Preisgekröntes Feature (Schreibwettbewerb der TU Chemnitz und der Stadt Chemnitz) über Kommunikation im öffentlichen Raum.
In optisch ansprechender Form versucht der Autor, die "großen Kommunikatoren" im öffentlichen Raum zu identifizieren- am Beispiel der Stadt Koblenz. Neben zahlreichen Einzeltexten finden sich in dem Feature auch Einzelinterviews, u.a. mit dem Chefredakteur der Rhein- Zeitung, Joachim Türk und der Pressebeauftragten der Bundesgartenschau, Christiane Gandner.
Aus dem Text:
"Der ideale, optische Reiz, oder besser: die ideale persuasive Message muss heute, insbesondere im öffentlichen Raum, nicht nur optisch, sondern auch medial ansprechend sein. Eine heiße Frau, die den Passanten anlächelt, ist klasse, viel besser ist aber eine heiße Frau, die direkt auf den Passanten blickt, ihm zuwinkt, und idealerweise durch vorher ermittelte Paramter auf diesen individuell reagieren kann.
Kommunikation im öffentlichen Raum kann niemals losgelöst von der Form, in die Sie gepresst wird, betrachtet werden.
Das von Habermas entwickelte Diskursprinzip erfährt im öffentlichen Raum den Frontalangriff, weil Kommunikation sich den Umständen, in der Sie sich ereignet, anpasst und anpassen muss. So kann hier von einer idealen, rein vernunftbasierten Gesprächssituation keine Rede sein. Nicht die rationale Aushandlung steht im Vordergrund, sondern zunächst das geistige Überwinden des steten öffentlichen Gesprächspartners, der laut schreit und doch völlig schweigsam ist; Werbung, städtebauliche Insignien, künstliches Licht als Führungsinstrument[1], Verkehrszeichen, aber auch Kunst, wie Graffiti oder Streetart und vieles mehr.
Er hat also Macht, dieser omnipräsente Gesprächspartner, denn Er gibt den ersten Ton an und prägt den ersten Eindruck, die erste Wahrnehmung in Urbania. Er ist Sie, denn Er hat viele Gesichter.
Nehmen wir also Sherlock Holmes-like die Lupe zur Hand und versuchen, die Gesichter, die Interessenten hinter den Bedeutungsgeweben zu finden- die großen Kommunikatoren[2]. Wie nehmen Sie den öffentlichen Raum selbst war? Wie prägen Sie Ihn durch Ihre Produkte?
Allerdings gilt es jedoch zuvor, eine wichtige Aufgabe zu
Grundlage meiner Beobachtungen soll Koblenz am Rhein sein, die Stadt, in der ich momentan lebe. Die Großstadt an Rhein und Mosel ist in vielerlei Hinsicht für meine Beobachtung interessant:
1. Die Stadt befindet sich in einem enormen Veränderungs- und Umbauprozess, der sich aus den Vorbereitungen für die Bundesgartenschau 2011, die dort stattfinden wird, ergibt. Somit werden in diesen Tagen die relevanten Entscheidungen getroffen, die Koblenz neu definieren und gestalten sollen. Diese werden sich zweifelsfrei auf die Bewegung und Kommunikation im öffentlichen Raum der Stadt auswirken.
2. Durch seine zentrale Lage zwischen Hunsrück, Eifel und Westerwald ist Koblenz ein viel besuchter und damit für Werbung besonders relevanter Ort. Da sich der Einzelhandel aber nur auf wenige Punkte innerhalb der Stadt konzentriert, tritt dort Werbung und Ähnliches in besonders geballter und dichter Form auf. Die Auswirkungen eines solchen Phänomens auf die Kommunikation in urbanen Alltag lassen sich hier also gut beobachten.
Wer sich traut, geradeaus zu fahren, findet noch mehr Innenstadt.
WER IST HIER DER BOSS
„ Stell Dir vor, was ich heute in der Rhein-Zeitung gelesen habe." Guten Tag. Wer sind Sie überhaupt ?
Ein Kommunikator, der täglich mithilft, im nördlichen Rheinland-Pfalz Informationen, Meinung und Unterhaltung zu verbreiten - und das in einem gewaltigen Netzwerk von mehr als 650.000 Menschen, den Leser-innen und Lesern der Rhein-Zeitung mit ihren gedruckten und digitalen Angeboten. Mein Name ist Joachim Türk, und ich bin einer der beiden Chefredakteure der RZ.
In der ganzen Stadt findet man überall dort, wo die RZ verkauft wird, die Schlagzeile des Tages auf einem Poster. Dies ist sehr auffällig gestaltet, so dass die großen, schwarzen Buchstaben den Passanten förmlich anspringen. Beobachten Sie, dass dadurch Meinung geprägt wird? Welche Wirkung haben die wenigen Worte, die man auf diesen Plakaten finden kann, sonst noch?
Stimmt: Die RZ meldet sich an vielen Verkaufsstellen zu Wort, und ich bin sicher, dass die besten Schlagzeilen in den aufmerksamen Passanten nachklingen. Aber viel lieber ist mir natürlich, wenn die kurze Nachricht die Leserinnen und Leser neugierig macht und in Sachen Medien? Auf dem regionalen Zeitungsmarkt dürfte die Sache entschieden sein. So schreibt Wikipedia[3]:
„In weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes besitzt die Rhein-Zeitung eine Quasi-
Monopolstellung als regionale Tageszeitung.“
Die Rhein-Zeitung mit etwa 640.000 Lesern in der gesamten Region im letzten Jahr[4], prägt die alltägliche Wahrnehmung der Bürger der Stadt Koblenz wie keine zweite. Sie ist das Medium, in dem die Themen der Stadt besprochen werden. Meinungsvermittelnd und -erlaubend.
Ignoriert man den Umstand, dass die Zeitung somit dem Bürger in der Stadt in variierender Intensität das gedankliche Grundgerüst seiner alltäglichen Betrachtung der Dinge, quasi das informative Gepäck, mit der jener auf die Straße geht, liefert, bleibt die Frage, wie eine solch präsente Zeitung denn im öffentlichen Raum agiert.
Phase 1: Catch 'em by using what you've got
Die Idee ist simpel: platziere eine DIN A4-
Seite mit deiner aktuellen Schlagzeile
irgendwo (aber möglichst gut bemerkbar) in jedem Kiosk, der deine Zeitung verkauft.
[...]
[1] Siehe dazu das Beleuchtungskonzept der Stadt Koblenz: http://www.koblenz.de/wirtschaft_verkehr/eu_projekte_spatial_metro_beleuchtungskonzept.html
[2] Allerdings möchte ich davor warnen, die Funktion einer Person mit ihren menschlichen Qualitäten zu verwechseln. An Pauschalisierung oder binärem „guck, da sind die Bösen" bin ich keineswegs interessiert.
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Rhein-Zeitung
[4] Ebenda
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