Betrachtet man die aktuelle Ausgangslage Jugendlicher im Feld beruflicher Einmündung und hierfür die Ausbildungsmarktsituation der letzten Jahre, so verflechten sich zunehmend soziale Ungleichheit und die daraus resultierende ungleiche Chancenverteilung zu einem äußerst problematischen Bild. Bei der Suche nach Ursachen wird der Fokus in Untersuchungen meist auf die strukturelle, demographische oder individuelle Perspektive gerichtet. Dabei wird allerdings ein sehr wichtiger Faktor nicht, oder nur marginal thematisiert. Dem Einfluss der Institution Berufsschule, mit einem nicht zu verachtenden Anteil beruflicher Sozialisationsmechanismen, kommt direkt oder indirekt eine wichtige Funktion für berufliche Bildungsprozesse zu, entweder als eine Art Katalysator oder im Sinne einer Prozessbegleitung. Doch auch strukturgebend bzw. strukturbewahrend agiert sie im Gesamtsystem der Berufsausbildung. Wie bereits Bourdieu in seinem Aufsatz zur „Konservativen Schule“ zeigte – auf welchen ich mich in einem späteren Transfer eingehender beziehen werde – wird durch institutionelle Barrieren soziale Ungleichheit nicht nur verschärft, sondern regelrecht legitimiert. Eine auf Grundlage dieser Prämisse begründete Betrachtung sozialer Ungleichheit, ob als Ausgangslage oder Konsequenz beruflicher Bildung, soll die Diskussion über die Ursachen ungleich verteilter Chancen zur beruflichen, gesellschaftlichen und auch kulturellen Teilhabe um den wichtigen Faktor institutioneller Barrieren ergänzen und Anregung für umfassendere Untersuchungen liefern.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Befunde zur aktuellen Ausbildungssituation
2.1. Bezugsrahmen der Betrachtungen
2.2. Ausbildungssituation und aktuelle Entwicklungen
2.3. Überblick verschiedener Erklärungsansätze
3. Gegenüberstellung der Institutionen des allgemeinbildenden und des berufsbildenden Schulwesens
3.1. Überblick von Organisation und Struktur
3.2. Betrachtungen gemäß ausgewählter Einflussgrößen
3.2.1. Inhaltliche Struktur, Ziele und Funktionen
3.2.2. Lehrpersonal
3.2.3. Lernende
3.3. Zusammenfassende Betrachtung
4. Transfer und Erklärungsansätze
4.1. Primäre Effekte der Sozialschichtzugehörigkeit innerhalb der Schule bei Bourdieu
4.2. Verdichtete Darlegung multifaktorieller Zusammenhänge
5. Fazit und Forschungsperspektiven
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„Nun beginnt der Ernst des Lebens“, „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“. Solche undähnliche Redewendungen, bei welchen man heutzutage geneigt ist sie patriarchalen, antiquierten Werkstattmeistern zuzuschreiben, erlangen interessanterweise eine neue Art von Wahrheit, schaut man sich aktuell die Ausgangslagen und das regelrecht umkämpfte Feld beruflicher Einmündung im Zuge der Berufsausbildung an, dem sich Jugendliche gegenübergestellt se- hen. Die Betrachtung eines solchen Kontextes führt dabei schnell zur Frage nach den ver- meintlichen Chancen innerhalb eines Systems, welches nicht nur den Zugang zur Erwerbstä- tigkeit und einer daraus zumindest teilweise realisierbaren wirtschaftlichen Selbstständigkeit ermöglichen soll, sondern darüber hinaus auch wichtige allgemein-bildende und somit eman- zipatorische, integrative und auf gesellschaftliche Teilhabe ausgerichtete Funktionen erfüllen soll. Die Annahme einer Chancenverteilung deutet implizit auf eine gewisse Ungleichmäßig- keit dieser Verteilung hin, welche sich tatsächlich im Laufe sozialwissenschaftlicher Untersu- chungen der letzten Jahre immer schärfer abzeichnet. Das dem zugrunde liegende Betrach- tungsfeld der sozialen Ungleichheit, welchem ich mich in den vorliegenden Ausführungen widmen will, ist dabei meines Erachtens von besonderer Relevanz, bezieht man es auf Me- chanismen, die der essenziell wichtigen Lebenssphäre von Arbeit und Beruf entgegenstehen. Soziale Ungleichheit als global-gesellschaftliches Phänomen, spiegelt sich in dem hier ge- wähltem Fokus der Berufsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland (und eingeschränkt auch in den deutschsprachigen Nationen Österreich und Schweiz) zunächst als erschwerende Ausgangslage von Jugendlichen für den Eintritt in die Berufsausbildung an der ersten Schwel- le wider. Allerdings nunmehr auch als eine Konsequenz dieses Bildungsweges, mit negativen Auswirkungen für die Einmündung in den Beruf an der zweiten Schwelle.
Betrachtet man hierfür die Entwicklungen der Ausbildungsmarktsituation der letzten Jahre, so verflechten sich soziale Ungleichheit und die daraus resultierende ungleiche Chancenverteilung zu einemäußerst problematischen Bild für Jugendliche. Verschiedene Statistiken sind hierbei nur erste Anhaltspunkte. So zeigte sich beispielsweise eine deutliche Unterrepräsentanz Jugend- licher mit Migrationshintergrund in Ausbildungsverhältnissen, die 2008 mit knapp 32 % gegen- über 68 % auf Seiten Jugendlicher ohne Migrationshintergrund vertreten waren (vgl. Berufsbil- dungsbericht 2010) oder eine ungleichmäßige Verteilung neu abgeschlossener Ausbildungsver- träge im Jahr 2009 zwischen Frauen und Männern von 42,9 % zu 57,1 % (ebd.).
Bei der Suche nach Ursachen für die zunächst nur andeutungsweise dargestellten Entwicklun- gen und Gegebenheiten, wird der Fokus in Untersuchungen meist auf die strukturelle, demogra- phische oder individuelle Perspektive gerichtet. Dabei wird allerdings ein meines Erachtens sehr wichtiger Faktor nicht, oder wenn dann nur sehr marginal, thematisiert. Dem Einfluss der Insti- tution Berufsschule1, mit einem nicht zu verachtenden Anteil beruflicher Sozialisationsmecha- nismen, kommt direkt oder indirekt eine wichtige Funktion für berufliche Bildungsprozesse zu, entweder als eine Art Katalysator oder im Sinne einer Prozessbegleitung. Doch auch strukturge- bend bzw. strukturbewahrend agiert sie im Gesamtsystem der Berufsausbildung. Wie bereits Bourdieu in seinem Aufsatz zur „Konservativen Schule“ zeigte, auf welchen ich mich in einem späteren Transfer eingehender beziehen werde, wird durch institutionelle Barrieren soziale Un- gleichheit nicht nur verschärft, sondern regelrecht legitimiert. Eine auf Grundlage dieser Prämis- se begründete Betrachtung sozialer Ungleichheit, ob als Ausgangslage oder Konsequenz berufli- cher Bildung, soll die Diskussion über die Ursachen ungleich verteilter Chancen zur beruflichen, gesellschaftlichen und auch kulturellen Teilhabe um den wichtigen Faktor institutioneller Bar- rieren ergänzen und Anregung für umfassendere Untersuchungen liefern.
Meine Herangehensweise erhebt dabei im Folgenden keinen Anspruch auf Vollständigkeit, son- dern soll sich vielmehr - nachdem ein geeigneter Bezugsrahmen aufgezeigt und dieser anhand aussagekräftiger Daten und Erkenntnisse in seiner Brisanz erläutert wurde (Kapitel 2) - einer von weiteren denkbaren „Lesebrillen“ bedienen, um dem vernachlässigten Bereich der instituti- onellen Barrieren innerhalb der Berufsschule zu untersuchen. Hierfür wird zunächst ein Ver- gleich zwischen den Strukturen und Besonderheiten von allgemeinbildender gegenüber berufs- bildender Schulen angeführt (Kapitel 3), um mittels theoretischer Erläuterungen Bourdieus und eigener Überlegungen Einflussgrößen und Erklärungsansätze zu formulieren (Kapitel 4). In ei- nem Abschluss soll ein zusammenfassender Überblick, sowie die Benennung möglicher For- schungsperspektiven (Kapitel 5) geleistet werden.
2. Befunde zur aktuellen Ausbildungssituation
Betrachtet man den aktuellen Ausbildungsmarkt und die damit verbundene Situation Jugendlicher in der Berufsausbildung, ergibt sich ein stark ausdifferenziertes Bild. Gemäß dem begrenzten Umfang dieser Betrachtungen und angesichts der Fülle an Einflussfaktoren, scheint es mir dabei zunächst sinnvoll den Bezugsrahmen abzustecken.
2.1. Bezugsrahmen der Betrachtungen
Die innerhalb meiner hier vorliegenden Ausarbeitung thematisierten Ausprägungen sozialer Ungleichheit im Kontext der Berufsausbildung werden sich auf die zwei Merkmale der (ethnischen/sozialen) Herkunft und des Geschlechts beschränken. Ein umfassenderes Spektrum, wie es beispielsweise der Gesetzgeber im Gleichbehandlungsgesetz konstituiert und das Benachteiligung auch „aus Gründen der Rasse (...), der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (AGG § 1) begreift, wird hier nicht zum Bezugsrahmen gehören. Dies begründet sich für mich nicht auf unzureichender Relevanz oder mangelndem Interesse, sondern darauf, dass Herkunft und Geschlecht
- die zwei quantitativ am stärksten vertretenen und somit auch gewichtigsten Merkmale innerhalb der Berufsausbildung sind,
- durch ihre hohe Relevanz und die empirisch leicht zu erfassende Form, zu den statistisch am genauesten erfassten bzw. untersuchten Merkmalen gehören,
- die im Kontext der Berufsausbildung für die Akteure oft die am unmittelbarsten wahrnehmbaren und letztendlich
- die für berufliche Sozialisationsprozesse bedeutsamsten Merkmale sind.
Somit ergibt sich in der Betrachtung der Ausbildungssituation und der damit verbundenen Ausgangslage zur Berufseinmündung ein zu fokussierender Vergleich zwischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und jenen ohne diesen, sowie zwischen Frauen und Männern. Eine Differenzierung innerhalb des Merkmals Herkunft, wie es bei Bourdieu in Form von schicht- spezifischen Milieus zu verstehen ist, wird nur eingeschränkt vorgenommen. Zwar ergeben sich aus der Ethnie und der damit verbundenen Herkunft auch verschiedene Milieus, welche sich in Form eines spezifischen Habitus und unterschiedlichem Kapital (sozialer, kultureller oder ökonomischer Art)2 abzeichnen, doch kann hier eine Differenzierung im Sinne verschie- dener Bevölkerungsschichten nur an wenigen Anhaltspunkten festgemacht werden. Auf vor- liegende Untersuchungen wird somit nur unter Vorbehalt Bezug genommen.
2.2. Ausbildungssituation und aktuelle Entwicklungen
Eine grundlegende Darstellung des Berufsbildungssystems zeigt zunächst, dass etwa zwei Drit- tel aller Jugendlichen eines Altersjahrgangs in die dort angebotenen Einrichtungen einmünden (vgl. BB 2008, S. 95). Dabei verteilt sich diese Gruppe von etwa 1,6 Mio. im Jahre 2008 (vgl. BB 2010, S. 96) auf die drei großen Sektoren des dualen Systems, mit den Lernorten Betrieb und Berufsfachschule, des Schulberufssystems, mit vollzeit-schulischer Ausbildung und des Ü- bergangssystems, mit differenzierten Formen zur Berufsvorbereitung. 2008 konnten so 47,9 % Neuzugänge in das duale System, 18 % in das Schulberufssystem und 34,1 % in das Übergangs- system verzeichnet werden (vgl. ebd.).
Einfluss der ethnischen Herkunft
Wird nun der Fokus auf die unterschiedlichen Merkmale der Jugendlichen gelegt, erkennt man zunächst eine deutliche Ungleichheit in Bezug auf die ethnische Herkunft. So sind Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Berufsausbildung deutlich unterrepräsentiert und stehen 2008 den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund mit etwa 32 % zu 68 % Beteiligung gegenüber (vgl. BMBF 2010, S. 29). Der Versuch, diese Relation mit schlechteren schulischen Leistungen und daraus resultierenden geringeren Schulabschlüssen zu erklären, verliert dabei allerdings schnell an Gültigkeit, zieht man aktuelle Befunde hinzu, dass ein Jugendlicher ohne Migrations- hintergrund selbst bei gleichem Bildungsabschluss „eine rund dreimal so hohe Wahrscheinlich- keit aufweist, einen Ausbildungsplatz zu finden, als ein Jugendlicher ausländischer Herkunft“ (Diehl et al. 2008, S. 14). In direktem Zusammenhang damit steht auch die wesentlich höhere Quote derer, die in das Übergangssystem einmünden - 2008 lag diese bei 55,7 % gegenüber 31,9 % (vgl. BB 2010, S. 99) - und die dramatische Entwicklung das Berufsbildungssystem oh- ne einen qualifizierten Berufsabschluss zu verlassen - 2007 galt dies für 39,4 % gegenüber Ju- gendlichen ohne Migrationshintergrund, auf die dies nur bei 11,8 % zutraf (vgl. BMBF 2010, S. 29). Weitere Ungleichheiten lassen sich auch bei der Berufseinmündung erkennen. So zeigte eine 2005 veröffentlichte Studie, dass fast 40 % der Türkinnen und Türken im Anschluss an ihre Berufsausbildung arbeitslos bzw. arbeitssuchend sind, während dies bei nur 30 % der deutschen Jugendlichen gilt. Bei einem realisierten Berufseinstieg liegt zudem die Teilzeitbeschäftigung doppelt so hoch, wie bei den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.
Einfluss des Geschlechts
Ähnliche Ungleichheiten, allerdings mit teilweise anderen Ausprägungen, lassen sich bei der Betrachtung des Merkmals Geschlecht erkennen. Erste Anzeichen hierfür gibt die unterschiedli- che Verteilung auf die drei Sektoren des Berufsbildungssystems. So nehmen deutlich weniger Frauen eine Berufsausbildung im Zuge des dualen Systems auf - 2009 waren es nur 42,9 % ge- genüber 57,1 % bei den Männern (vgl. Damelang/Haas 2006, S. 33) - und wesentlich mehr eine Berufsausbildung im Schulsystem - 2006/2007 lag der Frauenanteil bei 66,6 % in Ausbildungs- angeboten außerhalb des BBiG/HwO3 und bei 60 % innerhalb des BBiG/HwO (vgl. BMBF 2008, S.191). Die dabei nachvollziehbare Erklärung, dass letzteres aufgrund der vorwiegend schulisch-organisierten Form der Ausbildung von Pflege- und Gesundheitsberufen begründet ist, erhält jedoch einen faden Beigeschmack, betrachtet man sich die ungleichmäßige Einmün- dungsverteilung in die anschließende Erwerbstätigkeit, die sich auf 50 % für Absolventen/-innen des dualen Systems und auf 20 % für Absolventen/-innen des Schulssystems belaufen (vgl. Beicht et al. 2008b, S. 19-23). Darüber hinaus ist ebenso eine erhöhte Abbruchquote von Ju- gendlichen in der schulischen Berufsausbildung erkennbar, welche sich auf etwa 10 % nach dem ersten, 15 % nach dem zweiten und 19 % nach dem dritten Ausbildungsjahr beläuft (vgl. ebd.).
Eine erschwerte Situation für junge Frauen ergibt sich dabei auch im dualen System selbst. So konzentrieren sich etwa drei Viertel aller Einsteigerinnen 2009 auf die 25 meist gewählten Berufe4, während bei den jungen Männern dies nur bei etwa 60 % der Fall war (vgl. BBB 2010, S. 18). Diese Ballung der Bewerberinnen auf relativ wenige Ausbildungsberufe wird folglich von einer erhöhten Konkurrenz und einer verschärften Auslesesituation begleitet sein.
Eines der gewichtigsten Anzeichen für geschlechtsspezifische Ungleichheiten ist allerdings die Ausprägung der Einkommensunterschiede innerhalb der Berufsausbildung und nach der Berufseinmündung. So sieht man, dass vor allem weiblich dominierte Ausbildungsberufe, wie Friseurinnen, Sprechstundenhelferinnen, Floristinnen oder Apothekenhelferinnen, am unteren Ende der Einkommensskala liegen, vergleicht man dies mit männlich dominierten Ausbildungsberufen (vgl. Engelbrech 1991). Hinzu kommt, dass die von Frauen häufiger gewählte Berufsausbildung im Schulssystem nicht vergütet wird und zudem meist auch nicht unerhebliche finanzielle Kosten mit sich bringt. Sind die Hürden einer finanziell be- nachteiligenden Berufsausbildung nun letztendlich überwunden und ist die Berufseinmün- dung erfolgt, sehen sich Frauen auch weiterhin einer erheblichen Ungleichheit ausgesetzt.
So zeigte sich beispielsweise 2007, dass „obwohl ein Teil der Ausbildungsabsolventinnen in den am besten verdienenden Fachkräftetätigkeiten (Krankenpflege, Bank- und Versicherungskaufleute) die Mehrheit stellt, [...] das Durchschnittseinkommen der jungen Frauen um 14 % hinter dem der jungen Männer zurück“ (BB 2010, S.113) bleibt. Zum Vergleich: Eine solche Entwicklung ist beispielsweise zwischen den Gruppen der deutschen und der ausländischen Fachkräfte insgesamt nicht zu erkennen (vgl. ebd.).
Einfluss der sozialen Herkunft
Obwohl umfassende Studien und die damit verbundenen Daten zum Einfluss der sozialen Herkunft nur eingeschränkt vorliegen, lassen sich doch auch aussagekräftige Befunde zur Auswirkung von Faktoren wie dem familialen Hintergrund (z. B. Bildungsstand und Arbeits- verhältnis der Eltern) oder den sozialen Einbindungen, auf Zugangschancen zur Berufsausbil- dung finden. So konnten Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie zeigen, dass „ein signifikan- ter Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsgrad der Eltern bzw. dem Erwerbsstatus des Vaters und den Übergangschancen in [die; Anm. MMC] betriebliche Berufsausbildung“ (Beicht 2008a, S. 300) besteht. Dieser blieb auch unter Berücksichtigung der schulischen Leistungen und des Bildungsabschlusses der jeweiligen Jugendlichen erhalten (vgl. ebd). In wiefern sich dies auf eine spätere Berufseinmündung auswirkt, wurde bisher allerdings noch nicht eingehender untersucht. Für die Auswirkungen des Einflusses sozialer Herkunft aber weiterhin von hoher Relevanz zeigten sich die Faktoren sozialer Einbindungen (beispielswei- se in Form von Mitgliedschaften in der Freiwilligen Feuerwehr oderähnlichen Organisatio- nen) und sozialem Kapitals (in Form von sozialen Netzwerken der Eltern), die den Zugang zur Berufsausbildung beförderten (vgl. ebd.).
2.3. Überblick verschiedener Erklärungsansätze
Ziel soll es nun nicht sein, eine umfassende Diskussion verschiedener Studien und Erklärungsansätze durchzuführen, sondern prägnant einen Überblick wichtiger und aufschlussreicher Erkenntnisse zu geben.
Ruft man sich zunächst die schwierige Ausbildungssituation Jugendlicher mit Migrationshin- tergrund in Erinnerung, so können Untersuchungen die vorhandene Ungleichheit auf ver- schiedene Faktoren zurückführen, die weit ab pauschalisierender Erklärungen wie schlechte- ren Schulleistungen oder gar Motivationsdefiziten liegen. Zwar sind sicherlich schlechtere Schulleistungen bzw. geringere Bildungsabschlüsse feststellbare Einflussgrößen, doch korre- lieren diese augenscheinlich mit dem gewichtigeren und aus der sozialen Herkunft (familialer Hintergrund und soziale Einbindungen) resultierenden Mangel an kulturellem und auch sozia- lem Kapital (vgl. Beicht 2008a, S. 301-304). Wie zudem diverse Studien zeigten, sind die ge- ringeren Chancen für die Einmündung in das Berufsbildungssystem auch bei vergleichbaren Bildungsabschlüssen für Jugendliche mit Migrationshintergrund geringer (vgl. beispielsweise Diehl). Interessante Erkenntnisse, die den Fokus auf die betriebsseitigen Selektionsprozesse von Ausbildungsbewerbern/-innen legen, führen hingegen die Benachteiligung dieser auf die innerbetriebliche „Personalpolitik“, Fragen der Teamordnung, aber auch auf, durch mangeln- de Kompetenz, entstehende Unsicherheiten der Ausbildungsbeauftragten5 zurück (vgl. Imdorf 2008). Fragen, wie beispielsweise zur geringeren Berufseinmündung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, konnten bisherige Studien dabei aber nur unzureichend beantworten.
Ähnlich verhält es sich bei der geschlechtsspezifischen Betrachtung. Hier konnten bisherige Un- tersuchungen die bestehenden Ungleichheiten in Form schlechterer Zugangschancen zur Be- rufsausbildung, schlechterer Berufseinmündungsquoten und finanzieller Benachteiligung von Frauen, auf mehrere Einflussgrößen zurückführen. So konnte gezeigt werden, dass ein Vorhan- densein von geschlechtsspezifischen Ausbildungsmärkten das Berufswahlspektrum junger Frau- en erheblich einschränkt und somit die Auslesesituation für diese stark verschärft (vgl. En- gelbrech 1991, BBB 2010). Begründet ist diese Tatsache unter anderen auf Grund einer soziali- sationsbedingten Ausbildungswahl oder der Abkehr von männer-dominierten Ausbildungsberu- fen (vgl. Engelbrech 1991), aber auch aufgrund sozialer Ausschlussstrategien von Geschlechter- gruppen für bestimmte Tätigkeiten (vgl. Falk 2005, S. 39). Prekär ist die Situation zudem, be- rücksichtigt man, dass die schulischen Leistungen der weiblichen Jugendlichen mittlerweile ü- ber den der männlichen Jugendlichen liegen. In puncto Einkommensdifferenzen zwischen Frau- en und Männern finden sich dabei ebenso Erklärungen, die sich auf dem Einfluss eines ge- schlechtsspezifischen Ausbildungs- und Arbeitsmarktes (vgl. Engelbrech 1991) begründen, die allerdings auch auf die finanziell benachteiligende Situation einer Berufsausbildung im Schul- system verweisen. Stellt man sich in Bezug auf das schulische Berufsbildungssystem allerdings die Frage nach institutionellen Barrieren, welche beispielsweise die erschwerte Berufseinmün- dung erklären könnten, so sucht man schier vergeblich nach einer Antwort.
Das im Zusammenhang der ethnischen Herkunft kurz angerissene Merkmal der sozialen Herkunft, das vornehmlich durch den familialen Hintergrund und soziale Einbindungen beeinflusst wird (vgl. Beicht 2008a), findet sich letztendlich in Untersuchungen meist einer Marginalisierung ausgesetzt. Erklärungen beziehen sich hierbei vornehmlich auf Bourdieus Begründung eines mangelnden kulturellen, sozialen und ökonomischen Kapitals, was meiner Recherche nach allerdings noch kaum direkte Anwendung auf den Verlauf der Berufsausbildung, sondern eher zur Einmündung gefunden hat.
Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der drei von mir gewählten Merkmalen benachteiligter Jugendlicher, muss sich somit nun erneut die Frage gestellt werden: Inwiefern kann die in Zusammenhang mit der Berufsausbildung erkennbare soziale Ungleichheit auf institutionelle Barrieren innerhalb des Berufsbildungssystems zurückgeführt werden? Dabei sollen die Barrieren betrachtet werden, die sich aus der Struktur und der Ausgestaltung dieses ergeben und sich in der Institution Berufsschule widerspiegeln. Hierfür werde ich im folgen- den Kapitel auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten der berufsbildenden gegenüber der all- gemeinbildenden Schule eingehen, um mögliche Problemfelder aufzuzeigen und einen Transfer bestehender Erklärungsansätze zu institutionellen Barrieren vorzubereiten.
[...]
1 Als Institution Berufsschule möchte ich im Folgenden die Gesamtheit des schulisch organisierten Berufsbildungssystems verstehen.
2 Eine eingehendere Erläuterung der Begriffe Habitus und Kapital wird in Kapitel 4 vorgenommen.
3 BBiG/HwO = Berufsbildungsgesetz/Handwerksordnung
4 darunter hauptsächlich die Berufe eines geschlechterspezifischen Ausbildungsmarktes
5 Hierbei ist sicherlich ein Zusammenhang mit der 5-jährigen Aussetzung der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) seit 2003, die es Betrieben ermöglicht auch ohne einen geprüften Ausbilder auszubilden, zu vermuten.
- Quote paper
- Michel Michiels-Corsten (Author), 2011, Institutionelle Barrieren in der Berufsausbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174978
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