Eleonore von Aquitanien (1122-1204) hat schon die Menschen ihrer Zeit fasziniert, durch ihr Selbstbewusstsein und ihre scheinbar unerschöpfliche Energie aber auch erschreckt und sie zum Gegenstand von allerlei Gerede und Sagen werden lassen.
Sind die zeitgenössischen Quellen auch nicht reichlich vorhanden, so lässt sich sagen, dass die Herzogin-Königin Eleonore schon Thema in der Literatur war, noch bevor sie Gegenstand eines wirklichen wissenschaftlichen Diskurses wurde.
Die Arbeit schildert sowohl das Leben der Herzogin-Königin-Eleonore, geht aber auch und besonders auf das Eleonore-Bild ein, welches über die Jahrhunderte von ihr entwickelt wurde.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
I. Die Biografie der Eleonore von Aquitanien
I.1: Jugend und familiärer Hintergrund
I.2: Königin von Frankreich (1137-1152)
I.2.1: Eleonore und der französische Hof
I.2.2: Kreuzzug, Scheidung und erneute Heirat (1145-1152)
I.3: Königin von England (1154-1189)
I.3.1: Erfolgreiche Jahre (1154-1164)
I.3.2: Krisen und Gefangenschaft (1164-1189)
I.3.3: Die Königinmutter (1189-1204)
II. Eleonore von Aquitanien im Spiegel der Forschung
II.1: Die Eleonore-Forschung bis in die Gegenwart
II.1.1: Eleonore bei den Chronisten und in den Sagen
II.1.2: Eleonore und ihr Bild in der Historiografie
II.1.3: Eleonore und ihre populärwissenschaftliche Behandlung
II.2: Die Strömungen in der Eleonore-Forschung
II.2.1: Das romantische Eleonore-Bild: Régine Pernoud (1966)
II.2.2: Die problemorientierte Eleonore-Forschung: Jean Markale (1980)
II.2.3: Das sachliche Eleonore-Bild: Ursula Vones-Liebenstein (2000)
III. Zusammenfassung
IV. Anhang
V. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Eleonore von Aquitanien1 (1122-1204) hat schon die Menschen ihrer Zeit fasziniert, durch ihr Selbstbewusstsein und ihre scheinbar unerschöpfliche Energie aber auch erschreckt und sie zum Gegenstand von allerlei Gerede und Sagen werden lassen. Sind die zeitgenössischen Quellen auch nicht reichlich vorhanden, so lässt sich sagen, dass die Herzogin-Königin Eleonore schon Thema in der Literatur war, noch bevor sie Gegenstand eines wirklichen wissenschaftlichen Diskurses wurde.
Die vorliegende Magisterarbeit beschäftigt sich eben mit diesem Thema: Eleonore von Aquitanien in der Forschung. Wie so oft bei Persönlichkeiten der Geschichte, so gibt es auch bei Eleonore verschiedene Sichtweisen, die, auch dies ist ein typisches Phänomen der Forschung, oft vor dem zeitgenössischen Hintergrund zu sehen sind, vor dem der jeweilige Autor schrieb.
Die Arbeit ist zweigeteilt: Im ersten Teil wird das Leben der Eleonore von Aquitanien vorgestellt. Immerhin war sie Herzogin von Aquitanien und nacheinander Königin von Frankreich und England und gebar in einem Zeitraum von 22 Jahren zehn Kinder; sie ging auf einen Kreuzzug und bewahrte ihrem Lieblingssohn Richard Löwenherz die englische Krone.
Im zweiten Teil soll dann der Stand der Forschung zu Eleonore von Aquitanien dargelegt werden. Neben den generellen Entwicklungen sollen drei Werke über die Herzogin-Königin besonders beachtet werden, die auch im ersten Teil eine Rolle spielen: Zum einen das Buch von Régine Pernoud: Eleonore von Aquitanien. Königin der Troubadoure (Düsseldorf und Köln 1966), zum zweiten das Werk von Jean Markale: Eleonore von Aquitanien (Freiburg im Breisgau 1980) und zuletzt Ursula Vones-Liebenstein: Eleonore von Aquitanien. Herrscherin zwischen zwei Reichen (Göttingen und Zürich 2000). Diese Bücher wurden ausgewählt, da sie zum einen die Eleonore-Forschung bis heute sehr prägen und weil sie darüber hinaus verschiedene Richtungen der Forschung repräsentieren. Während die französische Mediävistin Régine Pernoud (1909-1998) ein überaus romantisches Eleonore-Bild zeichnet und Konstantin Noack: Eleonore von Aquitanien (1122-1204) im Spiegel der Forschung der Protagonistin alles Positive zutraut und ihrem Leben geradezu romanhafte Züge gibt, bemüht sich die seit 2006 in Frankfurt am Main lehrende Wissenschaftlerin Ursula Vones-Lieben-stein (* 1947) um eine sachliche, fast nüchterne Annäherung an das Thema. Jean Markale (1928-2008) hingegen sieht in seiner Arbeit die Sagengestalt Eleonore im Mittelpunkt, während er der Biografie der „wahren“ Herzogin-Königin nur einen geringen Raum einräumt. Des Weiteren ist für ihn die Frage der Scheidung Eleonores von Ludwig VII. von Wichtigkeit. Insgesamt betreibt er also Detailforschung. Es kann bei der Vorstellung der Werke nicht darum gehen, jedes Buch in Gänze zu analysieren, denn das würde den Rahmen dieser Arbeit unweigerlich sprengen. Viel mehr sollen vor allem folgende Fragen beantwortet werden: Wie schätzen die Forscher den Einfluss ein, den Eleonore als französische Königin auf die Politik hatte? Wie verhält es sich mit der eben angesprochenen Scheidung? War Eleonore die Königin der Troubadoure oder war sie es nicht?
Grundlagen der vorliegenden Arbeit sind neben den bereits genannten Werken vor allem die Arbeit Zehn Kapitel zur Geschichte der Eleonore von Aquitanien von Daniela Laube (Bern 1984), die Eleonore-Biografie von Marion Meade (New York 1977), weitere Arbeiten von Régine Pernoud, so Der Abenteurer auf dem Thron. Richard Löwenherz König von England (München 1996), und verschiedene Artikel und Aufsätze anderer namhafter Forscher. In ihnen finden sich zum Großteil auch die Primärquellen, die mehr oder weniger ausführlich über Eleonore berichten, so z. B. die Chroniken eines Richard von Devizes, Johannes von Salisbury oder Wilhelm von Newburgh.
Um die nicht immer ganz einfachen Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse Eleonores zu erhellen, sind der Arbeit in einem Anhang Stammtafeln beigegeben.
I. Die Biografie der Eleonore von Aquitanien
I.1: Jugend und famili ä rer Hintergrund
Wann Eleonore von Aquitanien zur Welt kam, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Heutige Forscher favorisieren in der Mehrheit das Jahr 1122. Edith Ennen hält sogar das Jahr 1123/24 für möglich, wenn sie schreibt, Eleonore sei 1137 „13- 15jährig mit Ludwig VII., der 16 Jahre alt war, verheiratet“2 worden. Als Geburtsort kommen entweder der Herzogspalast in Poitiers oder die Stadt Bordeaux in Frage. Régine Pernoud nennt in ihrer Eleonore-Biografie sogar den genauen Geburtsort: das Schloss Belin bei Bordeaux.3 Ihr Großvater Wilhelm IX., der Junge (1086- 1126/27) ein, wie noch zu zeigen sein wird, erstaunlicher Mann, war zum Zeitpunkt von Eleonores Geburt regierender Herzog in Aquitanien, womit „ursprünglich alles Land südlich der Loire“4 gemeint war. Aquitanien war somit das größte und auch reichste Territorium Frankreichs. Jedoch ging später die reiche Grafschaft Toulouse verloren - ein Umstand, den auch Eleonore vergeblich zu korrigieren suchte. Ihr Vater, ebenfalls Wilhelm geheißen, war Herzog im Wartestand und erbte die Herzogswürde 1126 oder 1127.5 Ihre Mutter hieß ebenfalls Eleonore. Sie stammte aus der Familie der Chattelerault, die in der heutigen Region Poitou-Charentes beheimatet war. Über sie ist nichts überliefert, und sie starb als Eleonore etwa acht Jahre alt war.
Nicht nur Eleonore ist und war bemerkenswert, sondern auch die Familie, aus der sie stammt. Einer ihrer Vorfahren, Herzog Wilhelm I., der Fromme (909-918), gründete um das Jahr 909 das Kloster Cluny, jenes Kloster, von dem im elften Jahrhundert die berühmte Klosterreform ausging, die Auswirkungen auf das gesamte geistliche Leben im Mittelalter hatte. Die Reform hatte zum Ziel, „die strenge Beachtung der Regula Benedicti, wie sie von Benedikt von Aniane interpretiert worden war, durchzusetzen und dem Verfall klösterlicher Sitten“6 entgegenzuwirken. Seine Nachfolger, alle Wilhelm geheißen, behaupteten die weitgehende Unabhängigkeit Konstantin Noack: Eleonore von Aquitanien (1122-1204) im Spiegel der Forschung ihres Herzogtums, auch gegenüber dem französischen König, dessen Stellung als Oberhaupt des Königreiches sie jedoch immer trotz aller Reibereien akzeptierten. Eleonores Großvater, Wilhelm IX., der Junge, sorgte in seiner Zeit für großes Aufsehen. Er begnügte sich nicht damit, nur sein Herzogtum zu regieren. Der Hauptgrund, warum er der Geschichte verblieben ist, liegt darin, dass er meist sehr sinnesfrohe Lieder schrieb, die sogar seinen eigenen Klerus gegen ihn aufbrachten, der in den Dichtungen des Herzogs die reine Pornografie verkörpert sah. Im Allgemeinen wird Wilhelm IX. als erster Troubadour der Geschichte angesehen, jedoch muss man mit Joachim Bumke die Einschränkung machen: „Wilhelm IX. […] war der erste Trobador, dessen Lieder erhalten sind.“7 Es ist also nicht geklärt, ob es die Troubadoure nicht schon vor Wilhelm gab.
Auch das Privatleben von Eleonores Großvater verlief alles andere als ruhig. Um 1089 heiratete der 18jährige Irmgard von Anjou, die er allerdings schon 1092 wieder verstieß. Um 1094 schloss er seine zweite Ehe mit Philippa Mathilde von Toulouse, immerhin mögliche Erbin der Grafschaft gleichen Namens. Diese Ehe verlief nicht weniger turbulent und führte zu privaten und politischen Schwierigkeiten, die so weit gingen, dass Wilhelm IX. zweimal Toulouse besetzte (1098 und 1113), um den Anspruch seiner Frau auf die Grafschaft zu unterstreichen. Um 1119 klagte Herzogin Philippa Mathilde ihren Mann auf dem Konzil von Reims des Ehebruchs an. Als Sühne u]nternahm Wilhelm wohl einen Zug nach Spanien. Nach einem bewegten Leben starb Wilhelm IX. 1126 bei der Belagerung der Burg Blaye im Aquitanischen. Sein Sohn Wilhelm X. ( 1126/27-1137, geboren um 1099), Eleonores Vater, war nicht weniger kampfesmutig. Er zog gegen König Ludwig VI., den Dicken (1108-1137), von Frankreich ins Feld, als dieser einen Lehnsmann des Herzogs, den Grafen der Auvergne, wegen Kirchenraubs bestrafen wollte. Kirchenpolitisch verfuhr der Herzog ohnehin sehr eigenwillig. So stellte er sich im Kirchenschisma von 1130 auf die Seite des Gegenpapstes Anaklet (1130-1138), der Innozenz II. (1130-1143) die Rechte auf die Papstwürde bestritt. 1137 ging Wilhelm auf eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela, auf der er den Tod fand. Er hinterließ keinen männlichen Erben, da sein Sohn Wilhelm schon gestorben war.
Die Herzogswürde ging als Folge von Wilhelms Tod an seine Schwester Eleonore. Über ihre Erziehung, Kinder- und Jugendjahre in Aquitanien ist nicht viel bekannt. Es lässt sich jedoch vermuten, dass sie die für eine Adlige übliche Erziehung und Konstantin Noack: Eleonore von Aquitanien (1122-1204) im Spiegel der Forschung Bildung erhielt. Eines lässt sich zudem festhalten: „Da sie des Lesens und Schreibens kundig und mit der lateinischen Sprache vertraut war, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie einige Jahre in der Obhut ihrer Tante, der Äbtissin Agnes von Notre-Dame de Saintes, verbrachte.“8
Seit 1137 waren Eleonore und ihre jüngere Schwester Petronella ohne Eltern. Doch bevor ihr Vater zu seiner Pilgerreise aufgebrochen war, hatte er es noch vermocht, sein Erbe zu ordnen. Das war insofern nötig, als dass sein jüngerer Bruder Raimund seit einigen Jahren im Heiligen Land weilte und 1136 die Erbin des Fürstentums Antiochia geheiratet hatte. Deshalb war klar, dass er weder als Herzog von Aquitanien noch als Vormund für seine Nichten in Frage kam. Doch Wilhelm X. fand eine Lösung:
„Dass er, durch mündlichen Vertrag, den König von Frankreich zum Vormund seiner Tochter und Erbin Eleonore einsetzte und ihm die Sorge für die Vermählung sowie in der Zwischenzeit die Regierung seines Landes übertrug, war die wichtigste Tat seines Lebens.“9
In der Tat war dieser mündliche Vertrag ein unverhoffter Glücksfall für König Ludwig VI. von Frankreich und das französische Königtum, eröffnete sich den Kapetingern10 durch ihn doch die Möglichkeit, den bisher auf die Île-de-France beschränkten königlichen Einfluss nach Südfrankreich auszudehnen. Ludwig VI. ergriff ferner die Gelegenheit und verheiratete die junge Herzogin mit seinem Sohn und Mitkönig Ludwig, der ihm noch 1137 auf dem Thron folgte. Den zeitgenössischen Chronisten war die Tragweite der Hochzeit, die am 25. Juli 1137 in der Kathedrale Saint-André in Bordeaux stattfand, durchaus bewusst. Überschwänglich wurde die „Vermählung der ,Lilie’ mit dem ,Ölzweig’, [die] Verbindung des nördlichen Frankreich mit dem südlichen Aquitanien“11 begrüßt und gefeiert.
Am 1. August 1137 starb König Ludwig VI. an einer bösartigen Ruhr, während sich Ludwig, nun Ludwig VII., und Eleonore noch auf ihrer Rundreise nach der Hochzeit befanden.
I.2: Königin von Frankreich (1137-1152)
I.2.1: Eleonore und der französische Hof
Eleonore scheint keine Schwierigkeiten gehabt zu haben, sich am französischen Hof in Paris einzuleben, obgleich in der Forschung verschiedene Sichtweisen darüber existieren, wie die Stadt, die erst unter Philipp II. Augustus (1180-1223) und danach zur festen Hauptstadt Frankreichs wurde, auf die Königin gewirkt haben könnte. Während Vones-Liebenstein festhält: „Als sich die junge Königin […] Paris näherte, bot sich ihr ein reizvoller Anblick“12, beschreibt Friedrich Heer Eleonores Eindruck, ganz im Gestus der romantischen Eleonore-Forschung, ganz anders:
„Die junge, lebenshungrige Fürstin aus dem Süden kommt 1137 in ein Paris, das altfränkisch, primitiv, barbarisch ist, verglichen mit der reichen, luxuriösen Welt der Städte Aquitaniens. In diesem verfallenen, noch halb merowingischen Paris haust […] der König in einem düsteren Palastturm […]“.13
Dass Eleonore dem Hofleben neue Impulse gab, scheint hingegen festzustehen, vor allem, wenn man bedenkt, dass es bald schon Beschwerden über die Königin gab, die unter anderem eine neue Kleidermode einführte, die manchem als zu gewagt erschien. Aber auch in diesem Punkt scheint Vorsicht geboten, denn einer der prominentesten Beschwerdeführer war der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux. Dieser war bekannt dafür, dass er jeglichen Luxus ablehnte. So ist es kein Wunder, wenn er in Bezug auf das Leben und die Mode am Hof in Paris missbilligend feststellt:
„Du siehst Frauen, die mit Gold, Silber, Edelsteinen und schließlich mit jedem königlichen Putz nicht so sehr geschmückt als beladen sind. Du siehst, wie sie lange, sehr kostbare Schleppen hinter sich herziehen, die dichte Staubwolken in der Luft aufwirbeln […]“.14
Bernhard, ein beredter Moralist seiner Zeit, beobachtete als Ratgeber Ludwigs VII. das Leben am Hof sehr genau, und zwischen ihm und Königin Eleonore entwickelte sich mit der Zeit eine tiefe und beidseitige Abneigung. Für Bernhard entpuppte sich Eleonore im Laufe der Jahr als „ein dämonisches Zauberweib [und] zutiefst unfruchtbar“15, da sie während der Ehe mit Ludwig „nur“ zwei Töchtern, nicht aber einem erhofften Thronfolger, das Leben schenkte. Die Königin wiederum sah mit Argwohn, wie groß der Einfluss von Männern der Kirche wie Bernhard auf den jungen König war, dessen Frömmigkeit selbst die Mönche von St. Denis überraschte. Ludwig VII. war ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt gewesen, wurde aber aus dem Kloster zurück gerufen, nachdem sein älterer Bruder Philipp bei einem Reitunfall in den Straßen von Paris ums Leben gekommen war. Er verließ den Frieden des Klosters nur ungern. Denn: „[Ludwig] hatte nur den einzigen Wunsch, eines Tages seine Stimme zwischen denen der Mönche zu hören; denn zum Herrscher fühlte er sich nicht berufen.“16 Aus dieser Tatsache darf freilich nicht der Schluss gezogen werden, am Hofe Ludwigs VII. wäre es eintönig zugegangen. Ursula Vones-Liebenstein zeigt zu Recht auf, dass der Hof Ludwigs, vor allem in späteren Zeiten, mindestens so glänzend war wie der seines Konkurrenten Heinrich II. von England und dass der französische König noch vor Heinrich und nach Kaiser Friedrich I. Barbarossa als großer Förderer der Dichtkunst galt!17
Ein weiterer Gegner am französischen Hof erwuchs Eleonore in ihrer Schwiegermutter Adelheid von Savoyen. Diese konnte sich nur schwer damit abfinden, dass Eleonore ihren, Adelheids, Platz als erste Dame des Landes an der Seite Ludwigs VII. einnahm. Als klar wurde, dass Adelheid am Hof nicht mehr das Sagen hatte, zog sie sich gekränkt auf ihr Witwengut bei Compiègne zurück, um später noch einmal zu heiraten.
Inwieweit Eleonore in ihrer Zeit als Königin von Frankreich politischen Einfluss ausgeübt hat, ist in der Forschung umstritten. Stand sie wirklich hinter der Niederschlagung eines kommunalen Aufstandes 1138 oder hinter den Ereignissen von Vitry (1143), als Ludwigs Mannen während eines Feldzuges eine Kirche in Brand setzten, in der über 1000 Menschen ums Leben kamen? Darauf wird im zweiten großen Teil der Arbeit näher einzugehen sein.
I.2.2: Kreuzzug, Scheidung und erneute Heirat (1145-1152)
In der Weihnachtszeit des Jahres 1144 erreichte den Okzident die Nachricht, dass Zengi, der Herrscher von Mosul und Aleppo, Edessa erobert habe, die älteste der Kreuzfahrerherrschaften im Heiligen Land. Papst Eugen III. reagierte, indem er am 1. Dezember 1145 die Bulle Quantum praedecessores erließ. Er wandte sich mit seiner Bulle direkt an den französischen König und seinen Adel. Dass er dies tat, war nur folgerichtig, denn Frankreich galt erstens seit jeher als älteste Tochter der römischen Kirche, und der französische König führte den Ehrentitel des rex christianissimus.18 Dahinter verbarg sich zwar kein offiziell vom Papst verliehener Titel, doch war er ein Faktum, ein ungeschriebenes Gesetz, das auch der Papst wiederholt anerkannt hat. Frankreich erwies sich schon sehr früh als Stütze und Beschützer des Papsttums, und mehr als einmal gewährte der französische Herrscher dem Kirchenoberhaupt Asyl, wenn es im Kirchenstaat für den Pontifex zu unsicher wurde. Im Gegenzug konnte der König auf die Unterstützung der Kirche bauen, wenn es darum ging, seinen zunächst nur schmalen Einflussbereich im eigenen Königreich immer weiter auszudehnen. Natürlich bedeutete die Sonderstellung Frankreichs nicht automatisch, dass das Verhältnis zwischen Paris und dem Heiligen Stuhl immer spannungsfrei war. Zweitens waren aber schon die Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges vorwiegend Franzosen gewesen, deren Nachkommen jetzt im Heiligen Land lebten.
Das Echo auf die Bulle Eugens III. in Frankreich blieb zunächst sehr zurückhaltend. Die Kreuzzugsbewegung im Abendland hatte seit der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 erheblich an Dynamik und Attraktivität eingebüßt. Man begnügte sich zunehmend damit, dem Heiligen Land „gelegentliche Hilfeleistungen“19 zukommen zu lassen. Es waren meist jüngere Adelssöhne, die nach dem Outremer 20 gingen, da sie in der Heimat kein Erbe zu erwarten hatten. Erst als sich Bernhard von Clairvaux, beauftragt von Papst Eugen, in die Werbung für den Kreuzzug einschaltete, sprang der Funken über. Auf einem Hoftag zu Weihnachten 1145 in Bourges teilte der König der Versammlung mit, ins Heilige Land gehen zu wollen. Es dauerte dann allerdings noch bis Frühjahr 1146, bis Ludwig in Vézelay das Kreuz tatsächlich nehmen konnte, nachdem Bernhard dort gepredigt hatte. Und mit Ludwig nahm auch Eleonore das Kreuz.
Dass eine Königin das Kreuz nahm, überrascht die Forschung heute kaum noch. Schließlich wies schon Régine Pernoud darauf hin, dass auch die Führer des Ersten Kreuzzuges, wie Gottfried von Bouillon, ihre Gattinnen mit auf ihre Pilgerreise genommen hatten.21 Die Entscheidung Ludwigs jedoch stieß bei den Anwesenden durchaus auf Erstaunen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es unüblich, dass ein gekrönter und gesalbter Herrscher für solch eine lange und gefahrvolle Reise sein Reich verließ. Am Ersten Kreuzzug war zwar der französische Adel, nicht aber der französische König beteiligt gewesen. Ein abwesender König konnte nie sicher sein, dass im Land in der Zwischenzeit nicht Aufstände des Adels ausbrachen, die seine Herrschaft bedrohten.
Ludwig VII. hatte jedoch gute Gründe für seine Entscheidung. Erstens wollte er die Gelegenheit nutzen und das Kreuzzugsgelübde erfüllen, das einst sein tödlich verunglückter Bruder Philipp abgelegt hatte. Zweitens plagte den frommen König das schlechte Gewissen wegen der Ereignisse in Vitry, sodass er das Verlangen hatte, sich von diesem Verbrechen rein zu waschen. So begann das Kreuzzugsunternehmen des französischen Königspaares, und ohne es zu wissen, hat Ludwig 1147 eine Tradition der französischen Könige begründet: Kein anderer Herrscher Europas ging öfter auf einen Kreuzzug als der rex christianissimus. Ludwigs Ur-Enkel Ludwig IX., der Heilige (1226-1270) ging alleine zweimal.
Zwischen dem 16. und 18. Februar 1147 traf das Königspaar in Etampes mit denjenigen zusammen, die es auf dem Kreuzzug begleiten wollten. Gemeinsam beriet man die Route ins Heilige Land und „verlas Briefe von den Fürsten der Länder, durch die man ziehen wollte.“22 Zur Wahl standen zwei Wege: Entweder der Weg über Land, durch Mitteleuropa und das Byzantinische Reich, oder zu Wasser unter dem Schutz des Königs Roger II. von Sizilien. Ludwig VII. entschied sich schließlich für den beschwerlicheren Landweg und nahm damit mögliche Irritationen mit Roger II. in Kauf, dem als gebürtigem Normannen besonders daran gelegen war, die Franzosen zu empfangen; zudem befand er sich mit dem byzantinischen Basileus im Kriegszustand. Doch Ludwig traute Roger nicht wirklich, denn: „Roger war Normanne, und in der damaligen Zeit nimmt niemand das Wort ,Normanne’ in den Mund, ohne ihm nicht sofort das Epitheton ,hinterlistig’ beizufügen.“23 Hinzu kam, dass der Papst die gerade sich als freundlich gestaltenden Beziehungen zwischen Lateinern und Byzantinern nicht gefährden wollte, denn er „hatte ja die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dereinst die griechische Kirche wieder mit der römischen vereint zu sehen.“24 So nimmt es nicht wunder, wenn auf der Versammlung von Etampes sowohl der rex christianissimus als auch die anwesenden Vertreter des französischen Klerus dem Wunsch des Papstes entsprachen.
Königin Eleonore beteiligte sich von Beginn an aktiv an den Vorbereitungen des Kreuzzuges. Sie selbst übernahm es, eine „Propagandafahrt“25 durch ihre Länder zu veranstalten, auf der sie für den bevorstehenden Zug warb, Finanzmittel akquirierte und auch Schenkungen an Klöster, und hier besonders ihr Lieblingskloster Fontevrault, machte. In der Forschung wird zu Recht die These vertreten, dass ohne Eleonores Zutun längst nicht so viele Ritter aus Aquitanien am Zug teilgenommen hätten wie es am Ende der Fall war.26 Die aquitanischen Edlen waren sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht und folgten ihrer eigenen Herzogin bereitwilliger als dem französischen König, der in ihren Augen nur wenig Autorität besaß.
Das Kreuzzugsheer Ludwigs VII. sammelte sich in Metz und zog von dort aus durch Mitteleuropa und Ungarn nach Konstantinopel. Von Beginn an gab es Probleme. Dies lag daran, dass vor den Franzosen schon die Deutschen durch dasselbe Gebiet gezogen waren und alle Märkte leer gekauft hatten. Denn auch König Konrad III. (1138-1152) hatte sich entschlossen, am Kreuzzug teilzunehmen. Schon sehr bald sah sich Ludwig gezwungen, Botschaften nach Hause zu schicken, weil das Geld ausgegangen war. Alles in Allem benötigten Ludwig und sein Heer in etwa fünf Monate, bis sie am Bosporus ankamen. Am 4. Oktober 1147 zog man in Konstantinopel ein.
Konstantinopel galt als eine der prächtigsten Städte der damaligen Zeit. Kaiser Manuel I. Komnenos (1143-1180) empfing die Gäste aus dem Okzident freundlich und wies ihnen prächtige Räume zu. In den nächsten Wochen ihres Aufenthalts wurden Ludwig und Eleonore mit einer langen Reihe von Festen und Empfängen unterhalten. Der König von Frankreich ließ sich durch den Glanz und die Einschmeichelungen der Byzantiner nicht täuschen; er blieb misstrauisch. Und tatsächlich spielte Kaiser Manuel ein falsches Spiel: Während er seine Gäste umgarnte, verhandelte er gleichzeitig mit den Türken, also eben jener Gruppe, die zu den Gegnern der Kreuzfahrer gehörte und die schon das Heer König Konrads III.
aufgerieben hatte, sodass dieser mit den traurigen Resten seiner Truppe umkehren musste. Auch gestaltete sich das Zusammenleben zwischen den Byzantinern und ihren Gästen oftmals als sehr schwierig. Letztere empfanden zum Beispiel die Preise auf den Märkten in Konstantinopel als zu überteuert und fühlten sich schlicht ausgenommen. Hinzu kam, dass sich der fromme und sittenstrenge König Ludwig VII. sehr bald von der Pracht und dem Pomp, der in Konstantinopel herrschte, überfordert fühlte. Die byzantinische Hofetikette blieb ihm ein Rätsel, kurz: „All das regte diesen schlichten Ludwig auf, der es für seine Pflicht hielt, so einfach wie möglich zu leben.“27 So wundert es nicht, dass Ludwig sehr bald zum Aufbruch drängte.
Auch auf dem Weitermarsch ließ der König Vorsicht walten. Doch dies konnte die Katastrophe vom Epiphaniastag 1148 nicht verhindern. Bei den Schluchten von Pisidie, unweit des Bergs Cadmos, geriet man ins Hintertreffen, weil einer der beiden Führer der Vorhut, Gottfried von Rancon, sich allzu waghalsig vom Heer entfernte und so einen Angriff der Türken provozierte. König Ludwig VII. sammelte sowohl all seinen Mut als auch seine Truppen und schlug die Angreifer unter nicht unerheblichen Verlusten zurück. Wo sich Eleonore zu diesem Zeitpunk befand, ist nicht mehr ersichtlich. Klar ist nur, dass die Königin nach den Ereignissen am Berg Cadmos im Heer keinen besonders guten Ruf mehr hatte, da Gottfried von Rancon zu ihren Leuten aus Aquitanien gehörte.
Wenige Tage später schiffte sich Ludwig auf byzantinischen Schiffen ein, um mit dem Großteil seines Heeres zunächst nach Syrien und dann weiter nach Antiochia zu segeln, wo er in Begleitung von Eleonore am 18. März 1148 eintraf. Hier in Antiochia, wo man sich endlich auf dem Territorium von Freunden befand, sollte, in der Rückschau betrachtet, nicht nur der Kreuzzug eine unrühmliche Wendung nehmen, sondern auch die Ehe zwischen Ludwig VII. und Eleonore einen unheilbaren Bruch erleiden. Dies lag zum einen daran, dass Eleonore in Antiochia auf ihren Onkel Raimund traf, der hier als Fürst residierte. So blieb es nicht aus, dass alsbald Gerüchte aufkamen, die Königin von Frankreich und den Fürsten würden mehr als nur verwandtschaftliche Beziehungen miteinander verbinden. Der Umstand, dass beide „viel Zeit in vertrauten Gesprächen“28 verbrachten, reichte jedenfalls aus, die Gerüchteküche zum Kochen zu bringen. Die Situation wurde durch den Eunuchen Thierry Galeran verschlimmert, der dem König eingab, Antiochia schnellst möglich zu verlassen, da sonst zwischen Eleonore und Raimund mehr passieren könne, wisse man doch, dass „Schuld häufig unter dem Schleier der Verwandtschaft verborgen liege“.29 Was Ludwig nicht klar war: Thierry Galeran war schon immer schlecht auf Königin Eleonore zu sprechen gewesen, da sie sich über den Eunuchen bei Gelegenheit lustig gemacht hatte.
Die sich verselbstständigenden Gerüchte waren Wasser auf die Mühlen von Eleonores Gegnern im Heer, und man hat Jean Markale zuzustimmen, der kurz und bündig über die Zeit in Antiochia festhält: „In Antiochia ging überdies der gute Ruf der Königin endgültig zu Bruch […].“30 Ludwig VII. konnte seine Eifersucht nur schwer verbergen.
Zu den persönlichen Spannungen kamen solche politischer Art hinzu. Das Fürstentum Antiochia befand sich schon seit seiner Gründung durch die Kreuzfahrer 1099 unter permanentem Druck durch seine muslimischen Nachbarn, namentlich durch Nur-ad Din von Syrien und Aleppo, dem Sohn des 1146 gestorbenen Zengi, und Byzanz, das bestrebt war, Antiochia unter seine Oberhoheit zu zwingen. Der seit 1136 für seine junge Gemahlin Konstanze regierende Raimund hoffte, Ludwig für einen Kampf gegen seine Feinde gewinnen zu können und zog seine Nichte Eleonore diesbezüglich auf seine Seite. Doch Ludwig dachte ganz anders. Er war bestrebt, die Heiligen Stätten in Jerusalem aufzusuchen, von Kämpfen hatte er offenkundig genug. Möglicherweise wollte er dem Onkel seiner Frau auch schlicht nicht helfen. Als Eleonore ihrem Gemahl offen androhte, sie würde auch ohne seine Zustimmung bei Raimund in Antiochia bleiben, kam es zum offenen Streit zwischen dem Königspaar. Ludwig musste Eleonore schließlich zwingen, ihm nach Jerusalem zu folgen. Zudem berief er sich auf seine Rechte als Ehemann, was Eleonore kühl konterte: „Er [Ludwig] täte gut daran, erst einmal seine Eherechte klarzustellen. Nach Ansicht der Kirche sei nämlich ihre Ehe null und nichtig. Nach kanonischem Recht seien sie zu nahe miteinander verwandt…“31 Und obwohl sie sich fügte, war der Bruch zwischen beiden geschehen. Eleonores oben zitierte Worte sollten zudem noch wichtig werden.
Ludwig VII. beschleunigte nun die Abreise aus Antiochia. Am 24. Juni 1148 trat in Akkon eine Versammlung des Kronrats des Königreiches Jerusalem zusammen, an der auch Ludwig VII. und Eleonore von Frankreich teilnahmen. Weitere Teilnehmer waren unter anderem die Bischöfe von Langres und Lisieux, die Grafen von Flandern, Perche, Troyes und Soissons, König Konrad III. mit den Bischöfen von Metz und Toul, Königin Melisendis und König Balduin III. von Jerusalem und der Patriarch von Jerusalem. Diese Versammlung nun fasste „nach einiger Debatte den grenzenlos dummen Beschluss“32, anstatt Raimund von Antiochia gegen Aleppo beizustehen, gegen Damaskus zu ziehen, obwohl Damaskus mit dem Königreich Jerusalem verbündet und „das Bündnis mit dem […] Atabeg [von Damaskus] eine Lebensfrage für Jerusalem“33 war! Der Zug gegen Damaskus scheiterte denn auch kläglich. Die Vereinigung von Damaskus mit Aleppo, die die Kreuzfahrer zu verhindern getrachtet hatten, war dadurch nur beschleunigt worden und der Kreuzzug endgültig gescheitert. Der ebenso präzisen wie bündigen Zusammenfassung des Kreuzzuges, die Nikolas Jaspert gibt, ist in jeder Hinsicht beizupflichten:
„In jeder Hinsicht war der Kreuzzug von 1147/48 ein Misserfolg: Er verärgerte einen wichtigen Verbündeten (Damaskus), vertiefte die Spannungen mit Byzanz und schadete dem Ansehen der Kreuzzüge im lateinischen Westen.“34
Für Ludwig VII. spielte daneben aber eben auch die private Komponente eine Rolle, und es spricht für sich, wenn der König und die Königin von Frankreich zu Ostern 1149 das Heilige Land auf zwei getrennten Schiffen in Richtung Heimat verließen. Dass Eleonore auf der Reise zu allem Überfluss nicht unerheblich erkrankte und ihr Schiff obendrein durch die byzantinische Flotte aufgehalten wurde, um Ludwig VII. doch noch zum einem Bündnis mit Byzanz zu zwingen, verbesserte die Situation keineswegs. Erst drei Wochen nach ihrem Mann erreichte sie Italien. Nachdem Eleonore genesen war, empfing sie Roger II. von Sizilien und brachte sie an die Grenzen des Kirchenstaates, von wo es über das Kloster Montecassino nach Tusculum ging, wo man mit Papst Eugen III. zusammentraf.
Nach der Darstellung des Johannes von Salisbury in seiner Historia pontificalis (1163) bemühte sich der Papst außerordentlich um das Paar. In Einzelgesprächen konnte er die Zweifel betreffs ihrer Ehe vorerst zerstreuen und wies ihnen anschließend ein prächtiges Gemach zu. Ferner verbot er ihnen bei Androhung des Anathems35, auch nur an eine Trennung zu denken. Er entließ sie am Ende des Aufenthaltes mit Geschenken und seinem Segen und konnte, so Johann von Salisbury, „kaum die Tränen zurückhalten.“36 Am 11. November 1149 trafen Ludwig VII. und Eleonore wieder in Paris ein.
Zunächst schien es, als hätte die Vermittlung Eugens III. ihre beabsichtigte positive Wirkung getan. Im Verlauf des Jahres 1150 brachte Eleonore ihr zweites Kind zur Welt. Doch es war wieder „nur“ eine Tochter, die den Namen Alix erhielt. Dies trug nicht dazu bei, die Situation zwischen Eleonore und Ludwig weiter zu entspannen, zumal der König wieder seine Eifersucht zeigte. Auffallend ist auch, dass Ludwig Eleonore nach 1149 immer mehr von der Regierung ausschloss, sofern sie je Anteil daran gehabt haben sollte. Elizabeth A. R. Brown geht in ihrem Aufsatz über Eleonore sogar so weit zu sagen, die letzten Jahre mit Ludwig wären für Eleonore ähnlich schwierig gewesen wie die ihrer fünfzehnjährigen Gefangenschaft in der Ehe mit Heinrich II.37 Dies ist zwar sehr übertrieben, jedoch ist festzuhalten, dass Eleonore und Ludwig es sich in der letzten Zeit ihrer Ehe gegenseitig nicht einfach machten. Der König scheint seine Frau noch immer leidenschaftlich geliebt zu haben, doch für Eleonore muss spätestens seit Antiochia klar gewesen sein, dass ihre Zeit als französische Königin dem Ende zuging.
Zwei Ereignisse trugen maßgeblich dazu bei, dass es im Frühjahr 1152 zur Scheidung kommen konnte. Dies war zum einen der Tod des bedeutenden Abtes Suger von Saint-Denis (1081-1151), der am 13. Januar 1151 eintrat. Sugr hatte schon Ludwig VI. als Ratgeber gedient und war maßgeblich verantwortlich für den Aufstieg des französischen Königtums, der unter Ludwig VI. begann. Solange er lebte, tat Suger alles, um die Ehe zwischen Ludwig VII. und Eleonore intakt zu halten, denn er wusste sehr wohl um den Zugewinn und die Bedeutung des reichen und großen Herzogtums Aquitanien für das französische Königshaus: Wollte das französische Königtum seinen Aufstieg fortsetzen, so musste es unbedingt an Aquitanien festhalten. Auch fungierte Suger als ein ausgleichendes Regulativ zwischen Bernhard von Clairvaux und Königin Eleonore. Suger und Bernhard, obwohl beide mit einer unglaublichen Energie ausgestattet und hoch gebildet, hätten persönlich nicht unterschiedlicher sein können, vor allem, was ihr Verständnis von Religion anging. Denn: „Der Abt von Saint Denis stellte der düsteren, kargen Religion [Bernhards] eine Religion entgegen, die gleichbedeutend mit Licht, Schönheit und Reichtum ist.“38 Erst als Suger ausfiel, war Ludwig VII. bereit, dem Drängen Eleonores auf eine Scheidung nachzugeben, die sie recht bald nach der Rückkehr aus dem Heiligen Land forderte und die Ludwig zunächst abgelehnt hatte.
Das zweite Ereignis fiel ebenfalls in das Jahr 1151. In Paris traf Eleonore auf ihren späteren Ehemann Heinrich Plantagenet, Sohn des Grafen Gottfried von Anjou. Mit Gottfried hatte der französische König schon seit längerem politische Differenzen. Seit 1144 führte Gottfried zu seinem Grafentitel auch den Herzogstitel der Normandie; dies anerkannte Ludwig VII. im September 1149. Da seiner Grafschaft Anjou auch die Touraine und Maine angegliedert waren, entwickelte sich Gottfried zu einem nicht unerheblichen Machtfaktor im Rücken des Königs. 1150 gab Gottfried das Herzogtum Normandie an seinen siebzehnjährigen Sohn Heinrich weiter, ohne vorher bei seinem Lehnsherrn Ludwig VII. um dessen Belehnung zu bitten. Dies führte zu militärischen Auseinandersetzungen, die im August 1151 in Paris beigelegt werden sollten. Gottfried wurde durch seinen Sohn Heinrich begleitet.
Chronisten wie Gerald von Wales (um 1146 bis um 1223) oder Wilhelm von Newburgh unterstellen Eleonore wegen dieser Begegnung gleich ehebrecherische Machenschaften, sowohl mit Gottfried als auch mit Heinrich, und es versteht sich, dass es sich hierbei einmal mehr um Verleumdungen handelt. Wohl aber mag es sein, dass Eleonore, enttäuscht in ihrer Ehe mit Ludwig VII., sich durch beide Männer beeindrucken ließ und eine Scheidung noch stärker ins Auge fasste.
Noch im September 1151 starb Gottfried von Anjou überraschend an einem Fieber; sein Sohn Heinrich trat die Nachfolge an. Währenddessen unternahmen Eleonore und Ludwig eine letzte gemeinsame Reise durch Aquitanien. Diese war ungewöhnlich lang, und der König machte deutlich, dass er sich keinesfalls aus Aquitanien zurückziehen wollte, wie es manche Chronisten vermuten. In diesen Zusammenhang passt es auch, dass Ludwig den aquitanischen Herzogstitel erst 1154 ablegte - zwei Jahre nach der Scheidung von Eleonore.
Doch Ludwig VII. hatte insgesamt nachgegeben. Am 21. März 1152 versammelte sich in Beaugency eine Synode, die die Scheidung des französischen Königspaares Konstantin Noack: Eleonore von Aquitanien (1122-1204) im Spiegel der Forschung aussprach. Als Grund wurde angeführt, Ludwig VII. und Eleonore seien zu nah miteinander verwandt.
Sobald die Scheidung ausgesprochen war, verließ Eleonore den Hof in Paris und begab sich nach Aquitanien, das ihr von Ludwig VII. zurück gegeben worden war. Sie sandte Heinrich von Anjou sofort eine Botschaft und machte ihm deutlich, dass sie für eine Ehe mit ihm frei sei. Die Hochzeit wurde in aller Heimlichkeit vorbereitet und fand am 18. Mai 1152 in Poitiers statt.
Ludwig VII. wurde durch diesen Coup völlig überrascht, denn er hatte „offensichtlich geglaubt, seine Gattin würde sich auf ihre Besitzungen in Aquitanien zurückziehen, um dort aus eigenem Recht als Herzogin zu regieren.“39 Sobald er die Kunde von der Heirat erhalten hatte, beeilte er sich, die Ehe durch einen Rat seiner Großen für ungültig erklären zu lassen. Ludwig war hiermit im Recht, denn nach dem gültigen Lehensrecht hätten sowohl Heinrich von Anjou als auch Eleonore vor ihrer Heirat um Erlaubnis bei Ludwig VII. einkommen müssen, denn er war beider Oberlehnsherr. Doch beide wussten nur zu gut, dass der König seine Zustimmung verweigert hätte. Bei der Verbindung zwischen Anjou und Aquitanien handelte es sich, so viel scheint klar, eher um eine Zweck- als eine Liebesheirat, aus der beide Seiten, sowohl Eleonore als auch Heinrich, ihren Nutzen ziehen konnten, wie Elizabeth A. R. Brown zeigt:
„Physical attraction and a thirst of power drew Eleanor and Henry together, despite the eleven-year difference which separated the queen and the young count. Eleanor’s prestige, authority, and widespread holdings offered Henry the prospect of valuable and much-needed assistance for he was determined to win the kingdom of England […]. For Eleanor, attachment to Henry meant the likelihood that she would simply exchange one royal title for another; it also meant that Aquitaine would be disengaged from Capetian control and would once more be truly souvereign territory“.40
Anhand des Zitats wird also deutlich: Heinrich erfuhr durch die Heirat mit Eleonore einen Kräftezuwachs für seinen Kampf um das Königreich England, während Eleonore ihr Herzogtum Aquitanien wieder aus dem französischen Königtum herauslösen und als unabhängige Herzogin regieren konnte, zumal sie in ihrem zwar jungen, aber politisch und militärisch bereits erfahrenen Gatten eine kraftvolle Stütze und einen Beschützer fand.
Für das Königreich Frankreich war die neue Ehe Eleonores gleich in mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe. Nicht nur, dass dem kapetingischen Königtum Aquitanien, und damit der reiche Süden des Landes, verlorenging. Eleonore und Heinrich hielten zudem den ganzen Westen, von der Normandie und der Bretagne bis hinunter in die Gascogne in ihren Händen. Ludwig VII. war zwar ihr Lehnsherr, doch einen Nutzen konnte er daraus vorerst aus eigener Kraft nicht ziehen, im Gegenteil: Er sah sich einem gefährlicheren Machtfaktor als noch 1151 gegenüber. Es ist deshalb völlig richtig, wenn Joachim Ehlers für Ludwig VII. hier „einen Rückfall auf den Stand der letzten Regierungsjahre seines Vaters“41 diagnostiziert.
Es fällt auf, dass Eleonore nach ihrer Heirat mit Heinrich darum bemüht war, die Ehe mit Ludwig VII. vergessen zu machen. Das geht unter anderem aus den Urkunden hervor, die sie im Rahmen von Schenkungen für verschiedene Klöster in Aquitanien machte, darunter auch für ihre Lieblingsabtei Fontevrault im Poitou. Nach der Scheidung von Ludwig VII. legte sie gesteigerten Wert auf ihre Abstammung von den Herzögen von Aquitanien. Zu Recht betont Régine Pernoud, dass aus Eleonores Urkunden jener Zeit durchaus freudige Erwartungen in Bezug auf die gemeinsame Zukunft mit Heinrich hervorgehen und sie in Aufbruchsstimmung ist und nach vorne schauen möchte.42
Weiter oben klang bereits an, womit sich Heinrich von Anjou vor, während und auch noch nach seiner Heirat mit Eleonore von Aquitanien zu beschäftigen hatte. Er, der älteste Sohn des bereits genannten Grafen Gottfried von Anjou und der Prinzessin Mathilde von England, verfocht in einem Bürgerkrieg gegen den englischen König Stephan von Blois (1135-1154) den Anspruch seiner Mutter auf den englischen Thron. Denn Mathilde war 1127 durch ihren Vater Heinrich I. (1100-1135) zu seiner Erbin erklärt worden und hatte 1128 Gottfried von Anjou geehelicht. Heinrich hatte seinen Adel nur durch Druck zur Anerkennung Mathildes als künftige Königin von England bewegen können. Als Heinrich I. nun am 1. Dezember 1135 gestorben war, ignorierte der englische Adel Mathildes Anspruch, da man in England keinesfalls an einem König aus dem Hause Anjou interessiert war. Zudem galt Mathilde als nicht sonderlich beliebt, da sie sich noch immer als Kaiserin bezeichnete und dementsprechend auftrat (Mathilde war zwischen 1114 und 1125 in erster Ehe mit Kaiser Heinrich V. verheiratet gewesen). An Mathildes Statt erhob der englische Adel den mächtigen Grafen Stephan von Blois, einen Vetter Mathildes, zum König. Mathilde jedoch war nicht bereit, auf die Krone zu verzichten, sodass sich England seit 1139 im Bürgerkrieg befand, der aber letztlich keinen Sieger hervorbrachte, sodass sich beide Parteien, Mathilde und ihr Sohn Heinrich von Anjou auf der einen und Stephan von Blois auf der anderen Seite, 1153 auf den Vertrag von Winchester43 einigten, der den Krieg beendete. Stephan von Blois sollte laut Vertrag bis an sein Lebensende König von England bleiben. Stephan erkannte im Gegenzug Heinrich als seinen Nachfolger an und adoptierte ihn darüber hinaus. Währen der Verhandlungen in Winchester blieb Eleonore in der Normandie zurück und brachte ihr erstes Kind mit Heinrich zur Welt: einen Sohn, der, der aquitanischen Tradition folgend, den Namen Wilhelm erhielt. Jedoch ist ihre Zustimmung zum Vertrag von Winchester „ausdrücklich erwähnt“44. Stephan von Blois starb Ende Oktober 1154, sodass der 1153 ausgehandelte Erbfall früher als erwartet eintrat. Am vierten Adventssonntag (19. Dezember 1154) wurden Heinrich, nun Heinrich II., und Eleonore zu König und Königin von England gekrönt.
[...]
1 In der vorliegenden Arbeit wird durchgehend die deutsche Form des Namens verwendet. In ihrer Zeit wurde Eleonore meist Alienor, Alinor oder auch Aenor genannt. Der Hinweis gilt auch für alle anderen Personennamen.
2 Zitiert aus: Edith Ennen: „Frauen im Mittelalter“, C. H. Beck, München, 6. Auflage 1999, S. 126.
3 Siehe bei: Régine Pernoud: „Eleonore von Aquitanien. Königin der Troubadoure“, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf und Köln 1966, S. 19. In der Folge wird dieses Werk als „Pernoud: Königin“ zitiert.
4 Zitiert aus: Joachim Ehlers: „Geschichte Frankreichs im Mittelalter“, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1987, S. 68. In der Folge zitiert unter dem Kürzel „Ehlers: Geschichte“.
5 Um ihre Kontinuität unter Beweis zu stellen, benutzten mittelalterliche Adelsfamilien Leitnamen, die von Generation zu Generation weiter vererbt wurden. Die Staufer in Deutschland hatten so z. B. den Leitnamen Friedrich, die Salier Heinrich, die Welfen Welf. In der Familie Eleonores (sie stammte aus dem Hause Poitiers, auch Ramnulfiden genannt, die römische Kaiserin Agnes von Poitou (1025-1077) war ihre Urgroßtante) war der Leitname der männlichen Linie Guilhelm (= Wilhelm).
6 Zitiert aus: Uta-Renate Blumenthal: „Der Investiturstreit“, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1982, S. 19f.
7 Zitiert aus: Joachim Bumke: „Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter“, dtv, München, 12. Auflage 2008, S. 129.
8 Zitiert aus: Ursula Vones-Liebenstein: „Eleonore von Aquitanien. Herrscherin zwischen zwei Reichen“, Muster-Schmidt Verlag, Göttingen und Zürich 2000, S. 14.
9 Zitiert aus: Walter Kienast: „Der Herzogstitel in Deutschland und Frankreich“, Oldenbourg-Verlag, München 1968, S. 238.
10 Die Kapetinger (Robertiner), ein ursprünglich in Mainfranken beheimatetes Adelsgeschlecht, stellten zwischen 987 und 1328 in ihrer direkten und 1328-1848 in ihren Nebenlinien Valois, Bourbon und Orléans die französischen Könige.
11 Zitiert aus: Pernoud: Königin, S. 19.
12 Zitiert aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 20.
13 Zitiert aus: Friedrich Heer: „Mittelalter. Vom Jahr 1000 bis 1350“, in: Friedrich Heer (hrsg.): „Kindlers Kulturgeschichte des Abendlandes“, dtv, München 1983, Band 9, S. 400f.
14 Zitiert aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 20f.
15 Zitiert aus: Heer: a. a. O., S. 403.
16 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 15.
17 Siehe bei: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 21.
18 rex christianissimus = allerchristlichster König.
19 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 46.
20 Outremer: vom französischen Wort outre mer (= „jenseits des Meeres“) abgeleiteter Begriff für die vier Kreuzfahrerstaaten, der im Okzident gebraucht wurde.
21 Siehe hierzu: Pernoud: „Königin“, S. 47.
22 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 51.
23 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 51.
24 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 52f.
25 Siehe: Pernoud: „Königin“, S. 49.
26 Siehe: Pernoud: „Königin“, S. 49.
27 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 63.
28 Zitiert aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 32.
29 Zitat übernommen aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 32.
30 Zitiert aus: Jean Markale: „Eleonore von Aquitanien. Königin von Frankreich und England. Leben und Wirken einer ungewöhnlichen Frau im Hochmittelalter, Verlag Rainer Wunderlich, Freiburg im Breisgau 1980, S. 43.
31 Zitiert aus: Pernoud: „Königin“, S. 74.
32 Zitiert aus: Hans Eberhard Mayer: „Geschichte der Kreuzzüge“, Kohlhammer Verlag, Stuttgart, 10. Auflage 2005, S. 131.
33 Zitiert aus Mayer: a. a. O., S. 132.
34 Zitiert aus: Nikolas Jaspert: „Die Kreuzzüge“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2. Auflage 2004, S. 46.
35 Unter einem Anathem (griechisch: Anathema = das Gottgeweihte, die Verfluchung) versteht man im Deutschen den Kirchenbann.
36 Zitat übernommen aus: Pernoud: a. a. O., S. 81.
37 Siehe hierzu: Elizabeth A. R. Brown: Eleanor of Aquitaine: Parent, Queen, and Duchess, in: William Kibler (ed.): Eleanor of Aquitaine. Patron and Politician, University of Texas Press, Austin und London 1976, S. 9-34, hier S. 14.
38 Zitiert aus: Frédéric Delouche (hrsg.): „Europäisches Geschichtsbuch“, Ernst Klett Schulbuchverlag, Düsseldorf 1993, S. 151. 17
39 Zitiert aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 39.
40 Zitiert aus: Brown: a. a. O., S. 15.
41 Zitiert aus: Joachim Ehlers: „Ludwig VII.“, in: Derselbe, Heribert Müller und Bernd Schneidmüller (hrsg.): „Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. (888-1498)“, Verlag C. H. Beck, Beck’sche Reihe, München 2006, S. 126-139, hier: S. 133.
42 Siehe hierzu bei: Pernoud: „Königin“, S. 96-97.
43 Dieser Vertrag ist auch bekannt als Vertrag von Wallingford oder Vertrag von Westminster, da er hier, in Westminster, endgültig ratifiziert wurde.
44 Zitiert aus: Vones-Liebenstein: a. a. O., S. 45.
- Quote paper
- Konstantin Noack (Author), 2010, Eleonore v. Aquitanien (1122-1204) im Spiegel der Forschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177894
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