Die Welle von Kriegsfilmen Ende der siebziger bis in die achtziger Jahre, die sich größtenteils mit der bedeutendsten und traumatischsten Niederlage der USA, dem Krieg in Vietnam, beschäftigte, brachte umstrittene und unterschiedliche Werke hervor. Neben den besonders populären Actionfilmen wie Rambo I - III und den von der Kritik gelobten Filmen, etwa Michael Ciminos The Deer Hunter (1978), Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (1979) und Oliver Stones Platoon (1986,) kam 1987 mit Stanley Kubricks Full Metal Jacket ein weiterer großer Hollywoodfilm zum Thema Vietnamkrieg in die Kinos.
Kubricks Full Metal Jacket, der sich auf den Roman The Short Timers des ehemaligen Kriegsberichterstatters Gustav Hasford bezieht, zeichnet sich vor allem durch die Offenlegung der psychologischen Konflikte aus, die die Soldaten sowohl im ersten Teil des Films, im Ausbildungscamp Parris Island in South Carolina, als auch später an der Front in der vietnamesischen Stadt Hué durchleben. Anders als die genannten Filme legt Kubrick sein Augenmerk weniger auf die Sinnlosigkeit der Materialschlacht Krieg, sondern er zeichnet vor allem das Bild von jungen Männern, die durch das von Drill und Unmenschlichkeit geprägte Lager ihre Individualität und Vorgeschichte verlieren, um letztlich als Kampfmaschinen in den Krieg zu ziehen. Kubrick selbst sagte, er wollte „[...] die narrativen Strukturen des Kinos sprengen“.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2 . Full Metal Jacket im Kontext des Vietnamfilmgenres
3. Die Dualität in Full Metal Jacket
4. Die Darstellung des Weiblichen
4.1. Camp Parris Island
4.2. Vietnam
5. Der Männerbund
5.1. Camp Parris Island
5.2. Vietnam
6. Schlussbetrachtung
7. Literatur
1. Einleitung
Die Welle von Kriegsfilmen Ende der siebziger bis in die achtziger Jahre, die sich größtenteils mit der bedeutendsten und traumatischsten Niederlage der USA, dem Krieg in Vietnam, beschäftigte, brachte umstrittene und unterschiedliche Werke hervor. Neben den besonders populären Actionfilmen wie Rambo I – III und den von der Kritik gelobten Filmen, etwa Michael Ciminos The Deer Hunter (1978), Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (1979) und Oliver Stones Platoon (1986,) kam 1987 mit Stanley Kubricks Full Metal Jacket ein weiterer großer Hollywoodfilm zum Thema Vietnamkrieg in die Kinos.
Kubricks Full Metal Jacket, der sich auf den Roman The Short Timers [1] des ehemaligen Kriegsberichterstatters Gustav Hasford bezieht, zeichnet sich vor allem durch die Offenlegung der psychologischen Konflikte aus, die die Soldaten sowohl im ersten Teil des Films, im Ausbildungscamp Parris Island in South Carolina, als auch später an der Front in der vietnamesischen Stadt Hué durchleben. Anders als die genannten Filme legt Kubrick sein Augenmerk weniger auf die Sinnlosigkeit der Materialschlacht Krieg, sondern er zeichnet vor allem das Bild von jungen Männern, die durch das von Drill und Unmenschlichkeit geprägte Lager ihre Individualität und Vorgeschichte verlieren, um letztlich als Kampfmaschinen in den Krieg zu ziehen. Kubrick selbst sagte, er wollte „[...] die narrativen Strukturen des Kinos sprengen “.[2]
Das Motiv der Dualität taucht immer wieder in Full Metal Jacket auf. Die Thematik der zwei gegenüber stehenden Pole ist ein wiederkehrender Kerngedanke in den Filmen Stanley Kubricks.[3] Sein Interesse an der Gespaltenheit des Menschen beruht auf den Lehren des Schweizer Psychoanalytikers und Freud-Vertrauten Carl Gustav Jung, der auf dem Gebiet der Entwicklung der individuellen Persönlichkeit und den Zusammenhängen zwischen Natur und Psyche tätig war.[4] Vor allem sein Begriff Anima‘, für das Weibliche in der männlichen Psyche, wird in Full Metal Jacket angesprochen.[5]
Die folgende Arbeit sucht nun den Interpretationsansatz nicht in der bereits abgehandelten Bezugnahme auf das Verhältnis Mensch-Maschine[6] und ihrer wechselseitigen zerstörerischen Wirkungen.
Kay Kirchmann geht in seiner Interpretation zu Full Metal Jacket auch auf die Beziehung des unterdrückten Eros mit der Diskrepanz von Sexualität und Weiblichkeit in dieser Männerwelt ein. Demnach ist die Bestie Mensch, oder auch Mann, in Form von ‚Animal Mother‘ aus Full Metal Jacket das „ Paradebeispiel eines Kubrickschen Helden [...] dessen wahres, tierhaftes Ich durch den Krieg zum Vorschein kommt, gerade weil genau dieses im gesellschaftlichen Konditionierungsprozess verdrängt worden ist.“ [7]
Diesem Ansatz folgend dient als Zugang zu Kubricks Film der Gegensatz von Mann und Frau, um damit ein Beispiel für den Dualismus und die Gegensätzlichkeit in Kubricks Filmen aufzuzeigen. Während Kirchmanns Interpretation von Dualismus sich hauptsächlich auf das Doppelgängermotiv in Stanley Kubricks Filmen bezieht, soll im Folgenden vor allem auf die Widersprüche der zwei Pole und die daraus resultierenden Dissoziationen eingegangen werden. Nicht zuletzt wegen der Kohärenz zwischen Männern, Krieg und Sexualität[8] und der dazu konträren Bedeutung von Frauen in Filmen dieses Genres ist es interessant, die in Full Metal Jacket eingesetzten direkten und metaphorischen Mittel zur Darstellung von Weiblichkeit zu untersuchen und sie auf den Gesamtkontext des Filmes zu beziehen. Zur Analyse wird der Film in die zwei Teile Camp Parris Island sowie Hué untergliedert, da dies die Erzählstruktur des Films vorgibt und sie durch ihren Kontext im Gesamtfilm verschieden betrachtet werden müssen. Nach der Analyse der militärischen Männerwelt anhand ihrer Darstellung soll abschließend das Charakteristikum der Beziehungen zwischen den Geschlechtern innerhalb des Films als Interpretationsansatz für Full Metal Jacket dienen.
2. Full Metal Jacket im Kontext des Vietnamfilmgenres
Stanley Kubricks Full Metal Jacket fällt in die sogenannte ‚zweite Welle‘[9] des Vietnamfilmgenres. Die erste Phase, kurz nach dem offiziellen Ende des Vietnamkrieges, brachte Filme wie Michael Ciminos „[...] episch breit ausladenden [...]“[10] Heimkehrerfilm The Deer Hunter (1978) oder Francis Ford Coppolas gewaltiges Antikriegsepos[11] Apocalypse Now (1979) hervor. Gegen Ende der Reagan-Ära Mitte der achtziger Jahre, als die in der Kritik stehende Rambo –Reihe ihren Höhepunkt überschritten hatte, begann mit Oliver Stones ambitioniertem Antikriegsfilm Platoon aus dem Jahr 1986 und Kubricks Full Metal Jacket eine Phase, die zugleich das vorläufige Ende der Vietnamfilme einläutete. Zusammen sind diese vier unterschiedlichen Hollywood-Werke die wohl entscheidenden Filme ihrer Gattung. Dies zeigt nicht zuletzt ihre immer wiederkehrende Nennung, wenn von Vietnam-Krieg im Film die Rede ist. Immerhin hat in der heutigen Mediengesellschaft eine ganze Generation ihr Wissen über diesen Krieg jenen Filmen zu verdanken.
Ihre Gemeinsamkeit liegt in der mal mehr, mal weniger stark ausgeprägten Kritik an den Medien und ihrer Darstellung des Krieges als ein „Krieg der Bilder“[12] . Sowohl in Apocalypse Now als auch in Full Metal Jacket werden Filmteams gezeigt, die den Krieg dokumentieren, beziehungsweise ihn mediengerecht in Szene setzen. Als ein amerikanischer Soldat in Full Metal Jacket bedrückt an einem Massengrab steht und Joker über die Ereignisse, die zur Erschießung der Vietnamesen führte, berichtet, blickt er immer wieder lächelnd in die Kamera Raftermans, der die Szene photographiert. Trotz der bedrückenden Atmosphäre und der inneren Anteilnahme des Offiziers ist er sich der Macht der Bilder bewusst. Denn die Soldaten sind letztlich die Produzenten dieser Kriegsbilder.[13]
Die Besonderheit von Full Metal Jacket liegt in der genre-untypischen Umsetzung des Themas Vietnam. Schlüsselt man ihn nach der Vietnamfilme bestimmenden Ikonographie auf[14], hebt sich Stanley Kubricks Film von den üblichen Merkmalen ab. So erzählt der Film nicht die sonst spezifische Geschichte von dem Scheitern des Vietnamveteranen, der zurück in die USA kommt, noch sind die Figuren kennzeichnend für Filme dieser Kategorie. Vergeblich sucht man bei Full Metal Jacket nach einem Helden oder einem innerlich zerrissenen Antihelden. Wenn auch Joker zunächst diesem Typus entspricht, entwickelt er sich jedoch nicht so, dass man sich als Zuschauer voll und ganz auf Private Joker einlassen würde. Kirchmann erklärt diese von Kubrick häufig verwendete „entindividualisierte Figurenkonzeption“ durch die unbeteiligte Perspektive zwischen Betrachter und Dargestelltem, die weder erklärt, noch die Handlungen der Protagonisten motiviert.[15] Der Zuschauer erfährt nur das Notwendigste über die Figuren. Es ist nichts bekannt über deren Herkunft oder Motivation, die in Full Metal Jacket als Identifikationsansatz dienen könnte. Ähnlich distanziert ist auch die Perspektive in Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum oder auch bei Dr. Strangelove. Vor allem in 2001 wird der gesamte Film aus einer kühlen, distanzierten Sicht erzählt, oder besser berichtet. Kalte, sterile weiße Räume, ähnlich wie die Toiletten im Camp in Full Metal Jacket, verstärken durch die symmetrische Bildersprache diesen Eindruck.
Neu bei Full Metal Jacket ist auch die ausführliche Darstellung der Ausbildungsgepflogenheiten in der US-Army. Niemals zuvor in Hollywood wurde auf der Leinwand die militärische Schulung so detailliert und schonungslos beschrieben.[16]
Selbst wenn Stefan Reinecke in seiner Abhandlung über den Vietnamfilm in Hollywood[17] dazu tendiert, diese in verschiedene Subgenres einzuteilen, zum Beispiel Combatfilme (Platoon, Full Metal Jacket), Kasernen- und Ausbildungsfilme (The Boys from Company C, Full Metal Jacket), Straflagerfilme (Missing in Action, P.O.W.) oder Heimkehrerfilme (Rambo, Cease Fire), so zeigt seine Einordnung auch, dass es sich bei Full Metal Jacket um einen nicht klar zu bezeichnenden Vietnamfilm handelt, der seine Stärke vor allem in der Auslassung, beziehungsweise der Zusammenstellung von Stereotypen des Vietnam-Genres hat und der sich eben nicht in spezielle Raster zur Gliederung von Filmtypen einfügen lässt.
[...]
[1] Vgl. die deutsche Ausgabe: Gustav Hasford: Höllenfeuer. München 1988.
[2] Aus einem Interview mit Stanley Kubrick. In: Newsweek, 29.6.1987. Nach: Stefan Reine>
[3] Siehe z.B. Clockwork Orange (1971); The Shining (1980). Vgl. Alexander Walker: Stanley Kubrick: Leben und Werk. Berlin 1999, S. 315.
[4] Vgl. Jung, Carl Gustav: Symbole der Wandlung. Zürich 1952.
[5] Kirchmann verweist in diesem Zusammenhang auf den Namen ‚Animal Mother‘, dessen Anfangssilben zusammen Anima ergeben. Vgl. Kay Kirchmann: Stanley Kubrick - Das Schweigen der Bilder. Marburg 1993, S. 58.
[6] Vgl. dazu Georg Seesslen, der in dem „ [...] Aufstand der Maschine gegen seinen Schöpfer [...]“ im Zusammenhang mit 2001 und Clockwerk Orange ein zentrales Thema von Full Metal Jacket sieht. Vgl.: Georg Seesslen/Fernand Jung: Stanley Kubrick und seine Filme. Marburg 1999, S. 264. Vgl. auch Kay Kirchmann vor allem das Kapitel 2.8. Mensch - Maschine – Marionette. Kay Kirchmann: Stanley Kubrick - Das Schweigen der Bilder. Marburg 1993, S. 76 – 80.
[7] Kay Kirchmann: Stanley Kubrick - Das Schweigen der Bilder. Marburg 1993, S.64.
[8] Vgl. dazu Rainer Gansera: „Krieg und Geilheit, die bleiben immer in Mode“ (Shakespeare). In: Ernst Karpf: Kino und Krieg. Von der Faszination eines tödlichen Genres. Arnoldshainer Filmgespräche. Band 6. Frankfurt a.M. 1989, S. 33-46.
[9] Vgl. dazu die Einteilung von Rupert Koppold in: Rupert Koppold: Die Hölle ist grün. Hollywood und Vietnam. In: Ernst Karpf: Kino und Krieg. Von der Faszination eines tödlichen Genres. Arnoldshainer Filmgespräche. Band 6. Frankfurt a.M. 1989, S. 47-55.
[10] Alfons Arns: Amerikanische Illusionen. Eine Filmanalyse zu Michael Ciminos The Deer Hunter. In: Ernst Karpf: Kino und Krieg. Von der Faszination eines tödlichen Genres. Arnoldshainer Filmgespräche. Band 6. Frankfurt a.M. 1989. S. 86-103, hier S. 94.
[11] Im folgenden wird weiterhin von ‚Antikriegsfilmen‘ die Rede sein, obwohl sich der Autor, der Problematik, ob es solche Filme überhaupt geben kann, bewusst ist.
[12] Stefan Reine>
[13] Vgl. Georg Seesslen / Fernand Jung: Stanley Kubrick und seine Filme. Marburg 1999, hier S. 268.
[14] Vgl. Stefan Reine>
[15] Vgl. Kay Kirchmann: Stanley Kubrick: Das Schweigen der Bilder. Marburg 1993, hier S.76.
[16] Vgl. Alexander Walker: Stanley Kubrick: Leben und Werk. Berlin 1999, S. 318.
[17] Vgl. Stefan Reinecke: Hollywood goes Vietnam. Der Vietnamkrieg im US-amerikanischen Film. Hitzeroth, Aufblende, Schriften zum Film Band , Marburg 1993, S. 10.
- Citation du texte
- Jochen Fischer (Auteur), 2000, Das Verhältnis der Geschlechter in Stanley Kubricks Full Metal Jacket, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17756
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