Im Heft wird über die Entstehungsgeschichte des Motorflugplatzes in Berlin-Johannisthal im Jahre 1909 berichtet.
Die Eröffungsveranstaltung am 26. September 1909 und weitere Flugveranstaltungen und die Entwicklung des Flugplatzes werden in weiteren Heften der "Dokumentenreihe über den Flugplatz von 1909-1914" ausführlich dargestellt.
Inhaltsverzeichnis
Anmerkung der Autoren
Der Motorflug entwickelte sich
Wie kam der Flugplatz in den Ort Johannisthal und Adlershof
Die Gründung der Deutsche Flugplatz-Gesellschaft
Eröffnungsvorbereitungen für den Flugplatz
Die Luise v. Studt Walderholungsstätte vom Deutschen Roten Kreuz
Der Flugplatz nach den beiden Weltkriegen
Personenregister
Literatur
Quellen
Zeitungen und Periodika
Bildnachweis
Anlagen:
Anlage 1 - Brief vom 10. August 1909: Eduard v. Pustau schreibt an 3 Blatt die Königliche Regierung Potsdam zum Pachtgelände
Anlage 2 - Statut der Flug- und Sport-Platz Berlin-Johannisthal GmbH 5 Blatt vom 7. März 1910
Anlage 3 - Pachtvertrag über das Flugplatzgelände vom 26. März 1910. 10 Blatt
Anmerkungen der Autoren
Zur Veranstaltung von Wett- und Schauflügen, vor allem aber zum Erlernen des Fliegens, sind geeignete freie Felder notwendig. So ist das älteste Flugfeld der Welt, Issy les-Moulineaux bei Paris, ein militärischer Übungsplatz, ebenso wie das Tempelhofer Feld, auf welchen Schauflüge in Deutschland von Hubert Latham (1883- 1912) und Wright stattfanden. Später flog Orville Wright (1871-1948) auf dem Bornstedter Feld bei Potsdam auf einem Exerzierplatz. Das große Manöverfeld von Döberitz bei Berlin und der Exerzierplatz bei Darmstadt dienten schon 1910 als Flugfeld. Der erste besondere Flugplatz wurde bei Juvisy in Frankreich im Mai 1909 eröffnet. Die bedeutendsten Flugveranstaltungen fanden aber auf dem Flugplatz von Betheny bei Reims und bei Bordeaux statt.
Der bedeutendste zivile Motor-Flugplatz in Deutschland war und ist der Flugplatz von Berlin-Johannisthal, welcher am 26. September 1909 eröffnet wurde. Eingerichtet wurde dieser Flugplatz von der für diesen Zweck gegründeten „Deutschen Flugplatz-Gesellschaft“, die Anfang 1910 in die „Flug- und Sportplatz Berlin- Johannisthal GmbH“ umgewandelt und geführt von Major a. D. Georg v. Tschudi. Das Flugfeld wurde auf der Fläche zwischen den Gemarkungen Johannisthal und Adlershof gebaut, wurde kurze Zeit auch als Flugplatz Johannisthal-Adlershof bezeichnet, dann aber seit der Eröffnung mit dem Namen Flugplatz Johannisthal festgeschrieben. Das belegen die Flugplatzhefte, Topografische- und Ansichtskarten, veröffentlichte Flugplatzskizzen, Presseveröffentlichungen der damaligen Fach- zeitschriften und auch die Berichterstattungen durch die „B. Z. am Mittag“. Auf diesem Flugplatz sind die großen nationalen und internationalen Flugwochen abgehalten worden.
Der zweite deutsche Flugplatz lag etwas weiter von Berlin entfernt als Johannisthal, dafür aber direkt neben der Bahn, bei Bork i. d. Mark. Die Flugfeldfläche von 50 Hektar stellte im Frühjahr 1909 der Erfinder und Verleger, Georg Rothgießer (1858- 1943), Hans Grade (1879-1946) für seine Flugversuche zur Verfügung und war fortan Flugplatz „Mars“ genannt. Johannisthal war wegen seiner günstigen Lage in der Nähe von Berlin und der zwei Bahnhöfe Johannisthal und Adlershof für Schau- und Wettflüge geeigneter. Der Flugplatz „Mars“ hatte den Vorzug, dass er sehr eben und glatt war und daher für Anfänger in der Fliegekunst zum Lernen sehr geeignet erschien. Auch die ruhige Lage war hierfür kein Nachteil.1
1910 wurden dann noch in der Nähe von Berlin die Flugplätze Schulzendorf und Teltow errichtet. Später kamen weitere Flugfelder, Flugplätze und Flughäfen dazu.
Der Motorflug entwickelte sich
Der preußische Politiker, Kriegs- und Marineminister, Generalfeldmarschall Albrecht Theodor Emil Graf von Roon (1803-1879), antwortete einmal gegenüber einem Erfinder:
„ Fliegen Sie mir von Berlin nach Potsdam und wieder zurück, so lege ich Ihnen die Million auf den Tisch!“2
Er erlebte es nicht mehr, dass die Wiege der Luftfahrt auf dem Flugplatz-Johannisthal stattfand und unweit davon 1893 die Roonstraße (ab 1951 Haeckelstraße) ihm zu Ehren benannt wurde.
Albrecht Graf v. Roon
Die internationale Entwicklung der Flugkunst, insbesondere in den USA und Frankreich, machten auch in Deutschland die Errichtung von Flugplätzen zwingend erforderlich.
„Die alte Rivalität zwischen Frankreich und Deutschland, der Vorsprung der sich dort deutlicher etablierenden Luftfahrt und die sich anbahnende Orientierung der Militärs auf diese neue Möglichkeit der Kriegsführung, führte zu einem sich immer stärker abzeichnenden Denkprozess auch in Deutschland. Der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich von Preußen (1862-1929), war der Luftfahrt äußerst zugetan und wurde ihr großer Förderer“.3
Er erwarb am 28. November 1910 das Pilotenzeugnis Nr. 38 bei dem Fluglehrer und Unternehmer August Euler (1866- 1957), mit dem Flugzeugführerzeugnis Nr. 1 vom 1. Februar 1910 des Deutschen Luftfahrer Verbandes (DLV).
Prinz Heinrich v. Preußen und August Euler vor einem „Euler-Zweidecker“
Es erwies sich überall als schwierig, verlassene Landstriche zu finden, auf denen in einsamer Zurückgezogenheit und unbelästigt von ungebetenen Neugierigen die ersten Flugversuche durchzuführen. Zuerst wurde auf militärische Exerzierplätze zurückgegriffen, wie das Tempelhofer Feld in Berlin oder auch Pferderennbahnen. Ein Flugfeld musste sehr groß und eben sein, sich in abgelegener Gegend befinden, um ungestört arbeiten zu können und sollte auch mit modernen Verkehrsmitteln aller Art erreichbar sein.
Die finanziellen Investitionen mussten sich rentieren. Das war nur zu erreichen, wenn die Benutzer des Flugplatzes ihre Miete zahlten und große Flugveran- staltungen vorgeführt werden, an denen Besucher gegen Eintrittsgeld teilnehmen konnten. Der Platz mußte auch so beschaffen sein, dass nicht nur Flugzeuge ihn nutzen. Auf ihm müssten Luftschiffhallen für Drachen- und Luftschiffversuche baulich möglich sein.
In Frankreich wurde weltweit der erste zivile Motorflugplatz in Betrieb genommen. In Betheny bei Reims, die Stadt im Nordosten Frankreichs, etwa 129 km von Paris entfernt, fand die erste große Flugveranstaltung in der Geschichte der Luftfahrt vom 22. bis 29. August 1909 mit dem Namen „Grande Semaine d‘Aviation de la Champagne“, später als „Reimser Flugwoche“ bekannt, statt.
Die Flugwoche wurde von der Stadt Reims und den ortsansässigen Winzern finanziert. 38 wagemutige Flugzeugführer, unter ihnen Berühmtheiten, wie der Engländer Henri Farman (1874-1954), Glenn Hammond Curtiss (1878-1930) aus den USA und der Franzose Louis Charles Joseph Blériot (1872-1936), reisten mit ihren Flugzeugen in die Champagne, um dort den mit 25.000 Franc dotierten Gordon- Bennett-Cup zu gewinnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Luftrennen, bei dem die Teilnehmer zwei Runden um einen sechs-Meilen- Kurs fliegen mussten, war der Höhepunkt der ersten Flugschau der Welt. Außerdem wurden verschiedene Wettbewerbe in den Disziplinen Geschwindigkeit, Strecken- flug, Gipfelhöhe sowie Anzahl an transportierten Passagieren ausgetragen. Etwa eine halbe Million begeisterte Besucher verfolgten die atemberaubenden Rekorde ebenso wie die häufigen Abstürze bei der „Reimser Flugwoche“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Am 20. September 1909 wurde eine weitere Flugschau in der Nähe der italienische Stadt Brescia durchgeführt.
In Deutschland wuchs dadurch noch mehr das Bedürfnis, auch Plätze haben zu wollen, wo die Konstrukteure und Bauleiter von Luftschiffen, Flugzeugen und Drachen ihre Kräfte gegeneinander messen können.
Wie kam der Flugplatz in die Orte Johannisthal und Adlershof?
Der aus Westpreußen (heute Polen) stammende Kaufmann, Flugplatzmanager, Flugzeugproduzent, Bauunternehmer, in der Maschinen- und Autobranche tätige und später alleiniger Besitzer des Flugplatzes Johannisthal, Arthur Müller (1871-1935)5, prägte ent- scheidend die Berliner Ortsteile Johannisthal und Adlershof mit seinen Industrie- und Wohnbauten.6
Sein Lebenswerk wird sehr eindrucksvoll im Buch „Ein jüdisches Familienschicksal“ (2000) beschrieben. Darin wird auch belegt, wie er den Flugplatz Johannisthal entstehen ließ und weitere Firmen (zum Beispiel die AMBI-BUDD-Werke) sich dort ansiedelten. Ihm zu Ehren ist heute auf dem ehemaligen Flugfeldgelände am alten Startplatz eine Straße benannt. Sein Interesse an der Luftfahrt erwachte schon 1906 und wurde später durch die Flugversuche der Gebrüder Orville (1871-1948) und Wilbur (1867-1912) Wright bestärkt.
Arthur Müller besaß seit 1902 eine „Feldscheunen GmbH“, die er im August 1908 in die „Arthur Müller Land- und Industriebauten AG“ umwandelte. Von nun an baute er Ballonhallen, u. a. für Parseval- und Zeppelinluftschiffe. Auf der „Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung (ILA)“ 1909 in Frankfurt/Main war sein Unternehmen vertreten und er baute auf seine Kosten die Hallen für die Ausstellung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Luftschiffhallen auf der ILA mit Werbungsaufschrift „Arthur Müller“ .
Er wurde so in der ganzen Welt bekannt und konnte Kontakte mit den Initiatoren der Luftfahrt, Luftfahrttheoretikern, Publizisten, Ingenieuren und Flugzeugführern knüpfen. Er gehörte nun auch zu den Luftfahrtpionieren, aber ohne Flugzeugführerlizenz. Arthur Müller erkannte schnell, dass die Luftfahrt mit dem Motorflug eine rasante Entwicklung nehmen wird.7
Der Direktor der ILA war der aus Marokko zurückgekehrte ehemalige Offizier der Preußischen Luftschiffertruppe Major Georg v. Tschudi (1862-1928)8. Im Herbst 1906-1908 trat er mit dem deutschen Gesandten Dr. Rosen in die Dienste des Sultans Mulay Abd al-Asiz du Maroc (1878-1943) in Fez/Marokko ein. Tschudi hatte die Geburtsjahre der Fliegerei in Deutschland nicht direkt miterlebt aber interessiert verfolgt.
Georg v. Tschudi, Aufnahme um 1908
Von Tschudi wurde Mitglied des 1907 gegründeten Deutschen Aero-Clubs, dem gesellschaftlichen Sammelpunkt der Luft- fahrtlobby.
Der Ehrenpräsident und jüngste Bruder des Kaisers Wilhelm II., Prinz Albert Wilhelm Heinrich v. Preußen (1862-1929) und als erster Präsident (rechtes Foto), Herzog Ernst II. von Sachsen Altenburg (1871-1955), standen dem Aero-Club vor.
Zu Beginn des ca. 200 Mitglieder zählenden Aero-Clubs gehörten weiterhin der Chef des Generalstabes Graf Helmuth v. Moltke (1848-1916), der Chef der Luftschifferabteilung Generalleutnant Stephan v. Nieber (1855-1920) und der Artillerieoffizier Richard v. Kehler (1866-1943)9.
Tschudi kannte Kehler und Nieber bereits seit 1894 durch seine Ausbildung in der Luftschiffer-Abteilung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Insbesondere Kehler, Tschudi und Nieber sollten später beim Aufbau des Flugplatzes Johannisthal eine wichtige Rolle spielen. Zum Beispiel war es Nieber, der Tschudi aufforderte nach Beendigung seines Vertrages als Direktor der ILA in Frankfurt am Main, ab Januar 1910 Direktor des Flugplatzes zu werden.
Arthur Müller und Georg v. Tschudi lernten sich 1906 in Amerika kennen. In seinem persönlichen Erinnerungen beschrieb v. Tschudi das so:
( … ) „Kurz bevor ich nach Amerika abreiste, sagte einer meiner Brüder10 im Scherz: Wenn du nach Amerika fährst, dann wirst du doch jedenfalls meinen Freund, den Direktor Müller, treffen, der ist auch in Amerika, gr üß e ihn von mir. Ich versprach es. Ich war eine Nacht in New York, da schrieb ich mit besagtem Direktor Müller eine Karte an meinen Bruder. Und das kam so: Ich sitze morgens in meinem Hotel mit deutschen Turnern, die mit mir auf demselben Schiff gereist waren und im gleichen Hotel wohnten, in dem großen Frühstücksraum, da fiel mir ein Herr auf, der alle Anwesenden scharf betrachtete. Vor mir blieb er stehen und sagte: Sind Sie nicht ein Herr von Tschudi? Ja, sagte ich und fügte sofort - ich weißnicht warum -hinzu: Sind Sie etwa Herr Direktor Müller? Ja, sagte er.
Woher wissen Sie, daßich hier bin? Bis jetzt wußte ich es nicht, erwiderte er, ich habe Sie auch gar nicht gesucht, sondern jemand anders.
Zu diesem Zweck sah ich auf die Liste der gestern Eingetroffenen im Hotel nach und fand zufällig Ihren Namen; bei dessen Seltenheit nahm ich an, Sie würden wohl ein Bruder meines Freundes sein, und fragte nach Ihrer Anwesenheit; man wußte nicht, ob Sie im Hause seien und wie Sie aussähen; ich solle einmal im Frühstückssaal nachsehen; das tat ich, obwohl ich ja gar nicht wußte, wie Sie aussähen; von allen anwesenden Gesichtern hatten das Ihrige die meiste Ä hnlichkeit mit Ihrem Bruder“ . ( … )11
Drei Jahre später kam es auf der Internationalen Luftfahrt-Ausstellung erneut zum Kontakt zwischen Müller und Tschudi.
Arthur Müller vertiefte die Kontakte und so erfuhr er über Tschudi von den Plänen des Luftfahrtpublizisten und Kapitän zur See a. D. Eduard von Pustau, der bereits im Herbst 1908 mit Tschudi über die Notwendigkeit der Anlage von Flugplätzen, insbesondere in Berlin, gesprochen hatte. Er setzte sich in Deutschland bisher ergebnislos für die Schaffung eines zivilen Flugplatzes ein, nachdem in Frankreich der erste Flugplatz der Welt ent- standen war.
Das war die große Stunde Arthur Müllers. Mit Tschudis Empfehlungsschreiben in der Tasche begab er sich zurück nach Berlin zu Eduard v. Pustau. Dieser hatte inzwischen jedoch sein Vorhaben aufgegeben. Es war Pustau nicht gelungen, das notwendige Gelände zu einem erschwinglichen Preis zu beschaffen. In Arthur Müller fand er einen Partner für das Flugplatz-Projekt. Das machte ihm offenbar wieder neuen Mut, denn Müller verfügte über Geld und durch sein früheres Engagement in der Landwirtschaft auch über Beziehungen ein passendes Terrain zu erwerben.“
Eduard v. Pustau
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Arthur Müller beschrieb seine Aktivitäten in einem Brief folgendermaßen:
( … ) „Ich sagte Herrn von Pustau in der ersten Unterhaltung, dass ich einen Bekannten habe, der ganz zweifellos in seinem grossen Besitz ein durchaus geeignetes und nach jeder Richtung hin günstig gelegenes Gelände hat, das ich auch sicherlich von ihm zu annehmbaren Bedingungen pacht- oder kaufweise erhalten würde.
Ich bat Herrn von Pustau nichts weiter zu unternehmen, bis er von mir in kurzer Zeit Nachricht erhalten hat.
Von Herrn Pustau fuhr ich sofort ins Landwirtschafts-Ministerium, wandte mich dort zunächst an den mir aus dem Jahre 1895 bekannten Geheimrat Ramm, welcher früher eine Professur an der landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn innehatte und auf dem Versuchsgut der Akademie Bonn Versuche mit meinem, Maiskeim-Melasse-Futter gemacht hatte.
Herr Geheimrat Ramm hatte neben seiner Stellung im Ministerium die Generalverwaltung der Domäne Dahlem, auf der ich in der Zwischenzeit auch den ersten deutschen Scheunenbau mit einer mechanischen Fuderabladung und den ersten modernen Geräteschuppen ausgeführt hatte. Ich glaubte zunächst auf der Domäne Dahlem eine geeignete Fläche erhalten zu können. Geheimrat Ramm machte mich darauf aufmerksam, dass dies wegen der schon im Ganzen befindlichen Aufteilung der Domäne nicht möglich sei und empfahl mir, mich an die Forstverwaltung zu wenden.
Hier hatte ich zu Herrn Landforstmeister Wrobel12 Beziehungen, da ich aus dessen Dezernat gerade kurz vorher für die Bedürfnisse meines Scheunenbaugeschäftes die in Ostpreussen gelegene fiskalische Sägemühle Puppen Kr. Ortelsburg gepachtet hatte. Ich begab mich von Geheimrat Ramm sofort zu Herrn Landforstmeister Wrobel, besprach die Angelegenheit mit ihm untereingehender Darstellung der Auffassung, die ich von der Zukunft und Entwicklungsfähigkeit der Flugtechnik hatte. Für Herrn Wrobel waren meine Darlegungen etwas gänzlich Neues. Er ging aber insofern auf meine Idee ein, als er wenigstens an Hand von Kartenmaterial mit mirüberlegte, wo wohl im forstfiskalischen Besitz geeignetes Gelände wäre.
Mir fiel sofort das Gelände auf, welches heute den Flugplatz Johannisthal darstellt. Herr Landforstmeister Wrobel empfahl mir, mich mit der Königlichen Oberförsterei Grünau-Dahme in Verbindung zu setzen, die Ansicht des Oberförsters festzustellen und ihm dann wieder zu berichten. Nach wenigen Tagen konnte ich diesen Bericht erstatten und nun verwies mich Herr Landforstmeister Wrobel an die zuständige Verwaltungsstelle, nämlich die Regierung Potsdam. Es fand bald darauf eine Befahrung des Geländes statt, an welcher teilnahmen: Der Oberforstmeister Freiherr von dem Bussche von der Regierung Potsdam, der Oberförster von GrünauDahme, Herr Forstmeister Werner und ich.13
Anschlußan diese Befahrung fand eine eingehende Besprechung im Wartesaal II. Klasse des Bahnhofs Johannisthal zwischen uns dreien statt, in der in grossen Zügen festgestellt wurde, unter welchen Bedingungen der Forstfiskus das Gelände pachtweise hergeben könne.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Bahnhof Nieder-Schöneweide-Johannisthal (heute Bahnhof Schöneweide) im Jahre 1909. Links der Wartesaal mit dem Bahnhofs-Restaurant und Bahnhofsgarten.
Durch eine Indiskretion des Bahnhofs-Restaurateurs, der wohl manches von unserem Gespräch gehört hatte, wurde herbeigeführt, dass am 8. März 1909 (Abendblatt) im Berliner Tageblatt und am 19. März 1909 in der Beilage „Ulk“ des Berliner Tageblattes die hier beigefügten Notizenüber mich und meine Absichten gebracht wurden.)14
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Arthur Müller erreichte die Zusage eines Pachtpreises für ein Gelände15 in Johannisthal zu einem Viertel der Kalkulation Pustaus. Dieser war von dem Erfolg so angenehm überrascht, das er Müller eine Beteiligung an einer zu gründenden Flugplatzgesellschaft zusagte.“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Am 21. Juli 1909 wurde die „Deutsche Flugplatzgesellschaft, Vorbereitungs-Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ ins Leben gerufen, die vom Kaiserlichen Reichsamt des Innern und vom Königlich Preußischen Kriegsministerium beaufsichtigt wurde. Ihr gehörten zunächst an:
Rechtsanwalt Eschenbach, Major v. Kehler, Arthur Müller, Generalleutnant z. D. v. Nieber, Kapitän z. See a.D. v. Pustau und Hauptmann a. D. Alfred Hildebrandt (1870-1949). Ab Januar 1910 trat noch Major a. D. Georg v. Tschudi offiziell hinzu.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Alfred Hildebrandt in seiner Luftschiffer-Uniform
Der Anteil von Alfred Hildebrandt am Aufbau des Flugplatzes kann nicht genau beschrieben werden. Er ist jedoch zu den sehr frühen Initiatoren der Luftfahrtenwicklung und für das Entstehen des Flugplatzes zu zählen, wenn nicht sogar der Wichtigste.
Der Publizist Hildebrandt hatte im Jahre 1897 den Freiballonführer-Ausweis Nr. 20 erworben. Zum Zeitpunkt der Vorbereitungen zur Flugplatzgründung war er Lehrer an der deutschen Luftschiffer-Lehranstalt im Berliner Luftschifferbataillon, war aktiv im „Berliner Verein für Luftschiffahrt“ tätig.
Im Jahre 1907 reiste Hildebrandt auf Kosten des Berliner Großverlegers und Eigentümer des „Lokalanzeigers“August Scherl16 als Berichterstatter in die USA, um sich von der Entwicklung der Flugtechnik zu informieren.
Der Verleger Scherl war auf den Gedanken gekommen, dass ein großer Reklamecoup für seine Zeitung sein würde, wenn er eine große öffentliche Vorführung eines Wright-Flugzeuges zustande bringen und hierzu die allgemeine Öffentlichkeit als Gäste seiner Zeitung einladen würde.
Aus dem am 18. November 1907 erschienenen Bericht Hildebrandts war zu entnehmen, dass er verschiedene Augenzeugen der Wright-Flüge in Amerika „verhörte“, die ihm übereinstimmend bezeugten, wie zuverlässig die Wrights fliegen. Zu diesen Augenzeugen gehörten der Sekretär eines Bankinstituts, ein Handwerker, ein Apotheker, ein Justizbeamter und ein Bankpräsident.
Außerdem kam er in Kontakt mit anderen fluggeschichtlich interessanten Personen und wichtigen Stellen. Aus allem, was Hildebrandt erfuhr, gelangte er schließlich zu der Überzeugung:
„Ich glaube, die Tatsache des Vorhandenseins der ersten praktisch erprobten Flugmaschine kann wohl niemand mehr ernstlich bestreiten; es ist unmöglich, dass sich so viele angesehene Leute der verschiedensten Berufsklassen und des verschiedensten Alters verabredet haben sollten, einem Erfinder zuliebe das Blaue vom Himmel herunterzulügen ( … ).“17
Aber auch dieser zeugengestützte Bericht vom Ort des Geschehens half nicht viel. „Fachleute“ in Deutschland, jedenfalls nannten sie sich so, machten Hildebrandt den Vorwurf, dass er auf einen“echt amerikanischen Bluff“ hereingefallen sei. Und das drei Jahre nach dem ersten erfolgreichen Flug der Wrights !18
„Um 1908 glichen die europäischen Kriegsministerien aufgescheuchten Bienenschwärmen. Erregt steckten die Militärs aller Länder ihre Köpfe zusammen. Es muss etwas geschehen, riefen sie. Die Leistungsfähigkeit der dynamischen Flugapparate ist unter Beweis gestellt!. Wir müssen nicht mehr untätig verharren! Wenn wir uns nicht beeilen, geraten wir ins Hintertreffen! Wir müssen uns sichern!
Das sagte auch der Lehrer der deutschen Luftschiffer-Lehranstalt, Hptm. Hildebrandt.“ 19
1908 trafen die Wrights erstmalig in der in den Pyrenäen gelegene Stadt Pau mit Hildebrandt zusammen. Dort lud er die Wrights im Auftrage des Verlegers Scherl nach Berlin ein.20 Man kam überein, dass einer der Gebrüder Wrights Ende des Jahres gegen eine ansehnliche Summe eine Anzahl Flüge in Berlin machen sollte. Die Brüder einigten sich, dass diese Berliner Flüge von Orville Wright durchgeführt werden sollten, was er auch im August 1909 auf dem Tempelhofer Feld tat.
Von der Stadt Pau zogen die Brüder Wright und ihre Schwester Katharine (1874-1929) weiter nach Italien. Hier schlossen sie mit einem weiteren Deutschen Freundschaft. Hauptmann d. R. Richard von Kehler21, den sie schon in Berlin getroffen hatten, ist extra nach Rom gereist, um mit den Wrights zu sprechen. Er teilte Ihnen mit, dass einige wohlhabende Herren gern eine deutsche Wright-Gesellschaft gründen würden. Bevor er Rom verließ, wurde ein vorläufiger Vertrag unterschrieben. Seine Bedingungen sahen vor, dass die Brüder Wright eine Summe in bar, einen Aktienanteil in der Gesellschaft und eine 10-prozentige Tantieme für jedes verkaufte Flugzeug erhalten sollten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Orville, Katharine und Wilbur Wright
Der Vertrag wurde im August 1909 in Berlin unterzeichnet. Orville Wright begann dann im September 1909 mit dem Anlernen eines Fliegers für die Deutsche WrightGesellschaft, nachdem er die mit Hauptmann Hildebrandt vereinbarte Flugvorführung auf dem Tempelhofer Feld durchgeführt hatte.
Schon am 28. Juni 1908 leitete Hildebrandt die erste öffentliche deutsche Flugvorführung des Kieler Verkehrs-vereins. Zur Enttäuschung Hildebrandts nahm daran allein der dänische erfolgreiche Uhrmacher, Erfinder und Flugzeugführer Jacob Christian Hansen Ellehammer (1871-1946) teil. Er flog nur 50 m, wobei bei der Landung ein Rad seines Drachenfliegers brach.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ellehammer
Voller Entsetzen soll sich Alfred Hildebrandt gefragt haben:
„Gibt es denn in ganz Deutschland keinen einzigen Piloten?“ 22
Nach der „Kieler Blamage“, wie der Flugtag auch genannt wurde, hatte Hildebrandt erklärt:
„Wenn es nicht anders geht, müssen wir ausländische Piloten nach Deutschland holen, damit unserem Volk die Augen geöffnet werden. Mit Veranstaltungen wie die Kieler Flugvorführung versetzen wir dem deutschen Flugwesen nur den Todessto ß“ .23
[...]
1 „Jahrbuch über die Fortschritte auf allen Gebieten der Luftschiffahrt 1911“, Ansbert Vorreiter
2 „Fliegende Menschen“, Hermann W. L. Moedebeck, Verlag von Otto Salle, 1909, Seite 4.
3 „Die Geschichte des Flugfeldes Johannisthal“, Dr. Bernd-Rüdiger Ahlbrecht, BAAG, Mai 2000.
4 Fotos Sammlung Thomas Fessler, Schweiz
5 Foto Buchumschlag
6 Siehe Heft 23 aus der Dokumentenreihe „Das Haus am Sternplatz in Berlin-Johannisthal“.
7 Heft 16 PowerPoint-Vortrag „Der Unternehmer und Visionäre Arthur Müller“, Freundeskreis Heimatgeschichte Treptow, Kauther, 2014.
8 Heft 17 aus der Dokumentenreihe „Major a. D. Georg Julius Friedrich von Tschudi“.
9 Richard von Kehler (1866-1943) war ein deutscher Luftschiffpionier, Militär, Ballonfahrer und Unternehmer.
10 Von seinen 5 Brüdern kann es nur gewesen sein: Rudolf Friedrich Carl (1851-1925), August Karl Georg Nikolaus (1853-1937), Hermann Rudolf Karl Georg (1855-1972) oder Theodor Alexander Nikolaus (1859-1925).
11 „Aus 34 Jahren Luftfahrt“ Persönliche Erinnerungen von Georg von Tschudi, Verlag von Reimar Hobbing Berlin, 1928.
12 Landforstmeister Paul Wrobel (1863-1918).
13 Dr. Ernst Gustav Freiherr von Bussche-Haddenhausen, 1863-1944, seit 1905 in der Forstverwaltung Berlin, seit 1909 Oberforstmeister, Preußischer Oberlandforstmeister und von 1919-1923 Generalforstmeister im Landwirtschaftministerium Preußens.
14 Buch: „Arthur Müller. Leben, Werk, Vermächtnis. Ein jüdisches Schicksal. Fragmente““, Monika Tatzkow und Hartmut Henicke, proprietas-verlag GmbH, Berlin 2000, Seite 30.
15 Anlage 1-Brief Pustaus vom 10. August 1909 an die Königliche Regierung Potsdam zum Pachtgelände
16 August Hugo Friedrich Scherl (1841-1921), ab 1900 „August Scherl Verlag GmbH Berlin“. Seit 1916 im Besitz des Hugenberg-Konzerns. Hildebrandt schrieb später Fachartikel für die verschiedenen Zeitungen dieses Verlages.
17 Günter Schmitt, „Fliegende Kisten von Kitty Hawk bis Kiew“, transpress Verlag 1985, Seite 27
18 ebenda
19 „Die Straße der Piloten“, C. C. Bergius, Manfred Pawlack Verlagsgesellschaft mbH, 1983, Seite 272
20 Geschichte der Raum- und Luftfahrt in Mecklenburg Vorpommern“, Peter Schubert, Verlag Redieck & Schade.
21 Richard von Kehler (1866-1943) war ein deutscher Luftschiffpionier, Militär, Ballonfahrer und Unternehmer.
22 Geschichte der Raum- und Luftfahrt in Mecklenburg Vorpommern“, Peter Schubert, Verlag Redieck & Schade.
23 ebenda
- Citation du texte
- Alexander Kauther (Auteur), Paul Wirtz (Auteur), 2011, Wie der Flugplatz zwischen Johannisthal und Adlershof entstand, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177249
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