Aufgrund von empirischen Untersuchungen der Sozialstruktur der BRD in den achtziger Jahren schuf der Kultursoziologe Gerhard Schulze den Begriff der Erlebnisgesellschaft. Sein Ausgangspunkt war die Orientierung an Konsumchancen und somit die Veränderung der Handlungsmöglichkeiten und hierdurch versucht er die Veränderung der Gesellschaft und die daraus resultierenden neuen sozialen Strukturen zu beschreiben.1
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Weg in die Erlebnisgesellschaft
3. Merkmale der Erlebnisgesellschaft
3.1 Vordringen der Erlebnisrationalität.3-
3.2 Vermehrung der Möglichkeiten
3.3 Ästhetisierung des Alltaglebens
4. Orientierungsschemata im Hinblick auf die Alltagsästhetik
4.1 Hochkulturschema
4.2 Trivialschema
4.3 Spannungsschema
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Aufgrund von empirischen Untersuchungen der Sozialstruktur der BRD in den achtziger Jahren schuf der Kultursoziologe Gerhard Schulze den Begriff der Erlebnisgesellschaft. Sein Ausgangspunkt war die Orientierung an Konsumchancen und somit die Veränderung der Handlungsmöglichkeiten und hierdurch versucht er die Veränderung der Gesellschaft und die daraus resultierenden neuen sozialen Strukturen zu beschreiben.1
2. Der Weg in die Erlebnisgesellschaft
Aufgrund des veränderten Anspruchsniveaus der Gesellschaft, durch den gestiegenen Wohlstands und dem Überangebot an Waren und Dienstleistungen in den letzten Jahrzehnten veränderten sich die Wertvorstellungen und Lebensorientierungen, welche die Basis für ein geändertes Konsumverhalten darstellen. Dies zeigt die Entwicklung von der Restauration der Industriegesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zur Erlebnisgesellschaft von heute. In der Nachkriegszeit kann man von einer Arbeitsgesellschaft sprechen, denn Arbeit war der zentrale Lebensbereich und der Lebenssinn. Somit wird Arbeit zum ethischen und ökonomischen Kapital, dennoch herrscht der Kampf ums Überleben. Die Erlebnisnachfrage in dieser Zeit beschränkt sich auf das Feierabendvergnügen und dieses war leicht zu befriedigen, da die Entbehrungen der Kriegszeit und der Nachkriegszeit immer im Hintergrund vorhanden sind. Somit genügte es, eine Abweichung der Normalität zu schaffen und dies vollzog sich beispielsweise durch einen Kinobesuch oder ein Himbeereis. Das Erlebnisangebot hat also noch eine persönliche Komponente und geringe Konkurrenz.2 Dieser Wandel kann als Befreiung von der Not der Kriegszeit und Nachkriegszeit, die allgegenwärtig war im Bezug auf Krankheit, Tod, Massensterben, Armutskrisen und Bevölkerungswachstum, gesehen werden. Die Gesellschaft befindet sich somit auf dem Weg von der Überlebensorientierung zur Erlebnisorientierung. “Erlebnisorientierung ist also eine Einstellung, die sämtliche Lebensbereiche betrifft und in deren Mittelpunkt und auf abstrakter Ebene ein Wandel vom Gebrauchswert zum Erlebniswert stattfindet.”3 Letztendlich ist das Produkt der postmaterialistischen Erlebnisorientierung, die Erlebnisgesellschaft.4 In der Erlebnisgesellschaft können mehrere Gruppen mit verschiedenen Vorlieben nebeneinander bestehen, ohne sich im Denken aufeinander zu beziehen.
3. Merkmale der Erlebnisgesellschaft
Die gesellschaftliche Situation wird nicht mehr interpretiert im Bezug auf Überangebot und Mangel, sondern die Werte der Selbstentfaltung, des Genießens und des Erlebens nehmen diesen Platz ein. Somit tritt die Lebensgestaltung in den Vordergrund, unabhängig von vorhandenen Problemen. “Erlebnisbedürfnisse strukturieren demzufolge in Abhängigkeit von Lebensalter, Generationslage und Bildung die Gesellschaft in Form sozialer Milieus.”5 Die Erlebnisgesellschaft kann man am Vordringen in die Erlebnisrationalität, der Vermehrung an Erlebnismöglichkeiten und der Ästhetisierung des Alltags erkennen. Alle Merkmale stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander und fügen sich zur Erlebnisgesellschaft zusammen.6 Es vollzieht sich ein Übergang des Individuums von Außen nach Innen, das heißt, das Individuum orientiert sich nicht mehr an er Wirklichkeit sondern an sich selbst.7 Die Aufgabe besteht nun darin, Langeweile zu vermeiden und dies wird versucht zu erlangen, durch ständige Expansion des Erlebnisangebots, welches das Ich benötigt, um zufrieden zu sein.8
3.1 Vordringen der Erlebnisrationalität
Bei dieser Subjektzentrierung vollzieht sich der Wandel des Handlungstyp der Einwirkung, was dem außenorientierten Denken entspricht, zum Handlungstyp des Wählens, welcher innenorientiert ist. Somit entscheidet jeder für sich individuell und dies entspricht der Erlebnisrationalität. So galt das Handeln im Bezug auf das Überleben im außenorientierten Denken als rational. Jedoch im innenorientierten Denken, bei dem alle nötigen Mittel zur freien Verfügung stehen, ändert sich die Rationalität. So ist man durch das Überangebot in der Lage, aus mehreren Möglichkeiten zu wählen und dies geschieht durch die Intensität des Erlebniswerts. “Der Nutzen einer Wahl bestimmt sich durch die innere Wirkung, die diese hervorruft. Die Ziele des Handelns liegen also darin, inneres Erleben des handelnden Subjekts zu evozieren.”9 Somit kann man sagen, dass Erlebnisrationalität die Vorstellungen eines Individuums in sich selbst, festlegt. Hierzu wird die äußere Einwirkung so ausgewählt, damit man eine möglichst befriedigende innere Wirkung erzielt. Dennoch ist hiermit immer noch ein hohes Enttäuschungsrisiko verbunden, denn es gibt keine Garantie, dass die innere Wirkung so ist, wie man sich diese vorgestellt hat.10
3.2 Vermehrung der Möglichkeiten
Durch die extreme Vielfalt und Expansion an Möglichkeiten, ist es schwer den Überblick zu erlangen und zu behalten, da es einen ständigen Wandel und Neuerungen gibt. Diese unübersichtliche Angebotsvielfalt fördert nun die Handlungsform des Wählens. Jeder hat die freie Wahl darin, was er anziehen und essen will oder wo er sich informiert oder welche Kontakte er knüpfen möchte. “Erleben wird vom Nebeneffekt zur Lebensaufgabe”.11 Hierdurch wird aber auch die eigene Identität aufgebaut und gebildet, denn diese freie Wahl, der man sich ununterbrochen stellt und bei der man Entscheidungen fällt bildet die Identität mit aus. Auch die veränderten Lebensbedingungen in Verbindung mit dem Überangebot der Wahlmöglichkeiten führt zu einer Selbstkonstruktion des Individuums, der wie ein Zwang behandelt werden kann, denn man muss sein Leben erleben. Diese Vermehrung der Möglichkeiten ist aber nicht rein auf das Freizeitangebot anzuwenden, auch individuelle, gesellschaftliche und betriebliche Bereiche sind hierbei mit eingeschlossen.12
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1 Junge, Matthias (2009): Kultursoziologie. Konstanz: UVK-Verl.-Ges., S. 85-90
2 Schulze, G. (2005): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Campus, S. 531-553.
3 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 187 Zeile 4-6
4 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 185ff
5 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 188 Zeile 27f
6 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 185ff
7 Junge, Matthias (2009): Kultursoziologie. Konstanz: UVK-Verl.-Ges., S. 85-90
8 Schulze, G. (2005): Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Campus, S. 531-553.
9 Kneer, Georg (1997): Soziologische Gesellschaftsbegriffe. München: Fink, S. 311 Z. 21-23
10 Kneer, Georg (1997): Soziologische Gesellschaftsbegriffe. München: Fink, S. 310ff
11 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 191 Z. 10
12 Jung, Michael (2009): Erlebnisorientierung als Erwerbsorientierung. Hamburg: Kovac, S. 188f
- Quote paper
- Anne Andraschko (Author), 2010, Die Erlebnisgesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178604
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