Ist es gerecht, dass die Allgemeinheit die Kosten für eine Entwöhnungstherapie
Drogenabhängiger trägt?
Allein von der Rentenversicherung als Hauptkostenträger (85%) werden jedes Jahr
rund 112 Mio Euro für ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation
ausgegeben1, also auch für Drogenentwöhnungstherapien. Das sind rund 9.365 €
pro behandeltem Patienten im Jahr.
Hinzu kommen die allgemeinen Gesundheitskosten für Drogenabhängige, die sich
auf ein Jahresvolumen von 1,4 Milliarden Euro belaufen. Bei geschätzten 150.000
Drogenabhängigen in Deutschland ergeben sich somit Kosten von 9.344,37 € für
jeden Drogenabhängigen im Jahr allein im Gesundheitsbereich (Krankenhausaufenthalte,
Psychiatrie, Medikation; Notarzteinsätze, Krankengeld, Heil- und
Hilfsmittel).
Festzuhalten ist, dass in Deutschland zwar nicht der bloße Konsum, aber der Erwerb
und der Besitz illegaler Drogen – sozusagen als dem Konsum vorgelagerte
Tatbestände – strafbar sind und es dadurch quasi auch keinen straffreien Konsum
gibt.
Kosten der Therapiebehandlung Drogenabhängiger aus Gerechtigkeitsperspektive
Ist es gerecht, dass die Allgemeinheit die Kosten für eine Entwöhnungstherapie Drogenabhängiger trägt?
Allein von der Rentenversicherung als Hauptkostenträger (85%) werden jedes Jahr rund 112 Mio Euro für ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation ausgegeben[1], also auch für Drogenentwöhnungstherapien. Das sind rund 9.365 € pro behandeltem Patienten im Jahr.
Hinzu kommen die allgemeinen Gesundheitskosten für Drogenabhängige, die sich auf ein Jahresvolumen von 1,4 Milliarden Euro belaufen. Bei geschätzten 150.000 Drogenabhängigen in Deutschland ergeben sich somit Kosten von 9.344,37 € für jeden Drogenabhängigen im Jahr allein im Gesundheitsbereich (Krankenhausaufenthalte, Psychiatrie, Medikation; Notarzteinsätze, Krankengeld, Heil- und Hilfsmittel).
Festzuhalten ist, dass in Deutschland zwar nicht der bloße Konsum, aber der Erwerb und der Besitz illegaler Drogen – sozusagen als dem Konsum vorgelagerte Tatbestände – strafbar sind und es dadurch quasi auch keinen straffreien Konsum gibt.
Bei Verstoß gegen diese gesetzlichen Normen des Betäubungsmittelgesetzes kommt es – je nach Häufigkeit und Intensität der Tatbestandsverwirklichung – zur Verhängung von Haftstrafen. Deren Vollstreckung kann – ist die Tat auf die Abhängigkeit des Täters von Betäubungsmitteln zurück zu führen – bei einer (Rest)Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren zugunsten einer Therapie gemäß §§ 35-38 BtMG zurück gestellt, eine Vollstreckung ganz ausgesetzt oder sogar von der Verfolgung der Straftaten abgesehen werden.
Sollte man Drogenabhängigen angesichts der Kosten für medizinische Rehabilitation und allgemeine Gesundheitskosten nicht besser einfach wegsperren?
Dazu muss man jedoch einen Blick auf die Kosten einer Inhaftierung werfen.
Die Kosten der Haft betragen pro Inhaftiertem am Tag im Bundesdurchschnitt 77,81 €[2], d.h. jährlich 28.401,56 €.
Allerdings kommen auch hier etwaige Kosten für die besondere gesundheitliche Behandlung von inhaftierten Drogenabhängigen hinzu, wenn diese etwa im Rahmen des Entzugs medizinisch betreut werden müssen, oder eine Substitutionsbehandlung erfolgt. Auch Behandlungen wegen Überdosen sind hier bisweilen erforderlich.
Außer den Möglichkeiten der Haft und der Zurückstellung einer Freiheitsstrafe zugunsten einer Drogenentwöhnungstherapie besteht im Strafrecht darüber hinaus die Möglichkeit, dass das Gericht im Falle des durch einen medizinischen Sachverständigen festgestellten Hangs eines Täters, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnet. Dies kann neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe (bei im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangener Taten) oder anstelle einer Freiheitsstrafe (bei im Zustand der Schuldunfähigkeit begangener Straftaten) erfolgen.
Die Kosten für eine solche Therapie in einer Entziehungsanstalt belaufen sich auf etwa 175 €/Patient/Tag (=63.875 €/Jahr)[3].
Ist es gerecht, dass die Allgemeinheit die Kosten für eine Entwöhnungstherapie Drogenabhängiger trägt?
Dazu stellt sich die Frage: Was ist Gerechtigkeit?
Es gibt eine Vielzahl von Vorstellungen zur Bedeutung des Begriffs „Gerechtigkeit“, was die Breite der Thematik, aber zugleich deren Problematik zeigt.
Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, auf alle einzelnen Prinzipien einzugehen. Daher möchte ich meinen Überlegungen folgenden – allgemeinen – Gerechtigkeitsbegriff zugrunde legen:
Gerechtigkeit als idealer Zustand des sozialen Miteinanders, in dem es einen angemessenen, unparteilichen und einforderbaren Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen zwischen den beteiligten Personen oder Gruppen gibt[4].
Ist eine von der Allgemeinheit getragene Kostenlast für die therapeutische Entwöhnungsbehandlung Drogenabhängiger ein angemessener, unparteilicher Ausgleich der Interessen und der Verteilung von Gütern und Chancen?
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass Drogenabhängigkeit nach den Kriterien der WHO als Krankheit eingeordnet wird, die den Menschen in seiner Ganzheit erfasst – also grundsätzlich etwas, das jedem zustoßen kann.
Ursachen sowie Auswirkungen der Sucht liegen im körperlichen, seelisch-geistigen und zwischenmenschlichen Bereich, das bedeutet, bei einem Abhängigen wird nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, sondern damit auch die Erwerbstätigkeit und das soziale Netzwerk.
Zudem belegt eine landesweite epidemiologische Erhebung über Alkoholismus und andere Formen der Abhängigkeit in den USA eindeutig den Zusammenhang zwischen drogenbedingten Störungen und Persönlichkeitsstörungen, wobei bei etwa der Hälfte der Drogenkonsumenten mindestens eine Persönlichkeitsstörung festgestellt wurde[5].
Systematische diagnostische Studien gelangen zu dem Ergebnis, dass rund 80 % aller Patienten, bei denen eine Drogenabhängigkeit diagnostiziert wurde, zusätzlich unter komorbiden psychiatrischen Störungen leiden. Forschungsarbeiten aus neuerer Zeit ergaben, dass die Psychopathologie dem Drogenkonsum in der Regel vorausgeht[6].
Vor diesem Hintergrund, dass die Abhängigkeit eine – in der Regel unverschuldete – Krankheit mit weitreichenden Folgen ist, muss aber auch jeder die gleiche Chance auf „Heilung“ haben.
Selbstverständlich aber auch nur dann – und das ist ohnehin Grundvoraussetzung auch für die Erfolgsaussichten einer Therapie – wenn der Abhängige den ernsthaften Willen hat, etwas gegen seine Abhängigkeit zu tun.
Der auf der Idee der Menschenwürde und der damit verbundenen individuellen und sozialen Menschenrechte beruhende demokratische Verfassungsstaat hält es um der Würde des Menschen willen für geboten, dass jeder einzelne Bürger nicht nur einen ethisch-moralischen, sondern auch einen Rechtsanspruch auf ein Leben ohne existenzbedrohende materielle Sorge hat, also auch ein Recht auf ein Leben ohne Abhängigkeit, die zu diesen materiellen Sorgen führt.
Dies wurde bereits erstmals in Art. 151 der Weimarer Reichsverfassung festgeschrieben mit dem Satz „Die Ordnung des Wirtschaftslebens muss den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.“
Der gleiche Gedanke ist letztlich im Sozialstaatsprinzip in unserem Grundgesetz in Art. 20 GG festgeschrieben.
Und das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit verlangt, dass keiner, der sich nicht mehr selbst zu helfen vermag, in extremer Not – wie auch in der Regel bei Betäubungsmittelabhängigkeit – von der Gesellschaft allein gelassen wird, so dass er ein Leben in Würde nicht mehr zu führen vermag.
Der Gerechtigkeitsaspekt verlangt es daher, dass sich die Gesellschaft eine Therapie Drogenabhängiger leistet, denn ein Leben in Abhängigkeit ist nicht nur ein im Endeffekt sozialschädliches, sondern auch ein menschenunwürdiges Leben.
Auch ein Vergleich der Kosten macht deutlich, dass nicht unbedingt die Rede davon sein kann, dass es die Gesellschaft günstiger, sondern je nachdem sehr viel teurer kommen kann, Betäubungsmittelabhängige einfach weg zu sperren.
Eine Inhaftierung von Abhängigen ist nicht die Lösung zur Bekämpfung einer Abhängigkeit. Vielmehr geraten Inhaftierte nicht selten erst in der Haft an illegale Drogen und werden abhängig.
Insgesamt sind etwa 50 % der Inhaftierten wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in den Justizvollzugsanstalten, die Mehrzahl hiervon Drogenkonsumenten oder abhängige Kleinhändler. Und der Konsum geht in der Haft weiter. Vielfach ist es für die Abhängigen in der JVA sogar einfacher an ihren Stoff zu kommen als in Freiheit.
[...]
[1] REITOX-Bericht, S. 260
[2] vgl. Kammeier, C 92
[3] vgl. Kammeier, a.a.O.
[4] Lumer, 464b; Schwemmer: Stichwort Gerechtigkeit, 746; Höffe, 27; Penz u. Priddat in: Empfter/Vehrkamp, 51;
[5] EBDD, Komorbidität – Drogenkonsum und psychische Störungen, S. 1
[6] EBDD a.a.O.
- Arbeit zitieren
- Anke Roth (Autor:in), 2011, Kosten der Entwöhnungsbehandlung Drogenabhängiger unter Gerechtigkeitsperspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/173541
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