[...] Denjenigen, die als Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Suchthilfe tätig sind, ist bewusst,
dass viele ihrer drogenabhängigen Klientinnen Lebensgeschichten aufweisen, in denen
sexualisierte und physische Gewalt, Vernachlässigung sowie besondere Schicksalsschläge
eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Für Frauen, die von einer illegalen Droge wie Heroin
abhängig sind, scheint dies umso mehr zu gelten, da durch den illegalen Substanzkonsum
Kontakte mit dem kriminellen Milieu und der Drogenszene unumgänglich sind und sie der
von dort ausgehenden Gewalt in besonderem Maße exponiert sind. Auch ist bekannt, dass
viele Klientinnen Herkunftsfamilien entstammen, in denen die Eltern selbst substanzabhängig
sind oder unter psychischen Störungen leiden. Im Kontext mit diesen belastenden früheren
und aktuellen Lebensbedingungen wird oft der Begriff der Traumatisierung gebraucht. Ein
Zusammenhang zwischen erfahrener Traumatisierung und der Entwicklung einer Sucht wird
angenommen (vgl. Lüdecke u.a. 2004, S. 376; Petzold u.a. 2007, S. 84). Weniger eindeutig
ist, worin der Zusammenhang zwischen Traumatisierung und Sucht als korrelativer
Erscheinung besteht.
Diese Arbeit geht dem Komplex Sucht und Trauma nach und konzentriert sich dabei auf die
spezifische Situation opioidabhängiger Frauen, die zusätzlich andere Drogen unterschiedlicher Art konsumieren. In diesem Zusammenhang soll im Wesentlichen zwei
Fragen nachgegangen werden: Welche Bedeutung hat Traumatisierung im Leben
drogenabhängiger Frauen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen erlebten Traumata und
Suchtentwicklung? Es stellt sich die Frage der Relevanz dieses Themas für die Soziale Arbeit.
SozialarbeiterInnen in der Suchthilfe arbeiten nicht zwangsläufig aufgrund deren
Traumatisierung mit den betroffenen Frauen – sie sind eben keine TherapeutInnen. Dennoch
kann davon ausgegangen werden, dass es wichtig ist, mit dem Themenfeld Trauma und
Traumatisierung vertraut zu sein und eine mögliche Traumatisierung bei drogenabhängigen
Frauen erkennen zu können. Einerseits, um die eigenen sozialarbeiterischen Interventionen an
die spezifischen Bedürfnisse dieser Frauen anpassen zu können; andererseits, um
möglicherweise psychiatrisch relevante Störungsbilder erkennen und therapeutische Hilfe
vermitteln zu können. SozialarbeiterInnen sind, in den Einrichtungen der Suchthilfe, in denen
sie tätig sind, eher erste Anlaufstelle für drogenabhängige Frauen als TherapeutInnen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1_ Substanzmissbrauch und Substanzabhängigkeit
- 1 _ 1 Definition der Begriffe Missbrauch, Abhängigkeit und Sucht
- 1 _2 Psychotrope Substanzen — Klassifikation und Störungsbilder
- 1 _3 Substanzmissbrauch und Substanzabhängigkeit bei Frauen
- 1 _3 _ 1 Epidemiologie von Missbrauch und Abhängigkeit von illegalen Substanzen bei Frauen
- 1 _3 _2 Zur spezifischen Lebenssituation drogenabhängiger Frauen
- 2. Trauma und Traumatisierung
- 2.1 Definition des Begriffs Trauma
- 2.2 Das traumatische Ereignis
- 2.2.1 Potentiell traumatische Ereignisse
- 2.2.2 Klassifikation traumatischer Ereignisse
- 2.3 Der Verlauf von Traumatisierung
- 2.4 Das Erleben des traumatischen Ereignisses
- 2.5 Folgen der Traumatisierung
- Exkurs: Trauma und Bindung
- 2.6 Posttraumatische Diagnosen
- 2.7 Risiko- und Schutzfaktoren
- 3 _ Traumatisierung drogenabhängiger Frauen
- 3 _ 1 Traumatische Ereignisse in Kindheit und Jugend
- 3 _ 1 _ 1 Vernachlässigung, psychische Misshandlung und körperliche Mi s shandlung
- 3 _1_2 Sexueller Missbrauch
- 32 Traumatische Ereignisse in Jugend und Erwachsenenalter
- 3 _2_2 Beschaffungsprostitution
- 3 _3 Psychiatrische Komorbidität als Folge von Traumatisierung
- 3 _ 1 Traumatische Ereignisse in Kindheit und Jugend
- 4. Erklärungsansätze zum Zusammenhang nvischen Substanzabhängigkeit und Traumatisierung
- 4.1 Vom Trauma zur Sucht — Die Selbstmedikationshypothese
- 4.2 Von der Sucht zum Trauma — Die High-Risk-Hypothese und die Vulnerabi litätshypothese
- 4.3 Traumatisierung und Sucht als reziproker Prozess
- 4.4 Weitere Aspekte möglicher Zusammenhänge
- Suchtmittelkonsum und selbstverletzendes Verhalten
- Exkurs: Traumaz Sucht und Bindung
- Schluss
- Quellenverzeichnis
- Versicherung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Bedeutung von Traumatisierung im Leben von drogenabhängigen Frauen, insbesondere im Zusammenhang mit Opioidabhängigkeit, und beleuchtet die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen erlebten Traumata und Suchtentwicklung besteht. Die Arbeit richtet sich an Fachkräfte der Sozialen Arbeit, die mit drogenabhängigen Frauen arbeiten und ein tieferes Verständnis für die komplexen Zusammenhänge von Trauma und Sucht gewinnen wollen.
- Definitionen von Missbrauch, Abhängigkeit und Sucht
- Traumatische Ereignisse in Kindheit und Erwachsenenalter
- Zusammenhang zwischen Trauma und Bindung
- Posttraumatische Diagnosen und ihre Bedeutung
- Erklärungsansätze zum Zusammenhang zwischen Substanzabhängigkeit und Traumatisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich dem Phänomen der Substanzabhängigkeit und definiert die Begriffe Missbrauch, Abhängigkeit und Sucht. Außerdem werden psychotrope Substanzen klassifiziert und die spezifischen Aspekte von Substanzmissbrauch und -abhängigkeit bei Frauen beleuchtet.
Das zweite Kapitel befasst sich umfassend mit dem Themenkomplex Trauma. Der Begriff Trauma wird definiert, potentiell traumatische Ereignisse werden vorgestellt und Möglichkeiten der Klassifikation traumatischer Ereignisse werden aufgezeigt. Der Verlauf von Traumatisierung, das Erleben des traumatischen Ereignisses und die möglichen Folgen von Traumatisierung werden detailliert beschrieben. Ein Exkurs widmet sich den Auswirkungen von Traumatisierung auf Bindung und Beziehung.
Das dritte Kapitel stellt die hohe Prävalenz traumatischer Erfahrungen bei drogenabhängigen Frauen dar. Es werden mögliche traumatische Erlebnisse in Kindheit und Jugend vorgestellt, insbesondere die Bedeutung spezifischer Felder von Traumatisierung wie Vernachlässigung, psychische Misshandlung, körperliche Misshandlung und sexueller Missbrauch. Im Anschluss werden mögliche Felder von Traumatisierungen im Erwachsenenalter dargestellt, hier insbesondere physische und sexuelle Gewalt sowie traumatische Erlebnisse innerhalb der Betätigung in der Beschaffungsprostitution. Schließlich wird die psychiatrische Komorbidität als Folge von Traumatisierung erläutert.
Das vierte Kapitel beleuchtet die funktionale Relation zwischen Trauma und Sucht. Zwei gängige Erklärungsansätze werden dargestellt: die Selbstmedikationshypothese, die Traumatisierung als zur Sucht hinführend begreift, und die High-Risk-Hypothese sowie die Vulnerabilitätshypothese, die Sucht als erhöhtes Risiko für Traumatisierung sehen. Im Anschluss werden die divergierenden Annahmen zusammengeführt und die Vorstellung von Trauma und Sucht als reziproken Prozess aufgezeigt. Diese These wird mittels eines fiktiven Fallbeispiels illustriert. Zusätzlich werden weitere Aspekte möglicher Zusammenhänge aufgezeigt, so wird die These, Substanzabhängigkeit sei Ausprägung selbstverletzenden Verhaltens, diskutiert. Schließlich wird die Verbindung von Trauma, Bindung und Sucht aufgezeigt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Traumatisierung, Substanzabhängigkeit, Opioidabhängigkeit, Frauen, Beschaffungsprostitution, Selbstmedikation, Posttraumatische Belastungsstörung, Bindung, Reviktimisierung, Retraumatisierung, komorbide Störungsbilder, Doppeldiagnose und Soziale Arbeit.
- Quote paper
- Ulrike Krumbügel (Author), 2009, Zur Bedeutung von Traumatisierung im Leben drogenabhängiger Frauen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178264
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