Die Utilitarismus-Konzeption bei Bentham und Mill scheint auf den ersten Blick ähnlich zu sein. Doch bei genauerer Betrachtung fallen diverse Unterschiede bzw. Weiterentwicklungen auf Seiten Mills auf.
Jeremy Bentham, geboren 1748, arbeitete 60 Jahre lang darauf hin, der „Newton of legislation“1 zu werden. Er wurde in London geboren, in einer damals durchaus respektablen Gegend2, als Sohn von Jeremiah Bentham, einem engagierten und ehrgeizigen Anwalt, dessen Ambitionen sich jedoch eher auf die Karriere seines Sohnes als auf die eigene bezogen. Erziehung war eine einfache Sache für Jeremiah Bentham: das Ziel war Geld oder eine andere angemessene Form von Macht, und als Mittel zum Zweck musste die Ausbildung sowohl technisch als auch sozial sein. Die am besten geeignetste technische Ausbildung war das Jurastudium, da es mit allen Bereichen des Lebens zu tun hatte – also sollte Jeremy Anwalt werden. Doch Jeremiah Bentham wusste, dass Jura allein nicht genug sein würde, also musste sich der Sohn auch sozial weiterbilden, um in der höheren Gesellschaft eines Tages akzeptiert zu werden. Dazu gehörte das Tanzen, Französisch, die Malerei und die Musik, und natürlich der Besuch einer großen Public School und später eines guten Colleges an der Universität. Schon im Kleinkindalter lernte Bentham Latein und Griechisch, und auch in Musik erwies sich Jeremy als sehr lernfähig. Mit fünf konnte er Footes Menuett auf seiner Miniaturgeige spielen, danach folgten Corelli und Händel. Mit sieben Jahren wurde er auf die Westminster School geschickt, eine der renommiertesten Jungenschulen Englands, und dort blieb er jeden Winter bis er 12 war. Mit „twelfe years, three months, and thirteen days“3 wurde er an der Oxford University eingeschrieben, und auch die mitgenommene Büchersammlung spricht für die Erziehung Benthams: darunter fanden sich unter anderem Werke von Milton, Cicero, Ovid, Horaz, Virgil und Homer. 1763, mit 15 Jahren, bekam Bentham das Bacherlor’s Degree verliehen, und im November desselben Jahres begann er, im Lincoln’s Inn zu essen und Verhandlungen bei Gericht beizuwohnen. [...]
1 Charles W. Everett, Jeremy Bentham, (London: Dell, 1966), S. 6.
2 Cf. Everett S. 13.
3 Ibid, S. 15.
Gliederung
1. Einleitung
2. Herleitung des Utilitarismus
3. Qualitativ vs. Quantitativ
4. Beweis des Utilitarismus
5. Sanktionen
6. Conclusio
7. Bibliographie
1. Einleitung
Die Utilitarismus-Konzeption bei Bentham und Mill scheint auf den ersten Blick ähnlich zu sein. Doch bei genauerer Betrachtung fallen diverse Unterschiede bzw. Weiterentwicklungen auf Seiten Mills auf.
Jeremy Bentham, geboren 1748, arbeitete 60 Jahre lang darauf hin, der „Newton of legislation“[1] zu werden. Er wurde in London geboren, in einer damals durchaus respektablen Gegend[2], als Sohn von Jeremiah Bentham, einem engagierten und ehrgeizigen Anwalt, dessen Ambitionen sich jedoch eher auf die Karriere seines Sohnes als auf die eigene bezogen. Erziehung war eine einfache Sache für Jeremiah Bentham: das Ziel war Geld oder eine andere angemessene Form von Macht, und als Mittel zum Zweck musste die Ausbildung sowohl technisch als auch sozial sein. Die am besten geeignetste technische Ausbildung war das Jurastudium, da es mit allen Bereichen des Lebens zu tun hatte – also sollte Jeremy Anwalt werden. Doch Jeremiah Bentham wusste, dass Jura allein nicht genug sein würde, also musste sich der Sohn auch sozial weiterbilden, um in der höheren Gesellschaft eines Tages akzeptiert zu werden. Dazu gehörte das Tanzen, Französisch, die Malerei und die Musik, und natürlich der Besuch einer großen Public School und später eines guten Colleges an der Universität. Schon im Kleinkindalter lernte Bentham Latein und Griechisch, und auch in Musik erwies sich Jeremy als sehr lernfähig. Mit fünf konnte er Footes Menuett auf seiner Miniaturgeige spielen, danach folgten Corelli und Händel. Mit sieben Jahren wurde er auf die Westminster School geschickt, eine der renommiertesten Jungenschulen Englands, und dort blieb er jeden Winter bis er 12 war. Mit „twelfe years, three months, and thirteen days“[3] wurde er an der Oxford University eingeschrieben, und auch die mitgenommene Büchersammlung spricht für die Erziehung Benthams: darunter fanden sich unter anderem Werke von Milton, Cicero, Ovid, Horaz, Virgil und Homer. 1763, mit 15 Jahren, bekam Bentham das Bacherlor’s Degree verliehen, und im November desselben Jahres begann er, im Lincoln’s Inn zu essen und Verhandlungen bei Gericht beizuwohnen. Doch auch andere Wissensgebiete wie zum Beispiel die Chemie und die Physik interessierten ihn, und sein naturwissenschaftliches Interesse bewegte ihn dazu, „to do for human society what Newton had done for natural science“[4], indem er überlegte „if one could apply to legislation scientific principles, and discover for social engineering a mathematical calculus“[5], denn „he could look for no less a change in human relations and the structure of society“[6] wie die Physik der Struktur der Welt gebracht hatte.
Bentham, „rather than making money by the practice of the law as it is, turned to a study of what the law might be“[7]. Dies wurde zum Mittelpunkt seines langen Lebens, in dem er sich ausgiebig mit Fragen nach der idealen Gesetzgebung auseinandersetzte. Zusammengezählt erreichen seine publizierten Werke über zehn Millionen Wörter, und seine nicht-publizierten Schriften haben in etwa den gleichen Umfang. Die Hauptsammlung der Bentham Manuskripte befindet sich in der Bibliothek des University Colleges, London – 173 Portfolios, die jeweils 300-400 Seiten enthalten. Außerdem besitzt das Britische Museum ungefähr 1600 Briefe Benthams, von denen ca. 250 veröffentlicht worden sind.
John Stuart Mill wurde 1806, also fast 60 Jahre nach Bentham, in London als ältestes von James Mills neun Kindern geboren. James Mill war ein enger Freund Benthams gewesen, und zwischen den beiden „war es eine ausgemachte Sache, dass John Stuart im Geiste des Philosophischen Radikalismus erzogen werden sollte“[8]. Auch Mill wurde, ähnlich wie Bentham, erst zu Hause, fernab von Gleichaltrigen, unterrichtet. Statt Spielsachen gab es Bücher. Mit drei Jahren lernt er Griechisch und Arithmetik, Latein und Geometrie folgen mit acht. Zu seiner ersten Lektüre gehören unter anderem Platon, Homer, Virgil und Horaz, außerdem liest er zur Entspannung Miguel de Cervantes, Daniel Defoe, David Hume, Edward Gibbon und Reiseberichte. Mit zwölf Jahren wird er anhand von Aristoteles Organon und Hobbes Computatio sive logica in die Logik eingeführt, ein Jahr später beschäftigt er sich mit politischer Ökonomie. Dadurch war Mill „ein ungewöhnlich belesener, redegewandter, gleichzeitig aber ein weltfremder, kontaktscheuer junger Mensch“[9], der sich ab 1820 auch auf dem Kontinent aufhielt – auf dem Landsitz von Benthams jüngerem Bruder Samuel in der Nähe von Toulouse. Dort studiert er weiter die Mathematik und liest die großen französischen Denker, und schon nach kurzer Zeit beherrscht er auch das Französische fließend. Außerdem folgt er Vorlesungen der Chemie und Zoologie an der Universität von Montpellier. Mit der Rückkehr aus Frankreich im Sommer 1821 beginnt für Mill das Leben in der Gesellschaft. Sein Studium wird freier – er beschäftigt sich zum Beispiel mit der Geschichte der Französischen Revolution, außerdem mit Locke, Hume und Berkeley – und zum ersten Mal kommt er mit den Schriften Benthams in Kontakt. Er ist begeistert vom Nützlichkeitsprinzip und gründet 1822/23 mit Freunden die utilitaristische Gesellschaft, „deren Mitglieder sich vierzehntägig im Hause Benthams versammeln und aktuelle ethische und politische Fragen diskutieren“[10].
2. Herleitung des Utilitarismus
Bentham leitet den Utilitarismus daher, dass „nature has placed mankind under the governance of two sovereign masters, pleasure and pain“[11]. Dies stellt er als Tatsache dar, die allgemein anerkannt ist, und das principle of utility (oder Greatest Happiness Principle) „assumes it for the foundation of that system“[12],wird also als Grundlage für das System, den Utitlitarismus, genommen. Mit dem Greatest Happiness Principle meint Bentham
that principle which approves or disapproves of every action whatsoever, according to the tendency which it appears to have to augment or diminish the happiness of the party whose interest is in question[13].
Bentham geht also davon aus, dass Schmerz und Freude die bestimmenden Prinzipien im Leben sind, und dass sich daraus ergibt, was man tun und lassen soll. Das Nützlichkeitsprinzip gilt nicht nur für Individuen, sondern auch für die Gemeinschaft und die Regierung, und die Nützlichkeit der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft zusammengerechnet ergibt die Nützlichkeit der Gemeinschaft. Daher muß man auch, um das Interesse der Gemeinschaft zu verstehen, die Interessen der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft kennen. Handlungen, die dem Prinzip der Nützlichkeit entsprechen, sollen durchgeführt werden – erst dadurch bekommen die Begriffe ‚sollen’, ‚falsch’ und ‚richtig’ Bedeutung, denn „of an action that is conformable to the principle of utility one may always say either that it is one that ought to be done“[14], und „when thus interpreted, the words ought, and right and wrong, and others of that stamp, have a meaning“[15]. Dies ist wie folgt im Oxford Companion to Philosophy erläutert: „The rightness of actions depends on their utility; and the utility is measured by the consequences which the actions tend to produce“[16]. Laut Bentham, so Nigel Warburton, „the right action in any circumstances can be calculated by examining the probable consequences of the various possible courses of action. Whichever is most likely to bring about the most happiness is the right action in those circumstances”[17].
Mills Definition des Utilitarismus ist ganz ähnlich:
the creed which accepts as the foundation of morals, Utility, or the Greatest Happiness Principle, holds that actions are right in proportion as they tend to promote happiness, wrong as they tend to produce the reverse of happiness. By happiness is intended pleasure, and the absence of pain; by unhappiness, pain, and the privation of pleasure[18].
Er geht ferner darauf ein, daß diese Theorie keinesfalls neu ist, sondern bereits von Epikur vertreten wurde: „every writer, from Epicurus to Bentham, who maintained the theory of utility“[19] habe die in der Definition beschriebene Ansicht bekräftigt. Mill fasst dann die Theorie nochmals zusammen: „pleasure, or freedom from pain, are the only things desirable as ends; and [...] all desirable things […] are desirable either for the pleasure inherent in themselves, or as means to the promotion of pleasure and the prevention of pain”[20]. Das Nützlichkeitsprinzip bei Mill “bildet die Grundlage für das ganze Spektrum der Lebenskunst, Klugheit und Ästhetik eingeschlossen”[21]. Weiter glaubt Mill, „that an ultimate standard or end must be given by what he calls the general Art of Life, and that the evidence of human nature points towards utility-maximization as the ultimate standard”[22]. Dieser Endzweck, “so lautet die Grundidee von Mills utilitaristischer Ethik, ist dabei der größte Nutzen aller Menschen”[23].
Der Unterschied zwischen der Utilitarismus-Konzeption Benthams und der Mills liegt nicht so sehr in der Herleitung, da Mill sich sehr auf Bentham bezieht, sondern vielmehr in der Ausarbeitung und in dem Versuch, den Utilitarismus als einzig wahre ethische Theorie zu beweisen. Dazu wird in den nächsten Kapiteln mehr zu sagen sein. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Pleasures und Pains, sowohl von Bentham als auch später von Mill als die einzigen “sovereign masters”[24] anerkannt werden. Sie „govern us in all we do, in all we say, in all we think”[25]. Das Nützlichkeitsprinzip besagt, daß das höchste Ziel eines jeden Handelns „das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl von Menschen”[26] sei, und das ist das Kernstück der Utilitarismustheorie.
[...]
[1] Charles W. Everett, Jeremy Bentham, (London: Dell, 1966), S. 6.
[2] Cf. Everett S. 13.
[3] Ibid, S. 15.
[4] Ibid, S. 18.
[5] Ibid.
[6] Ibid.
[7] Ted Honderich (Hg.), The Oxford Companion to Philosophy, (Oxford: OUP, 1995), S. 85.
[8] Peter Rinderle, John Stuart Mill, (München: Beck, 2000), S. 13.
[9] Ibid, S. 16.
[10] Ibid, S. 18.
[11] Jeremy Bentham, The Principles of Morals and Legislation, (New York: Hafner, 1948) , S. 1.
[12] Ibid, S. 2.
[13] Ibid.
[14] Ibid, S. 4.
[15] Ibid.
[16] Honderich, S. 85.
[17] Nigel Warburton, Philosophy – The Basics, (London: Routledge, 1999), S. 49.
[18] John Stuart Mill, On Liberty and Other Essays, (Oxford: OUP, 1998), S. 138.
[19] Ibid, S. 136.
[20] Ibid, S. 137.
[21] Rinderle, S. 76.
[22] Jonathan Riley, Liberal Utilitarianism, (Cambridge: CUP, 1988), S. 133.
[23] Rinderle, S. 63.
[24] Bentham, S.1.
[25] Ibid.
[26] Christoph Helferich, Geschichte der Philosophie, (München: DTV, 2002), S. 300.
- Arbeit zitieren
- Kristin Ott (Autor:in), 2003, Vergleich der Utilitarismuskonzeption bei Bentham und Mill, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17278
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