche Sichtweise ist vielmehr ebenso die externe Einbettung zu betrachten. Diese vermag die Demokratie gegen externe wie interne Destabilisierungstendenzen und Schocks zu schützen (Merkel, 2010, S. 30). Neben dieser Schutzwirkung kann eine unvorteilhafte externe Einbettung jedoch auch die Demokratie in ihrer Güte und Existenz gefährden. Ferner ermöglicht die Umweltanalyse künftige Entwicklungen der internen Demokratieprozesse im Keim zu erkennen, da sich Trends in den Umweltsphären oft erst einige Zeit später auf die interne Demokratieeinbettung auswirken. Deshalb ist die Analyse der externen Demokratieeinbettung von elementarer Bedeutung. Ziel dieser Arbeit ist es, die externe Einbettung der japanischen Demokratie zu beleuchten, um damit einen Beitrag zur Schliessung von Lücken in gängigen Demokratiebeurteilungen zu leisten.
Abbildung in dieserLeseprobenichtenthalten Als wichtigste externe Einbettungsringe der Demokratie gelten der sozioökonomische Kontext, die Zivilgesellschaft und die internationale Integration (Merkel, 2010, S. 35-37). Diese drei externen Einbettungsringe werden nachfolgend für den Fall Japan untersucht. Dabei folgt die Gliederung des Hauptteils ebendieser Logik: Zunächst wird der sozioökonomische Kontext Japans untersucht, gefolgt von der Zivilgesellschaft und abgerundet durch die internationale Integration. Gemeinsam bilden diese miteinander interagierenden Sphären die Stützpfeiler der externen Demokratieeinbettung in Japan.
2. Externe Einbettung der Demokratie
2.1. Sozioökonomischer Kontext
Der primäre Gegenstand der Sozioökonomie ist das Studium der menschlichen Gesellschaft, insbesondere der wirtschaftlichen Handlungen der Individuen im Zusammenhang ihres Zusammenlebens (Bachinger & Matis, 2009, S. 14). Die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft ist mit der sozioökonomischen Entwicklung stark positiv korreliert, wobei sich dieser Zusammenhang im Zeitvergleich als ausserordentlich stabil erwiesen hat (Merkel, 2010, S. 35). Dies leuchtet auch intuitiv ein, denn erst das Erlangen der Existenzbedingungen ermöglicht es einem Individuum, sich mit nicht lebensnotwendigen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Insofern weckt erst das Erreichen eines bestimmten Wohlstandsniveaus das nichtexistenzielle Bedürfnis der politischen Partizipation.
Als wichtigstes Mass zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft gilt das Bruttoinlandprodukt [BIP]. Für Vergleichszwecke wird das BIP pro Kopf herangezogen und die Kaufkraft (PPP) berücksichtigt. Japan belegte 2009 mit 32‘608 BIP (PPP) pro Kopf gemessen in internationalen Dollars den 24. Platz von 183 untersuchten Staaten (International Monetary Fund, 2010). Dies bedeutet, dass die japanische Volkswirtschaft im weltweiten Vergleich ausgesprochen kompetitiv ist. Aufgrund der vorhin angesprochenen Korrelation kann für Japan mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ausgereiften Demokratiefähigkeit ausgegangen werden. Dennoch ist dieser statistische Zusammenhang mit Vorsicht zu geniessen. Als Gegenbeispiel wird der asiatische Staat Brunei angeführt. Dieser erzielte 2009 mit 49‘110 BIP (PPP) pro Kopf in internationalen Dollars und Rang 5 ein deutlich höheres Ergebnis als Japan (International Monetary Fund, 2010). Dennoch ist Brunei von einem Sultan autokratisch regiert und als undemokratisch einzustufen (Freedom House, 2010). Auch die Vereinigten Arabischen Emirate [VAE] erzielten 2009 ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als das Land der aufgehenden Sonne (International Monetary Fund, 2010). Freilich wird auch deren Herrschaftssystem als undemokratisch beurteilt (Economist Intelligence Unit, 2010, S. 3-8). Diese Beispiele zeigen auf, dass trotz der hohen Korrelation das Demokratieniveau keineswegs monokausal auf das BIP/Kopf zurückzuführen ist. Eine Schwäche des BIP/Kopf liegt darin, dass damit nichts über die Einkommensverteilung sowie die soziale Gerechtigkeit einer Volkswirtschaft ausgesagt wird. Ein hohes BIP/Kopf kann von erdrückender Armut begleitet sein, wenn das Volkseinkommen grossmehrheitlich auf wenige Superreiche verteilt ist, was häufig in erdölexportierenden Ländern der Fall ist. Wie vorhin aufgezeigt wurde, ist die von einem Individuum wahrgenommene Relevanz des landeseigenen politischen Systems vom subjektiven Wohlstand abhängig. Deshalb ist sehr entscheidend, dass das Einkommen gerecht verteilt ist, was wohl in Brunei und den VAE nicht der Fall ist. Insofern ist davon auszugehen, dass eine multiple Regression, welche neben dem BIP/Kopf zusätzlich die Einkommensungleichverteilung anhand des Gini-Koeffizienten berücksichtigt, eine stärkere Korrelation[1] zum Demokratisierungsniveau zu erzielen vermag.
Die japanische Einkommensverteilung ist im Begriff sich zu ändern. Seit Mitte der 1960er Jahre galt Japan als generelle Mittelstandgesellschaft mit herausragender Gleichheit bezüglich Möglichkeiten und Einkommen, wobei dieses Gesellschaftsmodell in den vergangenen Jahren durch eine gespaltene Gesellschaft ersetzt wurde (Chiavacci, 2008, S. 1; 19-20). Diese Entwicklung lässt sich auch anhand des Gini-Koeffizienten nachvollziehen, welcher sich als statistisches Mass für die Ungleichverteilung der Einkommen etablierte. Dabei gilt, dass ein höherer Index mit einer höheren Ungleichverteilung einhergeht. In Japan stieg der Gini-Index über die Gesamtbevölkerung von Mitte der 1980er Jahre bis 2000 von 31.7% auf 41% (OECD, 2006, S. 99). Bei den Gini-Koeffizienten ist jedoch stets zu berücksichtigen, aufgrund welcher Daten sie berechnet wurden (Gesamteinkommen vs. verfügbares Einkommen, Gesamtbevölkerung vs. Erwerbsbevölkerung, usw.). Je nachdem führt dies zu sehr unterschiedlichen Grössen. Auch ist einzuwenden, dass die Gini-Koeffizienten aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden einem Ländervergleich nicht vollkommen standhalten (World Bank, 2007, S. 69). Dennoch kann in Japan zweifelsfrei der Trend zur akzentuierten Einkommensungleichverteilung festgestellt werden, wobei dieser im OECD-Vergleich überdurchschnittlich stark ausfällt (Ercole, 2006, S. 10). Triebkräfte hinter dieser Entwicklung sind die extraordinäre Alterung der japanischen Gesellschaft (die ältere Bevölkerungsschicht weist ein tieferes Einkommen sowie eine hohe Einkommensungleichverteilung auf), die Veränderung der Haushaltsstrukturen hin zu Zweipersonenhaushalten ohne Kinder sowie doppelverdienenden Eltern, und die aufkommende Dualität der Erwerbsbevölkerung in regulär und nichtregulär[2] Angestellte (Ercole, 2006, S. 6-8). Die hohe nichtreguläre Beschäftigung wird in Japan als Problem gesehen, wobei deren Anteil inzwischen rund 38% ausmacht (Weathers, 2009, S. 143). Hinzu kommt, dass auch die Lohnschere signifikant aufgegangen ist (OECD, 2006). Diese Zahlen sind stets vor dem Hintergrund der japanischen Kultur zu interpretieren, welche stark vom «normativen Anspruch auf Egalität» geprägt ist (Kamppeter, 2004, S. 1-2). Wird die Einkommensungleichverteilung als soziale Ungerechtigkeit wahrgenommen, so kann dies zu gesellschaftlichen Spannungen führen. Insofern schwächt der Anstieg des Gini-Koeffizienten die sozioökonomische Einbettung der japanischen Demokratie, ist für deren Fortbestand im derzeitigen Ausmass aber keineswegs bedrohlich.
[...]
[1] Zusätzlich erhöht werden kann der Korrelationskoeffizient durch die Berücksichtigung des stark negativen Zusammenhangs zwischen Ölreichtum und Demokratie (Economist Intelligence Unit, 2008, S. 2-3), welcher für Japan aber von untergeordneter Bedeutung ist.
[2] Temporär- sowie Teilzeitangestellte
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- Martin Berweger (Autor), 2011, Die Demokratieeinbettung in Japan, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178724
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