Das heutige Rumänien als kleine Region an der Schnittstelle von Orient und Okzident weist vielfältige kulturelle Einflüsse auf. Seit seiner Besiedlung war es meist Spielball politischer Machtinteressen und konnte somit nur schwer eine kulturelle Identität herausbilden. Das Ergebnis ist eine "kleine Kultur", deren Spezifikum einer Suche nach einem souveränen Identitätsmodell sowohl Literatur als auch Politik in ihren Dienst stellt. Daraus ergibt sich eine enge Verflechtung dieser gesellschaftlichen Bereiche, die in diesem Werk auf künstlerischer Ebene reflektiert wird. Unter der Annahme, dass rumänische Literatur vorwiegend durch Exilkünstler außerhalb des Landes wahrgenommen wird, werden zwei Exilschriftsteller vorgestellt: Der als phantastischer Romancier und Religionswissenschaftler international bekannte konservative Kulturphilosoph Mircea Eliade und der außerhalb rumänischer Landesgrenzen weitestgehend unbekannte avantgardistische Lyriker Ion Caraion. In ihrer Verankerung in gegensätzlichen rumänischen Kulturtraditionen bilden sie einen Querschnitt der rumänischen Kulturgeschichte ab. Die Arbeit untersucht daher, inwiefern sich die jeweilige gesellschaftspolitische Weltanschauung sowie der damit verbundene Ethos in der Ästhetik des literarischen Werkes vor und nach dem Gang des jeweiligen Schriftstellers ins Exil niederschlagen. Die Exilsituation wird dabei als existentielle Daseinsform des Künstlers betrachtet, die das Profil von Künstlerpersönlichkeit und Werk prägnant hervortreten lässt. Es wird das komplexe Geflecht dargestellt, dem moderne Künstler aus Osteuropa auf dem globalen literarischen Feld in politischen Systemen unterworfen sind. Am Beispiel zweier Schriftsteller wird die ästhetische Verarbeitung dessen exemplarisch aufgezeigt.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das rumänische Literaturexil 1945-1989
2.1 Begriffsgebrauch — Form und Semantik
2.2 Exilwellen
2.3 Funktionsbereiche der Exilliteratur
3. Rumänische Literatur als Teil einer „cultura minora“
3.1 Entstehungsgeschichte der rumänischen Literatur
3.1.1 Kulturelle Einflüsse im Lauf der Geschichte
3.1.2 Rumänische Literatur im Zeichen nationaler Identitätsbildung
3.2 Ethnopsychogramm
3.3 Rumänische Literatur als Teil einer „kleinen Kultur“
3.3.1 Der Begriff der „kleinen Kultur“ als Machtdiskurs innerhalb des literarischen Feldes
3.3.2 „Kleine Literaturen“
4. Odysseus auf dem Weg nach Ithaka: Mircea Eliades Weg zum „Mittelpunkt“
4.1 Positionierung Eliades innerhalb der rumänischen Kulturgeschichte
4.2 Mircea Eliade: Der „Religionswissenschaftler“
4.2.1 Die universale Religionsphilosophie Eliades
4.2.2 Das Heilige und das Profane in der modernen Welt
4.2.3 Initiation als Weg aus dem „Terror der Geschichte“
4.3 Eliades Weg in die „Eiserne Garde“
4.3.1 Die Bildung des „neuen Menschen“ aus dem Geist eines „neuen Humanismus“
4.3.2 Der „neue Mensch“ aus dem Geist des Faschismus
4.4 Mircea Eliade: Der Schriftsteller
4.4.1 Methodische Probleme eines literaturwissenschaftlichen Zugangs
4.4.2 Der autobiographische Roman
4.4.3 Der existentialistische Roman
4.4.4 Der phantastische Roman
4.5 Mythische Funktion der Literatur
4.6 Die Verarbeitung des Exils zwischen dem „Authentic Bucharestian“ und dem „Universal Man“
4.6.1 Anfängliche Mühen der Akkulturation im Pariser Exil
4.6.2 Exil als Initiationsprüfung
4.7 Exilliteratur Eliades nach 1945
4.8 Produktionsästhetik
4.9. Resümee
5. Ein linksstehender Mensch in einem „linken“ System: Ion Caraion
5.1 Biographie
5.2 Kulturpolitik der Rumänischen Volksrepublik
5.2.1 Stalinistischer Auftakt 1947
5.2.2 Das „Bukarester Tauwetter“ ab 1964
5.2.3 Die „Kleine Kulturrevolution“ 1971
5.3 Ion Caraion in der Tradition rumänischer Avantgarde
5.4 Der Umgang Caraions mit der sprachlichen Deterritorialisierung Rumäniens nach 1945
5.4.1 Die Position des Schriftstellers innerhalb der Kultur
5.4.2 Die deterritorialisierte Sprache Ion Caraions
5.4.3 Exil im Exil
5.5 Resümee
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Jeder Exilant ist ein Odysseus auf dem Weg nach Ithaka.[1]
Mircea Eliade
Die Position des Dichters ist grundsätzlich links.[2]
Ion Caraion
Das heutige Rumänien als kleine Region an der Schnittstelle von Orient und Okzident weist vielfältige kulturelle Einflüsse auf. Seit seiner Besiedlung war es meist Spielball politischer Machtinteressen und konnte somit nur schwer eine kulturelle Identität herausbilden. Das Ergebnis ist eine „kleine Kultur“, deren Spezifikum einer Suche nach einem souveränen Identitätsmodell sowohl Literatur als auch Politik in ihren Dienst stellt. Daraus ergibt sich eine enge Verflechtung dieser gesellschaftlichen Bereiche, die im Folgenden auf künstlerischer Ebene reflektiert wird.
Die vorliegende Arbeit versteht Literatur- als Kulturwissenschaft und verfolgt einen kulturgeschichtlichen Ansatz, der die exemplarische Erarbeitung verschiedener Deutungsmuster von Wirklichkeit ermöglicht.
Unter der Annahme, dass rumänische Literatur vorwiegend durch Exilkünstler außerhalb des Landes wahrgenommen wird, werden zwei Exilschriftsteller vorgestellt: Der als phantastischer Romancier und Religionswissenschaftler international bekannte konservative Kulturphilosoph Mircea Eliade und der außerhalb rumänischer Landesgrenzen weitestgehend unbekannte avantgardistische Lyriker Ion Caraion. In ihrer Verankerung in gegensätzlichen rumänischen Kulturtraditionen bilden sie einen Querschnitt der rumänischen Kulturgeschichte ab. Im Folgenden wird daher untersucht, inwiefern sich die jeweilige gesellschaftspolitische Weltanschauung sowie der damit verbundene Ethos in der Ästhetik des literarischen Werkes vor und nach dem Gang des jeweiligen Schriftstellers ins Exil niederschlagen. Die Exilsituation wird dabei als existentielle Daseinsform des Künstlers betrachtet, die das Profil von Künstlerpersönlichkeit und Werk prägnant hervortreten lässt.
Nach der Klärung des Exilbegriffs in Form und Semantik, wird zunächst eine kulturgeschichtliche Basis geschaffen, die das politisch-ästhetische Konzept „kleiner Literaturen“ u.a. soziologisch betrachtet. Auf dieser Grundlage erfolgen schließlich die Analysen der künstlerischen Werke beider Kulturproduzenten. Die Schriftsteller werden innerhalb einer Exiltypologie eingeordnet, ehe ihr jeweiliges Kapitel mit einem Resümee beschlossen wird.
Abschließend werden Mircea Eliade und Ion Caraion unter der genannten Fragestellung einander gegenüber gestellt.
2. Das rumänische Literaturexil 1945-1989
Das rumänische Literaturexil stellt innerhalb der Gruppe der sozialistischen Länder Osteuropas eine Besonderheit dar: Die Zahl der ausgewanderten Schriftsteller erreicht mit 12%[3] aller Schriftsteller den Höchststand im Ostblock bis 1989.[4]
Im nach dem Zweiten Weltkrieg sowjetisch besetzten Rumänien haben sich im Wesentlichen drei Literaturkreise ausgebildet: eine offizielle Literatur, die dissidente Literatur und eine Exilliteratur. Die Möglichkeit der Auswanderung ist demnach nur eine von mehreren Agitationsformen, die Schriftsteller als Ausdruck ihres Widerstandes gegen die Lebensund künstlerischen Schaffensbedingungen in ihrem Heimatland wählen.
Bereits in den zwanziger Jahren hat es eine Ausreisebewegung rumänischer AvantgardeKünstler gegeben, die jedoch in Motivation und Ausprägung mit derjenigen nach 1945 nicht vergleichbar ist. Die vielfältig motivierten Formen des Rückzugs aus dem Heimatland werden in der Forschungsliteratur teilweise noch immer unter dem beliebig gebrauchten Begriff der „Emigration“ subsumiert. Noch heute hat die Forschung zu keinem stringenten und differenzierten Begriffsgebrauch von Emigration und Exil für diese in Form und Semantik heterogenen Phänomene gefunden.[5]
Dem Gebrauch des Exilbegriffes und seiner Positionierung wird im Folgenden nachgegangen, indem eine Typologie des künstlerischen Widerstandes dargestellt und eingegrenzt wird.
2.1 Begriffsgebrauch — Form und Semantik
Trotz der Vielgestaltigkeit der Auswanderungsbewegungen gelten auch für die hier behandelte Ausreisebewegung rumänischer Schriftsteller aus Rumänien ins Ausland zunächst die gleichen Fragestellungen, die an jegliches Fortgehen von Künstlern aus dem Heimatland zu stellen sind. Die deutsche Osteuropaforschung profitiert dabei von der umfangreichen Forschung zu dem deutschen antifaschistischen Literaturexil der Jahre 1933-1945. Diese beiden Exilformen unterscheiden sich in Dauer und Umfang, den Organisationsformen der Exilanten untereinander, sowie der in dieser Zeit entstandenen Literatur erheblich. Dennoch ist die in den vergangenen Jahrzehnten gründlich erfolgte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Diktatur in großen Teilen auch für die hier behandelte rumänische Situation hilfreich.[6]
Die rumänische wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet hingegen ist etwa 10 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks noch sehr in ihren Anfängen begriffen. Die 2004 verstorbene Eva Behring, führende deutsche Wissenschaftlerin auf dem Gebiet rumänischer Literatur, benennt im Jahr 2002 dafür drei mögliche Ursachen:
1. Etwa zehn Jahre später ist die historische Distanz zu den 44-jährigen politischen Geschehnissen der Diktatur noch zu gering, um die verschiedenartigen Ausprägungen und Motivationen schriftstellerischen Exils differenziert wahrzunehmen.
2. Kulturhistorisch bedingte kommunistische Ideologiezwänge wirken noch heute fort und sind neuen Systematisierungsversuchen gegenüber voreingenommen.
3. Das in den 90er-Jahren aufgekommene Modernebewusstsein im rumänischen Kunstbetrieb gibt der Rezeption u.a. von Lacan, Foucault oder Derrida und der damit einhergehenden Enthistorisierung und Dezentralisierung mehr Raum und fokussiert das Postulat des prinzipiellen Sinnmangels von Texten und deren Organisationsstrukturen. Kulturhistorische Zusammenhänge bleiben im Zuge einer Abwendung von einer ideologiekritischen Hermeneutik unbeachtet.[7]
Weiterhin kann ein vierter Punkt als möglicher Grund einer mangelnden kulturhistorischen Aufarbeitung dieser Jahre ergänzt werden:
4. Das enge Verhältnis von Literatur und Politik dieser Jahre besteht in geringerem Umfang fort, so dass eine Beschäftigung mit dieser Thematik eine Deutung rumänischer Geschichte voraussetzen würde. Die Auffassung rumänischer Geschichte wird dabei als wichtiger Faktor eines stabilen Nationalbewusstseins leicht in die Nähe eines prekären Politikums gerückt.[8]
Dementsprechend findet eine differenzierte Verwendung der Begriffe Exil und Emigration auch heutzutage, etwa zwanzig Jahre nach Zusammenbruch des Ostblocks, erst allmählich Einzug in die rumänische Forschungsliteratur.
Die deutsche Exilforschung über Osteuropa hat dazu im Wesentlichen drei Definitionskriterien des künstlerischen Exilbegriffes für dieses heterogene Phänomen aufgestellt:
Erstens ist das wesentliche Merkmal dieser Gruppe der Exilanten das Kriterium der politischen Verfolgung, also die physische und psychische Bedrohung der Exilanten durch die Machtapparate der Diktatur.
Zweitens zeichnet die Gruppe der Exilanten die spezifischen Lebens- und Schaffensumstände in der Fremde aus, die höchst individuell verlaufen. Dieses Feld betrifft Fragen der Semantik des Exils. Die Exilsituation ist dabei von individuellen Faktoren wie z.B. der psychischen und physischen Konstitution, den Ausreisemotiven sowie der finanziellen Situation in der Wahlheimat geprägt. Auch die literarische Aktivität der letzten Jahre vor dem Fortgang sowie die Wahl des Ziellandes lassen ein Profil entstehen, innerhalb dessen sich eine neue kulturelle Identität herausbildet. Diese lässt sich in der Exilforschung im Wesentlichen zwischen den zwei Polen der berühmten Exilanten Ovid und Dante verorten. Diese Typologisierung des Exilcharakters erfolgt auf Basis eines Integrationskoeffizienten, der Fragestellungen wie Sprachaneignung, Produktivität im Exilland sowie der Deutung der eigenen Situation umfasst. Dabei repräsentiert der Ovidsche Exiltypus den schwer integrierten Exilcharakter, der, entfremdet und isoliert, seiner neuen Situation gegenüber keine konstruktive Einstellung einnehmen kann und mit seinem Schicksal hadert. Das Dantsche Modell hingegen öffnet sich für die neue Lebenslage und erlebt diese als Herausforderung und Bereicherung. Lebenspraktisches fällt ihm leicht, die Integration in das neue kulturelle Umfeld gelingt. Charakteristisch für beide Exiltypen ist aber ihr Bezug zum Heimatland, verbunden mit der Hoffnung, eines Tages zurückkehren zu können.
Drittens geht es schließlich um die Frage der künstlerischen Verarbeitung der Exilsituation. Welchen Stellenwert das Schreiben in einer, wenn auch privilegierten Fremde einnimmt, ist Bestandteil der Frage nach dem Grad der künstlerischen Akkulturation und des Weiterbestehens der Künstlerexistenz. Dabei wird noch zu klären sein, ob sich eine der Exilliteratur eigentümliche Ästhetik ausmachen lässt.
Äußere repressive Umstände geben demnach die Auswanderungsbedingungen vor und damit auch die spezifische künstlerische Problematik, die eine Exilsituation ausmacht. Diese unterscheidet sich somit von einer frei gewählten Emigration, in der sich die Künstler die neuen Lebensbedingungen relativ problemlos aneignen, wobei kein Konflikt mit der bisherigen kulturellen Identität einhergeht. Der Wunsch nach einer dauerhaften Rückkehr besteht meist nicht. Von einer Emigration kann beispielsweise bei den Auswanderungsbewegungen der rumänischen Avantgarde zwischen den Weltkriegen gesprochen werden. Künstler wie Tristan Tzara streben einen künstlerischen Kulturwandel ausdrücklich an; die rumänische Kultur gilt ihnen als zu beschränkt und imitativ. Nach ihrer Ankunft im Exilland, meist Frankreich, gliedern sie sich schnell in die dortige Kultur ein, gehen damit in die dortige Literaturgeschichte ein und werden somit nicht mehr als Kulturrepräsentanten Rumäniens wahrgenommen.
Die Notwendigkeit einer präzisen Differenzierung der beiden Auswanderungssituationen macht die 1945 in Deutschland entfachte Debatte über Schriftsteller deutlich, welche schweigend im Land geblieben waren oder die mit verdeckten Techniken arbeiteten, wie z.B. dem Versetzen von alltäglichem totalitärem Vokabular in neue Kontexte, um widerständiges Gedankengut zu transportieren. Friedrich Thieß erfindet für diese Autoren die neue Kategorie der „inneren Emigration“, d.h. des mehr oder minder lautlosen geistigen Widerstandes. Im Gegensatz dazu wirft er großen Schriftstellern, die zuvor ins Ausland geflohen waren, Illoyalität vor.[9] Das Modell der „inneren“ und „äußeren Emigration“ macht die moralische Dimension der Begrifflichkeiten deutlich, wobei die neue Kategorie der „inneren Emigration“ kontroverse Diskussionen auslöst.[10]
Das Phänomen der Emigration nach innen findet auch innerhalb der Osteuropaforschung vereinzelt Anwendung; relevanter für die widerständige Literatur innerhalb eines Landes und deren Forschung ist allerdings der Dissens. Darunter wird eine auf politische sowie gesellschaftliche Veränderung abzielende Widerstandsbewegung verstanden, die, im Gegensatz zu der Exilbewegung, im Land agiert. Dissidenten beziehen durch ihre persönliche Lebenshaltung und ihr Werk aktive Stellungnahme gegen das Regime. Diese organisierte Artikulationsform umfasst einen eigens aufgebauten Kommunikationskreislauf, der sich staatlicher Kontrolle und Zensur zu entziehen versucht. Ihr Ziel ist es, das staatliche Informationsmonopol zu brechen und Meinungsfreiheit einzufordern, wobei sie die aktive Solidarisierung mit Gleichgesinnten im In- und Ausland anstreben. Auch Künstler, die in ihren unpolitischen Werken ihren intellektuellen Nonkonformismus ausdrücken, werden von der Staatsmacht diesem Kreis zugeordnet, da sie sich außerhalb einer vorgegebenen Kunstdoktrin bewegen.[11]
Dementsprechend vielfältig sind die innerhalb dieser Gruppierungen entstandenen Kunstwerke, die eine stete Interaktion innerhalb des Kommunikationsfeldes mit der ausländischen Exilliteratur aufrechterhalten. Ergebnisse dieser Künstlerbewegungen in Osteuropa sind der inländische Sami%dat, im Inland illegal hergestellte und verbreitete widerständige Literatur, und Tamizdat,[12] im Inland illegal hergestellte Bücher, die im Ausland gedruckt und verbreitet werden.[13]
Die am Weitesten verbreitete Forschungsmeinung dazu ist, dass Rumänien die einzige Ausnahme innerhalb der osteuropäischen Dissensbewegung bilde, die keine autonomen Gruppierungen in dissidentischem Sinn ausbilden konnte. Demnach sind sowohl Samizdat als auch Tamizdat praktisch nicht vorhanden.[14] Das Beispiel der Bürgerrechtsbewegung des Literaten Paul Goma, der die Menschenrechtsbewegung der Charta ’77 in Rumänien anführt, beweist, dass das Gegenteil der Fall war. In einem Akt der Solidarisierung mit tschechischen und slowakischen Bürgerrechtlern konstituiert Goma, dessen im Inland verbotene Werke bereits im Westen erscheinen, eine Gruppe von Menschenrechtlern, die das Ziel verfolgen, die rumänische Regierung mit legalen Mitteln und unter Berufung auf die Verfassung sowie auf internationale Vereinbarungen zur Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte zu bewegen. Dazu veröffentlicht er mehrere Offene Briefe, unter anderem an Pavel Kohut, in dem er auf „dasselbe Fehlen der Grundrechte, dieselbe Verhöhnung der Menschen, [...] Armut, wirtschaftliches Chaos, Demagogie, Unsicherheit, Terror“[15] in allen Ostblockstaaten hinweist. Ein weiterer Offener Brief wurde im März 1977 an den Staatspräsidenten Ceaucescu mit den genannten Forderungen, unterzeichnet durch 180 Menschen, die damit zugleich ihren Ausreiseantrag stellen, eingereicht. Der dritte Offene Beschwerdebrief richtet sich schließlich an die Teilnehmerstaaten der Belgrader KSZE-Nach- folgekonferenz,[16] in dem acht rumänische Bürger Beschwerde gegen die Regierung ihres Landes führen.[17] Die Reaktion auf dieses Protestschreiben bewegt sich zwischen Toleranz und Terror.[18]
Der Fall Gomas macht den individuellen und fließenden Verlauf jeglicher Definitionen widerständigen Verhaltens deutlich. Zu Beginn der stalinistischen Ära nach 1947 ist es nahezu unmöglich, in organisierten Gruppen im Untergrund zu agieren. Dennoch gibt es eine individuell geartete, aus verschiedenen Positionen erwachsene Widerstandshaltung gegenüber dem Gesellschaftssystem des Sozialismus, die eine Gegenkultur hervorbringt, der auch Ion Caraion zuzuordnen ist.
2.2 Exilwellen
Den oben genannten Kriterien zufolge lassen sich die betroffenen Exilanten, die vor ihrer Auswanderung meist im Land Widerstand geübt haben, nicht als homogene Gruppe beschreiben. Bereits das Kriterium der Notwendigkeit eines politischen Exils durch die physische und psychische Bedrohung verweist auf einen engen Bezug zu konkreten (kultur-) politischen Geschehnissen. Das rumänische Regime dieser Zeit zeichnet sich zwar durchgehend durch eine Verbreitung von Angst und Terror aus, jedoch gibt es einen durch politische Umbrüche verursachten Wechsel von Phasen der Liberalisierung, strenger Reglementierungen und Phasen großer Widersprüchlichkeit der kulturpolitischen Führung. Anhand dieser politischen Umbrüche lassen sich drei große Wellenbewegungen literarischen Exils ausmachen:
Erste Exilwelle der Jahre 1944-1949: Bereits im Sommer 1944 zeichnet sich ein grundlegender politischer Umbruch ab. Vor allem den Sympathisanten der 1941 zerschlagenen, jedoch in ihrer Ideologie weiterwirkenden faschistischen Legionärsbewegung, den Anhängern des mit Hitler verbündeten Antonescu-Regimes sowie den Monarchisten unter den Schriftstellern zeigt sich die Notwendigkeit einer baldigen Ausreise immer deutlicher: An- tonescu wird 1944 gestürzt, Rumänien erklärt Deutschland den Krieg und tritt auf die Seite der UdSSR über. Schriftsteller im diplomatischen Dienst, darunter Mircea Eliade, kehren meist aus dem Ausland nicht nach Rumänien zurück. Als Anhänger der faschistischen Partei „Eiserne Garde“ und späterer Diplomat unter faschistischer Führung hätte eine Rückkehr in das sowjetisch besetzte Land sehr wahrscheinlich seinen Tod bedeutet.[19]
Eine kleinere Gruppe demokratisch und sozialistisch gesinnter Exilschriftsteller und Intellektueller wartet zunächst die politischen Entwicklungen ab, die durch eine Liberalisierungsphase mit nach langer Zeit der Unterdrückung wiedergewonnenen Freiheiten der Meinung, Presse und Künste eine neue Ära einzuleiten scheinen.[20]
Nach den von den Westalliierten geforderten Wahlen, die zunächst zu Ungunsten der Kommunistischen Partei ausfallen und darum zu gefälschten Ergebnissen führen, wird schließlich mit der Ausrufung der Rumänischen Volksrepublik am 30. Dezember 1947 die Herrschaft der von der UdSSR installierten Kommunisten besiegelt. Nach dem damit verbundenen Abschluss des Friedensvertrages setzt eine besonders radikale kulturelle, politische sowie wirtschaftliche Stalinisierung ein. Schriftsteller, die noch auf freiheitliche Verhältnisse im Land hofften, versuchen spätestens jetzt, sich in Sicherheit zu bringen, indem sie von nun an schweigen, sich an die ideologischen Vorgaben anpassen oder ins Exil fliehen. Der 1957 niedergeschlagene ungarische Aufstand macht schließlich deutlich, dass die sowjetische Besatzung keine vorübergehende Situation ist.[21]
Zweite Exilwelle %u Beginn der 1970er-Jahre: Nach der „Tauwetter“-Periode ab 1964 unter dem neuen Staatspräsidenten Nicolae Ceaucescu ruft dieser im Jahr 1971 die „Kleine Kulturrevolution“ aus, die einen radikalen Rückschritt zu den strikten literarischen Vorgaben der stalinistischen 1950er-Jahre fordert. Schriftsteller, die sich während der liberalen Phase frei äußern, werden zunehmend bedroht.[22]
Die dritte Auswanderungswelle der 1980er-Jahre: Während sich in allen anderen Ländern des Ostblocks[23] die 1980er-Jahre eine Lockerung totalitärer Strukturen abzeichnet, etablieren sich in Rumänien weiterhin Extrembedingungen in allen Gesellschaftsbereichen, die eine hohe Anzahl an Intellektuellen sowie Wissenschaftlern zu einer Ausreise nötigen. Wissenschaftlich sowie kulturell isoliert sich Rumänien zunehmend auch innerhalb des sozialistischen Auslandes: Ein Austausch der Schriftsteller in Konferenzen und Symposien wird zunehmend unmöglich.[24]
2.3 Funktionsbereiche der Exilliteratur
Aufgrund der weiter bestehenden Bindung des Exilanten an sein Heimatland Rumänien weitet sich die Exilsituation zumeist in verantwortungsvoller Einflussnahme auf die Situation im zurückgelassenen Land aus. So setzt nach Kriegsende unter den ausgewanderten Schriftstellern eine öffentliche Polemik gegen die Sowjetisierung der rumänischen Gesellschaft und Kultur ein. Die staatlich verordnete Abwertung der rumänischen Tradition in Kunst und Kultur führt unter den Exilanten zu dem erklärten Ziel, „die lebendige Verbindung zur rumänischen Sprache, Kunst und Kultur“[25] zu bewahren.
Demnach beansprucht das literarische Exil stets für sich, Repräsentant der „wahren rumänischen Literatur“[26] zu sein. Extreme Ansichten sind der Meinung, die Entscheidung für das Exil sei die einzige Möglichkeit der authentischen Bewahrung und Fortführung des Nationalen. Tatsächlich leisten rumänische Exilschriftsteller durch ihr Schaffen in Freiheit wichtige Beiträge zur rumänischen Nationalliteratur, was einen relevanten Anhaltspunkt für ihre heutige Einordnung in den rumänischen Kanon darstellt.[27]
Insgesamt können nach Pfeifer vier Funktionen rumänischer Exilliteratur ausgemacht werden:
1. Die ersten zwei Jahrzehnte nach dem Krieg stehen die kulturelle und literarische Traditionspflege im Vordergrund, um gegen das Vergessen und die Abwertung nationaler Traditionen anzugehen. Es werden in Rumänien verbotene Texte moderner Autoren wie Ion Barbu in Exilzeitschriften wie z.B. die in München erscheinende Revista Scriitorilor R.omâni (Zeitschrift rumänischer Schriftsteller) der Rumänischen Akademischen Gesellschaft. Exilautoren knüpfen zudem in ihrem Werk an literarische und geistige Traditionen Rumäniens an.[28]
2. Eine zweite Funktion von Exilliteratur stellt die polemisch diskutierte jüngste Geschichte sowie Gegenwartssituation im Heimatland dar. Dabei werden beispielsweise die sozialistische Entwicklung des Landes sowie die Haftbedingungen in Arbeitslagern und Gefängnissen in Lyrik und Prosa verarbeitet.[29] Damit ist eine persönliche Verarbeitung aber auch eine Veröffentlichung der Missstände verbunden.
3. Als dritte Funktion kann das ästhetische Experiment gelten. Exilanten können neue Formen und Inhalte aus rumänischer Perspektive erproben und damit einen wichtigen Beitrag zur Nationalliteratur leisten.[30]
4. Ebenso verhält es sich mit ideengeschichtlichen und künstlerischen Entwicklungen, die nun frei zugänglich sind. Die uneingeschränkte Verarbeitung geistiger und kultureller Einflüsse können das Exilwerk bereichern. Der Umgang des Exilanten mit dieser Freiheit reicht jedoch dabei von der synthetischen Verarbeitung neuer Einflüsse mit der rumänischen Kultur bis zu ihrer totalen Ablehnung und Verharren im Rumänisch-Nationalen.[31]
Insgesamt ist der Exilbegriff als Modell in der Theorie trennschärfer als in der Realität, die er damit nur bedingt abzubilden vermag.
3. Rumänische Literatur als Teil einer „cultura minora“
Die Geschichte der rumänischen Literatur muss stets vor dem Hintergrund der geopoli- tischen Lage desjenigen territorialen Gebietes verstanden werden, das als das heutige Rumänien in den Grenzen von 1947 deklariert ist. Als kleines Gebiet an der Schwelle von Orient und Okzident war Rumänien zumeist Spielball politischer Interessen der Großmächte und im Zuge dessen besetzt und — auch kulturell — fremdbestimmt. Im Folgenden wird gezeigt, unter welchen Umständen sich die rumänische Kultur herausgebildet hat und welche Einflüsse auf sie einwirkten.
3.1 Entstehungsgeschichte der rumänischen Literatur
Der Bereich der rumänischen Literaturgeschichtsschreibung vereint zwei Problemfelder rumänischer Kultur: Zum einen die politisch vereinnahmte rumänische Geschichtsschreibung und zum anderen die sich an der Geschichte ausrichtende Literatur an der Schnittstelle von politischer Abhängigkeit und künstlerischem Schaffen. Daher soll zunächst die rumänische Geschichte und ihre kulturelle Verarbeitung kurz dargestellt werden, ehe deren Einflüsse auf die rumänische Literatur untersucht werden.
3.1.1 Kulturelle Einflüsse im Lauf der Geschichte
„Rumänien ist Geographie, nicht Geschichte“[32]
Emil Cioran
Die rumänische Geschichte ist eng an die geographische Lage des Landes geknüpft, die verschiedene Großmächte strategisch für sich zu nutzen wissen. So sind die Daker, das ursprüngliche Volk auf heutigem rumänischem Gebiet, romanischen sowie slawischen Kultureinflüssen[33] massiv ausgesetzt. In welchem Umfang dies für die romanischen Einflüsse der Fall ist, ist historisch ungeklärt. Das Thema wird als Glaubensfrage gehandhabt, die Meinungen spalten sich dabei in die zwei Lager der Kontinuitätstheorie und der Immigrationstheorie.
Der Ursprung der rumänischen Nation wird auf die Synthese zwischen Dakern und Römern zurückgeführt. Dabei wird die Kontinuitätstheorie vertreten, die besagt, dass der römische Kaiser Traian in den Jahren 101 bis 106 das Dakerreich eroberte. Die entstandene Provinz „Dacia Traiana“ besteht 170 Jahre, bis sich die Römer im Jahr 271 zurückziehen. Was während der 170-jährigen römischen Besatzung mit den Dakern geschieht, ist historisch nicht ausreichend belegt. Die Kontinuitätstheorie geht davon aus, dass die Daker in dieser Zeit romanisiert werden. Abgezogen würden nur Angehörige des Militär- und Verwaltungsapparates, während die dako-romanische Bevölkerung übrig bliebe.[34]
Demgegenüber steht die Immigrationstheorie, die davon ausgeht, dass die Vorfahren der heutigen Rumänen erst gegen Ende des ersten Jahrtausends im Zuge der Ausweitung des bulgarischen Zarenreiches aus der südlichen Donauebene gen Norden wanderten. Etwa zeitgleich fand die ungarische Landnahme der Donautiefebene statt, die im 13. Jahrhundert mit der Einnahme Siebenbürgens ihren Höhepunkt hatte. Die Daker seien dabei zuvor von den Römern teilweise vernichtet, teilweise in andere Provinzen übersiedelt wor- den.[35]
Die beiden Theorien vertreten also unterschiedliche Positionen über die ursprüngliche Herkunftskultur des heutigen rumänischen Volkes.[36] Die Frage nach den Wurzeln einer romanischen Hochkultur[37] oder einer slawischen bäuerlichen Herkunft[38] stellt demnach auch heute noch ein empfindliches Thema im Hinblick auf die Konstitution einer nationalen Identität dar.
Die im vierten Jahrhundert einsetzende Christianisierung fördert schließlich die Bindung an die lateinisch-christliche Welt, wobei sich die traditionellen Elemente heidnischen Glaubens darin integrieren. Nach der Wanderung germanischer, finno-ugrischer und tur- ko-tatarischer Volksstämme durch das Land, lassen sich im sechsten und siebten Jahrhundert verschiedene Slawenstämme auf dakischem Gebiet nieder und bringen dabei bäuerliche Lebensformen in die ursprüngliche Hirtenkultur ein, wodurch der spätere Feudalstaat erst ermöglicht wird. Es findet also eine gegenseitige Assimilation mit einer Slawisierung der Dako-Romanen und einer Romanisierung der Slawen statt. Im 11. Jahrhundert intensivieren sich die Beziehungen zu Ostrom, als Byzanz das erste Bulgarenreich unterwirft und dabei auch rumänische Gebiete unter byzantinische Herrschaft geraten, was auch kulturelle Spuren hinterlässt. Durch die osmanische Besatzung werden seit dem 15. Jahrhundert orientalische Elemente verstärkt in alle Bereiche der volkstümlichen Kunst aufgenommen und bleiben in den Gebieten Moldau und Walachei für mehrere Jahrhunderte bestehen. Siebenbürgen durchläuft dieselben Prozesse unter ungarischer Oberhoheit.[39] Während Siebenbürgen seit dem 13. Jahrhundert zu Ungarn gehört und somit 1689 Teil der habsburgischen Monarchie wird, werden die beiden Fürstentümer Walachei und Moldau zwischenzeitlich bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts von rumänischen Fürsten regiert. Ab 1711 bzw. 1716 setzt das Osmanische Reich die Fanariotenherrschaft[40] in beiden Fürstentümern durch. Im Zuge dieser Besatzung werden Bodenschätze und Rohstoffe ausgebeutet, wobei erneut eine Orientalisierung der Alltagskultur, von der Kleidung bis hin zu den Bräuchen, stattfindet. Erst 1821 leitet Tudor Vladimirescu eine Revolution gegen die Fremdherrschaft an, die zwar niedergeschlagen wird, es jedoch schafft, das fanariotische Regime abzulösen. Einige Jahre später werden verfassungsmäßige Regierungen in den kleinen Staaten errichtet.[41]
3.1.2 Rumänische Literatur im Zeichen nationaler Identitätsbildung
Die Entwicklung der rumänischen Literatur verläuft in den jeweils von verschiedenen Mächten besetzten Gebieten Siebenbürgen und den Donauprovinzen unterschiedlich. Die von Preußen und Habsburg stark beeinflussten Siebenbürger Latinisten integrieren die
„deutschen“ Kultureinflüsse unproblematisch, wohingegen den Donaugebieten die italienische und französische Kultur durch das Phanariotische Regime mit Gewalt aufgezwungen wird. Die für letztere befreiende Revolution Vladimirescus lässt erstmals ein Nationalbewusstsein im Land entstehen, das eine kulturelle Emanzipation einleitet.
Das Rumänische wird als Unterrichtssprache in den Schulen eingeführt, Zeitungen und Literatur finden zunehmend Verbreitung. Dabei ist es jedoch, wie Stiehler festhält,[42] ein Irrtum, dass die Fanariotenherrschaft eine kulturelle Stagnation Rumäniens bedeutete, wie die rumänische Geschichtsschreibung zumeist schreibt. Von der Bildungspolitik unter den gebildeten Griechen profitierte das Land enorm. Vor allem auf literarischem und sprachlichem Gebiet wird die spätere, an Frankreich angelehnte Weiterentwicklung der Schriftsprache vorbereitet.[43] Die Epoche der Phanarioten ist vor allem eine der Rezeption, in der zahlreiche italienische und französische Klassiker in die griechische Sprache übersetzt wurden. Die Ausbildung an den großen Akademien werden weltlich, so dass erstmals zeitgenössische Philosophie, Geschichte, Geographie, Physik, Chemie und Astronomie gelehrt werden. Stiehler betrachtet daher die Phanarioten als erste Europäer, was jedoch in der rumänischen Geschichtsschreibung nicht anerkannt werde.[44]
Wie sehr das Verständnis von Geschichte und Kultur nicht zuletzt das Selbstwertgefühl des Volkes einer kleinen Nation prägt, drücken vor allem Schriftsteller und andere Künstler öffentlich aus. Der Schriftsteller Emil Cioran ist dabei einer der radikalsten Gegner der vorherrschenden Kulturentwicklung Rumäniens. Der Freund Eliades wendet sich nach seiner Ausreise nach Frankreich gänzlich von seinem Heimatland ab und bezeichnet es als „Zweite-Klasse-Land“[45] mit einer „Zweite-Klasse-Kultur“,[46] dem er „die Bevölkerung Chinas und das Schicksal Frankreichs“[47] wünscht. Diffuser polemisch vorgetragener Hass trifft dabei auf eine Vergötterung Rumäniens. Dieser innere Widerspruch darf wohl zugleich als Sinnbild einer rumänischen Mentalität gelten, die sich unter dem Komplex einer unterentwickelten Kultur zu behaupten versucht. Dieser Umstand ist einer wechselhaften Geschichte geschuldet.[48]
Aufgrund ihrer identifikatorischen nationalen Identitätsstiftung ist die rumänische Literaturgeschichtsschreibung auch nach 1989 ein stetes Politikum im Instrumentarium wechselnder ideologischer Demagogien. Eine Rolle, aus der sich die Literaturgeschichte erst etwa zehn Jahre nach Zusammenbruch des Ostblocks allmählich emanzipiert.
Bei der Geschichtsauslegung scheiden sich in Rumänien die Geister. Unter der Ceaujis- tischen Diktatur wird Geschichtsbewusstsein in Form des die Geschichte überhöhenden Ethnohistorizismus vorgegeben. Dabei wird eine kontinuierliche glorreiche Vergangenheit inszeniert, die einen legitimierten staatlichen Rahmen sowie ein nationales Bewusstsein er- schafft.[49] Dieser Ethnohistorizismus ist osteuropaweit eine tragende Säule des ethnonatio- nalistischen Nationsverständnisses. Darin drückt sich ein Anspruch aus, der aus einem Mangel entsteht: Die „Geschichte der Rumänen“,[50] wie historiographische Gesamtdarstellungen oft genannt werden, soll eine geistige Einheit sowie eine territorial zusammengehörige Nation suggerieren und damit einen gravierenden Mangel an nationaler Identität kompensieren. Denn die tatsächliche Geschichte Rumäniens ist von steten Belagerungen verschiedener Kulturen und damit verbundener Demütigung geprägt. Rumänien wird dabei Teilhaber an zwei Zivilisationssphären, der lateinisch-hellenischen und slawisch-byzantini- schen.[51] Eben diese Kulturen „zivilisieren“ das einstige Hirtenvolk und bringen es mit Hochkulturen in Berührung. Obwohl das erste Textdokument in rumänischer Sprache[52] — in kyrillischen Lettern — auf das 16. Jahrhundert datiert ist, kann sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich eine souveräne rumänische Literatur entwickeln. Die historische Entwicklung einer souveränen Aneignung dieser „höheren“ Kulturen unter Einbezug eigener ursprünglicher Traditionen kommt erst nach dem Rückzug der türkisch-russischen Besatzung auf, als die neue rumänische Regierung zahlreiche Übersetzungen aus dem französischen und deutschen Sprachgebiet ins Rumänische fördert, um eine eigene Nationalliteratur zu formen und anzuleiten. Der Fokus liegt dabei auf der Nachahmung „literarisch hochwertiger Titel“, die vor allem durch politische Führungspersonen in dem Sinne einer Förderung des Nationalbewusstseins, vorangetrieben wird.[53]
Mit der rumänischen Rezeption der von Johann Gottfried Herder postulierten Sprach- nation und den damit verbundenen Nationalliteraturen ist bald auch ein nationalistisches Programm der Reinheit von Sprache, Kultur und Rasse verbunden. Literatur sowie Pressewesen kommen dabei eine wesentliche Funktion bei der historischen Konstituierung der Nation zu. Die Verbreitung beider Medien führt zur Festigung eines Nationalbewusstseins, so dass man sagen kann: Die Bildung der Nation erfolgte durch nationale Bildung.[54]
3.2. Ethnopsychogramm
Die Volksliteratur ist in Rumänien nach wie vor weit verbreitet. Vor allem der Volksmythos Miorita[55] zeichnet sich durch seine archaischen und vorchristlichen Motive aus und gilt als Sinnbild für die rumänische Weltanschauung.
Miorita ist die Geschichte von zwei Hirten, die beschließen, einen dritten zu töten, um seine Schafherde in Besitz zu nehmen. Als das verzauberte sprechende Schaf Miorita davon erfährt, klärt es den dritten Hirten über den Plan der beiden Widersacher auf. Dieser versucht jedoch nicht, sich zu retten, sondern akzeptiert seinen Tod und bereitet sich auf ihn vor. Seinen Tod stellt er sich dabei als kosmische Hochzeit vor, in der „Sonne und Mondenglanz den Hochzeitskranz [hielten]“[56] und „Espe und Tanne unter der Gästeschar [waren]“.[57]
Zumeist wird das Verhalten des Schäfers in dieser Ballade als passiv und schicksalsgläubig gedeutet, doch die große Solidarität zwischen Mensch und Natur, die im Rahmen einer kosmischen Hochzeit bestehe, wird positiv hervorgehoben.[58]
Der Schriftsteller und Kulturphilosoph Lucian Blaga arbeitet in seinem Buch Spatiul mioritic (Der mioritische Raum) 1936 auf der Basis dieses Volksmythos eine eigene ethno- psychologische Theorie über das rumänische Volk aus. Zentraler Begriff ist dabei die „stilistische Matrix“, die er als selbständig wirkendes Unterbewusstes versteht, worin ethnische Charakteristika sowie die Geschichte und kulturellen Leistungen eines Volkes verborgen seien. Diese trage jede und jeder Angehörige eines Volkes in sich und präge dadurch das jeweilige Volk. Die rumänische Matrix sei demnach von einer „sophianischen Perspektive“ geprägt, dem Bestreben, das Irdische mit dem Transzendentalen zu verbinden. Zudem erkennt er in der Ballade einen Fatalismus der Rumänen, der „ohne tragischen Akzent“[59] auskommt.[60]
Mircea Eliade befasst sich ebenfalls in seiner Untersuchung über rumänische Volksmythen De Zalmoxis à Gengis-Khan mit dem Lied der Miorita. Er deutet sie auf neuartige Weise als die Antwort des Hirten auf den „Schrecken der Geschichte“.[61] Der Hirte verwandle sein Unglück in ein sakramentales Mysterium, das „ihm letztendlich erlaubt, über sein eigenes Schicksal zu triumphieren."[62]
3.3 Rumänische Literatur als Teil einer „kleinen Kultur“
Mircea Eliade und Ion Caraion wirken nach 1945 nicht nur in zwei unterschiedlichen Kulturen, sie wirken auch in verschiedenen politischen Systemen, in denen Literatur und Kunst auf spezifische Art und Weise in das gesellschaftliche Gefüge integriert werden. Um ihr künstlerisches Schaffen umfassend beurteilen zu können, ist die Betrachtung der Verarbeitung ihres soziokulturellen Umfeldes in ihrem Werk notwendig. Während Eliade die „kleine Kultur" Rumäniens nach 1945 verlässt und damit keinen künstlerischen Zwängen oder Einschränkungen mehr unterworfen ist, vollzieht sich der kreative Schaffensprozess Ion Caraions bis zu seinem Gang ins Exil im Jahr 1981 unter den totalitären Vorgaben einer Diktatur, die eine noch kleinere Kultur entstehen lässt.
3.3.1 Der Begriff der „kleinen Kultur“ als Machtdiskurs innerhalb des literarischen Feldes
Rumänische Literatur wurde bis 1989 zumeist erst durch Exilschriftsteller außerhalb des Landes wahrgenommen. Dieser Umstand liegt sowohl im internen Literaturbetrieb Rumäniens begründet, als auch in den Machtstrukturen des externen literarischen Feldes. Beide Faktoren lassen sich mit der Theorie der „kleinen Kultur" begründen. In welcher Form Exilkünstler „kleiner Kulturen" dabei auf dem ausländischen literarischen Parkett wahrgenommen werden, soll im Folgenden skizziert werden, wobei zunächst der Begriff der „kleinen Kulturen" in Frage gestellt wird. Die Chancen der Literatur innerhalb einer solchen Kultur, sich international zu behaupten, werden unter Zuhilfenahme der Theorie des literarischen Feldes von Pierre Bourdieu näher beleuchtet.
Wie bisher gezeigt, hat die geopolitiche Lage der bevölkerungsarmen[63] rumänischen Nation den kulturellen Lauf ihrer Geschichte bestimmt. Die spezifische Wechselwirkung politischer sowie kultureller Fremdbestimmung ist den Ostblockstaaten gemein, die bis in die 1990er-Jahre nahezu ausschließlich unter dem zweifelhaften Titel „kleiner Kulturen" subsumiert werden. Die an Fläche sowie Bevölkerung vorhandene geringe Größe wird dabei im Gebrauch der doppeldeutigen Begrifflichkeit der „kleinen Kultur“ mit einer „minderwertigen“ Kultur assoziiert.[64] Ein quantitatives Merkmal impliziert dabei ein qualitatives, wobei vor allem seine „naturgemäße Gegebenheit“ unter Nichtbeachtung der geschichtlichen Entwicklungen vorgegeben wird. Roland Barthes hat diesen Vorgang als moderne Mythenbildung entlarvt, wobei er den zuvor beschriebenen Vorgang als zentrales Prinzip des Mythos festhält: „[der Mythos] verwandelt Geschichte in Natur.“[65] Durch die scheinbare natürliche Gegebenheit des ausgesagten Gegenstandes wird eine Naivität der Aussage vorgegeben, die den konstruierten Mythos als Begründung anstatt als Motiv im Rezipienten wirken lässt. Die Aussage wird dadurch nicht mehr hinterfragt und erscheint zudem gänzlich unpolitisch, ohne manipulative Absicht.[66] Die Machtverhältnisse, die der hier behandelte Mythos anzeigt, werden als naturgegeben beschrieben, ihre Konstruktion wird nicht wahrgenommen. Eine mögliche Veränderung dieser Verhältnisse scheint daher unmöglich. Der hier zugrundeliegende Machtdiskurs wird nicht eröffnet, sondern verhindert und ist dadurch umso effektiver. Die Gesamtheit der rumänischen und anderer kleiner Bevölkerungen erscheint somit sowohl geistig als auch anderweitig unfähig zu höheren kulturellen Leistungen; diese Verknüpfung einer Eigenschaft mit einer Nation kann daher als Beispiel eines rassistisch motivierten Mythos bezeichnet werden.
Weiterhin ist die vorliegende Formulierung einer „kleinen Kultur“, die eine „kleine Literatur“ hervorbringt, implizit, innerhalb einer dialektischen Verknüpfung, durch ihr Gegenteil begleitet, nämlich durch das Konzept einer angenommenen Weltliteratur, die nur innerhalb einer Hochkultur entstehen kann. Diese qualitativ „höhere Kultur“ verleiht sich dabei selbst die Legitimation, literarische Hierarchien vorzugeben und diskriminiert in diesem Prozess aufstrebende „kleine Literaturen“.
Der moderne Mythos der „kleinen Kulturen“ wirkt an dieser Stelle als Instrument auf dem von Pierre Bourdieu beschriebenen literarischen Feld. Dieses intellektuelle Feld ist sowohl ein Kraft- und Machtfeld, in dem die verschiedenen Institutionen konkurrieren,[67] als auch ein dynamisches soziales Kampffeld, auf dem ständige Konkurrenzkämpfe um die Wahrung oder Veränderung bestehender Kräfteverhältnisse im Umgang mit symbolischem
Kapital stattfinden.[68] Dabei beschreibt Bourdieu zwei Lager, die verschiedene Interessen verfolgen und sich daher verschiedener Mittel bedienen: Die Orthodoxen halten in einem bestimmten Zustand des Kräfteverhältnisses das Monopol über das spezifische Kapital des jeweiligen Feldes und verfolgen demnach vorwiegend Strategien der Bewahrung. Sie verteidigen ihren Status gegenüber den Häretikern, die über geringeres symbolisches Kapital verfügen und zu subversiven Strategien neigen. Die Kapitalform des einen Feldes ist dabei nicht unmittelbar in dasjenige eines anderen Feldes überführbar, die einzelnen Felder unterliegen also realen gesellschaftlichen Autonomisierungsprozessen, die, nach Niklas Luhmann einer „funktionalen Gesellschaftsdifferenzierung“ folgend, Teilsysteme[69] bilden.[70]
In diesem Prozess der Machtaufteilung wirkt die Begrifflichkeit der „kleinen Literaturen“ als Mythos, der das Monopol über das intellektuelle Kapital der orthodoxen Gruppierung bewahren hilft.
Mircea Eliade, der nach 1945 die „kleine Kultur“ Rumäniens verlässt und in die französische wechselt, gehört ab diesem Zeitpunkt der Sprachgemeinschaft einer Weltsprache an, die Weltliteratur produziert. Dies bedeutet einen Aufstieg innerhalb der Machtstrukturen im literarischen Feld, was sich auch in der Ästhetik Eliades nach 1945 niederschlägt: Von einem aufstrebenden Provokateur, als der er in Rumänien Aufsehen erregt hatte, entwickelt er sich zu einem gemäßigteren Autor, der die Gattung des phantastischen Romans für sich besetzt. Er hat es nun nicht mehr nötig, durch die offensive Darstellung von Sex- oder Gewaltszenen auf sich aufmerksam zu machen, sondern widmet sich der Vervollkommnung des von ihm besetzten Genres. Nach Bourdieu wird er durch diesen kulturellen Szenenwechsel von einem aufstrebenden Häretiker zu einem orthodoxen Autor, der mittels Techniken der Bewahrung seinen Status fixiert und sich in den konservativen Kanon allmählich eingliedert.
Auch Ion Caraion, der sich als Avantgardist bereits durch die Wahl seiner unangepass- ten Ästhetik außerhalb eines konservativen Kanons zu positionieren versucht, steht bis zu seiner Ausreise in die Schweiz im Jahr 1981, kulturpolitisch bedingt, außerhalb des politisch vorgegebenen Kanons. Das stark begrenzte literarische Feld innerhalb der Diktatur lässt sich soziokulturell in den Kreisen des Schriftstellerverbandes verorten, in dessen Aktivitäten sich Caraion als unangepasster Künstler einbringt. Nach 1981 verlässt auch er die radikal provokative lyrische Position und nähert sich traditionellen Gattungen, wie dem Roman und dem Drama, an.
3.3.2 „Kleine Literaturen“
Während die Begrifflichkeit der „kleinen Kultur“ für den heutigen, im Hinblick auf politische Machtdiskurse sensibilisierten Leser eine diskriminierende Anmutung hat, wurde sie in ihren Ursprüngen, vor der soziologischen Entdeckung sprachlich konstruierter Machtverhältnisse, in ihrem geschichtlichen Rahmen gedacht. Die der Kultur kleiner Nationen durchaus eigene geringere Produktivität hat erstmals Franz Kafka in dem gesellschaftlichen Kontext politischer sowie kultureller Besatzung interpretiert. Dabei ist zu betonen, dass auch in ehemals dauerhaft besetzten Kulturräumen die ausgebildete „kleine Kultur“ anhält und sich somit unabhängig von einer aktuell bestehenden Besatzung weiterträgt. Kafka entwickelt dazu Ansätze einer Theorie der Situation einer Nationalliteratur unter den Existenzbedingungen kleiner Nationen, die schließlich 1976 von Gilles Deleuze und Felix Guattari im Rahmen ihrer marxistischen Kafka-Untersuchungen weiterentwickelt werden.
1911 erstmals in Franz Kafkas Tagebuchaufzeichnungen auftauchend,[71] verleiht der Schriftsteller als spontaner Theoretiker dem Ausdruck der „kleinen Literatur“ erste literatursoziologische Relevanz. Seinen Überlegungen über die tschechische und jüdische Literatur Polens folgend, fällt ihm die besondere Rolle auf, die Literatur unter Umständen der Unterdrückung für das Nationalbewusstsein des besetzten Landes einnimmt: „Literatur ist weniger eine Angelegenheit der Literaturgeschichte als Angelegenheit des Volkes.“[72] Damit benennt er ein gemeinsames Charakteristikum der Literatur kleiner Völker und Sprach- gruppen, innerhalb derer er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Prag der Habsburger Monarchie selbst wähnt, nämlich die gesellschaftliche Bedeutung, die der unterdrückten Literatur in Form der Stabilisierung einer nationalen Identität unter fremder Herrschaft zukommt. Die Gemeinsamkeit dieser ansonsten meist sehr unterschiedlichen Literaturen fände sich dabei einerseits in ihrer besonderen Position gegenüber den mächtigen Literaturen nach außen, der andererseits eine besondere Position im Inneren der jeweiligen Kultur entspricht.[73]
Während Kafka etwas romantisierend, das nationale Anliegen der „kleinen Völker“ als selbstverständlich, gerecht und faszinierend betrachtet, hat die neuere Forschung Kafkas Ideen diesbezüglich wiederentdeckt und kontrovers neu interpretiert.
So kritisieren Deleuze und Guattari im Jahr 1976 bereits den Begriff der „kleinen Literaturen und Sprachen“ aus einem marxistischen Blickpunkt heraus und schlagen den Begriff der „Minderheiten-Literatur bzw. Sprache einer Minderheit“[74] vor, wobei sie sich als Vordenker postkolonialer literarischer Theorien erweisen. Deleuze und Guattari leiten in Anlehnung an Kafkas Tagebucheintragungen drei Kennzeichen „kleiner Literaturen“ ab:
1. Die Deterritorialisierung der Sprache benennt den Schaffensumstand, unter dem Schriftsteller unterdrückter Nationen künstlerisch tätig werden müssen: der eigenen ursprünglichen Sprache beraubt zu sein und sich einer neuen vorgegebenen Sprache bedienen zu müssen. Das Ergebnis dessen ist eine Armut der Sprache, die sich im Fall des „Pragerdeutsch“ in einer inkorrekten Syntax sowie eingeschränktem Vokabular zeigt und zudem in dem falschen Gebrauch von Präpositionen, einem Missbrauch der Reflexivpronomen, der Verwendung von Aller- weltswörtern,[75] einer Häufung von Adverbien, der Verwendung einer Vielzahl von Schmerz konnotierenden Ausdrücken sowie der großen Bedeutung des Akzents für die innere Wortspannung äußert.[76]
2. Eine „kleine Literatur“ zeichnet sich weiterhin durch den notwendig politischen Charakter der Literatur innerhalb einer kleinen Nation aus. Ob sie es intendiere oder nicht, sie werde als Manifestation nationaler Identität betrachtet. Innerhalb dieser Kultur ist zudem alles politisch, die Bedingungen, um individuelle Aussagen treffen zu können, sind ungünstig.
3. Schließlich sei der kollektive Wert dieser Literatur bezeichnend. Literatur in einer kleinen Nation, die stets von Mächtigeren bedroht ist, produziere trotz ihres Skeptizismus eine aktive Solidarität.[77]
Kafka formuliert dabei in Anlehnung an die Situation der Prager Juden seiner Zeit die Sackgasse, in die Schriftsteller geraten, die unter den Bedingungen kleiner Nationen leben und arbeiten müssen: Diese Künstler bewegten sich zwischen „der Unmöglichkeit, nicht zu schreiben, der Unmöglichkeit, deutsch [in der Sprache der Besatzer] zu schreiben und der Unmöglichkeit, anders zu schreiben“.[78] Nicht zu schreiben sei unmöglich, da das schwache Nationalbewusstsein dringend auf eine eigene Literatur angewiesen sei. In der Sprache der Besatzer zu schreiben sei ebenfalls nicht möglich, da diese Sprache und Kultur deterritoria- lisiert, also fremd und künstlich auferlegt und nicht authentisch, sei.
[...]
[1] Zitiert nach Eliade, in: Barié, 26.
[2] Zitiert nach Caraion, in: Behring 1999, 122.
[3] Zitiert nach Ulici, Laurenjiu, in: Behring 2002, 19.
[4] Das Rumänische Literaturexil wird von dem rumänischen Exilverband bis zum Jahr 1996 veranschlagt. Die in diesem Verband organisierten Schriftsteller beschließen, erst in das Land zurückzukehren, wenn die kommunistischen Machthaber nicht mehr regierten. Diese Bedingung sehen sie erst im Jahr 1996 mit der Abwahl Ion Iliescus erfüllt. Auch der frühere Hofdichter Ceauçescus und Ultra-Nationalist Vadim Tudor ist nach 1989 politisch aktiv. Iliescu gewinnt erneut die Wahl im Jahr 2000, Tudor wird zweitstärkste Kraft.
[5] Eine vierte Kategorie, die der Diaspora, bezeichnet den speziellen Fall der Verfolgung religiöser oder ethnischer Gruppen und findet auf das hier behandelte schriftstellerische Exil keine Anwendung.
[6] Paraphrasiert nach Behring 2002, 9
[7] Paraphrasiert nach Behring 2002, 9.
[8] Paraphrasiert nach Verseck, 36.
[9] Paraphrasiert nach Althammer, 13. Prominentestes Beispiel ist Thomas Mann, dem Frank Thieß, dessen Bücher 1933 ebenfalls verbrannt wurden, in einem offenen Brief Fahnenflucht in die komfortable Emigration vorwirft.
[10] Paraphrasiert nach Althammer, 14.
[11] Paraphrasiert nach Pfeifer, 211.
[12] Der Terminus Samizdat ist der sowjetischen Dissidenzbewegung entnommen und bedeutet „Selbstverlag“, in Analogie dazu wurde der Begriff Tamizdat für „Dortverlag“ geprägt. Beide Termini fanden im gesamten Ostblock, mit Ausnahme Polens, Verwendung. Bekanntester Roman des rumänischen Tamizdat ist Paul Gomas Ostinato, der 1971 im Verlag Suhrkamp in Deutschland veröffentlicht wird (paraphrasiert nach Pfeifer, 213).
[13] Paraphrasiert nach IKiems, 205-207.
[14] Paraphrasiert nach IKiems, 205.
[15] Paraphrasiert nach Gabanyi, 1041.
[16] Paraphrasiert nach ebd.
[17] Paraphrasiert nach Gabanyi 1977, 1038-1040.
[18] Die regierungsnahe Zeitung Scînteia (Der Funke) bezeichnet am 18.02.1977 Teilnehmer dieser Protestaktion als „Verräter“, die „in fremdem Auftrag“ humanitäre Prinzipien verkündeten. Einige Tage später wird Goma, der seit 1973 in Rumänien nicht mehr publizieren darf, das Angebot gemacht, wieder in einer Literaturzeitschrift zu veröffentlichen. Cornel Burticä, der für Ideologiefragen zuständige ZK-Sekretär, gibt zu, dass Goma gegenüber Fehler gemacht worden seien, die er nun wiedergutzumachen versuche, wie Goma in seinem „Winter-Tagebuch“ am 3.5.1977 angibt. Zudem wird ihm versichert, eine zuvor verbotene Romanübersetzung seiner Frau zu veröffentlichen, sowie einige seiner Romane der Überprüfung einer eventuellen Veröffentlichung zuzuführen (paraphrasiert nach Gabanyi 1977, 1038-1040).
[19] Paraphrasiert nach Pfeifer, 206.
[20] Paraphrasiert nach Pfeifer, 206.
[21] Paraphrasiert nach Pfeifer, 206
[22] Paraphrasiert nach Pfeifer, 206.
[23] Neben Rumänien kann zu dieser Zeit auch Albanien als Ausnahme gelten.
[24] Paraphrasiert nach Pfeifer, 207.
[25] Zitiert nach Luceafärul, November 1948, in: Pfeifer, 207.
[26] Zitiert nach Pfeifer, 208.
[27] Paraphrasiert nach ebd.
[28] Paraphrasiert nach Pfeifer, 208f.
[29] Paraphrasiert nach Pfeifer, 210.
[30] Paraphrasiert nach ebd.
[31] Paraphrasiert nach Pfeifer, 211.
[32] Zitiert nach Cioran, in: Verseck, 146.
[33] Paraphrasiert nach Verseck, 37.
[34] Als Beleg verweisen Anhänger der Kontinuitätstheorie auf archäologische Funde auf dakischem Boden, die belegten, dass die Daker auch nach dem Abzug der Römer noch die lateinische Sprache verwendeten (para- phrasiert nach Verseck, 38).
[35] Als Argumente gegen eine dako-romanische Synthese nördlich der Donau sind fehlende Quellen über die dako-romanische Bevölkerung nach dem römischen Abzug, eine mit 170 Jahren relativ kurz bemessene Zeitspanne der römischen Besetzung, sowie die Aussagen des römischen Geschichtsschreibers Eutropius, wonach bei Ankunft der Römer in der neuen Provinz zunächst Menschen angesiedelt werden mussten.
[36] Paraphrasiert nach Verseck, 37-38. Jedoch geht Verseck im weiteren Verlauf seiner geschichtlichen Abhandlung auch von einer römischen Besetzung des dakischen Gebietes im Sinne der Kontinuitätstheorie aus, die er als gesellschaftlichen Konsens einstuft.
[37] Eva Behring, die führende Leipziger Wissenschaftlerin auf dem Gebiet rumänischer Literatur, geht in der von ihr verfassten Literaturgeschichte Rumänische Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart aus dem Jahr 1994 ebenfalls von der kontinuitätstheoretischen Geschichtsauffassung aus. Sie schreibt: „Die wegen ihres Reichtums als ,Dacia felix' bezeichnete Provinz war als Grenzgebiet des Römischen Reiches von strategischer Bedeutung. Daher wurde der Romanisierungsprozeß während der etwa einhundertsiebzigjährigen Zugehörigkeit Dakiens zum Römischen Imperium sehr nachdrücklich betrieben. Obgleich sich die Römer in den siebziger Jahren des 3. Jahrhunderts unter dem Druck innenpolitischer Instabilität und verschiedener ,Barbareneinfälle‘ aus Dakien zurückgezogen hatten, wurde das Band kultureller Gemeinsamkeit dennoch nicht durchschnitten.“ (zitiert nach Behring 1994, 13f).
[38] Die Streitigkeiten um die Ursprungsherkunft der Rumänen ging anfänglich von der rumänischen Nationalbewegung im Siebenbürgen der Habsburger Monarchie aus, die, um Ansprüche auf mehr bürgerliche und politische Rechte durchzusetzen, die Kontinuitätstheorie anführten. Auch heute flammen immer noch Debatten seitens der ungarischen Rechten auf, die ihren Anspruch auf Siebenbürgen mithilfe der Immigrationstheorie stützen wollen (paraphrasiert nach Verseck, 38).
[39] Paraphrasiert nach Behring 1994, 13-14.
[40] Fanar war ein Stadtteil von Konstantinopel, wo der Patriarch und die von ihm priviligierten Griechen lebten. Die Fanariotenherrschaft wurde von durch die Türken eingesetzten Griechen ausgeübt. Weil dieses Amt auf eine Dauer von maximal drei Jahre ausgelegt war und käuflich erworben wurde, bereicherten sie sich persönlich.
[41] Paraphrasiert nach Olärescu, 15.
[42] Vgl. Bochmann, Stiehler, 156.
[43] Paraphrasiert nach Schroeder, in: Bochmann, Stiehler, 156.
[44] Paraphrasiert nach Stiehler, in Bochmann, Stiehler, 157.
[45] Zitiert nach Cioran, in: Verseck, 146.
[46] Zitiert nach Cioran, in: Verseck, 146.
[47] Zitiert nach Cioran, in: Verseck, 146.
[48] Paraphrasiert nach Verseck, 147.
[49] Paraphrasiert nach Verseck, 37.
[50] Zitiert nach Verseck, 37.
[51] Paraphrasiert nach Behring 1994, 11.
[52] Als erstes erhaltenes Textdokument der rumänischen Sprache gilt der auf Juni 1521 datierte Privatbrief des Bojaren Neac§u an den Bürgermeister des siebenbürgischen Kronstadt Hanä§ Begner. Dieser klärt über türkische Truppenbewegungen auf der Donau in Richtung Siebenbürgen auf.
[53] Paraphrasiert nach Olärescu, 11-12.
[54] Paraphrasiert nach Wintersteiner, 56f.
[55] 1852 von Vasile Alecsandri herausgegeben, ist Miorita das am weitesten verbreitete Lied bei den Rumänen, von dem es mehr als 1000 Varianten im Land gibt.
[56] Zitiert nach Olgarescu, 30.
[57] Zitiert nach Olgarescu, 30.
[58] Paraphrasiert nach Olärescu, 30.
[59] Die Rumänen organisierten ihr Schicksal nicht selbst, sondern vertrauten auf den Wechsel von göttlichem Verhängnis und göttlicher Gnade. Dieses Prinzip glaubt Blaga in verschiedenen Formen der Volkskultur wiederzuerkennen, z.B. im überwiegenden Gebrauch von Jamben und Trochäen in der rumänischen Volksdichtung sowie der harmonischen Höhe und Weite des rumänischen Dorfes (paraphrasiert nach Verseck, 159).
[60] Paraphrasiert nach Verseck, 157-159.
[61] Zitiert nach Eliade 1982, 264.
[62] Zitiert nach Eliade 1982, 265.
[63] Rumänien hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa 10 Milionen Einwohner.
[64] Paraphrasiert nach Wintersteiner, 154.
[65] Zitiert nach Barthes, 113.
[66] Paraphrasiert nach Barthes, 113f.
[67] Die Struktur des literarischen Feldes lehnt Bourdieu in einem Verfahren kontrollierter Analogie an die religionssoziologischen Thesen Max Webers an, die dieser in Wirtschaft und Gesellschaft formuliert. Bourdieus Methodik basiert dabei auf der Hypothese der strukturellen und funktionellen Homologien zwischen den einzelnen Feldern. Jedoch betont Bourdieu, seine Theorie, im Vergleich zu Weber, an keinem ökonomischen Denk-Modus im engeren Sinn ausgerichtet zu haben, auch wenn er ebenfalls mit den gleichen Begrifflichkei- ten wie z.B. Kapital und Konkurrenz argumentiert. Vielmehr wird in seiner Theorie eine allgemeine Ökonomie der Praxis postuliert (paraphrassiert nach Jurt, 85f.).
[68] Paraphrasiert nach Jurt, 85.
[69] Zitiert nach Luhmann, in: Jurt, 85. Der Begriff des Teilsystems ist jedoch mit dem Bourdieuschen Feld nicht identisch. Der systemtheoretische Ansatz Luhmanns räumt Rangkämpfen lediglich eine „parasitäre Existenz“ ein. Bei Bourdieu hingegen bestimmen permanente Auseinandersetzungen das Feld.
[70] Paraphrasiert nach Jurt, 81-85.
[71] Paraphrasiert nach Wintersteiner, 149. Die These der „kleinen Literatur“ findet sich in dem Tagebucheintrag Kafkas vom 25.12.1911.
[72] Zitiert nach Kafka, in: Wintersteiner, 149.
[73] Paraphrasiert nach Wintersteiner, 149.
[74] Paraphrasiert nach Deleuze/Guattari, 24.
[75] Als Beispiel dient das Wort geben, das synonym für setzen, stellen, legen und abnehmen gebraucht wird, wodurch es in seinem Gebrauch intensiviert wird.
[76] Paraphrasiert nach Deleuze/Guattari, 33.
[77] Paraphrasiert nach Deleuze/Guattari, 25.
[78] Zitiert nach Kafka, in: Deleuze/Guattari, 24.
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