Zu den bedeutendsten Malerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts gehörte die italienische Künstlerin Sofonisba Anguissola (um 1531/1532–1625), nach anderer Schreibweise auch Anguisciola. Ihre Werke fanden bereits zu ihren Lebzeiten den Gefallen von großen Meistern und reichen Adligen. Dank ihres Talents konnte Sofonisba als Zeichenlehrerin am spanischen Königshof nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern auch den ihrer Eltern verdienen. Die Kurzbiografie „Sofonisba Anguissola. Die erste Malerin der Neuzeit“ des Wiesbadener Autors Ernst Probst schildert ihr Leben.
Ernst Probst
Sofonisba Anguissola
Die erste Malerin der Neuzeit
Zu den bedeutendsten Malerinnen des 16. und 17. Jahrhunderts gehörte die italienische Künstlerin Sofonisba Anguissola (um 1531/1532–1625), nach anderer Schreibweise auch Anguisciola. Ihre Werke fanden bereits zu ihren Lebzeiten den Gefallen von großen Meistern und reichen Adligen. Dank ihres Talents konnte Sofonisba als Zeichenlehrerin am spanischen Königshof nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt, sondern auch den ihrer Eltern verdienen. Man bezeichnet sie als erste Malerin der Neuzeit.
Sofonisba Anguissola kam laut Online-Lexikon „Wikipedia“ um 1531/1532 als ältestes von sieben Kindern des Amilcare Anguissola und seiner Ehefrau Bianca Ponzoni in Cremona (Oberitalien) zur Welt. Die von vielen Autoren auf 1527/1528 datierte Geburt beruht auf der falschen Aussage des flämischen Malers Anthonys van Dyck (1599–1641), der Sofonisba 1624 ein Jahr vor ihrem Tod kennen lernte und als „96-jährig, blind, aber von lebendigem Verstand“ bezeichnete.
Sowohl der Vater als auch die Mutter von Sofonisba gehörten zu aus dem Handelsbürgertum stammenden adeligen Familien der Stadt Cremona. Sofonisbas fünf Schwestern hießen Elena (nach 1532 bis nach 1584), Lucia (zwischen 1537 und 1542 bis vor 1566), Minerva (zwischen 1539 und 1541 bis vor 1566), Anna Maria (um 1555/1556 bis um 1611) und Europa (um 1566 bis vor 1578 tätig). Ihr jüngster Bruder trug den Vornamen Asdrubale. Die Eltern ließen ihren Töchtern eine humanistisch geprägte Bildung sowie eine Ausbildung zukommen, die damals nur für männliche Familienmitglieder üblich war.
Von ihrem Vater wurde Sofonisba bereits mit zehn Jahren zusammen mit ihrer Schwester Elena für drei Jahre in die Lehre zu dem manieristischen Maler Bernardino Campi (1522–1591) in Cremona geschickt. Der Entschluss Amilcares, diese beiden Töchter als Malerinnen ausbilden zu lassen, war damals eine Sensation. 1549 setzte Sofonisba ihr Studium bei dem Maler Bernardino Gatti, genannt Il Sojaro (um 1495–um 1575), fort.
Außer Sofonisba betätigten sich auch deren Schwestern Lucia, Europa und Anna Maria als Malerinnen. Minerva wurde Literatin und Elena Dominikanerin und Malerin.
Amilcare Anguissola reiste mit Sofonisba sowie ihren Zeichnungen und Selbstporträts zu den Adelshöfen in Mantua, Ferrara und Parma. Ihre Werke beeindruckten sogar den berühmten italienischen Bildhauer, Maler, Baumeister und Dichter Michelangelo (1475–1564). Er stellte Sofonisba die besonders schwierige Aufgabe, einen weinenden Jungen zu zeichnen. Sie löste dies bravourös mit dem Motiv des „Knaben, der von einem Krebs gezwickt wird“.
Auch die Künstler Giorgio Vasari (1511–1574), Francesco Salviati (1510–1563) und Antoine Caron (um 1521–1599) wussten Sofonisbas Gemälde zu schätzen. Als Beweis ihrer Anerkennung gilt ihre Aufnahme in die zweite Auflage der Künstlerbiographie Vasaris, die 1568 erschienen ist. Sofonisba genoss in Italien und im Ausland hohes Ansehen und stand mit Herrschern, Literaten und Künstlern in Verbindung.
Die väterlichen Investitionen in die Zukunft von Sofonisba Anguissola machten sich bezahlt. 1559 war sie zu Gast am Hof des Vizekönigs Duca di Sessa in Mailand. Von dort aus leitete man sie 1560 mit einer Empfehlung des Herzogs von Alba, Fernando Toledo (1507–1582), nach Madrid an den königlichen Hof. Dort diente sie Isabella von Valois (1556–1568), der 14-jährigen Braut des spanischen Thronfolgers Philipp II. (1527–1598), als Hofdame und Zeichenlehrerin. Bald verbrachte die junge Königin die meiste Zeit vor der Staffelei. Für ihre Dienste erhielt Sofonisba nicht nur eine jährliche Rente für sich selbst, sondern auch für ihre Eltern.
Von Sofonisba blieben auch Zeugnisse ihres Schriftwechsels erhalten. Dazu gehören ein am 16. September 1561 in Madrid verfasster Brief an Papst Pius IV. (1499–1565) und ein am 21. Oktober 1561 ebenfalls in Madrid zu Papier gebrachter Brief an den Maler Bernardino Campi.
Das erste Porträt, das Sofonisba Anguissola von der kindlichen Infantin Isabella anfertigte, war so gelungen, dass Peter Paul Rubens es kopierte. 1565 malte Anguissola auch König Philipp II.
Als Königin Isabella, mit der sie sich sehr gut verstanden hatte, 1568 während ihrer dritten Schwangerschaft starb, litt Sofonisba Anguissola unter Depressionen, blieb aber am spanischen Hof. Die Nachfolgerin von Isabella, die Erzherzogin Anna von Österreich (1549–1580), wusste ebenfalls ihre Gesellschaft und ihre Kunst zu schätzen. Während ihres Aufenthalts bei Hofe verhielt sich Sofonisba stets untadelig und zurückhaltend.
Als Sofonisba Anguissola etwa 40 Jahre alt war, bot der spanische König ihr bei der Suche nach einem Ehemann seine Hilfe an. Doch sie wollte einen Italiener und keinen Spanier heiraten. Um 1571 vermählte sich Sofonisba mit dem Bruder des Prinzen von Paterno auf Sizilien, Fabrizio di Moncada. Das Paar lebte auf Sizilien. Der Gatte ertrank 1579 bei einem Piratenüberfall auf ein Schiff, mit dem er nach Spanien fahren wollte.
Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes verließ Sofonisba zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt Sizilien. Sie heiratete 1580 in Genua, wo ihre Existenz ab 1578 belegt ist, den adligen Schiffskapitän Orazio Lomellini (gestorben nach 1632), mit dem sie zunächst in dessen Heimatstadt Genua und später in Palermo (Sizilien) lebte.
Während Sofonisbas Zeit in Cremona bis 1559 entstanden unter anderem das Porträt des jungen Bernardino Campi, der gerade Sofonisba malt (um 1559), Selbstbildnisse (1554 bis 1559), das Gemälde „Die Ruhe der Heiligen Familie auf der Flucht nach Ägypten“ (1559) sowie die Hauptwerke „Drei Schwestern beim Schachspiel“ (um 1555) und „Gruppenbild der Familie Anguissola“ (um 1558). Das Bild „Drei Schwestern beim Schachspiel“ gilt als erste Darstellung einer Alltagsszene in der italienischen Malerei.
Während des Aufenthaltes von 1560 bis vermutlich 1571 in Spanien schuf Sofonisba gelungene Porträts der königlichen Familie. Aus dieser Zeit stammen das „Selbstbildnis am Spinett mit Amme“ (um 1561) und das „Selbstbildnis in der Brera“ (um 1561). Sehr selten sind gesicherte Werke der letzten Schaffensperiode (nach 1580), zu denen die „Madonna Lactans“ (1588) und das nach 1599 entstandene Porträt der Infantin Isabella Clara Eugenia (1566–1633), der späteren Erzherzogin von Österreich, gehören. 1606 bekam Sofonisba Besuch von dem jungen Peter Paul Rubens.
Der junge flämische Maler Anthonys van Dyck besuchte die durch eine Augenkrankheit und Rheumatismus behinderte Sofonisba Anguissola am 12. Juli 1624 ein Jahr vor ihrem Tod in Palermo. Der 25-Jährige hatte sich bereits seit drei Monaten in Palermo aufgehalten, bevor sich endlich eine Gelegenheit zu diesem ersehnten Besuch bot. Weil sie „schrecklich dünn“ wirkte, erschien ihm Sofonisba sehr gebrechlich. Zu seiner Überraschung war sie bei klarem Verstand, sprach mit ihm auf Französisch, verstand alles, was er sagte, und zitterte weder mit den Händen noch wackelte sie mit dem Kopf wie andere alte Leute.
Van Dyck fertigte eine Skizze von Sofonisba an, die in seinem „Italienischen Reisebuch“ enthalten ist. Sofonisba wies ihn darauf hin, dass bei einem bestimmten Lichteinfall die Falten in ihrem Gesicht nicht ganz so scharfe Schatten werfen würden. Van Dyck lobte sie, er habe von ihr mehr gelernt als durch das Studium der vortrefflichen Meister.
Im November 1625 starb Sofonisba Anguissola in Palermo. Ihr Mann Orazio Lomellini ließ auf den Grabstein meißeln, seine Gattin habe durch ihre Vornehmheit, ihre Schönheit und außerordentlichen Gaben zu den berühmtesten Frauen der Welt gehört und sie sei im Darstellen des menschlichen Gesichts so vorzüglich gewesen, dass niemand zu ihrer Zeit gleich geschätzt worden sei.
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- Arbeit zitieren
- Ernst Probst (Autor:in), 2011, Sofonisba Anguissola - Die erste Malerin der Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172727
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