Die Arbeit stellt das Thema der Prügelstrafe in den juristischen, ideologischen und gesellschaftlichen Kontext der deutschen Kolonialgeschichte.
In ihrer weitgefächerten Anwendung vom ordentlichen Kriminalstrafmittel bis zum informellen Züchtigungs- und Disziplinarmittel bestimmte die Prügelstrafe, insbesondere im Rahmen der Arbeits- und Dienstverhältnisse, wesentlich den Umgang von Kolonisierern mit den Kolonisierten und gehörte damit zum kolonialen Alltag.
Als unabdingbares Erziehungs- und Züchtigungsmittel angesehen, wurde die Prügelstrafe von allen Kolonisierungsvertretern getragen.
Die Prügelstrafe verdeutlichte durch ihre vielseitige und alltägliche Anwendung, ihre körperliche, gegenwärtige Wirkung auf die Kolonisierten die Vorherrschaft der Europäer.
Durch sie kam die rechtliche und ideologische Minderstellung der „Eingeborenen“ zum Ausdruck.
Die Prügelstrafe traf nur diese und zwang die „Eingeborenen“ zur Disziplin gegenüber/beziehungsweise Arbeit für die Europäer.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Begriffsbestimmungen
1. Begriff des „Eingeborenen“
1.1. Bild vom „Eingeborenen“
1.2. Rechtlicher Status des „Eingeborenen“
2. Begriff der Prügelstrafe
III. Anwendungsformen der Prügelstrafe
1. „Formelle“ Anwendung als Sanktionsform im Rahmen der Kolonialjustiz
2. „Informelle“ Anwendung als Züchtigungsmittel im Rahmen des Dienst- und Arbeitsverhältnisses
IV. Funktionen der Prügelstrafe
1. Erziehung und Disziplinierung des „Einge- borenen“ im Rahmen des allgemeinen Umganges zwischen Europäer und „Eingeborenen“
2. Disziplinierung und Züchtigung des „Einge- borenen“ im Rahmen der Arbeitsrekrutierung
3. Sicherung und Erhaltung des kolonialen Herrschaftssystems
V. Resümee
Quellen- und Literaturverzeichnis
Michael Böhm-Udelhoven - Die Prügelstrafe in den deutschen Kolonien Afrikas
I. Einleitung
Zeigt sich die deutsche Kolonialepoche als intensiv erforschtes Wissenschaftsfeld, so hat sich umfassend mit dem Phänomen der Prügelstrafe, neben vereinzelten Abhand- lungen, nur Fritz Ferdinand Müller 1962 beschäftigt. Dies verwundert, da bereits zu deutschen Kolonialzeiten im Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft, der „Zeit- schrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft“ konstatiert wurde:
„ Von dem umfangreichen und vielseitigen Recht unserer deutschen Schutzgebiete ist kein Gegenstand zu so großer, doch unliebsamer Popularität gelangt, [..]als die Prügelstrafe und ihre Anwendung. “ 1
Während diese erniedrigende Bestrafungsform in Deutschland in Folge der politischen Partizipation des Bürgertums im 19. Jahrhundert abgeschafft worden war2, blühte sie als Straf- und Disziplinarmittel in der kolonialen Epoche Deutschlands regelrecht auf. Angewandt wurde sie nach dem damaligen rassistisch, sozialdarwinist isch geprägtem Menschen- und Weltbild gegenüber den in den Kolonien3 angetroffenen, als unkultiviert erachteten „Eingeborenen“. In nahezu allen Kolonien wurde geprügelt, so in Belgisch-Kongo offiziell bis 1959, im Apartheid-System Südafrikas gar bis in die 1970er Jahre.4.
In der hier vorliegenden Hausarbeit beabsichtige ich, den Begriff der Prügelstrafe, ihre rechtliche und ideologische Grundlage sowie ihre Anwendung in den deutschen Kolonien Afrikas darzustellen, ihre unterschiedlichen Formen und Zweckbestim- mungen aufzuzeigen und damit die Funktion und Bedeutung der Prügelstrafe für das koloniale Herrschaftssystem herauszuarbeiten. Ein bedeutender Aspekt stellt hierbei die Betrachtung der exzessiven Anwendung der Prügel im Rahmen der Rekrutierung des „Eingeborenen“ zur Arbeit/beziehungsweise der ökonomischen Ausbeutung der Kolonien dar.
Basierend auf der rechtlichen Ungleichheit von Kolonisierern und Kolonisierten soll anhand der vielseitigen und alltäglichen Anwendung der Prügel der koloniale Herrschaftsanspruch des Europäers verdeutlicht werden.
Diesen komplexen Sachverhalt versuche ich durch unterschiedliche Quellen, von offizieller amtlicher Kolonialliteratur, Darstellungen von verschiedenen Kolonisierungsvertretern (Missionaren, Siedlern/Unternehmern, Militär- und Verwaltungsvertretern), Kritiken von Kolonisierungsgegnern, sowie neueren wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien nachzuzeichnen und zu analysieren.
Im Vordergrund dieser Ausarbeitung steht eine allgemeine, systemische Betrachtung und Diskussion der Anwendung der Prügelstrafe in den deutschen Kolonien Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika in den Jahren von 1884/85 - 1914. Jeweilige Besonderheiten unbeachtet, werden diese Kolonien in Folge ganzheitlich betrachtet.
II. Begriffsbestimmungen
II. 1. Begriff des „Eingeborenen“
Bei der Bevölkerung der deutschen Kolonien in Afrika wurde unterschieden zwi- schen Einwanderern, vordergründig Angehörige europäischer Mächte wie auch An- gehörige asiatischer Handelsvölker5, einerseits und „Eingeborenen“ andererseits, die nach dem Deutschen Koloniallexikon als „ [..] die von den Europäern in fremden Ländern angetroffene Bevölkerung, soweit sie dort heimisch war [..] “ , bezeichnet wurden.6
II. 1.1 Bild vom „Eingeborenen“
Das koloniale Menschenbild vom „Eingeborenen“ war durch das zeitgenössisch ras- sistisch, sozialdarwinistisch geprägte Verständnis von der Überlegenheit des Europä- ers gekennzeichnet. Von den Kolonisierern wurden die „Eingeborenen“ durchgängig als „Kinder“, vereinzelt auch als „Tier“ oder „Untermensch“7 erachtet. Zum Aus- druck kommt das damalige Bild vom Kolonisierten so in einem Gesuch weißer Ein- wohner in Deutsch-Südwestafrika an die Kolonialverwaltung von 1900. Dort heißt es:
„ Unsere Eingeborenen leben seit Urzeiten in Faulheit, Roheit und Stumpfsinn in den Tag hinein; je schmutziger sie sind, desto wohler fühlen sie sich. Für jeden Weißen, der unter Eingeborenen gelebt hat, ist es nicht gut möglich, dieselben als Menschen im europäischen Sinne anzusehen; sie müssen erst mit endloser Geduld, Strenge und Gerechtigkeit im Laufe der Jahrhunderte dazu erzogen werden. [..] bis er in späteren Zeiten einmal mehr Mensch geworden ist. “ 8
Das Bild vom laxem Arbeitseifer oder gar Faulheit des „Eingeborenen“ war insbe- sondere bei den Siedlern und Unternehmern weit verbreitet, was aus deren Sicht auch die exzessive Prügelei bei der Rekrutierung und Aufrechterhaltung der Plantagenar- beit als notwendig erscheinen ließ.9 Man sah in den Kolonisierten geistig und kultu- rell un-, beziehungsweise minderentwickelte Menschen, die es mittels „väterlicher Züchtigung“10 zu erziehen und kultivieren, also den europäischen Wertvorstellungen anzugleichen galt.
Die Kulturdifferenz zwischen „Eingeborenen“ und Europäer stellte das (sendungs)ideologische Grundgerüst des Kolonialismus dar, womit man seitens der europäischen Kolonialmächte die Eingriffe in die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Abläufe der afrikanischen Völker rechtfertigte. Dem Kolonialismus wurde eine Erziehungs- und Zivilisationsaufgabe zugeschrieben. Als eines der Erziehungsmittel wurde die Prügelstrafe angesehen.
II. 1.2 Rechtlicher Status des „Eingeborenen“
Das koloniale Menschenbild vom „Eingeborenen“ fand dementsprechend auch seinen Ausfluß in der damaligen Rechtsetzung.
Gemäß Deutschem Koloniallexikon geht
„ [d]as Schutzgebietgesetz (SchGG) [..] davon aus, daßdie eingeborene Bevölkerung in den Schutzgebieten in Anbetracht ihres geringen Kulturzustandes im allgemeinen noch nicht reif ist, rechtlich mit den Europäern auf eine Stufe gestellt zu werden. [..] Wie § 4 SchGG vorsieht, unterliegen deshalb die Einge- borenen [..] der für die weiße Bevölkerung eingeführ- ten Gerichtsbarkeit [..] nur insoweit, als dies durch Ksl. Verordnung bestimmt wird. “ 11
Das Kolonialrecht war geprägt von der Ungleichheit zwischen den als kultiviert an- gesehenen Weißen und den als unkultiviert erachteten „Eingeborenen“.Letztere un- terstanden nicht dem deutschen Reichsrecht und deren Gerichtsbarkeit12, sondern den Vorschriften des durch das SchGG bevollmächtigten Gouverneurs, der im wesentli- chen den Rechtsstatus der „Eingeborenen“ ungeregelt ließ13 und so faktisch durch Delegation die tatsächliche Verwaltungs- und Rechtsprechungsgewalt dem Ermessen der Bezirks-, Stations- oder Expeditionsleiter überließ. Diese Kolonialbeamte be- stimmten letztlich im Wesentlichen den Rechtsstatus der „Eingeborenen“. Auch die Festsetzung von Strafen erfolgte nach deren persönlichen Rechtsempfinden.14
Den „Eingeborenen“ wurde kein klarer und einforderbarer Rechtsstatus eingeräumt. Diese standen so in Rechtsunsicherheit den einzelnen Kolonisierungsvertretern ge- genüber.
Ausdruck ihrer rechtlichen Minderstellung fand sich auch in der Zulässigkeit von besonderen Strafen gegen „Eingeborene“, wie die der Prügelstrafe. Ausgehend vom kolonialen Menschenbild, wurde die Prügel als Erziehungsmittel für den unzivilisierten „Schwarzen“ erachtet, vergleichbar mit dem als legitim erachteten Prügeln in der heimischen Kindererziehung.
II. 2. Begriff der Prügelstrafe
Die Prügelstrafe wird im Deutschen Koloniallexikon bezeichnet als
„ [..] Form der körperlichen Züchtigung, welche in den afrikanischen Schutzgebieten [...] gegen erwachsene männliche Eingeborenen angewandt wird. “ 15
Die Prügelstrafe fungierte hierbei als Erziehungs-, Straf- , Disziplinar- und Züchtigungsmittel16.
Im Kolonialrecht normiert17, wurde sie im Wesentlichen als (Kriminal)Straf- und Disziplinarstrafmittel von den lokalen Kolonialbehörden gegen „Eingeborene“ an- gewandt. Weitere offizielle Einsatzformen fanden sich als Disziplinarmittel zur Auf- rechterhaltung der Gefängnisdisziplin18 und als Straf- und Züchtigungsmittel gegen farbige Angehörige der Schutztruppe im Rahmen von Disziplinarverfahren19.
Daneben wurde in der Kolonialpraxis der „Eingeborene“ im Rahmen des allgemeinen Dienst- und Arbeitsverhältnis zwecks Züchtigung der Prügelstrafe unterzogen, ohne daß hierfür spezielle gesetzliche Regelungen bestanden.
Geprügelt wurde in Deutsch-Ostafrika/ bzw. Deutsch-Südwest-afrika mit der Nilpferdpeitsche, als „Kiboko“ oder „Schambock“ bezeichnet, in Kamerun und Togo mit dem Tauende.20
Über das Züchtigungsinstrument wurde zwischen den Kolonien untereinander in den Jahren 1903 - 1908 ein heftiger Disput geführt, dessen Schriftwechsel die (bestialischen) Folgen der Prügelstrafe offenlegte.21 So führte die Anwendung mitunter zu erheblichen und langwierigen Verletzungen der Bestraften und in nicht wenigen Fällen, so bei einer Überschreitung der 25 Schläge, zum Tode.
[...]
1 Hermann 1908, S. 72
2 So wurde die Prügelstrafe in Preußen 1848, im Deutschen Reich 1871 offiziell als Strafmittel abgeschafft. Allerdings bestand sie als Züchtigungsform im Zivilrecht gegenüber dem „Gesindel“, bzw. Schülern bis ins 20. Jahrhundert fort. Vgl. Norris 1993, S. 94 f.
3 Zur damaligen Zeit offiziell als „Schutzgebiete“ bezeichnet. Ein Begriff, der im Wesentlichen auf macht- und außenpoliti- sche Erwägungen zurückzuführen war. Aus einer kolonial-historischen Sicht können diese als anderer Kolonialmächten ver- gleichbaren Gebiete angesehen werden, weshalb sie im Folgenden von mir auch als Kolonien bezeichnet werden.
4 Vgl. Paczensky, 1979 S. 229 ff.
5 So beispielsweise vor Ort ansässige Araber und Inder, die als „Halbkultur-Völker“ bezeichnet wurden.
6 Thilenius 1996, S. 507. Wobei „Mischlinge“ in der Regel den „Eingeborenen“ zugerechnet wurden.
7 Vgl. Müller 1962, S. 65. Deutlich kommt das zeitgenössische Menschenbild als Rassenlehre so in dem Aufsatz von Stengel über das Eingeborenenrecht in der Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft von 1910 zum Aus- druck.
8 Gesuch der weißen Einwohner ..., Müller 1962, S. 55 f.
9 Vgl. Sadji 1985, S. 242; vgl. Norris 1993, S. 76 ff.; vgl. Giesebrecht 1898, S. 40
10 Vgl. Müller 1962, S. 65
11 Gerstmeyer 1996 (a), S. 508
12 Eine Verordnung, die diesen der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt hätte, war vom Reich/ Kaiser nie ergangen. Vgl. Naucke 1988, S. 302
13 Vgl. Ausführung vom Sozialdemokraten und Reichtags-Mitglied Gustav Noske, der 1914 das Fehlen von gesetzlichen Regelungen der Rechtsverhältnisse der „Eingeborenen“ beklagt. Vgl. Noske 1914, S. 181 f. . Vgl. Stengel 1910, S. 184.
14 Vgl. Gerstmeyer 1996(a), S. 509.Vergleichbares führt auch Noske an. Vgl. Noske 1914, S. 182.
15 Gerstmeyer 1996(c), S. 111.
16 Vgl. Gerstmeyer 1996(b), S. 366 ff.
17 So in § 2 der Verfügung des Reichskanzlers wegen Ausübung der Strafgerichtsbarkeit und der Disziplinargewalt gegenüber den Eingeborenen in den deutschen Schutzgebieten von Ostafrika, Kamerun und Togo von 1896. Vgl.. Straehler 1996, S. 414 ff..
18 Vgl. Gerstmeyer 1996(b), S. 368.
19 Vgl. Straehler 1996, S. 416. Nach der Kaiserlichen Verordnung betreffend das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärpersonen der Kaiserlichen Schutztruppen von 1909
20 Vgl. Gerstmeyer 1996(c), S. 111.
21. Siehe hierzu Müller 1962, S. 98 ff..
- Citation du texte
- Michael Böhm-Udelhoven (Auteur), 2000, Die Prügelstrafe in den deutschen Kolonien Afrikas , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177931
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