Improvisierende, memorierende oder fingierte Mündlichkeit – welchem Erzählstil folgt das heldenepische ‚Nibelungenlied‘? Die verschiedenen Möglichkeiten haben u.a. zwischen Jan-Dirk Müller und Harald Haferland eine angeregte Kontroverse entfacht.
Unbestreitbar ist, dass dem Nibelungenlied sowohl eine mündliche als auch eine schriftliche Tradition zugrunde liegt. Mithilfe mündlicher Weitergabe der Sage und schriftliterarischen Zeugnissen sind letztendlich, neben weiteren fragmentarischen Handschriften, die drei Handschriften *A, *B und *C entstanden. Bezüglich der Handschrift *C stellt sich die Frage, welche Art von Vorlagen der letzte Nibelungenlied-Dichter benutzt hat. Liegt dem Text der Handschrift eine schriftliche Vorlage zugrunde und ist demnach die Einbindung von Mündlichkeit nur vorgetäuscht, sprich fingiert? Oder ist *C vielmehr das Ergebnis einer außerordentlichen Gedächtnisleistung eines Dichters, der den Text auswendig konnte, ihn üblicherweise vor Publikum aus dem Gedächtnis vorgetragen und schließlich einmal niedergeschrieben hat?
Jan-Dirk Müller und Harald Haferland vertreten je zwei unterschiedliche Theorien, die sich mit der eben genannten Fragestellung befassen. Im Folgenden soll nun schwerpunktmäßig der Begriff der „fingierten Mündlichkeit“ am Beispiel des Nibelungenliedes erläutert, abgegrenzt, und anschließend anhand der (Gegen-)Argumente für die „memorierte Mündlichkeit“ kritisch reflektiert werden.
- Arbeit zitieren
- Linda Lau (Autor:in), 2011, Das Nibelungenlied zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174970
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