Im Rahmen dieser Arbeit, soll untersucht werden, inwieweit das Shareholder-Value
Paradigma Auslöser oder Mitverursacher der Bilanzskandale in den USA sein könnte.
Im Folgenden ist daher zunächst einmal festzustellen, was unter dem Shareholder-Value
Paradigma zu verstehen ist. Nach Definition der wesentlichen Begriffe soll exemplarisch auf
den Bilanzskandal von Enron eingegangen werden, um Charakteristika von Bilanzskandalen
aufzuzeigen. Anschließen sollen Ursachen analysiert werden, die möglicherweise dazu
beigetragen haben, im Zusammenhang mit dem Shareholder-Value Gedanken Bilanzskandale
entstehen zu lassen. Unterschieden werden kann dabei einerseits zwischen einer unternehmensexternen und einer
unternehmensinternen Sichtweise und zwischen inhärenten Problemen des Shareholder-Value
Paradigmas und Problemen, die durch die falsche Umsetzung entstehen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Bezug
1.2 Zielsetzung und Vorgehen
2 Das Shareholder-Value Paradigma
2.1 Definition
2.2 Probleme des Shareholder Value Ansatzes
3 Bilanzskandale in den USA
3.1 Allgemeines
3.2 Enron
3.3 Wesentliche Elemente des Bilanzskandals
4 Der Zusammenhang von Shareholder-Value und Bilanzskandalen aus unternehmensexterner Sicht
4.1 Determinanten der Erwartungen
4.2 Unvollkommene Informationen
5 Der Zusammenhang von Shareholder-Value und Bilanzskandalen aus unternehmensinterner Sicht
5.1 Aktienoptionen
5.1.1 Aktienoptionen und Managementverhalten
5.1.2 Bilanzierung von Optionen
5.2 Ausrichtung von Rechnungswesen und Organisation auf das Shareholder-Value Paradigma
5.3 Kurzfristige Kurssteigerung vs. langfristige Wertsteigerung
5.4 Aktienrückkaufprogramme
6 Schlussbetrachtung
Literatur
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Grenznutzen und Grenzertrag von Informationen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Bezug
Spätestens seit A. Rappaport 1986 sein Standardwerk über Shareholder-Value vorgelegt hat, gehört die Steigerung des Unternehmenswertes zu den wichtigsten Zielgrößen speziell der börsennotierten Unternehmungen. Doch im Zuge des Börsencrash seit Frühjahr 2000 ist wiederholt vorgetragen worden, die Fixierung auf den Shareholder-Value Gedanken habe mit zu den diversen Bilanzskandalen in den USA und auch am Neuen Markt in Deutschland beigetragen und dadurch auch den Crash mit verursacht. Von F. Malik wurde sogar der Gedanke geäußert, „mit dem Shareholder-Value haben die Manager die wahre Aufgabe der Unternehmensführung völlig aus den Augen verloren.“[1] Im Zusammenhang mit den Skandalen wurde sogar von einer gravierenden Vertrauenskrise in das marktwirtschaftliche System gesprochen.[2]
In einer Vielzahl von Äußerungen wurde also das Shareholder-Value Paradigma (mit-)verantwortlich für die Bilanzskandale und/oder die Börsenkrise gemacht. Meistens handelt es sich dabei aber um einzelne Äußerungen z.B. in Interviews, die nicht wissenschaftlich fundiert begründet werden.
1.2 Zielsetzung und Vorgehen
Im Rahmen dieser Arbeit, soll untersucht werden, inwieweit das Shareholder-Value Paradigma Auslöser oder Mitverursacher der Bilanzskandale in den USA sein könnte.
Im Folgenden ist daher zunächst einmal festzustellen, was unter dem Shareholder-Value Paradigma zu verstehen ist. Nach Definition der wesentlichen Begriffe soll exemplarisch auf den Bilanzskandal von Enron eingegangen werden, um Charakteristika von Bilanzskandalen aufzuzeigen. Anschließen sollen Ursachen analysiert werden, die möglicherweise dazu beigetragen haben, im Zusammenhang mit dem Shareholder-Value Gedanken Bilanzskandale entstehen zu lassen.
Unterschieden werden kann dabei einerseits zwischen einer unternehmensexternen und einer unternehmensinternen Sichtweise und zwischen inhärenten Problemen des Shareholder-Value Paradigmas und Problemen, die durch die falsche Umsetzung entstehen.
2 Das Shareholder-Value Paradigma
2.1 Definition
Wie bereits angedeutet, stammt die erste wissenschaftliche Darstellung des Shareholder-Value Ansatzes von A. Rappaport (1986). „Bezugnehmend auf börsennotierte Unternehmen geht er in seinem Modell davon aus, dass es grundlegendes Ziel des Unternehmens sein muss, Wert für seine Anteilseigner zu schaffen, was sich in einer Erhöhung des Kurswertes bei gleichzeitiger Zahlung einer Dividende in einer von den Kapitalgebern geforderten Höhe ausdrückt.“[3] Es gibt zwar dabei diverse Ansätze, den Shareholder-Value - also den Unternehmenswert - zu berechnen, die meisten basieren auf der Diskontierung des zukünftigen, risikobewerteten Cash-Flow.[4] Auf die einzelnen Konzepte soll dabei nicht eingegangen werden, da dies für die Grundüberlegung, ob das Shareholder-Value Paradigma mitverantwortlich ist für die Bilanzskandale in den USA unerheblich ist.
Das Shareholder-Value Konzept soll als Konzept der Unternehmensführung einerseits die schwächen von Systemen, die auf Bilanzkennzahlen beruhen vermeiden und andererseits auch einen Entlohnungsmaßstab für das Management bieten, um die Interessen von Management und Anteilseignern zur Deckung zu bringen.[5] Ein Paradigma stellt grundsätzlich ein Denksystem dar. Das Shareholder-Value Paradigma bezeichnet also das Unternehmensleitbild, welches „die Maximierung der Eigentümerrendite über Dividenden, und Kurswertsteigerungen der Aktien als vordringlichste Aufgabe von Führungskräften erklärt.“[6]
2.2 Probleme des Shareholder Value Ansatzes
Das grundsätzliche Ziel, den Wert der Unternehmung zu maximieren wird allgemein als sinnvoll betrachtet und kaum bestritten. Da für die Anteilseigner der wahre Unternehmenswert nicht unbedingt offensichtlich ist und die Feststellung des Wertes für den einzelnen Aktionär mit Kosten verbunden wäre, wird meist der Börsenwert als Benchmark verwendet.[7] Dieser ist leicht und praktisch kostenfrei zu erhalten und spiegelt bei effizientem Kapitalmarkt den tatsächlichen Unternehmenswert gemessen in zukünftigen, risikobewerteten Einzahlungsüberschüssen wider.
Dies aber ermöglicht es dem Vorstand, seine Aufgabe, den Unternehmenswert zu steigern, zu Gunsten einer Steigerung des Aktienkurses zu ändern, was Vorteile für das Management bringen kann.[8] Die Entscheidungsträger können also Strategien wählen, die bei vollständigen Informationen der Marktteilnehmer nicht getroffen werden könnten. Möglicherweise werden von der Unternehmensführung sogar Entscheidungen auf Grund des Shareholder Value Paradigmas verbunden mit unvollkommenen Informationen so getroffen, dass die tatsächlichen und potentiellen Anteilseigner sie als positiv empfinden, obwohl andere Entscheidungen objektiv sinnvoller wären.[9] Auf diese Probleme der asymmetrischen Informationsverteilung soll später noch näher eingegangen werden.
3 Bilanzskandale in den USA
3.1 Allgemeines
Im Zusammenhang mit den Bilanzskandalen in den USA werden vor allem die beiden Unternehmen Enron und Worldcom genannt.[10] Daneben gab es aber eine ganze Reihe weiterer Unternehmen, die in diese Reihe gehören.[11] Allerdings ist der Begriff des Bilanzskandals nicht klar definiert. In einer engen Abgrenzung wird ein Bilanzskandal m.E. durch die bewusste Angabe falscher Daten in der Bilanz definiert. Aber auch das Abgeben überhöhter Prognosen und/oder die Ausnutzung aller legalen Bilanzierungs-Freiräume mit dem Ziel, die wahre Lage des Unternehmens zu verschleiern, kann in einer weiter gefassten Definition als Bilanzskandal aufgefasst werden, was die Anzahl der Fälle aber beträchtlich vergrößern würde. Die beiden wohl bekanntesten Fälle von Bilanzskandalen waren Enron und Worldcom. Bis Mitte 2002 mussten 158 US-Unternehmen ihre Zahlen für das vergangene Jahr korrigieren.[12] Offensichtlich entsprachen in diesen Fällen die Bilanzen nicht den Vorschriften und wurden aber dennoch von den jeweiligen Wirtschaftsprüfern akzeptiert.
3.2 Enron
Bei Enron handelt es sich um den bisher größten Bilanzskandal in der Geschichte.[13] Im Oktober 2001 gestand der Vorstand von Enron ein, die Zahlen für die Jahre 1997-2001 korrigieren zu müssen. Im Dezember 2001 schließlich meldete Enron bankrott an. Mit bilanziellen Aktive in Höhe von 63,4 Mrd. $ handelte es sich um die bis dahin größte Pleite überhaupt. Der Kurs der Enron-Aktie, der im Verlauf der 90er Jahre von ca. 7$ auf über 90$ gestiegen war, viel bis zum Jahresende 2001 auf unter 1 $. Viele Angestellte, die einen Teil ihres Einkommens über die 401k Pensions-Pläne in Aktien des eigenen Unternehmens investiert hatten, verloren so in kurzer Zeit einen Großteil ihres Vermögens. Besondere Brisanz erhielt der Skandal auch noch durch die Verwicklung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Anderson in den Skandal.[14]
3.3 Wesentliche Elemente des Bilanzskandals
Im Falle Enron lassen sich gut die Merkmale eines Bilanzskandals erkennen, die in mehr oder weniger kleinerem Maßstab auch in anderen Fällen zu sehen waren. Der wichtigste Punkt ist sicherlich, dass die Unternehmensführung über Jahre falsche Gewinn- und Wachstums-Zahlen veröffentlicht hat. Des weiteren ist wichtig, dass das Top-Management von den falschen Zahlen profitiert hat, indem es am Gewinn beteiligt war bzw. über Aktienoptionen am steigenden Börsenkurs partizipieren konnte. Ein entscheidender Punkt ist aber auch die Mitwirkung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in diesem Fall also von Arthur Andersen. Wie auch in allen anderen Fällen von Bilanzskandalen, haben die Wirtschaftsprüfer die falschen Bilanzen akzeptiert und sich somit mitschuldig gemacht. Zu unterscheiden wäre sicherlich noch, inwieweit die Prüfer die Fehler in der Bilanz übersehen haben oder ob sie sich aktiv an der Bilanzmanipulation beteiligt haben. In beiden Fällen aber haben die Kontrollmechanismen versagt, so dass bei Überlegungen wie solche Betrugsfälle in Zukunft vermeiden werden können, auch die Wirtschaftsprüfer in die Überlegung mit einbezogen werden müssen.
4 Der Zusammenhang von Shareholder-Value und Bilanzskandalen aus unternehmensexterner Sicht
Entscheidend für den Zusammenhang von Bilanzskandalen und dem Shareholder Value Paradigma ist neben dem Verhalten des Managements das Verhalten der Marktteilnehmer. Denn schließlich trifft der Vorstand eines Unternehmens oft Entscheidungen in Reaktion auf die Erwartungen der Marktteilnehmer. Gleichzeitig sind es ja gerade die Anteilseigner auf die der Shareholder Value Ansatz ausgerichtet ist. Der Unternehmenswert soll gesteigert werden, weil die Anteilseigner dies wünschten und Anspruch darauf hätten.
Annahme des Shareholder Value Ansatzes ist es, dass ein Investor sich aus rein finanziellem Interesse an einem Unternehmen beteiligt und daher eine Rendite erwartet, die unter Berücksichtigung des Risikos mindestens so viel Ertrag bringt, wie eine vergleichbare Anlage.[15] Die Eigentümer einer Unternehmung haben also Erwartungen an das Management bzw. an das Unternehmen und erzeugen dadurch einen sog. Shareholder-Druck.[16] Denn letztlich ist das Management abhängig von den Eigenkapitalgebern. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nicht alle Anleger gleich sind in ihrem Einfluss auf das Management. „Shareholder-Druck können nur solche Anteilseigner ausüben, die durch Größe ihrer Portefeuilles und Handelsvolumina Finanzmärkte beeinflussen und über eine schlagkräftige Organisation verfügen. Diese Vorraussetzungen treffen in hohem Masse auf institutionelle Investoren zu, die deshalb die Schlüsselrolle bei der Erzeugung von Shareholder-Druck einnehmen.“[17]
[...]
[1] Malik, F.: Meisterwerk der Desinformation, Interview, in: Der Spiegel, Jahrgang 55, Heft 36, 2002, S. 132-135, hier: S. 134.
[2] Vgl. Utzig, S.: Corporate Governance, Shareholder Value und Aktienoptionen – die Lehren aus Enron, Worldcom und Co., in: Die Bank, 31. Jahrgang, Heft 9, 2002, S. 594-597, hier: S. 594.
[3] Brune, J.W.: Der Shareholder-Value-Ansatz als ganzheitliches Instrument strategischer Planung und Kontrolle, 1. Auflage, Köln, 1995, S. 61
[4] Vgl. Hayn, M./ Ostheim, St./ Sulzbach, K.: Optionsorientierte Vergütungssysteme in der Unternehmensbewertung, in: Achleitner, A.-K. und Wollmert, P. (Hrsg.): Stock Options, 2. Auflage, Stuttgart, 2002, S. 321-347, hier. S. 322 f.
[5] Vgl. Bischoff, J.: Das Shareholder Value-Konzept, 1. Auflage, Wiesbaden, 1994, S. 4 f.
[6] Rappaport, A.: Shareholder Value – Wertsteigerung als Maßstab für die Unternehmensführung, 1. Auflage, Stuttgart, 1994, S. 1
[7] Vgl. Bischoff, Jörg: Das Shareholder Value-Konzept, 1. Auflage, Wiesbaden, 1994, S. 142 f.
[8] Vgl. ebd. S. 142.
[9] Vgl. Laux, Helmut: Wertorientierte Unternehmensführung und Kapitalmarkt, 1. Auflage, Berlin u.a., 2003, S. 374.
[10] Vgl. o.V.: Die Ehre der Wall Street, in: Der Spiegel, 55. Jahrgang, Heft 36, 2002, S. 128-130, hier: S. 128.
[11] Vgl. o.V.: Gier ohne Grenzen, in: Der Spiegel, 55. Jahrgang, Heft 28, 2002, S.84-99.
[12] o.V.: Gier ohne Grenzen, in: Der Spiegel, 55. Jahrgang, Heft 28, 2002, S. 84-99.
[13] Zur ganzen Historie des Enron-Skandals vgl. Fusaro, P.C. und Miller, R.M.: What went wrong at Enron?, 1. Auflage, Hoboken, 2002.
[14] Vgl. Benston, G. J.: Enron: What happened and what we can learn from it, in: Journal of accounting and public policy, Vol. 21, No. 2, 2002, S. 105-127, hier: S. 106.
[15] Vgl. Brune, J. W.: Der Shareholder-Value-Ansatz als ganzheitliches Instrument strategischer Planung und Kontrolle, 1. Auflage, Köln, 1995, S. 61.
[16] Vgl. Kieser, A. und Grunwald, R.: Shareholder Value – ein Managementmythos?, in: Thom, N., Zaugg R.J. (Hrsg.): Exellence durch Personal- und Organisationskompetenz, 1. Auflage, Bern, Stuttgart, Wien, 2001, S. 157-184, hier: S, 159.
[17] Kieser, A. und Grunwald, R.: Shareholder Value – ein Managementmythos?, in: Thom, N., Zaugg R.J. (Hrsg.): Exellence durch Personal- und Organisationskompetenz, 1. Auflage, Bern, Stuttgart, Wien, 2001, S. 157-184, hier: S. 159
- Quote paper
- Fabian Fritzsche (Author), 2003, Das Shareholder-Value - Paradigma im Licht der Bilanzskandale in den USA?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17766
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