Das Thema „Religiosität als Phänomen des Kinderlebens“ wurde in der Literatur bis dato in sehr
umfangreichem Maße diskutiert und dargestellt.
Impulse dazu kommen nicht nur aus der Pädagogik, sondern auch aus der Psychologie,
Phänomenologie, Theologie und unzähligen Teilgebieten dieser Bereiche. In meinen
Ausführungen möchte ich mich jedoch nicht nur auf einen Bereich konzentrieren, da ich das
Thema umfassend darstellen möchte.
Teilweise ist eine klare Trennung auch nicht möglich und, wie ich finde, auch nicht
angemessen, denn Kinder bleiben Kinder. Sie sind keinem bestimmten Bereich zuzuordnen. Für Pestalozzi besteht das Glück des Menschen in der Identitätsbildung bzw. Selbstfindung.
Diese Selbstfindung bezeichnet er als „Wahrheit“. Demnach liegt der Sinn des menschlichen
Lebens darin sich zu bemühen, die Wahrheit über sich selbst, seine Beziehung zu seinen
Mitmenschen, seine Stellung in der Gesellschaft und sein Verhältnis zu Gott zu gewinnen.
Hier wird klar, welch hohen Stellenwert Pestalozzi einer Beziehung zu Gott beimisst. Für
viele Menschen spielt ein derartiges Verhältnis jedoch heutzutage entweder keine oder nur
eine untergeordnete Rolle.
Ob jedem Menschen, oder zugespitzt ausgedrückt jedem Kind vom Kleinstkindalter an eine
gewisse Religiosität innewohnt, oder ob diese nur von außen, durch Erziehung oder
Religionsunterricht, an das Kind herangetragen werden kann, dies wird hier zu Beginn zu
diskutieren sein.
Danach möchte ich auf die religiöse Entwicklung und die unterschiedlichsten Gottesbilder
bzw. –vorstellungen von Kindern eingehen. Ich werde versuchen, Parallelen und Unterschiede
verschiedener Untersuchungen herauszustellen. Zu beachten ist dabei, dass ich hier nur auf
einzelne Aspekte eingehen kann, da sonst der Rahmen gesprengt werden würde.
Anschließend werde ich einige pädagogische Konsequenzen herausarbeiten, die sich durch
diese Entwicklungstheorien ergeben.
Doch zunächst möchte ich einige erste biographische Erinnerungen an Religion und Gott
beschreiben.
GLIEDERUNG
0 VORBEMERKUNG
1 EINLEITUNG
2 ERSTE ERINNERUNGEN
3 WOHNT DEM KIND EIN RELIGIÖSES GEFÜHL INNE?
4 URSPRUNG UND ENTWICKLUNG DER RELIGIOSITÄT
4.1. PHÄNOMENOLOGISCHER ABSATZ
4.2. KOGNITIVE THEORIEN
4.3. PSYCHOANALYTISCHE ANSÄTZE
5 DIE ENTWICKLUNG DES GOTTESBILDES BEIM KIND
6 KRITIK AN DEN METHODEN ZUR GOTTESBILD-FORSCHUNG
7 PÄDAGOGISCHE KONSEQUENZEN
8 LITERATURVERZEICHNIS
0. Vorbemerkung
Das Thema „Religiosität als Phänomen des Kinderlebens“ wurde in der Literatur bis dato in sehr umfangreichem Maße diskutiert und dargestellt.
Impulse dazu kommen nicht nur aus der Pädagogik, sondern auch aus der Psychologie, Phänomenologie, Theologie und unzähligen Teilgebieten dieser Bereiche. In meinen Ausführungen möchte ich mich jedoch nicht nur auf einen Bereich konzentrieren, da ich das Thema umfassend darstellen möchte.
Teilweise ist eine klare Trennung auch nicht möglich und, wie ich finde, auch nicht angemessen, denn Kinder bleiben Kinder. Sie sind keinem bestimmten Bereich zuzuordnen.
1. Einleitung
Für Pestalozzi besteht das Glück des Menschen in der Identitätsbildung bzw. Selbstfindung. Diese Selbstfindung bezeichnet er als „Wahrheit“. Demnach liegt der Sinn des menschlichen Lebens darin sich zu bemühen, die Wahrheit über sich selbst, seine Beziehung zu seinen Mitmenschen, seine Stellung in der Gesellschaft und sein Verhältnis zu Gott zu gewinnen.
Hier wird klar, welch hohen Stellenwert Pestalozzi einer Beziehung zu Gott beimisst. Für viele Menschen spielt ein derartiges Verhältnis jedoch heutzutage entweder keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Ob jedem Menschen, oder zugespitzt ausgedrückt jedem Kind vom Kleinstkindalter an eine gewisse Religiosität innewohnt, oder ob diese nur von außen, durch Erziehung oder Religionsunterricht, an das Kind herangetragen werden kann, dies wird hier zu Beginn zu diskutieren sein.
Danach möchte ich auf die religiöse Entwicklung und die unterschiedlichsten Gottesbilder bzw. –vorstellungen von Kindern eingehen. Ich werde versuchen, Parallelen und Unterschiede verschiedener Untersuchungen herauszustellen. Zu beachten ist dabei, dass ich hier nur auf einzelne Aspekte eingehen kann, da sonst der Rahmen gesprengt werden würde.
Anschließend werde ich einige pädagogische Konsequenzen herausarbeiten, die sich durch diese Entwicklungstheorien ergeben.
Doch zunächst möchte ich einige erste biographische Erinnerungen an Religion und Gott beschreiben.
2. Erste Erinnerungen
Beginnen möchte ich mit meinen eigenen Erinnerungen. Leider sind diese nur sehr dürftig, da ich völlig atheistisch erzogen wurde. Soweit ich mich entsinnen kann, fiel bei uns nicht ein Mal das Wort „Gott“. Bis zu meinem 11. Lebensjahr dachte ich auch nie bewusst an eine höhere Macht.
Meine erste Erinnerung, die mit Religion in Verbindung stand, ereignete sich in der Schule. Ich war ca. 9 Jahre alt. Wir hatten den wöchentlichen Kunstunterricht. Eine Woche zuvor war ich krank gewesen, wusste also nicht, welches Motiv gerade gemalt werden sollte. Die Lehrerin zeigte einige Bilder von der Vorwoche und machte diverse Bemerkungen zu unterschiedlichen Maltechniken. Ich hatte solch seltsame Bilder noch nie gesehen. Etwas ungläubig fragte ich eine Mitschülerin, was diese Zeichnungen denn darstellen sollten. Sie gab mir nur zur Antwort: „Na die Arche Noah!“ Ich fragte noch einmal nach, da ich dachte, ich hätte etwas falsch verstanden, denn dieser Begriff sagte mir überhaupt nichts. Weder wusste ich, was eine Arche ist, noch wer Noah war. Doch ich bekam dieselbe Antwort, ohne Erklärung. Ihr Tonfall klang für mich, als wäre die „Arche Noah“ etwas, was man doch kennen müsste und nicht erklären bräuchte. Ich malte also eine Arche, so wie ich sie auf den Bildern von anderen Mitschülern sah, ohne zu wissen, was ich eigentlich zeichnete.
Soweit ich mich erinnern kann, fragte ich aber (leider) auch nicht meine Mutter danach. Erst als ich 1 bis 2 Jahre später durch eine Sekte an die Bibel herangeführt wurde, konnte ich mir etwas unter der Arche Noah vorstellen. Bis heute kann ich mir nicht erklären, warum mir meine damalige Mitschülerin nicht erläutern konnte, was unter diesem Begriff zu verstehen sei. Vielleicht wusste sie es ja auch nicht genau und malte ebenfalls nur das, was sie von anderen sah...
Ein zweites Beispiel möchte ich aus Friedrich Schweitzers Aufsatz „Bilder zwischen Angst und Hoffnung“ entnehmen. Er gibt dort ein Erlebnis wider, das einem kleinen Kind widerfuhr, und das m.E. viel weniger mit Religion und biblischen Geschichten zu tun hat als mein damaliges Erlebnis, dafür aber die religiöse Dimension besser zur Geltung bringt:
„Als Kind von eineinhalb Jahren wird die kleine Meta von den Großen zur Strafe in ein leeres Regenfaß gesperrt. Nachdem sie eine Weile erst laut und dann leise vor sich hin geweint hat, rutscht sie hinab auf den Boden des Fasses. „Es ist heiß und trocken im Faß. Das Holz ist alt und glänzt silbergrau. Es zieht die kleinen Hände an und lässt sich betasten und streicheln... Zartes raues Streicheln und Wärme, die unter die Haut dringt. Sie fängt an, das Holz abzuschlecken; es schmeckt vertraut und ein wenig bitter ... Das alte Faß ist brav und zum Liebhaben. Aus seinen Rissen... wachsen kleine Moospflanzen und bilden Polster für eine feuchte gekränkte Wange. Immer tiefer hinab gleitet das Kind. Jetzt liegt es auf dem Rücken. Es gibt so viel zu sehen; die eigenen bräunlichen Knie, darüber das silbrige Holz und das Fleckchen Himmel, eine tiefblaue Gasse, die nirgendwo endet. Meta reißt die Augen ganz weit auf, und die Bläue sickert in sie hinein. Das tut sie so lange, bis sie ganz dick und angeschwollen ist und der Himmel verblasst. Dieses Spiel ist nicht ganz geheuer. Vielleicht mag der Himmel nicht, dass man ihm seine Farbe wegnimmt. Meta schließt die Augen und schickt die Bläue wieder hinauf. Das ist sehr anstrengend, und sie wird müde und leer davon. Als sie endlich die Augen aufschlägt, leuchtet der Himmel wieder tiefblau. Meta ist ganz und gar getröstet...“ ² (S.80)
Dieses Kind wusste mit seinen eineinhalb Jahren wahrscheinlich nichts von der Bibel, vielleicht noch nicht einmal von Gott. Und doch war es ein religiöses Erlebnis, genauer gesagt eine Mischung aus physikalischer und religiöser Dimension. Meta spürt, wie der Himmel sie tröstet. Er nimmt hier eine beschützende Funktion ein, wie sie sonst in diesem Alter nur den Eltern innewohnt.
In der Wissenschaft wird Religion oder religiöses Erleben jedoch nur selten verstanden als „ Mit -Bedeuten und Mit -zum-Ausdruck-Bringen, das das Leben des Kindes in seinen verschiedenen Formen des Erlebens und Gestaltens begleitet“ (ebd.) Eine Definition dieser Art findet man meist nur in der Phänomenologischen Pädagogik. So bedeutet für Langeveld Religion ein Stück der Welt des Kindes. Die Religion ist neben der Sprache, der Wissenschaft u.v.m. ein Formsystem, das dem Kind festzuhalten hilft, was es entdeckt, gelernt oder begriffen hat (vgl. Langeveld 1959, S.17)
Hier wird schon deutlich, dass Langeveld stets die Erfahrungen des Kindes einbezieht. Diese werden dann z.B. anhand von Religion geordnet.
Schweitzer versteht Religion als die „Urbindung des Menschen an ein für ihn Letztes, Höchstes“ (Schweitzer 1987, S.46), als Dimension, im Sinne von „Es muss etwas anderes, höheres als die Eltern geben, da sie nicht alles wissen“.
Doch die meisten Untersuchungen zur Religion des Kindes gehen von solch einem Religionsverständnis nicht aus. Sie bestimmen Religiosität eher nach „inhaltlichen Merkmalen wie etwa der Gottesvorstellung“ (Duncker/Maurer/Schäfer 1990, S.80) und lassen wirkliche, „spontan aus der Tiefe der unbewussten Phantasie hervorbrechende religiöse Erfahrungen“ außer Acht (Nipkow/Schweitzer/Fowler 1988, S.191)
Ob auch Kinder, die noch nicht durch Erziehung oder den Religionsunterricht religiös „vorbelastet“ sind, religiöse Erlebnisse haben können, und, gilt es als nächstes zu diskutieren.
3. Wohnt dem Kind ein religiöses Gefühl inne?
„Religiöses Gefühl“ beziehe ich hier auf Erlebnisse im Sinne von Weltentstehung, einem Leben nach dem Tod, etc. Wie das Beispiel der kleinen Meta zeigte, gibt es dieses Gefühl tatsächlich. Vorausgesetzt man definiert „religiöses Gefühl“ auf diese Weise. Doch beobachtet man „übersinnliche“ Erfahrungen ohne Erziehung durch den Religionsunterricht nur sehr selten, da zum einen die heutige technisierte und schnell-lebige Welt weniger Raum für religiöse Erfahrungen bereithält, und zum anderen solche Erlebnisse nur schwer nachzuempfinden und zu belegen sind.
Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass sich auch kleine Kinder fragen, „was die Welt im Inneren zusammenhält“ (Faust I) bzw. was oder wo die letzte Kraft, die für das Leben unbedingt notwendig ist, ist.
Was der Ursprung der Religiosität ist und wie deren Entwicklung verläuft, haben unzählige Autoren und Forscher untersucht.
Im folgenden sollen nur einige wenige mit z.T. unterschiedlichsten Ergebnissen und Theorien dargestellt werden.
4. Ursprung und Entwicklung der Religiosität
Als nächstes möchte ich verschiedene Ansätze zur Religiosität von Kindern beschreiben und, soweit mir das möglich ist, sie zueinander in Beziehung setzen. Diese Ansätze stammen aus unterschiedlichen Bereichen der Wissenschaft. Aufgrund der Fülle der voneinander abweichenden Zugänge muss ich mich jedoch auf einige wenige beschränken.
4.1. Phänomenologischer Ansatz
Den einzigen Zugang, der zur Phänomenologie tendiert, fand ich bei Martin Langeveld. Jedoch bedient er sich in seinem Buch „Das Kind und der Glaube“ (1959) der Psychologie. So geht es in diesem Werk um die psychologische Ordnung von Tatsachen. „Die Psychologie beschreibt und erklärt die Phänomene als Phänomene der menschlichen Psyche“ (ebd. S.15)
Langeveld ist davon überzeugt, dass der Mensch die Möglichkeit zu einer religiösen Gesinnung hat, d.h. zu einer auf Einheit, Sinnfülle und Geborgenheit gerichteten Haltung gegenüber der Welt. Gleichzeitig macht er jedoch darauf aufmerksam, dass die religiöse Entwicklung durch die Erziehung bestimmt wird. Letztendlich heißt das, die Entwicklung würde ohne religiöse Erziehung in fundamentalen religiösen Gefühlen und Theorien stecken bleiben. Zugespitzt drückt er dies selbst so aus: „Die religiöse Entwicklung ist allein und ausschließlich eine Entwicklung auf Grund der Erziehung“ (ebd. S.78) Weiter oben erklärt er, dass auch Kinder „die Pfropfstellen für den Glauben“ enthalten (ebd. S. 13); die Erziehung müsse jedoch diese „Pfropfung“ verrichten, da sonst alles nur zufällig passiere (ebd.), denn schließlich weiß auch er, dass der Mensch nicht als Christ, Buddhist, etc. geboren wird.
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- Citation du texte
- Ines Lück (Auteur), 2001, Religiosität als Phänomen des Kinderlebens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17661
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