Bei diesem Text handelt es sich um einen ehemaligen Aufsatz in der Oberstufe des allgemeinbildenden Gymnasiums in BW (Note: 15 Notenpunkte). Schwerpunkt der Klausur war die Erörterung. Bezugstext: "Wertvoller als das eigene Wohlergehen - Wann ist ein Held ein Held?" von Harald Martenstein.
Textgebundene Erörterung zu:
Wertvoller als das eigene Wohlergehen: Wann ist ein Held ein Held?
Julia Harzheim
In dem am zweiten Oktober 2005 in dem Magazin „Der Tagesspiegel“ veröffentlichten Kommentar mit dem Titel: „Wertvoller als das eigene Wohlergehen: Wann ist ein Held ein Held?“ von Harald Martenstein geht es um die Idee des Heldentums im Allgemeinen und ihren Wandel hinsichtlich Gestalt und Stellenwert für die Gesellschaft im Laufe der Geschichte.
Harald Martenstein widmet sich insbesondere der Problematik der Frage, was einen wirklichen Helden ausmacht, was „die wahren von den falschen Helden“ (Z.7f) unterscheidet.
Die Hinführung zur Thematik erfolgt durch eine Anspielung auf eine Musikgruppe, die das Wort im Namen trägt und als Erstes erscheint, wenn man es in die „Internet-Suchmaschine Google eingibt“ (Z.1); dies soll veranschaulichen, wie zusammenhanglos und unklar der Begriff in der heutigen Zeit meist gebraucht wird. Ab Z.9 liefert der Autor seine eigene Definition dazu: Er behauptet, Heldentum bedeute „Opfer und Risiko“ (Z.19) für einen Zweck, den man „für wertvoller halte als sich selber“ (Z.11). Danach findet eine Abgrenzung der eigentlichen Idee des Heldentums zur heutigen statt, die seiner Meinung nach „nicht von der Selbstüberhöhung des Individuums, sondern von seiner Demut“ (Z.16f) handele und demnach keine „moderne […] Idee“ (Z.16) sei, sondern eine „konservative und zugleich soziale“ (Z.18). Martenstein verweist bei der Suche nach den Wurzeln von Taten, die als „Heldentaten“ bezeichnet werden könnten, auf „Das Christliche […], das Konservative […] und das Heroische, die Selbstüberwindung“ (Z.25f) und kritisiert, die Ideologie des heutigen Kapitalismus habe „keinen Platz für unterbezahlte Krankenschwestern und Armenärzte, […] den Feuerwehrmann und den Rettungsschwimmer […]“ (Z.12). Akkumulationen wie diese finden sich noch an vielen anderen Stellen des Textes und dienen zur Veranschaulichung der Behauptungen des Autors.
Ein wichtiger Beweggrund für unsere teilweise Abneigung „gegen die Idee Held“ (Z.31f) sei, dass sie „unseren bequemen, selbstzufriedenen Hedonismus“ bedrohe (Z.32), so lautet eine andere These Martensteins. Er behauptet weiterhin, ein Held sei „kein Heiliger und kein Halbgott“ (Z.35) und müsse deswegen kein „besonders guter oder vorbildlicher Mensch“ sein (Z.37f). Dies begründet er damit, dass Entscheidungen, die eine Person zum Helden machen, „im Bruchteil einer Sekunde“ (Z.37) fallen würden und deswegen nichts mit der Moral des Menschen an sich zu tun hätten.
Im folgenden Textabschnitt geht er näher auf das Phänomen des Kriegshelden ein, der seiner Meinung nach dieses Attribut überhaupt nicht verdiene, da „Heldentum […] nicht befohlen werden könne“ (Z.53), wie das im Krieg meist der Fall sei; daher sei eine solche Person eher ein „Werkzeug“ (Z.55) als ein Held. Martenstein meint weiterhin, „der Staat und sein Krieg“ (Z.63f) seien im Gegensatz zu Dingen wie „das Leben“ (Z.62), der „Hilfe für Benachteiligte“ (Z.62) oder die „deutsche Wiedervereinigung“ (Z.63) kein ausreichender, außer Frage stehender Wert, den man aber unbedingt benötige, um ein Held zu sein (vgl. Z.61f). Schließlich bemerkt der Autor noch, dass das Wort „Held“ wohl unersetzbar sei, weil für den Begriff „Zivilcourage“ (Z.67), der in Deutschland „Karriere gemacht“ (ebd.) habe, eben doch kein Synonym existiere.
Harald Martenstein verwendet in seinem Kommentar zumeist kurze, prägnante Sätze parataktischer Art (z.B. Z.42: „Er ist eben kein Heiliger, nur ein Held“), die in klarer Normalsprache verfasst sind und z.T. rhetorische Fragen enthalten (z.B. Z.43:“Warum ist hier eigentlich die ganze Zeit von den zivilen Helden die Rede?“). Er wendet sich mit seinem Text gezielt an die große deutsche Allgemeinheit mit der Intention, einerseits über den Begriff des Heldentums und seine Hintergründe zu informieren und andererseits den Leser dazu anzuregen, ihn mit größerer Bedächtnis und Sorgfalt zu verwenden.
Jedoch muss man sich nach dem Lesen seines Kommentares die Frage stellen, ob die dargestellten Sichtweisen wirklich alle so vorbehaltlos übernommen und geteilt werden können wie vom Verfasser beabsichtigt, oder ob manche von ihnen nicht vielleicht doch einer kritischeren Hinterfragung unterzogen werden sollten.
Ich gehe mit Harald Martenstein insofern konform, als dass ich meine, wir sollten vorsichtiger sein bei der Auswahl derjenigen Personen, die wir mit dem Wort „Held“ betiteln, denn eine solch unbedachte Auswahl könnte natürlich nur zu leicht zu falschen und eventuell gefährlichen Idealen und Maßstäben führen. Wenn man beispielsweise einen Blick in die Medienwelt wirft, wird man schon nach kurzer Zeit, die man mit Durchblättern eines Promi-Magazines oder mit Ansehen einer entsprechenden Sendung im Fernsehen zugebracht hat, eine äußerst leichtsinnige und entfremdende Verwendung des Begriffs beobachten können. Da heißt es dann beispielsweise: „eindeutiger Held des Abends war jedoch Person XY“, wobei die einzige „Heldentat“ der genannten Person wahrscheinlich darin bestand, bei einer Preisverleihung in einem möglichst erotischen Kostüm, mit einer möglichst aufregenden Begleitung und noch dazu möglichst vielen kreischenden und in Ohnmacht fallenden Heranwachsenden im Schlepptau zu erscheinen. Da ist es kein Wunder, wenn die heutige Jugend den falschen Vorbildern und vor allem auch den falschen Zielen nacheifert.
Allerdings schreibt der Autor ebenfalls, die Frage heiße, was „die wahren von den falschen Helden“ unterscheide (vgl. Z.7f) und unterteilt somit nach ganz bestimmten Maßstäben in zwei Schubladen. Doch fällt die Unterscheidung wirklich immer so leicht, gibt es tatsächlich nur die „wahren“ und die „falschen“ Helden einer Gesellschaft? Und wer darf darüber bestimmen, wer zu welcher Kategorie gehört?
Als Beispiel für einen Helden, der diese Bezeichnung eigentlich überhaupt nicht verdiene, nennt Martenstein die große Gruppe der zu Kriegshelden Stilisierten. Er sagt, sie hätten allesamt nur so gehandelt wie sie handelten, weil es ihnen befohlen worden sei und sie dadurch zu Helden „gemacht“ worden wären (Z.51), dass es bei ihnen generell nur darauf ankäme, „das eigene Leben geringer zu schätzen als den staatlichen Befehl“ (Z.46f). Dies mag gewiss für einen großen Anteil der Soldaten zutreffen, die schlicht und einfach in den Krieg zogen und kämpften, weil sie Angst hatten und keinen anderen Ausweg sahen. In diesem Fall handelt es sich tatsächlich um bestimmt ganz bedauernswerte, aber keineswegs heldenhafte Figuren. Auch diejenigen, die sich als Mitläufer von der anfänglichen Euphorie anstecken ließen und dem Militär beitraten, weil es schick oder üblich so war, lassen sich wohl bestenfalls als „Werkzeuge des Staates“ bezeichnen, wie schon der Autor so treffend formulierte. Was aber ist mit all jenen, die aus eigener Überzeugung in den Krieg zogen, die es taten aus einem „Gefühl der Verantwortung des Einzelnen für das Ganze“ (Z.25f), wie ausgerechnet Harald Martenstein selbst einen der wesentlichen Bestandteile (nämlich das Konservative) für Heldentaten definierte? Beispielsweise aus einem Gefühl der Verantwortung bezogen auf Moralvorstellungen oder Werte, die sie in Gefahr sahen?
Mit diesem Beispiel beabsichtige ich keineswegs die Verherrlichung des Krieges an sich, doch es zeigt, wie schwer die Beurteilung von Taten und Heldentum fallen kann, wie stark sie subjektiven Einflüssen unterworfen ist. So manch ein „Kriegsheld“ meinte sicherlich, aus Verantwortungsgefühl, Selbstüberwindung und sogar aus Nächstenliebe zu handeln, egal wie absurd das nun auch klingen mag. Waren seine Taten deshalb auch automatisch Heldentaten?
Meiner Meinung nach ist eine Pauschalität wie eine solche, mit der der Autor Personen in „wahre“ und „falsche“ Helden unterteilt, schlichtweg fehl am Platze, genauso wie die Erstellung von „Standardkriterien“ zur Beurteilung von Verhaltensmustern. Bei einer näheren Betrachtung der Argumentation Harald Martensteins fallen dem aufmerksamen Leser außerdem Widersprüche auf, die ihn an der vollkommenen Durchdachtheit des Artikels und Auseinandersetzung mit der Definition des Heldenbegriffs zweifeln lassen.
So schreibt Martenstein beispielsweise wortwörtlich, ein Held „müsse kein besonders guter oder vorbildlicher Mensch sein“ (Z.37f), er sei vielleicht sogar ein „besonders lasterhaftes und unangenehmes Exemplar seiner Gattung“ (Z.39), welches „seinen Ruhm nach vollbrachter Tat in vollen Zügen genieße“ (Z.40), seine Geschichte „teuer an Bild verkaufe“ (Z.41) und seiner Familie „unerträglich“ würde (Z.41). Doch wie lässt sich ein solches Verhalten nun in Einklang bringen mit der noch kurz zuvor von ihm selbst aufgestellten These, die Idee des Heldentums handele „nicht von der Selbstüberhöhung des Individuums, sondern von seiner Demut“ (Z.16f)? Zeugt es etwa nicht von Selbstüberhöhung, wenn nicht gar von Hedonismus, der ebenfalls einer so starken Kritik unterworfen wird (vgl. Z.33), wenn man vor seinen Angehörigen ununterbrochen mit seiner Leistung prahlt und ihre Geschichte gar noch an eine Zeitung verkauft, um Profit daraus zu schlagen und möglichst alle Welt davon in Kenntnis zu setzen? Sieht so Demut aus?
[...]
- Quote paper
- Julia Harzheim (Author), 2010, Textgebundene Erörterung zum Thema Heldentum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174460
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.