Public Diplomacy, in ihren an späterer Stelle erwähnten Ausprägungen, Wirkungsweisen und auch
Folgen, besteht bereits vom Begriff her aus zwei wichtigen Komponenten: Der Orientierung an
der Öffentlichkeit oder sogar der Verhaftung in ihr und dem altehrwürdigen Topos der Diplomatie.
Bevor also eine genauere Betrachtung des Themenkomplexes Public Diplomacy angestrebt werden
kann, ist es sinnvoll und unumgänglich sich beiden Komponenten zuzuwenden, da deren Bedeutung
im Einzelnen die wichtigsten Grundsteine für die späteren Betrachtungen zu liefern vermögen.
Zu Beginn der Untersuchung wird der Blick nun zunächst in Richtung des Wortteils „Diplomatie“
gewandt. Da sich die klassische Diplomatie in einem starken Wandel eben hin zur Public Diplomacy
befindet, dennoch aber grundlegende Elemente der Jahrtausende alten Praxis des Leitens
von Verhandlungen zwischen bevollmächtigten Repräsentanten verschiedener Gruppen oder Nationen
in sich aufnimmt kann sie deshalb keinesfalls losgelöst von ihrem Ausgangspunkt betrachtet
werden.
Das klassische Feld der Diplomatie mit ihren ältesten und auch einfachsten Formen und Vorgehensweisen
lässt sich in drei Bereiche aufgliedern. Eine erste Form ist hierbei die bilaterale also
zweiseitige Diplomatie, welche zwei Gruppen oder Staaten umfasst. Eine weitere Form, bei der
viele Gruppen oder Staaten im diplomatischen Prozess zu einem für alle annehmbaren und auch
verbindlichen Ergebnis zu kommen suchen, ist die sogenannte multilaterale oder mehrseitige Diplomatie.
Eine aufgrund der allgemeinen globalen Verflechtungen heutzutage kaum mehr praktizierte
dritte Form ist schließlich der Unilateralismus, also das Alleinhandeln eines Staates nur im
Eigeninteresse und ohne Absprachen mit anderen Nationen, möglicherweise auch diesen zuwider.
Innerhalb dieser Trias existieren natürlich noch eine Vielzahl anderer diplomatischer Vorgehensweisen,
welche an dieser Stelle aber nicht näher erläutert werden sollen. Allen diplomatischen
Verhaltensweisen ist aber eines gemeinsam, nämlich die Basis des verbalen Taktgefühls, welches
die sachliche Diskussion über die Fakten gewährleistet, und ohne das, das Funktionieren diplomatischer
Verhandlungen wohl jäh zum Scheitern verurteilt wäre. Diplomatisches Verhalten erfordert
neben dem verbalen Taktgefühl obendrein Kompromissbereitschaft, wie auch den Willen, die Absichten
und Wünsche der anderen am Prozess Beteiligten wahrzunehmen und zu berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
I Deckblatt
1 Einleitung
2 Grundlagen der Public Diplomacy
3 Das Mediensystem
3.1 Entwicklungdes Mediensystems
3.2 DieInformations-/Mediengesellschaft
3.3 Medienpolitik
4 Die Öffentlichkeit
4.1 Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft
4.2 Wirkungsweisen der Öffentlichkeit als intermediäre Sphäre
4.3 Die politische Öffentlichkeit
4.4 Die öffentliche Meinung
5 Politische Kommunikation
5.1 PolitischeKommunikation in der Mediengesellschaft
5.2 Internationale politische Kommunikation
5.3 Politainment
5.4 DieRollender Akteure innerhalbder Herstellung politischer Kommunikation
6 Der Karikaturenstreit - Grundlagen und Verlauf
7 Public Diplomacy - Theorien und Konzepte
8 Analyse des Karikaturenstreits im Kontext der Public Diplomacy
9 Fazit
III Anmerkungen und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ein Gespenst ging einst um in Europa - es war das Gespenst des Kommunismus gegen das sich alle Mächte des alten Europa zu einer heiligen Hetzjagd verbanden. Mit diesen pathetischen Worten leiteten Karl Marx und Friedrich Engels im Jahre 1848 in ihr Manifest der Kommunistischen Partei ein.
Ungefähr 160 Jahre später hatte Europa erneut gegen eine Macht zu kämpfen, die an den Grundfesten der Völkerverständigung und Staatenverbünde auf dem Kontinent zu kratzen begann. Doch waren es dieses Mal sogar zwei Gespenster, die aus Polen kamen und aufbegehrten, innerhalb der außenpolitischen Beziehungen keinen Stein auf dem anderen lassen zu wollen; es waren die Zwillingsbrüder Jaroslaw und Lech Kaczynski. Obwohl Letzterer von Deutschland gerade einmal den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens zu kennen sich brüstete, hegte er zusammen mit seinem Bruder und der gemeinsam gegründeten Partei ein tiefes Misstrauen gegen den westlichen Anrainer, wobei die lange zurückliegenden Kriegsgeschehnisse immer wieder als Rechtfertigung der zumeist zweifelhaften Handlungen und Äußerungen bemüht wurden.
Man sehe mir die hier doch recht polemischen Äußerungen nach, doch sind diese gut geeignet, um in die behandelte Thematik einzuführen und die Brisanz der Vorgänge bereits zu Beginn ein wenig zu verdeutlichen. Etwas überspitzt auszudrücken stellt ein Stilmittel dar, welches den Leser anregen soll weiter zu lesen, doch kann es im heutigen Kontext auch Wellen schlagen, mit denen nicht gerechnet wurde, vor allem dann, wenn man es nur geschickt an den dafür besonders empfänglichen Adressaten heranträgt. So geschehen im Jahre 2006 als die tageszeitung (taz) mit einer satirischen Darstellung und obendrein karikaturistischen „Verballhornung“ die oben genannten Personen wie auch deren politisches Auftreten - vor allem gegenüber Deutschland - aufs Korn nahm. Die Medien- und Pressefreiheit ist in Deutschland per Grundgesetz von einer Zensur befreit, da die Vermittlung und öffentliche Darstellung politischen Handelns die Voraussetzung und Grundlage für eine freie Meinungsbildung innerhalb der Bevölkerung darstellen soll und somit in modernen Demokratien ständig auch mit satirischen Darstellungen der Politik zu rechnen ist, da den Medienakteur das „Wie“ der Informationsvermittlung allein unterliegt. Die Medien sind somit die Schnittstelle zwischen Politik und Bürger und damit nehmen sie eine zentrale Position innerhalb demokratischer Gesellschaften ein. Sie sind Kritik- und Kontrollinstanz, Wächter, oder gar vierte Gewalt, welche die Konzentration von Macht oder ihren Missbrauch prüfen und - was das Wichtigste ist - transparent machen können. Öffentlichkeit wie auch die öffentliche Meinung entstehen aus dieser Basis und sind innerhalb heutiger Gesellschaften das wichtigste Phänomen an dem sich das gesamte politische Handeln auszurichten hat. So unterrichteten die Medien die Bevölkerung auch über die politischen Vorgänge in Polen unter der Regierung Kaczynski und schufen somit nicht nur hierzulande, sondern vor allem auch in Polen eine öffentliche Meinung über diese Regierung, die dieser keineswegs gefallen konnte. Noch dazu kam die Beleidigung aus dem sowieso schon nicht gern thematisierten Deutschland. Die Ausweitung der Vorgänge zu einem handfesten Streit war in diesem Falle also unumgänglich. Daher lohnt sich auch eine nähere Beschäftigung mit diesem Thema, da man neben einer Vielzahl humoristischer Auseinandersetzungen auch die Verquickungen der in heutigen Gesellschaften maßgebenden Teilsysteme Politik und Medien besser verstehen lernt. Somit lässt sich ein nachzuvollziehender Prozess herauskristallisieren, der erklären kann, weshalb im heutigen Kontext solch enorme Medienwirkungen wahrgenommen werden können, welche letztlich anfälligere Regierungen in Ausnahmezustände versetzen können. Verfolgt man diesen Prozess weiter, so stößt man unumgänglich auf den Begriff der „Public Diplomacy“, welcher im englischsprachigen Raum ca. seit der Mitte der 1960er Jahre existiert und zu dem es im deutschen Sprachraum bis heute (!) keine adäquate Entsprechung gibt. „Öffentliche Diplomatie“, „diplomatische Öffentlichkeitsarbeit“ oder „politische Öffentlichkeitsarbeit im Ausland“ sollen hier nur einen Auszug aus dem Pool der Übersetzungsmöglichkeiten darstellen. Neben der zentralen Rolle der Medien im politischen System moderner Demokratien wird deren Wirkung im außenpolitischen Bereich im allgemeinen durch das Zusammenwachsen der (demokratischen) Welt im Zuge der Globalisierung noch zusätzlich befeuert. Dies stellt grundsätzlich neue Herausforderungen an die Außenpolitik einzelner Staaten und deren Kommunikation mit Anderen. Somit kann die außenpolitische Ebene nüchtern und ökonomisch als Wettbewerb angesehen werden, den derjenige gewinnt oder zumindest positiv gestaltet, der sich am besten darstellt oder dargestellt wird. Und diese Darstellung funktioniert wiederum einzig und allein durch die Medien, welche den arkanen Diplomatiebetrieb weitestgehend in den Hintergrund gedrängt haben. Auch international bilden die Medien zunehmend eine allgemein zugängliche Öffentlichkeit, innerhalb der es sich für die Politik zu beweisen gilt, was allerdings nur durch größtmögliche Medienaufmerksamkeit erreicht werden kann. Dies wiederum bringt die Notwendigkeit der Einhaltung der Spielregeln und Routinen der Massenmedien mit sich, was nun letztlich wieder zum Karikaturenstreit zwischen Polen und Deutschland führt. In diesem werden Nachrichtenfaktoren und Personalisierung im höchsten Grade bedient, um Aufmerksamkeit zu erzielen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und langfristig zu prägen. Somit ließen sich durch eine solche gezielte Darstellung defizitärer Verhältnisse grundlegende Ziele von Public Diplomacy erreichen. Einerseits durch beeinflussende Kommunikation, welche nicht primär an die eigene, sondern die polnische Bevölkerung gerichtet war, um deren Verhältnis zur Regierung zu beeinflussen. Denn auch diese ist auf positiv gestimmte Wähler angewiesen. Zweitens konnte „mittels strategisch ausgerichteten Kommunikationsmaßnahmen, Zustimmung und Verständnis für das eigene Land, bzw. die eigene Politik in der Bevölkerung“1 Polens erreicht und somit das eigene Außenbild verbessert werden. Ob dem tatsächlich so war und wenn ja, wie die Wirkungen zu erklären sind oder, welche Grenzen sich innerhalb dieses Kontextes herausfinden lassen, soll der wesentliche Rahmen dieser Arbeit sein. Weiterhin soll im Verlauf der Arbeit gezeigt werden, dass einzig ein grundlegender Medien- und Gesellschaftswandel die Herausbildung einer so wichtigen öffentlichen Meinung, Strategien zu deren Beeinflussung und damit in letzter Konsequenz Konzepte einer erfolgreichen Public Diplomacy, hervorzubringen vermochte. Welche Möglichkeiten dies im Kontext des Karikaturenstreits generierte aber auch, welche möglichen Schranken der friedfertigen Umgangs miteinander setzt, die möglicherweise oft zu schnell und mit nicht allzu großer Rücksicht durchbrochen werden, sollen sich aus der Analyse an späterer Stelle ergeben.
Um allerdings das relativ neue Phänomen der Public Diplomacy auch in seiner Entstehung nachvollziehen zu können und dabei zu erklären warum und weshalb es gerade in diesem Kontext so wichtig ist und allgemein in den heutigen Mediengesellschaften so wirkmächtig werden konnte, soll im Anschluss an die folgende theoretische Einleitung in das Gesamtthema dargestellt werden und auch welche grundlegenden Voraussetzungen dafür gegeben sein mussten. Dazu soll zunächst die Entwicklung und der Wandel der Medien hin zu einem eigenständigen, gesellschaftsprägenden System dargestellt werden, was dann eine spezifisch ausgeprägte Medienpolitik zur Folge haben wird. Auch wird das Titelthema dieser Arbeit, nämlich die „Mediengesellschaft“, als Phänomen an sich beschrieben und ihre Entstehung dargestellt. Diese Erläuterungen werden dann direkt zum auch hier schon einige Male erwähnten Phänomen der Öffentlichkeit und der aus ihr entstehenden öffentlichen Meinung führen. Auch die Öffentlichkeit unterlag medienbedingt einem grundlegenden Wandel, welcher auf die heutigen Medienlogiken und Kommunikationsstrukturen zurückzuführen ist, die wiederum zu einer grundlegenden Änderung der politischen Kommunikation und Kommunikationskultur führten. Diese sollen dann im Folgenden hinsichtlich der modernen Entwicklung hin zum „Politainment“ untersucht werden. Die Alltagspraxis wie auch eine Vielzahö von Studien können belegen, dass die von den Medien präsentierte Welt oft stark vom Ist-Zustand abweicht und Unterhaltungselemente im Vordergrund stehen. Von daher ist der Schritt der Untersuchung der politischen Kommunikation unumgänglich um eine solch karikaturistische Darstellung politischer Verhältnisse im Kontext der entstandenen Mediengesellschaft und „spaßlastigen“ Öffentlichkeit erklären zu können. Auch die Rolle der Journalisten innerhalb des Prozesses der Informationsbereitstellung wurde hier einleitend erwähnt und soll im Anschluss an das Kapitel zur politischen Kommunikation näher beleuchtet werden. Politik und Journalismus müssen symbiotisch agieren, damit beide gesellschaftlichen Systeme auf Dauer erfolgreich bestehen können. Deshalb soll auch den Interaktionen beider Systeme Raum geschaffen werden. Diese Betrachtungen und Ergebnisse führen dann schließlich zum Beispielfall der Arbeit: dem Karikaturenstreit zwischen Polen und Deutschland. Zunächst werden Grundvoraussetzungen für das Entstehen eines solchen Konflikts wie auch dessen Hergang und einige Folgen dargestellt, worauf sich eine abschließende Analyse der Vorgänge im Kontext der Public-Diplomacy-Debatte anschließen wird.
2. Grundlagen der Public Diplomacy
Public Diplomacy, in ihren an späterer Stelle erwähnten Ausprägungen, Wirkungsweisen und auch Folgen, besteht bereits vom Begriff her aus zwei wichtigen Komponenten: Der Orientierung an der Öffentlichkeit oder sogar der Verhaftung in ihr und dem altehrwürdigen Topos der Diplomatie. Bevor also eine genauere Betrachtung des Themenkomplexes Public Diplomacy angestrebt werden kann, ist es sinnvoll und unumgänglich sich beiden Komponenten zuzuwenden, da deren Bedeutung im Einzelnen die wichtigsten Grundsteine für die späteren Betrachtungen zu liefern vermögen.
Zu Beginn der Untersuchung wird der Blick nun zunächst in Richtung des Wortteils „Diplomatie“ gewandt. Da sich die klassische Diplomatie in einem starken Wandel eben hin zur Public Diplomacy befindet, dennoch aber grundlegende Elemente der Jahrtausende alten Praxis des Leitens von Verhandlungen zwischen bevollmächtigten Repräsentanten verschiedener Gruppen oder Nationen in sich aufnimmt kann sie deshalb keinesfalls losgelöst von ihrem Ausgangspunkt betrachtet werden.
Das klassische Feld der Diplomatie mit ihren ältesten und auch einfachsten Formen und Vorgehensweisen lässt sich in drei Bereiche aufgliedern. Eine erste Form ist hierbei die bilaterale also zweiseitige Diplomatie, welche zwei Gruppen oder Staaten umfasst. Eine weitere Form, bei der viele Gruppen oder Staaten im diplomatischen Prozess zu einem für alle annehmbaren und auch verbindlichen Ergebnis zu kommen suchen, ist die sogenannte multilaterale oder mehrseitige Diplomatie. Eine aufgrund der allgemeinen globalen Verflechtungen heutzutage kaum mehr praktizierte dritte Form ist schließlich der Unilateralismus, also das Alleinhandeln eines Staates nur im Eigeninteresse und ohne Absprachen mit anderen Nationen, möglicherweise auch diesen zuwider. Innerhalb dieser Trias existieren natürlich noch eine Vielzahl anderer diplomatischer Vorgehensweisen, welche an dieser Stelle aber nicht näher erläutert werden sollen. Allen diplomatischen Verhaltensweisen ist aber eines gemeinsam, nämlich die Basis des verbalen Taktgefühls, welches die sachliche Diskussion über die Fakten gewährleistet, und ohne das, das Funktionieren diplomatischer Verhandlungen wohl jäh zum Scheitern verurteilt wäre. Diplomatisches Verhalten erfordert neben dem verbalen Taktgefühl obendrein Kompromissbereitschaft, wie auch den Willen, die Absichten und Wünsche der anderen am Prozess Beteiligten wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Die im Folgenden nun als klassische oder herkömmliche Diplomatie beschriebene Erscheinungsform dieses Verhandlungsprozesses sei damit für die Zwecke dieser Arbeit zunächst hinreichend umrissen, um die deutlichen Veränderungen im Wandlungsprozess hin zur Public Diploma-cy herauskristallisieren zu können.
Die beiden grundlegenden Punkte an denen ein deutlicher Wandel ersichtlich wird sind zum einen die Verlagerung der Kontaktebene innerhalb der Diplomatie und zweitens die enorme Gewichtung des sogenannten „Soft Power“ Konzeptes in den modernen internationalen Beziehungen.
Während sich die klassische Kontaktebene im diplomatischen Bereich zwischen zwei oder mehr Staaten auf das Verhältnis Regierung - Regierung, oder konkreter Diplomat (Botschafter) - Diplomat (Botschafter) bezog, ist in der Entwicklung der letzten ca. 20 Jahre und vor allem der gegenwärtigen Ausprägungen ein, die Öffentlichkeit und Bevölkerung stärker einbeziehendes, Verhältnis festzustellen. Dieses wird in seinen theoretischen Grundlagen an späterer Stelle näher beleuchtet, aber hier bereits ausblickend benannt. Es ist das Verhältnis Regierung (oder Diplomat) zur Bevölkerung (des eigenen oder anderen Landes) und schließlich in der höchst ausgeprägten öffentlichen Form das Verhältnis Bevölkerung (des einen Landes) zu Bevölkerung (des anderen Landes)2. Diplomatie wird nun nicht mehr in von der Bevölkerung abgetrennten arkanen Foren zwischen den Machthabern bestimmter Gruppen, Institutionen, Nationen oder sonstigen Organisationsformen stattfinden, sondern wird Regierungen oftmals in bloße Vermittlerrollen abdrängen, die einen scheinbar mehr oder weniger von Ihnen losgelösten Prozess zu managen und in die sich selbst gegebenen und erwünschten Bahnen zu leiten haben.
Der zweite und in diesem Kontext möglicherweise wichtigere Faktor, der den Veränderungen des internationalen Systems Rechnung trägt und damit in Folge auch die Entwicklung hin zu einer Public Diplomacy verständlicher macht, ist der Begriff der „Soft Power“, den Joseph Nye 1990 („Bound to lead: the changing nature of American power“) eingeführt und 1994 („Soft Power: The Means to Success in World Politics“) weiterentwickelt hat. Seine Definition ist dabei maßgeblich für jede Untersuchung die sich mit der sogenannten weichen Macht beschäftigt, und soll deshalb auch hier einleitend Erwähnung finden:
„Soft power [...] is the ability to get desired outcomes because others want what you want. It is the ability to achieve goals through attraction rather than coercion. It works by convincing others to follow or getting them to agree to norms andinstitutions thatproduce the desiredbehaviour“3
Den Begriff der Soft Power konzipiert Nye als Gegensatz und in Abgrenzung zur Hard Power, welche auf militärischer und ökonomischer Stärke beruht und mit militärischen Bedrohungen oder ökonomischen Anreizen und Verwehrungen arbeitet. Die Soft Power, also die Anziehungskraft eines Landes, rekurriert hingegen auf dessen Kultur, Wirtschaftskraft, Werten, Überzeugungen, etc. „Sie kann durch Regierungshandeln vergrößert, aber auch verkleinert werden.“4 Alles in allem liegt der grundlegende Unterschied zwischen Soft Power und Hard Power also „nicht in den Zielen, sondern in den Instrumenten der Außenpolitik“5, welche das Ziel „andere wollen, was ich will“ zu erreichen versuchen. Den Instrumenten Zwang, Bestechung, Sanktion, etc. der Hard Power stehen Überzeugungskraft und Argumente der Soft Power gegenüber, welche das Potential haben wesentlich positiver angenommen zu werden und damit nachhaltiger zu wirken. Das wesentliche Element für den Einsatz von Soft Power im heutigen Kontext ist die Public Diplomacy, welche „auf eine Vielzahl unterschiedlicher Institutionen und Instrumente“6 wie Botschaften, Kulturinstitute, Auslandsrundfunk, etc. zurückgreift, die allesamt dem Sektor der Soft Power zuzuordnen sind. Diplomaten, wie sie aus der klassischen Diplomatie bekannt sind, spielen zwar immer noch eine „Schlüsselrolle im Kommunikationsprozess mit der ausländischen Öffentlichkeit“7, jedoch reduzieren sich ihre politischen Aufgaben immer mehr, da „der Austausch zwischen Staats- und Regierungschefs“8, genau wie die Kommunikation an sich, „immer direkter wird“9 und sich somit „die Arbeitsschwerpunkte zunehmend in den Bereich 'Kommunikation nach außen'“10 verlagern. Dies führte im Verlauf „zu einer inhaltlichen Neuausrichtung der Auswärtigen Dienste“11 und in deren Folge „auch zu einem neuen Selbstverständnis der Diplomaten“, welches Leonard et al. wie folgt beschreiben:
„The biggest challenge [ofpublic diplomacy] is to the culture andpriorities offoreign services themselves. Public Diplomacy can no longer be seen as an add-on to the rest of diplomacy - it has to be seen as a central activity which is played out across many dimensions and with many partners.“12
Bereits an dieser Definition ist zu erkennen, dass die Public Diplomacy heutzutage die maßgebende Form von Diplomatie ist und aus ihrem Ursprung so maßgeblich entwuchs, dass sich selbst die klassischen Organe der Diplomatie an ihre Determinanten anpassen (müssen) und sich somit eine eigenständige Beschäftigung mit diesem Thema lohnt.
Public Diplomacy geht ihrem Selbstverständnis sowie den Anforderungen des internationalen Systems nach „über die Kommunikation von politischen Themen hinaus - sie zielt auf eine ganzheitliche Positionierung des Heimatlandes im Ausland und gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen ab.“13 Public Diplomacy ist dabei neben einbahnstraßenartiger Vermittlung von Information auch Dialog und Diskussion (Zweibahnstraße).
Nach dieser kurzen Einführung in die Materie dürfte bereits deutlich geworden sein, dass Public Diplomacy „ein bedeutender Trend in der Außenpolitik“14 ist, welcher „die Auswärtigen Dienste vor große Herausforderungen stellt.“15 Die Außenpolitik ist weltweit „stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und Staaten haben in der globalisierten Welt an Kontrollmöglichkeiten verloren.“16 Die Zeit der „traditionellen, auf dem Geheimhaltungs-Prinzip basierenden Organisation der Auswärtigen Dienste“17 scheint abgelaufen und wird einer Netzwerkdiplomatie weichen müssen, die unter Verwendung der Soft-Power-Maximen „staatliche und nichtstaatliche Akteure verbindet und nachhaltige Beziehungen zu den Zielgruppen im Ausland etabliert.“18 Im Gegensatz zur z.B. amerikanischen Ausprägung der Public-Diplomacy-Aktivitäten „als außenpolitisches Konzept zur gezielten Durchsetzung von Interessen“19 stehen die europäischen Staaten noch am Anfang einer Implementierung dieser Aktivitäten in die auswärtigen Verfahren. So gibt es erst seit dem Jahre 2003 in Deutschland eine entsprechende Abteilung im Auswärtigen Amt, welche für Deutschlands politische Grundüberzeugungen wie gesellschaftlichen Wertevorstellungen wirbt, um Deutschland im Zeitalter der Globalisierung konkurrenzfähig zu halten. Das dezidierte Ziel dabei stellt die ganzheitliche Positionierung der „Marke Deutschland“ dar, mit der harte und weiche Faktoren beim Adressaten angesprochen werden sollen, um Herz und Verstand gewinnen zu können. Public Diplomacy ist somit ein wirkmächtiger Faktor in den Außenbeziehungen und der Außendarstellung eines jeden Akteurs im internationalen System und bedarf daher an späterer Stelle näherer theoretischer Fundierung. Um allerdings den Wandel hin zum Konzept der Public Diplomacy und auch der vorrangigen Anwendung von Soft-Power-Strategien im internationalen System verstehen zu können, ist eine Betrachtung des Wandels der grundlegenden Rahmenbedingungen dieses Prozesses unumgänglich. Dazu muss der tiefgreifende Wandel des Mediensystems wie auch der Medien an sich dargestellt werden, denn welche Kommunikation als Grundlage der diplomatischen Außenbeziehungen kann heutzutage noch losgelöst vom Mediensystem und dessen Logiken betrachtet werden? Diese Darstellung wird erläutern können, weshalb es infolge dieses Wandels zu einer enormen Veränderung der politischen Kommunikation und Kommunikationskultur innerhalb der entstandenen Medien- und Informationsgesellschaften kam und impliziert dabei bereits den darzulegenden Gesellschaftswandel. Alle diese Veränderungen werden am Ende die Entstehung eines höchst öffentlichen Prozesses wie den der Public Diplomacy erklären können und die Vielfalt der theoretischen Ausprägungen, Definitionen und Wirkungsweisen desselben untermauern. Politische Kommunikation sowie Information und Persuasion als wesentliche Elemente einer erfolgreichen Public Diplomacy sollen im folgenden im Kontext des Medienwandels und damit des Wandels politischer Kommunikation an sich in ihren Ausprägungen dargelegt werden.
Die zuvor kurz skizzierten Wandlungsprozesse von einem althergebrachten, eher arkanen oder zumindest weitestgehend der öffentlichen Durchdringung entzogenen Prozess der Diplomatie und der diplomatischen Verhandlungsprozesse, hin zu einer stark öffentlichen Diplomatie, lassen sich nur im Kontext eines grundlegenden Wandels der Medien, des Mediensystems und der damit einhergehenden spezifischen Logiken und Arbeitsweisen sinnvoll nachvollziehen. Um diesen eigenen Wandel der Rahmenbedingungenjeglicher, aber vor allen Dingen auch politischer Kommunikation in seinen wesentlichen Punkten darzulegen, soll das folgende Kapitel dienen.
3. Das Mediensystems
3.1 Entwicklung des Mediensystems
Die grundlegenden Voraussetzungen für ein so ausdifferenziertes Medien- und Kommunikationssystem heutiger Prägung reichen sehr weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Der Beginn kann auf die Erfindung des Schreibens im 4. Jahrtausend v. Chr. festgelegt werden. Dies ermöglichte es dem Menschen erstmals Informationen in verlässlicher Form zu speichern, zu entfernten Kulturen zu transportieren, oder sie, durch Weiterreichung an die Nachkommen, die Zeiten überdauern zu lassen.
Der nächste wichtige Schritt hin zu einer medienbasierten Kommunikation war mit der Erfindung des Druckwesen und der daraus resultierenden Herstellung und Vervielfältigung von Büchern gelungen. Aufgrund der großen Bedeutung dieser medialen Weiterentwicklung trägt die Neuzeit auch den Beinamen „Buchzeitalter“. Das Wissen derjeweiligen Zeit war nun also speicherbar und nicht auf mündliche Überlieferungen angewiesen. Der Mensch konnte sich leisten zu vergessen, die kulturellen Überlieferungen warenja schließlich niedergeschrieben. Ein weiterer enormer Vorteil von Schrift und Druck war die allgemeine Zugänglichkeit des gespeicherten Wissens, welches durch die Erfindung der beweglichen Lettern erstmals eine massenhafte Verbreitung erlebte, die natürlich nicht mit den heutigen Massenmedien zu vergleichen ist, aber für die damaligen Verhältnisse hohe Reichweiten hatte. Die nächstfolgende Entwicklung, die es der breiten Bevölkerung ermöglichen sollte auch in gebührendem Maße an diesen Neuerungen und der massenhaften Verbreitung zu partizipieren, war die Einführung der allgemeinen Schulpflicht. Die Kenntnis des Lesens und Schreibens erlebte somit auch ihre flächendeckende Verbreitung und es kann erstmals von einer gesellschaftlichen Auswirkung eines neuen Mediums gesprochen werden. Denn „die Verbreitung der neuen Technik des Buchdrucks war [...] eine wichtige Ursache für den Autoritätsverlust der römischen Kirche und Bedingung für die Reformation. Nur mittels der massenhaften Verbreitung der Bibel und anderer religiöser Texte seit der Einführung der neuen Drucktechnik war es möglich, das Interpretationsmonopol der Kirche über religiöse Informationen zu brechen.“20 Mit der Verbreitung des Wissens stieg im Umkehrschluss auch die Nachfrage nach gedruckten Büchern und somit auch - als ökonomischer Faktor - die Produktion dieser. „Für das Bürgertum waren Bücher und Wissen zu einem wichtigen, produktiven Faktor und einem Mittel des Aufstiegs geworden. Das Bürgertum übertraf den Adel schon bald an Wissen und Belesenheit.“21
Es wird hieran deutlich, dass nicht nur in der heutigen massenmedialen und überkomplex vernetzten Welt die höchst differenzierten Medien zu grundlegenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in der Lage sind; auch in ihren einzelnen Entwicklungsschritten hatten die Medien großes revolutionäres Potential, welches auch immer ausgeschöpft wurde.
Den nächsten wesentlichen Entwicklungsschritt hin zur heutigen Medien- und Informationsgesellschaft stellt das 19. Jahrhundert mit seinem mechanisierten Weltbild dar. Die Erfindung und Entwicklung von Telekommunikation und den dazugehörigen Geräten Telegraph, den Fernmeldeanlagen und später dem Telefon, führte zu einer völlig neuen Qualität der medialen Entwicklung. Es war nun möglich und auch notwendig Kommunikationsnetze zu errichten und immer weiter auszubauen, um den gewünschten Effekt - Informationen nahezu in „Echtzeit“ kommunizieren zu können - zu erreichen. „Das Telefon verwandelte die Wirklich in Virtualität, eine reale Person reduzierte sich auf eine Stimme und beschränkte sich darüber hinaus auf das Imaginäre. Das Telefon hat die physische Präsenz aufgehoben, es hält Nähe fern. Gleichzeitig zieht es die Ferne in die nächste Nähe der Intimität.“22 Liest man solche Beschreibungen, klingt es zunächst befremdlich, wenn man davon weiß, dass von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Rede ist. Virtualität, Nähe und Allgegenwärtigkeit sind Begriffe, die auch heute ein jeder mit den Medien und deren Wirkungen in Verbindung bringt. Die Menge der gespeicherten und verarbeiteten Informationen sowie deren Übertragungsgeschwindigkeit vermochten sich nun rasanter dennje zu steigern und selbst zu reproduzieren, sodass ein exponentieller Anstieg der Menge der Kommunikationskanäle die logische Folge war und noch immer ist. Den nächsten Schritt hin zu einer von Informationsund Kommunikationstechnologien durchdrungenen Zeit stellt das 20. Jahrhundert als Jahrhundert des Hörfunks und Fernsehens als politischer Leitmedien dar. „Die Einführung des Hörfunks in Deutschland Anfang der 20er Jahre bewirkte, daß [sic!] die gesamte Gesellschaft über Wort- und Tonausstrahlungen erreichbar wurde.“23 Der Begriff „Massenmedium“ scheint damit erstmals in seinem heutigen definitorischen Rahmen Anwendung zu finden. Die Entwicklung des Fernsehens ist der zweite bedeutende Fortschritt des 20. Jahrhunderts, welcher bis in die heutige Zeit noch nichts an Attraktivität verloren hat, da das Fernsehen, trotz aller Ausprägungen des Computerzeitalters vor allem im politischen Bereich auch weiterhin Leitmedium ist.
Betrachtet man all diese Entwicklungen und teils höchst revolutionären Erfindungen mit ihren Wirkungen im heutigen Kontext, ist es nicht verwunderlich, dass der auch hier schon einige Male verwendete Begriff der Informationsgesellschaft oder auch Mediengesellschaft häufig für die Beschreibung aktueller sozialer Systeme herangezogen wird und auch im Titel dieser Arbeit verhaftet ist. Denn es ist fraglich, ob sich ohne die Rahmenbedingungen einer so ausdifferenzierten Medien- und Informationsgesellschaft überhaupt solch neue Qualitäten und Ausprägungen der politischen Kommunikation, der Öffentlichkeit und damit auch der Außenkommunikation wie Diplomatieführung ergeben hätten. Doch was hat es mit dem Begriff der Medien- / Informationsgesellschaft überhaupt auf sich?
3.2 Die Informations- / Mediengesellschaft
„Das Konzept der Informationsgesellschaft wird meist auf Daniel Bell und seine 1973 publizierte Theorie der postindustriellen Gesellschaft zurückgeführt“24. Jedoch umfasst dieses Konzept weitreichendere gesellschaftliche Bereiche, sodass man auf die Medien konzentriert von einer, auf Informations- und Kommunikationstechnologien basierenden Gesellschaft sprechen kann. In ihr sind alle Lebensbereiche von diesen Technologien durchdrungen und da sich diese ständig weiterentwickelten und auch noch weiter entwickeln, ist hierbei niemals von einem starr definierten Phänomen zu sprechen, sondern von einer häufig neue Gestalt annehmenden, integralen Determi- nate postindustrieller und postmoderner Gesellschaften. Der Topos „Wissensgesellschaft“ wird hierbei häufig synonym verwendet, da es sich bei den massenmedial verbreiteten Informationen um allgemein zugängliches, kumuliertes Wissen der Zeit handelt. Ein wesentliches Merkmal der Mediengesellschaft, welches die meisten Autoren der Gegenwart im Einklang als typisch für diese Gesellschaftsform benennen, ist die hohe Komplexität, die sie aufweist. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Eigenschaft der Mediengesellschaft leistete die Entstehung und ständige Ausdifferenzierung der digitalen Medien und globalen Computernetzwerke. „In der Praxis bedeutet die Informationsgesellschaft, daß [sic!] Wissen und Information zu Schlüsselressourcen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung werden (...) [d]ie Kommunikation wird zur Infrastruktur der Gesellschaft.“25 Diese entstandene und deutlich feststellbare Komplexität hat als Folge eine gewisse Ungewissheit, welche den Menschen und den sozialen Vorgängen innerhalb einer medialen Gesellschaft bestimmte Herausforderungen stellt, die in nicht seltenen Fällen zu einer Überforderung führt, der es beständig entgegenzuwirken gilt. Information soll innerhalb dieses Kontextes zur Verringerung von Ungewissheit dienen und stellt damit in den modernen Gesellschaften das entscheidende Werkzeug zur Bewältigung der Herausforderungen der Welt dar. Es kommt also wesentlich darauf an, dass der Mensch „in der Informationsgesellschaft weiter Herr des Verfahrens bleiben“26 muss. Doch wie kann dies gelingen?
Dazu ist zunächst als weitere Grundvoraussetzung der Mediengesellschaft festzuhalten, dass „die alte, klassische Ordnung einer Trias von Politik, Öffentlichkeit und Medien nicht mehr ihren festen Rahmen und ihre feste Ratio besitzt.“27 Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sich die Menschen immer mehr Medienkanälen ausgesetzt sehen, mit denen sie sich allerdings auch immer länger beschäftigen und somit nahezu jede wichtige Information über die Welt und das Geschehen aus den Medien entnehmen. Dies scheint zunächst einmal verdeutlichen zu wollen, dass die Politik gänzlich in den Hintergrund gerückt sei. Ob dem so ist, soll an späterer Stelle geklärt werden - für jetzt gilt aber festzuhalten, dass „[m]oderne Demokratien ohne Anerkennung einer Omnipräsenz von Medien nicht aus[kommen] und politisch Handelnde sich (...) daran zu orientieren [haben].“28 Hieraus lässt sich entnehmen, dass Politik nicht mehr allein ausreichend vermitteln kann und ihrer gesellschaftlichen Weichenstellerrolle nur dann gerecht werden kann, wenn der medialen Information eine ihrer Position würdigen Vermittlerfunktion eingeräumt wird. Die Medien in ihrer Gesamtheit sind im heutigen Kontext als „komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen“29 zu definieren - was natürlich die Teilnahme am medienvermittelten Informationsprozess bei Kommunikatoren wie Rezipienten an Voraussetzungen wie Rezeptionskompetenz, zeitliche und soziale Disponibilität oder auch Kommunikationsgeschick knüpft. Weiterhin stellen sie das einzig fähige, weil weitreichendste, System dar, welches die zuvor als so notwendig betitelte Komplexitätsreduktion innerhalb informationsüberfluteter Mediengesellschaften erreichen kann und auch die dafür benötigten Werkzeuge zur Verfügung hat. Als typische Werkzeuge zur Reduktion von Komplexität sind an dieser Stelle die Abstraktion und Modellierung, der Gebrauch kognitiver Stellvertreter in Form von Zeichen, oder auch die immens wichtige Nutzung von Bildern und bildhaften Präsentationen zu nennen. Führt man sich diese Tatsache vor Augen, verwundert es kaum, dass die Medien eine solch zentrale Stellung in heutigen Gesellschaften einnehmen, dass man diese gar als Mediengesellschaften bezeichnet. Denn die Medien erfüllen wichtige „politische[...] und soziokulturelle[...] Funktionen für die demokratische Gesellschaft“30 und sorgen damit auch dafür, dass das politische System „seinen politischen Anforderungen gewachsen bleibt.“31 Eine wesentlich zu nennende Funktion für die Gesellschaft ist hierbei die Machtkontrolle, welcher es innerhalb einer demokratischen Gesellschaft bedarf und die nun im Kontext der Mediengesellschaft neben den drei klassischen Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative, nicht zuletzt auch durch die Medien ausgeübt wird, „die deshalb auch 'vierte Gewalt' genannt werden.“32 Nach der Aufzählung dieser höchst weitreichenden aber auch äußerst wichtigen Funktionen, die die Medien erfüllen und auch erfüllen müssen, kann die zuvor noch recht schemenhafte Definition der Mediengesellschaft nun in den Worten Ulrich Saxers um einiges straffer gefasst werden und - idealtypisch - als „hochkomplexer Typ von moderner, funktional differenzierter Gesellschaft bezeichnet [werden], der von Medialisierung durch und durch geprägt wird.“33 Die Medialisierung der Gesellschaft gründet hierbei „in der Verstärkung von Medialität, d.h. der Kombination von Kommunikationskanälen und Zeichensystemen, die ein konstituierendes Element jeglicher Humankommunikation ist, durch technische Apparatur.“34 Die Medialität wird dabei selbst immer weiter ausdifferenziert und prägt somit die Gesellschaft - die Mediengesellschaft - in entscheidender Art und Weise, sodass diese wiederum als Totalphänomen auf Mikro-, Makro- und Mesoebene Institutionengefüge und Lebenswelten durchwirkt und somit letztlich „vormals definierte Sinn- und Sozialsphären und -konstellationen [durchmischt].“35 Die modernen Gesellschaften sind dieser Fassung nach am effizientesten konturiert. Das in ihnen existierende und wirkende Mediensystem ist dabei höchst autonom und machtvoll und weist einen eigenen Institutionentypus auf, welcher eine hohe Professionalität und Leistungsfähigkeit erreicht hat. Somit stellen die Medien insbesondere aus Sicht der politischen Akteure, einen Handlungsrahmen (constraint) dar, den diese möglichst optimal zu nutzen versuchen, da aufgrund der beschriebenen Wirkmacht der Medien und des Mediensystems, den Akteuren es durch diese Nutzung besser gelingen kann, „ihre Themen und Deutungen zu politischen Vorgängen (fallweise) durchzusetzen und so Zustimmung zu ihrer Politik [zu] erhalten.“36 Diese mögliche und auch nahezu ständig praktizierte Nutzung der Medien und ihrer Funktionsweisen und Logiken durch sich davon Erfolg versprechende Akteure, stellt das stärkste Argument gegen die oben erwähnte mögliche komplette Zurückdrängung der Politk hinter das Mediensystem dar und findet seine praktische Bestätigung nicht zuletzt im außenpolitischen Instrument der Public Diplomacy, welche oftmals eine hohe Indienstnahme der Medien durch die Politik feststellen lässt.
Von einer Dependenzthese - welche davon ausgeht, dass die Politik ins Schlepptau der Medien geraten sei - kann also keinesfalls die Rede sein. Denn „der durchgehenden Medialisierung demokratischer Politiksysteme sind auf jeden Fall institutionelle, prozessuale und strukturelle Grenzen gesetzt.“37 Der institutionelle Kontext sowie dessen Rahmenbedingungen spielen auch in hochgradig medialisierten Gesellschaften eine wesentliche Rolle innerhalb der Strukturierung und Beeinflussung politischer Prozesse, sodass die Medien auch in den Mediengesellschaften noch immer als nachgeordnete Instanz zu betrachten sind. Legitimität wird noch immer durch Verfahren gewonnen und nicht etwa durch möglichst hohe Medienresonanz. Mit F. Marcinkowski gesprochen, wird „ein politisches System (...) nicht zur Gänze medialisiert sein, (...) sondern sich vielmehr durch Inseln erhöhter und geringer Medialisierung auszeichnen.“38
Von einer sogenannten Funktionalisierungsthese, welche die Medien in Abhängigkeit von der Politik sieht, kann allerdings ebensowenig gesprochen werden. Vielmehr ist das genaue Verhältnis von Medien und Politik in den Mediengesellschaften in der Mitte der beiden vorgestellten Thesen zu finden, nämlich in der Interdependenzthese. Diese geht von einer gegenseitigen Abhängigkeit von Politik und Medien aus. Innerhalb dieser Interdependenz stellt sich das Wechselspiel wie folgt dar: „Politiker nutzen den Kontakt zu den Medienvertretern, um Öffentlichkeits- und Aufmerksamkeitseffekte zu erzielen, Journalisten pflegen den Kontakt, um Zugang zu internen Informationen zu erhalten. Dabei wirkt deren Wechselverhältnis fast wie ein Spiel, in dem beide Seiten ihren Vorteil zu erzielen versuchen.“39 Es lässt sich somit festhalten, dass sich moderne Demokratie und moderne Medien im Gleichklang miteinander entwickeln, beide neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen hervorbringen, denen sich auch beide Systeme anpassen müssen. Dabei verdrängen die neu entstandenen Politikformen die alten ebensowenig, wie die neuen Medien ihre Vorgänger verdrängten, „sondern nötigen diese lediglich zu funktionalen Anpassungen an die sich ändernde Konstellation auf dem Kommunikationsmarkt.“40
Politik und Medien entwickeln sich im Gleichklang, stehen sich dabei allerdings, „zumindest in den modernen und demokratischen Gesellschaften westlicher Ausrichtung als mehr oder minder eigenständige, zumindest als teilautonome Systeme 'gegenüber'.“41 Hieraus ergibt sich aber das Problem, dass Medien-Gewinne immer auch mit Institutionen-Verlusten korrespondieren. Zwar ist dies aufgrund der zuvor erwähnten beschränkten Medialisierbarkeit politischer Systeme stark situationsabhängig, dennoch bleibt dies ein Bereich, der nicht unberührt an der politischen Führung einer solchen Gesellschaft vorbeigehen darf. Das trotzdem bestehende Problem ist nämlich der sich zwar verbal ausdehnende „Raum des Politischen, im Sinne einer Zuständigkeitserklärung für Themen“42, bei allerdings gleichzeitig schrumpfendem tatsächlichen „Handlungsspielraum der Politiker, im Sinne der Durchsetzungsmöglichkeiten.“43 Dem „Bedeutungsschwund des Staates“44 folgt somit ein Schrumpfen der „Spielräume für 'materielle Politik'“45, welche dann durch „politische Rhetorik, symbolische Politik nur unzureichend kompensatorisch ausgeweitet werden“46 können. Dies hat zur Folge, dass die „Anforderungen an das kommunikative Leistungsvermögen der demokratischen Politiksysteme“47 exponentiell anwächst, Legitimität immer kommunikationsabhängiger wird und somit „auch möglichst universelle Medienkompetenz, jedenfalls Fernsehtauglichkeit, zentrale Rollenressource politischer Akteure [werden], damit diese zumindest eine gewisse Kontrollkompetenz in die mediale Darstellung und Vermittlung von Politik einzubringen vermögen.“48
Damit nun, wie schon oben erwähnt, der Mensch - in diesem Falle speziell der Politiker - Herr des Verfahrens bleibt ist eine wohl durchdachte und strategisch angelegte Medienpolitik unumgänglich. Dies vor allen Dingen um Meinungen zu kanalisieren und im Interesse des eigenen Landes, oder zumindest der vertretenen Gruppe, Themen auf die Agenda setzen zu können. Daher soll nun im nachfolgenden Schritt die Medienpolitik mit ihren verschiedenen Formen und Verfahrensweisen einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um daraus später ableiten zu können, welche Anforderungen im mediengesellschaftlichen System an politische Kommunikation gestellt werden, wie man diesen gerecht werden kann und welche Interaktionen die Systeme Medien und Politik miteinander ausführen, damit letztlich beide die von ihnen gesteckten Ziele erreichen. Eine Medienpolitik bestimmter Ausprägung ist schließlich auch Voraussetzung für Public Diplomacy überhaupt, denn eine Instrumentalisierung oder zumindest gewinnbringende Nutzung eines hochkomplexen Phänomens wie den Medien, ist ohne eine strukturierte Herangehensweise undenkbar, sodass die Frage nach der politischen Steuerung der Medien von hoher Relevanz für die nachfolgenden Betrachtungen sein wird.
[...]
1 Ostrowski, Daniel: Die Public Diplomacy der deutschen Auslandsvertretungen weltweit. Theorie und Praxis der deutschen Auslandsöffentlichkeitsarbeit, Wiesbaden, 2010, S. 15
2 Vgl. Signitzer, Benno: Staaten im internationalen System, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischenGesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 496
3 Keohane, Robert O. / Nye, Joseph S.: Power and Interdependence in the Information Age, in: Foreign Affairs, Jg. 77, H. 4, 1998, S. 86
4 Busch-Janser, Sandra / Florian, Daniel: Die neuen Diplomaten? Public Diplomacy und die Rolle von Kommunikationsagenturen in der Außenpolitik, in: Tenscher, Jens / Viehrig, Ulrike (Hrsg.): Politische Kommunikation in internationalen Beziehungen, Berlin, 2007, S. 220
5 Ebd.
6 Ebd. S. 224
7 Ebd. S. 225
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Ebd.
11 Ebd.
12 Leonard, Mark / Smewing, Conrad / Stead, Catherine: Public Diplomacy, London, 2002 S. 95
13 Busch-Janser, Sandra / Florian, Daniel: Die neuen Diplomaten? Public Diplomacy und die Rolle von Kommunikationsagenturen in der Außenpolitik, in: Tenscher, Jens / Viehrig, Ulrike (Hrsg.): Politische Kommunikation in internationalen Beziehungen, Berlin, 2007, S. 225
14 Ebd. S. 230
15 Ebd.
16 Ebd.
17 Ebd.
18 Ebd.
19 Ebd. S. 231
20 Mosdorf, Siegmar: Ethisch-kulturelle Herausforderungen der Informationsgesellschaft, in: Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medienethik – die Frage der Verantwortung, Bonn, 1999, S. 117
21 Ebd.
22 Ebd. S. 119
23 Ebd.
24 Ebd. S. 120
25 Ebd. S. 121
26 Ebd. S. 126
27 Schächter, Markus: Medien und Macht – Journalismus in der vernetzten Gesellschaft, in: Vortragsmanuskript der 39. Mainzer Tage der Fernseh-Kritik, Mainz, 2006, abrufbar unter: http://www.mediaculture- online.de/fileadmin/bibliothek/schaechter_journalismus/schaechter_journalismus.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:19 Uhr)
28 Kleinsteuber, Hans J.: Mediendemokratie – kritisch betrachtet, in: merz – medien + erziehung, 52. Jahrgang, Heft 4/08, München, 2008, abrufbar unter: http://www.mediacultureonline.de/fileadmin/bibliothek/kleinsteuber_mediendemokratie/kleinsteuber_mediendemok ratie.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:25 Uhr)
29 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 24 f.
30 Schneider, Beate: Mediensystem, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Lexikonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 422
31 Ronneberger, Franz: Die politischen Funktionen der Massenkommunikation, in: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Zur Theorie der politischen Kommunikation, München, 1974, S. 198
32 Ruß-Mohl, Stephan: Medienjournalismus, Medien-PR und Medienethik, in: Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medienethik – die Frage der Verantwortung, Bonn, 1999, S. 233
33 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 26
34 Ebd.
35 Ebd. S. 27
36 Jarren, Otfried / Donges, Patrick: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft: Eine Einführung, Wiesbaden, 2006, S. 19
37 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 84
38 Ebd. S. 85
39 Kleinsteuber, Hans J.: Mediendemokratie – kritisch betrachtet, in: merz – medien + erziehung, 52. Jahrgang, Heft 4/08, München, 2008, abrufbar unter: http://www.mediacultureonline.de/fileadmin/bibliothek/kleinsteuber_mediendemokratie/kleinsteuber_mediendemok ratie.pdf (abgerufen am 07.05.2010 um 12:25 Uhr)
40 Jarren, Otfried / Donges, Patrick: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft: Eine Einführung, Wiesbaden, 2006, S. 48
41 Ebd. S. 34
42 Steinmetz, Willibald: Ungewollte Politisierung durch Medien? Die Contergan-Affaire, in: Weisbrod, Bernd (Hrsg.): Die Politik der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit der Politik. Politische Medialisierung in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen, 2003, S. 228
43 Ebd.
44 Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schulz, Wolfgang: Politische Kommunikation – Rechtswissenschaftliche Perspektiven, in: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Ein Handbuch mit Leixkonteil, Opladen / Wiesbaden, 1998, S. 161
45 Sarcinelli, Ulrich: Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischen Handelns in der Wahlkampfkommunikation der Bundesrepublik Deutschland, Opladen, 1987, S. 242
46 Ebd.
47 Saxer, Ulrich: Politik als Unterhaltung, Konstanz, 2007, S. 89
48 Ebd. S. 91
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