Im chemischen und biologischen Zusammenhang definiert sich die Membran als eine durchlässige Abgrenzung zwischen einem System und der Umwelt. Überträgt man dies wörtlich in die Architektur, klärt sich die Bedeutung:
Membrane Architektur verwendet Segel, Kissen, Folien, etc. auf verschiedene Arten um ein System abzutrennen, vor den Umwelteinflüssen – Wind, Regen, Schnee, Sonne - zu schützen, ein Territorium abzugrenzen oder ein Bestehendes zu ergänzen.
Das Tragwerk besteht beispielsweise aus Stahlstützen, Stahlseilen und dem Flächenelement Membran. Die Membran muss vorgespannt werden um eine Grundstabilität zu erreichen. Das System ist auf Zug beansprucht.
Verwendung finden Membrane unter anderem in Stadien, Platzüberdachungen, Ausstellungs-zentren, Flughäfen, Ausstellungspavillons und - darauf liegt der Fokus dieser Arbeit - als Fassade bzw. Hülle. Entsprechend der Verwendung unterscheiden sich Membrankonstruktionen stark in Größe und Art der Ausführung.
Die Membranarchitektur erfordert die Berücksichtigung des Zusammenwirkens vieler Komponenten.
Da sie das äußere Erscheinungsbild eines bestehenden Gebäudes, eines Straßenzugs oder der unmittelbaren Nachbarschaft grundlegend ändern kann, steht am Anfang die prinzipielle Ausei-nandersetzung mit der Funktion der Hülle und Fassade im Stadt- und Straßenraum bis hin zu den ihr innewohnenden Schutzfunktionen und Nutzungsmöglichkeiten.
Da bei der Thematik „Bauen mit biegeweichen Tragelementen“ alle Parameter für eine uneingeschränkte Funktionalität reibungslos ineinander greifen müssen sollte sich der Entwerfende auch mit diesen nicht direkt mit der Architekur verbundenen Themen beschäftigen. Interdisziplinäres Denken ist unerläßlich und deshalb im Hochbau eine
Grundkonstante.
Der Hauptteil der Arbeit widmet sich eingangs den Anforderungen an das Entwerfen mit Membranen. Sozusagen eine Sammlung der wichtigsten Punkte, derer sich der Entwerfende bewußt sein sollte bevor der schöpferische Prozess beginnt.
Weiters finden sich Informationen über den Aufbau von ein- bzw.
mehrschaligen Membranfassaden hinsichtlich Nutzeranforderungen bezüglich der klimatischen Umgebungsbedingungen, Wärmeschutz, akustischen Aspekten und Brandschutz sowie membranumhüllten Gebäudesystemen.
Abschliessend wird auf die möglichen Strukturen eingegangen. Eine Auswahl an gebauten Beispielen veranschaulicht die theoretischen Ausführungen.
Inhalt
1. Einführung
1.1 Fassade & Hülle im Kontext der Öffentlichkeit
1.2 Gestalten mit Membranen - eine Verbindung von Kreativität & Technik
2. Funktionen der Fassade & Hülle in der Architektur
2.1 Hochbautechnische Anforderungen aus bauphysikalischer Sicht
2.2 Fassade und Tragwerk
2.3 Ausstattungsmöglichkeiten
3. Kunststoff - materialtechnische Grundlagen
3.1 Membranwerkstoffe in Bezug auf den werkstoffgerechten Enwurf
3.1.1 Gewebe
3.1.2 Folien
4. Anforderungen an das Entwerfen mit Membranen
4.1 Formfindung und Tragverhalten
4.2 Anforderungen an das Entwerfen mit Geweben
4.3 Anforderungen an das Entwerfen mit Folien
5. Aufbau von Membranfassaden
5.1 Nutzeranforderungen bezüglich Bauphysik
5.1.1 Klimatische Umgebungsbedingungen
5.1.2 Wärmeschutzstrategien
5.1.3 Akustische Aspekte
5.1.4 Brandschutz und Brandverhalten
5.1.5 Membranumhüllte Gebäudesysteme
5.2 Die einschalige Membranfassade
5.3 Die mehrschalige Membranfassade
6. Strukturen von Membranfassaden
6.1 Modulare Strukturen
6.1.1 Form und Vorspannung
6.1.2 Gebaute Beispiele
6.2 Weit gespannte Strukturen
6.2.1 Form und Vorspannung
6.2.2 Gebaute Beispiele
6.3 Luftgestützte Strukturen
6.4 Ausblick und Vision
Literatur- und Abbildungsverzeichnis
1. Einführung
Die typischen haptischen und visuellen Eigenschaften von Kunststoff - das heißt Struktur, Textur und Faktur - können sehr interessant für den architektonischen Entwurf sein. Das Spiel mit Licht, Transluzenz oder Blickbezügen bzw. das Entgrenzen von innen und außen um damit vielfältige, wandelbare Beziehungen zu erzeugen sind mitunter das Reizvollste an dem Material Kunststoff.
Architekturtheoretisch wird mit dem Einsatz architekturfremder Materialien bzw. die Metamorphose und Verfremdung traditioneller Baustoffe mit Hilfe immaterieller Elemente wie Fotografíe eine unmittelbare, kontextunabhängige Architektursprache manifestiert. Das Material an sich ist mittlerweile zum Informationsträger avanciert. Ganz im Sinne Peter Sloterdijks nutzen Leichtigkeit, Beweglichkeit und die Vielgestaltigkeit der Kunststoffe das Verhältnis des Menschen zur Welt zu bestimmen.
In der Baubranche setzte eine erste Kunststoff-Euphorie in den späten 1950er Jahre ein. Die damalige Entwicklung brachte Häuser mit Außen- und Innenwänden oder Sanitärzellen bzw. Einrichtungen aus Kunststoff hervor.
Genau diese Veränderung führt zu einer regelrechten Revolution im Form-Material-Verhältnis, besser gesagt zu dessen Auflösung in allen Anwendungsbereichen.
Bis in die 1970er Jahre hielt diese Situation an. Kunststoffe begannen die Überfluss- und Wegwerfgesellschaft zu prägen.
Nach und nach, unterstützt durch diverse Umweltskandale, verlor das Material an Sympathien - zeitweise konnte man Kunststoff beinahe als Material non grata bezeichnen. Als naturfernes - naturfeindliches - Material rückte es immer mehr in den Hintergrund.
Bis heute haben sich die Kunststoffmaterialien und deren Verarbeitung sowie Recycling radikal verändert oder wurden gänzlich neu entwickelt.
In beinahe allen Bereichen unseres Lebens findet man Kunststoffe - als Verpackungsmaterial, in der Medizin, in Fahrzeugen, im Haushalt, in unseren Möbeln, in elektronischen Geräten aller Art, am Bau, selbst in der Landwirtschaft. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Heute muss klar sein, dass die moderne Gesellschaft nicht ohne Kunststoff existieren kann.
Der Weg zu der momentan positiven Stimmung und dem besonderen Interesse gegenüber dem Membranbau wurde von einigen Rückschlägen begleitet.
Das enge Verhältnis von Membranbau und dessen Materialien - zum großen Teil das Material Kunststoff - führte unter anderem aufgrund der bereits genannten Faktoren zu einem gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Untergang.
Probleme mit der Dauerhaftigkeit der Gebäude und die damit verbundenen Komplikationen in der Rückführung der entstandenen Abfälle in den Materialkreislauf taten ihr Übriges.
Der Wandel der Entwurfskonzepte - nicht zuletzt durch den Einsatz computerunterstützter Entwurfsmethoden - und die sich transformierende Auffassung von Architektur an sich begünstigt die Rückkehr der Kunststoffe in den sichtbaren Materialkanon der zeitgenössischen Architektur.
„Der Beruf des Architekten ist eine abenteuerliche Tätigkeit:
Ein Grenzberuf in der Schwebe zwischen Kunst und Wissenschaft, auf dem Grat zwischen Erfindung und Gedächtnis, zwischen dem Mut zur Modernität und echter Achtung der Tradition."
(Renzo Piano)
1.1 Fassade & Hülle im Kontext der Öffentlichkeit
Die Fassade oder Hülle ist einerseits Teil des Gebäudes, also die Schwelle von Außenraum / Innenraum bzw. die Trennung von öffentlich und privat / halböffentlich, andererseits Teil der Straße, des öffentlichen Raumes. Im Entwurfsprozess sind deshalb nicht nur die Auswirkungen auf den Benutzer im Gebäude - wie Belichtung, Klima oder ähnliches - zu berücksichtigen, sondern auch der städtebauliche Kontext:
Wie verändert sich das äußere Erscheinungsbild, die Wirkung des Gebäudes und des dazugehörigen Ensembles?
Wie geht der Entwerfende mit dem genius loci - der Atmosphäre eines Ortes - um?
Die Hülle bzw. die Fassade ist eine Grenze, die mit der Umwelt korrespondiert - im physischen wie im intellektuellen Sinn.
Der Architektur wohnt eine gesellschaftliche und öffentliche Dimension inne, was bedeutet, dass nicht immer die funktionale Belegung zur Diskussion steht, sondern die spezifische Stellung im städtebaulichen Kontext. Das
Volumen, die Stellung und die Fassadengestaltung bestimmen gemeinsam die Rolle des Gebäudes im Konglomerat.
Farbigkeit, Oberflächenbeschaffenheit, Plastizität, Öffnungsanteil - um nur ein paar Begriffe zu nennen - prägen das zukünftige Erscheinungsbild.
Fassaden und Hüllen sind kulturelle Bedeutungsträger, die sich teils bewusst, teils unbewusst der öffentlichen Diskussion stellen. Das Abwägen der inneren und äußeren Anforderungen muss deshalb mit großer Sorgfalt betrieben werden. Eine Fassade kann viele Haltungen widerspiegeln - beginnend mit der direkten Ablesbarkeit der inneren Struktur und Nutzung von außen bis zur absoluten Autonomie der Fassade oder Hülle zum Innenleben des Objekts.
Im Zusammenhang mit Öffentlichkeit wurde in den letzten Jahren der Begriff „Bilbao-Effekt" geprägt. Das bedeutet, dass durch die Fassade als Identitätsstifter ganze Städte bzw. ganze Stadtteile mit einem einzelnen Bauwerk aufgewertet oder zumindest geprägt werden können. Frank O. Gehry's Guggenheim Museum in Bilbao wird mehr als begehbare Skulptur begriffen und hat sich als Hülle von seinem Inhalt emanzipiert. Für Kritiker ist das Bauwerk ein weiterer Teil Gehry's Corporate Identity nach dem Motto „es wird eine Marke gekauft, die Besucher garantiert". Für die Stadt als Profiteur des Neubaus, dürfte die Rechnung aufgegangen sein.
Wie bei den meisten Themen der Architektur kann der „Bilbao-Effekt" sowohl ein identitätsraubendes als auch ein identitätsstiftendes Mittel sein. Identitätsraubend in dem Sinne dass ein Stadtviertel in eine Kulisse für das Landmark verwandelt wird, d.h. die Umgebung reagiert mehr auf den neuen Baukörper als dieser selbst. Identitätsstiftend deshalb, weil - wie im Beispiel von Valencia, die „Ciutat de les Arts i les Ciències" von Santiago Calatrava - traditionelle Bauformen oder Materialien neu interpretiert und in einem Komplex zusammengefasst werden können, der ebenfalls skulptural spektakulär ist. Anders gesagt wirkt sich der Bilbao Effekt je nach Architekturauffassung unterschiedlich auf die Identität der Umgebung aus. Diese Auseinandersetzung betrifft in sehr großem Maße die Membranarchitektur. Durch die Möglichkeit großer Spannweiten und den damit verbunden spektakulären
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Guggenheim Museum, Bilbao / Frank O. Gehr/
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Ciutat de les Arts i les Ciències, Valencia / Santiago Calatrava
Formen kann sich der Charakter eines Ortes grundlegend ändern.
Ein Beispiel ist der Urban-Loritz- Platz in Wien (Architekten Tillner & Willinger ZT GmbH)
Wo vorher U-Bahn, Autobus und Straßenbahn für Fußgänger schlecht miteinander verbunden waren, bzw. der Platz als solches im Autolärm des Neubaugürtels vollkommen unterging, markiert nun eine Membranüberdachung einen wichtigen innerstädtischen Verkehrsknoten: Eine witterungsgeschützte „Großhaltestelle" für die Fussgänger die nur durch den querenden Verkehr unterbrochen ist. Damit wurde den Fußgängern ein Zentrum an einem vom Autoverkehr dominierten Ort geschenkt.
Der „schmutzige Gürtel" wirkt durch die helle Membran gesäubert, die im Viertel dahinter liegende Stadthalle - eine der größten Veranstaltungshallen Wiens - hat nun einen würdigen Treffpunkt für die anreisenden Besucher erhalten. Die beinahe unüberwindbare Schwelle Neubaugürtel ist perforiert, der außen liegende 15. Bezirk rückt näher an die Innenstadt.
Insbesondere für Entwürfe im Bestand sind mögliche Metamorphosen des Ortes zu bedenken. Der Ansatz der vor Kurzem vom australischen Architekturbüro Laboratory for Visionary Architecture (LAVA) postuliert wurde, nämlich hässlichen Zweckbauten vergangener Generationen eine neue, schönere, ökologischere Verpackung zu geben, ist äußerst verführerisch.
Beispielhaft für deren Visionen ist der „Water Cube" in Peking. Für die Olympischen Spiele 2009 gestaltete LAVA gemeinsam mit Bauingenieuren die charakteristische blaue, leuchtende Außenhaut. In diesem Fall ist das Ergebnis ist ein klassischer Vorher-Nachher Effekt, ein gelungenes Remake.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 Schwimmsporthalle „Water Cube", Peking / LAVA - Laboratory for Visionary Arts
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Überdachung Urban-Loritz-Platz, Wien / Architekten Tillner & Willinger ZT GmbH
1.2 Gestalten mit Membranen - eine Verbindung von Kreativität & Technik
Wie Prof. Dipl. Arch. Marc Meyer, Professor für Architekturtheorie an der Hochschule für Technik Zürich, 2001 postulierte, ist eines der größten Themen in der Architektur die Oberfläche.
Materialien werden verändert, beinahe bis zur Unkenntlichkeit verfremdet - wie mittels Glasfasern „durchscheinender" Beton
- teilweise ihrer innewohnenden Bedeutung beraubt. Was einmal massiv und gewichtig war und wirkte, kann heute leicht und luftig daherkommen. Geschwungene „Betonschalen" und aufgrund ihrer Größe sehr verdichtet wirkende Stahl-Glas-Skelettbauten
- beinahe alles ist möglich.
Man kann behaupten, wir befln- den uns momentan in einer Phase in der die Materialtechnik jeden Bereich der Architektur durchdringt.
Die neue „Oberflächlichkeit" der Architektur ist mehr als bloßes Design oder „kunstvoll tätowierte Kisten"1. Die Architektur hat nach Jaques Herzog eine neue Dreieinigkeit:
Struktur - Raum - Fassade
Genau diese Dreieinigkeit hat besonders die Membranarchitektur inne.
Aber ist dieses Architekurver- ständnis wirklich neu?
Bezogen auf Membrankonstruktionen, ist das Entwerfen mit biegeweichen Tragelementen tatsächlich ein neuer Trend?
Ein Rückbesinnen auf Gottfried Sempers (1834 - 1879) Schriften zeigt, dass dem nicht so ist.
Er führt sämtliche künstlerische Techniken auf die Textilkunst zurück:
„Unter diesen beiden Künsten (Textile Kunst und Keramik; mm/ hg) gebührt aber wieder der textilen Kunst der unbedingte Vorrang, weil sie sich dadurch gleichsam als Urkunst zu erkennen gibt, dass alle Künste, die Keramik nicht ausgenommen, ihre Typen und Symbole aus der textilen Kunst entlehnten, während sie selbst in dieser Beziehung ganz selbständig erscheint und ihre Typen aus sich heraus bildet oder unmittelbar der Natur abborgt."[1]
Für Semper hat die Architekur ihren Ursprung im Pferch und im Zelt. Man könnte sagen, für ihn war Architektur eine Art von Bekleidung. Daher kommt wahrscheinlich auch seine überlieferte Überzeugung, dass die Hauptaufgabe nicht tragender Wände wäre daran Teppiche anzubringen bzw. eine Trennwand ein metaphorischer Wandteppich ist.
Während Semper teilweise in seiner Oberflächengestaltung die Nähe zur textilen Ornamentik suchte, kehrt die Membranarchitektur wieder zur Semperschen Urform der Architektur zurück. Das Membranmaterial wirkt als das was es ist: eine leichte, massearme nicht ultimative Grenze zur Umwelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Deckenansicht des Palais Keskel Oppenheim, Dresden / Gottfried Semper
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Skizze Fassadengestaltung / Gottfried Semper
Mehr als ein Jahrhundert später setzte sich die Architekten-Künst- ler-Gemeinschaft Haus-Rucker-Co (Europa) bzw. Haus-Rucker-Inc. (USA) mit textiler und biegeweicher Architekur auseinander. Insbesondere mit der Problematik:
Architektur - Habitat - Umwelt
1968 sorgte die Gruppe mit der Installation „Gelbes Herz" für Aufsehen. Man wollte die reale Umwelt für bestimmte Zeitabschnitte verlassen und sich einer neuen Art Entspannung durch die besonderen optischen und akustischen Reize im Inneren hingeben. Es ist zu erkennen, dass zwar der Einsatz von Folien und beschichteten Textilien relativ neu war - also die Materialität - der Wunsch nach einer gewissen „Ur-Geborgenheit" jedoch zählt zu den ureigenen Bedürfnissen der Menschheit. Man könnte sich fragen, ob vielleicht Architektur nicht nur Bekleidung sein kann, sondern ein Rückbesinnen in den Mutterleib. Sozusagen das vollständige „Eingehüllt-Sein".
„Rund und glatt, leuchtend, schimmernd, dick und weich - das gelbe Herz. [...] Drinnen den Regen draussen sehen und hören rundherum und trotzdem nicht nass. [...] Draussen die Hitze - schwül - und von drinnen die Sonne bloss schön, nicht heiß. [...] Die Natur neu erleben, das ist sich selbst neu erleben."[2]
Aus diesem Zitat ist die Sehnsucht nach einer haptischen und klimatischen Trennung von der Umwelt ohne die optische Verbindung zu verlieren herauszulesen. Jetzt, 42 Jahre später sind wir dank der Materialforschung und verbesserter Konstruktionsmöglichkeiten diesem Bedürfnis einen Schritt näher gekommen.
Während sich das „Gelbe Herz" dem Thema Kissenkonstruktionen annimmt, setzt sich das Projekt „Cover - Überleben in einer verschmutzten Umwelt" mit membranumhüllten Gebäudesystemen auseinander.
Das 1921 von Ludwig Mies van der Rohe kreierte Einfamilienhaus Lange erhielt 1971 eine Hülle aus weißem, beschichteten Gewebe. Die Traglufthalle überdachte auch einen Teil des mittels Terassen gegliederten Gartens.
„Im Inneren bewirkte das gleichmäßig von allen Seiten durch die Hülle gefílterte Licht eine fahle Treibhausatmosphäre, in der sich nicht nur die Pfìanzen des Gartens zu verändern begannen, sondern auch die Proportionen des Hauses selbst und seine Fassaden, die gänzlich entma- terialisiert nun flach-papieren erschienen."[3]
Beide Projekte setzen sich mit dem Schutz vor den Umwelteinflüssen auseinander. Das „Gelbe Herz" sollte dem verletzlichen Menschen die Möglichkeit geben diese unmittelbar - aber geschützt - zu erleben. Drei Jahre später wollte man sich gänzlich von ihnen trennen, da die Umwelt etwas substanziell Bedrohliches darstellte. Die Gemeinsamkeit liegt in der haptisch unüberwindbaren Grenze zur Aussenwelt, welche durch die geringe Materialmasse allerdings nicht gänzlich negiert wird.
Gesellschaft - Architektur - Mode
Weitere 30 Jahre später setzt die britische Künstlerin Lucy Orta mit dem Projekt dwelling X ein weiteres Statement zur gegenwärtigen Gesellschaft und deren Architekturauffassung.
Sie dekonstruiert die kulturelle Konstruktion des „Zuhause" bzw. des Fehlen desselben - der „Obdachlosigkeit". Ihre Arbeit basiert auf einer Fusion aus Mode und Architektur.
Mit den von ihr bevorzugten Materialien - Synthetika aller Art mit den typischen leuchtenden Farben der High-Tech-Outdoor-Mode - konstruiert sie Privatsphären und kollektive Strukturen. Die Grenzen setzt eine hoch performative Membran - im wörtlichen wie auch im übertragenden Sinn.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6, 7 „Cover - Überleben in einer verschmutzten Umwelt" / Haus-Rucker-Co „gelbes Herz" / Haus-Rucker-Co im UZS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3 Ausstellungsfoto
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4 Publikationsdokumentation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5 Modellaufnahme
Die Künstlerin vertritt die Meinung, dass in unserer, gegenwärtigen Gesellschaft der Mensch sein Zuhause mittels den gegebenen soliden und massiven architektonischen Strukturen definiert. Wird er aus diesem Kontext gerissen, verschwinden die sozialen Grenzen und verpuffen.
2004 ging Lucy Orta eine Kollaboration mit dem Ingenieurbüro Atelier One ein um das Projekt dwelling X - an dem sie seit den 1990iger Jahren arbeitete - zu materialisieren.
Es handelt sich um eine Serie von Interventionen im öffentlichen Raum. Das Ziel ist dem Betrachter und dem Benutzer Möglichkeiten zu geben sich mit Hilfe von Unterschlupfmöglichkeiten vor sozialer Bedrängnis, sozialem Leid oder einem unpassenden sozialen Umfeld zu schützen, bzw. sich davon zu abzugrenzen. Quasi eine Interpretation der legendären Siegfried'schen Tarnkappe.
Beginnend mit architektonischen Konstrukten wie ein Truck, der mit einer wild verschlungenen Konstruktion ausgestattet ist, die bei Bedarf mit einer Membran überspannt wird.
Über Zelte, die aus veschiedenen Kleidungsstücken gefertigt sind. Ärmel von Jacken dienen dem „Begreifen" der Umwelt ohne die schützende Blase zu perforieren. Bis hin zu „Body Architecture" - ein von der Künstlerin geprägter Begriff. Miteinander verbundene Schutzanzüge bilden kollektive Strukturen in denen alle gemeinsam jeder für sich bleibt und so eine doppelte Grenze zur Umgebung bilden. Die physische Grenze durch den dünnen Stoff und eine kollektiv erlebte Abgrenzung durch die Uniformierung und Verbundenheit.
Genau an dieser Stelle möchte ich einhaken, denn besser als mit Lucy Orta's Arbeit könnte man das Wesen der Membranarchitektur nicht beschreiben.
Diese Art der Architektur bedient nicht das traditionielle Architekturverständnis von Masse welche das Volumen für alle Zeiten definiert, sondern ermöglicht eine teilweise entgrenzte, jedenfalls flexiblere und physisch leichtere Architektur. Die Masse ist immer noch vorhanden, allerdings nicht mehr so sehr im physischen Sinne, sondern im Übertagenen:
Es ist eine genaue Planung mit einer Vielzahl an Experten nötig um die Vision dieser eher jüngeren Architekturauffassung zu verwirklichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8, 9, 10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11, 12 Antarctica Lucie + Jorge orta in Mailand / Projekt dwelling
2. Funktionen der Fassade & Hülle in der Architektur
Zu Beginn werden die Wörter Hülle, Fassade, Membran definiert um deren wörtliche Bedeutung in dieser Arbeit festzulegen.
Der Begriff Hülle1 bedeutet den größten Teil der Oberfläche eines Objekts mit etwas zu umschließen um es von äußeren Einflüssen abzugrenzen.
Dabei wird kein Unterschied hinsichtlich vorne, hinten, oben oder unten gemacht. Das bedeutet die Hülle ist ein zusammenhängendes System, das zwar aus mehreren Elementen bestehen kann, aber als ein homogenes Teil seine Funktion aufnimmt. Auf formale Gesichtspunkte ist diese Definition ebenso anzuwenden. Kann das umschließende System als ein Zusammenhängendes erfasst werden, so wird von einer Hülle gesprochen.
[...]
1 [Meyer & Geilinger]
2 Vgl. (Ortner, et al., 1968)
3 Vgl. (Ortner)
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.