Abstract
Der Anstieg der Einwanderungsquoten am Ende der 1980er und in der ersten Hälfte der 1990er wurde von Parteien und anderen politischen Akteuren als Migrationskrise inszeniert.
Dies verhalf insbesondere der FPÖ zu einem enormen Popularitätsgewinn, war aber auch mit internationaler Kritik und zivilgesellschaftlichen Protesten verbunden. Ersichtlich waren die Vorbehalte gegen Immigration auch und vor allem in einer sehr restriktiven rechtlichen Situation, welche zum Teil bis heute erhalten geblieben ist. Um auf die Probleme einer globalisierten Welt angemessen reagieren zu können, scheint es aber notwendig, auf liberalere Weise zu agieren.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Begrifflichkeiten und Entwicklung
Parteipolitisches Umfeld
Zivilgesellschaftliche Umbrüche
Rechtliche Reaktionen
Conclusio
Quellenverzeichnis
Einleitung
Das Ende der 1980er-Jahre ist in vielerlei Hinsicht als internationaler Wendepunkt zu sehen. In Österreich kam es im Anschluss aufgrund unterschiedlicher Faktoren zu einer folgenreichen Entwicklung, die von mancherlei Seite als „Migrationskrise“ bezeichnet wurde. Dieser kontroverse Begriff soll im Mittelpunkt meiner Seminararbeit stehen. Zu Beginn soll in kompakter Form zunächst der Begriff erklärt sowie die Ursachen der Erscheinung kurz umrissen werden. Anschließend sollen parteipolitische, zivilgesellschaftliche und rechtliche Konsequenzen erläutert werden. Dies wird aus Platzgründen auf herausragende Beispiele beschränkt. Im Zentrum steht dabei, wie der Begriff von unterschiedlichen Akteuren geprägt und inszeniert wurde. In einer abschließenden Conclusio soll kurz dargelegt werden, ob und in welchem Zusammenhang der Begriff der „Migrationskrise“ angemessen ist.
Begrifflichkeiten und Entwicklung
Eine „Migrationskrise“ im Allgemeinen soll im Folgenden definiert werden als eine durch bestimmte äußere Umstände entstandene Einwanderungssituation, welche die verfügbaren Kapazitäten der jeweiligen Nation übersteigt. Auch aufgrund dessen, dass dies schwer quantitativ zu erfassen ist, wird der Begriff der „Migrationskrise“ im gesellschaftlichen, politischen und medialen Diskurs nicht immer objektiv verwendet. Hierdurch wird schnell verständlich, weshalb der Terminus überwiegend vonseiten populistischer Gruppierungen verwendet wird.
Die erste Hälfte der 1990er-Jahre in Österreich wurde des Öfteren als eine solche „Migrationskrise“ betitelt. In dieser Zeit kam es zu einem starken Anstieg der Neuzuwanderungen und zu einer Verdoppelung der ausländischen Bevölkerung in Österreich. (Vgl. Bauböck/Perchinig, 2006: 732) Die Gründe hierfür sind nicht schwer zu erfassen. Zum Ersten erlangte Österreich nach dem Mauerfall 1989, der Auflösung der Sowjetunion 1991 und der darauffolgenden Ostöffnung schnell die Rolle eines Transit- und Aufnahmelandes für Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten. Zum Zweiten fand während jener Zeitspanne die europäische Integration Österreichs statt, welche ihren politischen Höhepunkt selbstredend im Beitritt zum Staatenverbund der Europäischen Union im Jahre 1995 hatte. Dies war nicht nur der Grund für rechtliche Veränderungen des Fremdengesetzes, sondern auch für eine, zumindest rudimentäre, Anpassung der nationalen Identität und des Verständnisses von dem Selbst und dem Fremden. Verstärkend hinzu kam der Krieg im ehemaligen Jugoslawien, welcher die Asylpolitik Österreichs vor neue Herausforderungen stellte und viele Personen aus Gesellschaft und Politik zu der Frage veranlasste, wann die Aufnahmefähigkeit des Landes erschöpft sei. Doch auch eine Veränderung der Pull-Faktoren ist offensichtlich, war die Nachfrage nach Arbeitskräften Ende der 1980er bis zum Beginn der 1990er doch stark erhöht. (Vgl. Perchinig, 2009: 235)
Entgegen der Darstellung durch einige politische Akteure war die Entwicklung natürlich weder eine besonders plötzliche, noch eine durch ausschließlich externe Faktoren bedingte. Unter Beachtung des historischen Hintergrunds wird schnell der Zusammenhang mit den insbesondere zwischen 1945 und den 1970ern intensivierten und systematisierten Gastarbeitersystemen ersichtlich. Glaubte man zum damaligen Zeitpunkt noch an eine rasche Rückkehr jener Arbeiter in die Heimat, bewirkte ein Zusammenspiel aus ökonomischen Pull-Faktoren und der simplen Tatsache, dass die Immigranten sich ein Leben und ein Beziehungsnetzwerk in Österreich aufbauten, dass mehr von ihnen im Lande blieben als erwartet. In Reaktion hierauf wurde die Einreise ins Land durch rechtliche Restriktionen erschwert, was paradoxer Weise ein zusätzlicher Anreiz für jene Personen, welche sich bereits im Lande aufhielten, war, dauerhaft zu bleiben. Andernfalls mussten sie fürchten, nach dem Aufenthalt im Heimatland nicht nach Österreich zurückkehren zu können. (Vgl. Castles, 2006: 743) Die sogenannte „Migrationskrise“ war also, in jenem größeren Zusammenhang gesehen, lediglich die Spitze des historisch gewachsenen Eisberges.
Parteipolitisches Umfeld
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die „Migrationskrise“ einerseits unmittelbar nach einer Periode parteipolitischer Umbrüche stattfand, andererseits solche Veränderungen aber auch katalysierte und bewirkte. Die Zentralität des Asyl- und Migrationsthemas veranlasste die Parteien während der 1980er und 1990er dazu, sich klarer zu positionieren. Die damals festgelegte Richtung blieb in vielen Fällen bis heute erhalten.
So wurde 1986 die Grüne Partei – Die Grüne Alternative gegründet, welche aufgrund der zeitgeschichtlichen Gegebenheiten alsbald Menschenrechts- neben Umweltthematiken in den Mittelpunkt ihrer Politik stellte. Bis heute sind Anti-Diskriminierungs-Initiativen mit Bezug auf Asylwerber, Ausländer und Österreicher mit Migrationshintergrund zentral für grünalternative Politiken geblieben.
Doch vor allem war dies die Zeit des Anstiegs der Popularität der FPÖ nach einem Führungswechsel innerhalb der Partei zu Jörg Haider, welcher in den 1980ern stattfand. Ersichtlich war dies insbesondere in den Nationalratswahlen von 1994.
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- Claudia Liebeswar (Author), 2011, Die "Migrationskrise" und ihre Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/177239
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