„Eigentum ist eine Frucht von Arbeit. Eigentum ist wünschenswert, ein positives Gut in
der Welt. Daß einige reich sind, zeigt, daß andere reich werden können, und das ist
wiederum eine Ermutigung für Fleiß und Unternehmensgeist.“
(Abraham Lincoln) Wieviel Eigentum darf ein einzelner Mensch besitzen? Gibt es so etwas wie einen
Maßstab oder eine Regel? Wenn ja, wie ist der Maßstab selbst begründet und mißt
er auch das, was er messen soll? Dies ist nur ein Fragenkomplex, der exemplarisch
aufzeigen soll, wie relevant Lockes Arbeit bis heute geblieben ist. Locke war unter
anderem auf der Suche nach Antworten bezüglich der Legitimation von
Eigentumsrechten. Seine Erklärung, daß Eigentumsrechte durch menschlichen
Arbeitseinsatz geltend gemacht werden können löste einen Paradigmenwechsel in
der Geistesgeschichte aus. Seine 1689 erschienene Eigentumstheorie bildet bis
heute mit die Rechtsgrundlage für das Eigentum in vielen Staaten. Arbeit und
Eigentum sind zwei zentrale Begriffe, zwei Leitgedanken der modernen Gesellschaft.
Auch in John Lockes politischer Theorie stehen die beiden Begriffe im Mittelpunkt.
Lockes Thesen werden seitdem kontrovers diskutiert und interpretiert. In mehr als
300 Jahren sind zahllose Textanalysen und Interpretationen entstanden, von denen
in dieser Hausarbeit nur eine Auswahl behandelt werden kann. Die Arbeiten von
Macpherson und Brocker stehen dabei im Vordergrund, während auf Olivecrona,
Tully, Kramer, Meyer und Waldron abschnittsweise eingegangen wird. Einigkeit
herrscht bei den meisten Interpreten darin, daß John Locke an der
„kopernikanischen“ Wende von der Okkupationstheorie1 zur Arbeitstheorie des
Eigentums maßgeblich beteiligt war. Diese Hausarbeit beantwortet in erster Linie
die Frage, wie Locke im vielzitierten fünften Kapitel des Second Treatise of
Government begründet, daß ein Einzelner ein Eigentumsrecht an einem Teil von
dem geltend machen kann, was allen gemeinsam gehört – und zwar ohne Vertrag.
Dann soll betrachtet werden, wie Locke mit der Einführung der Geldwirtschaft seine
selbst formulierten Aneignungsschranken hinfällig macht.
Als erstes werden die Merkmale des Naturzustandes bei Locke mit Blick auf die
Eigentumsverhältnisse der Menschen beschrieben und erläutert.
Inhalt
1. Arbeit und Eigentum
2. Darstellung der Eigentumstheorie von John Locke im Naturzustand
2.1. Die Merkmale des Naturzustandes
2.2. Das natürliche Recht auf Eigentum
2.2.1. Lockes Prämissen
2.2.2. Arbeit und Eigentum
2.3. Die Wertschöpfung des Menschen
2.4. Die natürlichen Grenzen der Aneignung
2.5. Die Rolle der Einführung des Geldes
3. Eigentum im Naturzustand bei Hobbes
4. Klassenkampf im Naturzustand
1. Arbeit und Eigentum
„Eigentum ist eine Frucht von Arbeit. Eigentum ist wünschenswert, ein positives Gut in der Welt. Daß einige reich sind, zeigt, daß andere reich werden können, und das ist wiederum eine Ermutigung für Fleiß und Unternehmensgeist.“
- Abraham Lincoln
Wieviel Eigentum darf ein einzelner Mensch besitzen? Gibt es so etwas wie einen Maßstab oder eine Regel? Wenn ja, wie ist der Maßstab selbst begründet und mißt er auch das, was er messen soll? Dies ist nur ein Fragenkomplex, der exemplarisch aufzeigen soll, wie relevant Lockes Arbeit bis heute geblieben ist. Locke war unter anderem auf der Suche nach Antworten bezüglich der Legitimation von Eigentumsrechten. Seine Erklärung, daß Eigentumsrechte durch menschlichen Arbeitseinsatz geltend gemacht werden können löste einen Paradigmenwechsel in der Geistesgeschichte aus. Seine 1689 erschienene Eigentumstheorie bildet bis heute mit die Rechtsgrundlage für das Eigentum in vielen Staaten. Arbeit und Eigentum sind zwei zentrale Begriffe, zwei Leitgedanken der modernen Gesellschaft. Auch in John Lockes politischer Theorie stehen die beiden Begriffe im Mittelpunkt. Lockes Thesen werden seitdem kontrovers diskutiert und interpretiert. In mehr als 300 Jahren sind zahllose Textanalysen und Interpretationen entstanden, von denen in dieser Hausarbeit nur eine Auswahl behandelt werden kann. Die Arbeiten von Macpherson und Brocker stehen dabei im Vordergrund, während auf Olivecrona, Tully, Kramer, Meyer und Waldron abschnittsweise eingegangen wird. Einigkeit herrscht bei den meisten Interpreten darin, daß John Locke an der „kopernikanischen“ Wende von der Okkupationstheorie[1] zur Arbeitstheorie des Eigentums maßgeblich beteiligt war. Diese Hausarbeit beantwortet in erster Linie die Frage, wie Locke im vielzitierten fünften Kapitel des Second Treatise of Government begründet, daß ein Einzelner ein Eigentumsrecht an einem Teil von dem geltend machen kann, was allen gemeinsam gehört – und zwar ohne Vertrag. Dann soll betrachtet werden, wie Locke mit der Einführung der Geldwirtschaft seine selbst formulierten Aneignungsschranken hinfällig macht.
Als erstes werden die Merkmale des Naturzustandes bei Locke mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse der Menschen beschrieben und erläutert.
2. Darstellung der Eigentumstheorie von John Locke im Naturzustand
In seiner „Zweiten Abhandlung über die Regierung“ will John Locke zeigen, wie es sich mit dem wahren Ursprung, der Reichweite und dem Zweck der staatlichen Regierung verhält. Seinen Anspruch auf Wahrheit macht er bereits in der Überschrift deutlich. Es handelt sich dabei um die „Wahrheit“ über den Ursprung aller staatlicher Regierung und somit aller politischer Gewalt, den Locke erkannt haben will. Unter „politischer Gewalt“ versteht er
„ein Recht, für die Regelung und Erhaltung des Eigentums Gesetze mit Todesstrafe und folglich auch allen geringeren Strafen zu schaffen, wie auch das Recht, die Gewalt der Gemeinschaft zu gebrauchen, um diese Gesetze zu vollstrecken und den Staat gegen fremdes Unrecht zu schützen, jedoch nur zugunsten des Gemeinwohls.“[2]
Locke macht gleich deutlich, wie hoch er das Recht auf Eigentum bewertet, wenn er die Eigentumssicherung als oberste Aufgabe des Staates ansieht. Warum Locke dem Recht auf Eigentum soviel Bedeutung beimißt, und welche zentrale Rolle Eigentum in seiner politischen Theorie spielt wird in einem späteren Abschnitt erläutert. Jetzt geht es zunächst für Locke darum den Ursprung politischer Macht zu erklären, bevor er den Kriegszustand und die Sklaverei beschreibt. Dazu liefert er seine Beschreibung der Anfänge der Spezies Homo Sapiens[3] im sogenannten „Naturzustand“, die Mächte- und Rechtsverhältnisse betreffend.
2.1. Die Merkmale des Naturzustandes
Locke geht davon aus, daß es bei den ersten Menschen keine Hierarchie gegeben hat, und daß sie somit „ohne Unterordnung und Unterwerfung einander gleichgestellt leben sollen [...]“.[4] Locke sieht darin einen Auftrag, den die Menschen von einem allmächtigen Schöpfer erhalten haben. Die Menschen als dessen Geschöpfe sind weisungsgebunden. Nur durch eine „deutliche Willensäußerung“ des Schöpfers wäre eine natürliche Rangordnung gerechtfertigt. Locke ist sicher, daß es eine solche Willensäußerung nicht gegeben hat, und daß der „Herr und Meister“[5] vielmehr die Welt „den Menschen gemeinsam gegeben hat“.[6] Damit bezieht er deutlich Stellung gegen die damals weit verbreitete Patriarchaltheorie[7] und deren zu der Zeit bekanntesten Vertreter Sir Robert Filmer. In der „Ersten Abhandlung über die Regierung“ und in der Einleitung der „Zweiten Abhandlung über die Regierung“ versucht Locke die Patriarchaltheorie zu widerlegen und wendet sich ausdrücklich gegen Filmer. Peter Laslett geht davon aus, daß die Arbeit von Locke, welche 1689 erschienen ist, nicht zur Rechtfertigung der Glorious Revolution verfaßt wurde. Vielmehr spricht dafür, daß Locke seine Abhandlungen über die Regierung bereits im Jahr 1679 im Auftrag der Whigs als Streitschrift gegen die Tory- Autorität Filmer geschrieben hat.
Da es also keine natürliche Rangordnung gibt, ist der Naturzustand „ein Zustand der Gleichheit, in dem alle Macht und Rechtsprechung wechselseitig sind, da niemand mehr besitzt als ein anderer.“[8] In der Gattung Mensch gibt es nur gleichgestellte Individuen, „die ohne Unterschied zum Genuß derselben Vorteile der Natur und zum Gebrauch derselben Fähigkeiten geboren sind...“.[9] Was meint Locke, wenn er behauptet, daß im Naturzustand niemand mehr besäße als ein anderer, und er als Beispiele dann die menschlichen Fähigkeiten und die „Vorteile der Natur“ anführt? Die Gleichheit der Fähigkeiten wird bereits von Thomas Hobbes erläutert. Demnach können Unterschiede in der physischen Stärke durch List und Allianzen ausgeglichen werden.[10] Der „Genuß derselben Vorteile der Natur“, von dem Locke spricht, scheint aber noch sehr vage und muß weiter konkretisiert werden. „Die Erde und alles, was auf ihr ist...“, also Früchte, Tiere et cetera sind „den Menschen zum Unterhalt und Genuß ihres Daseins gegeben.“[11] Der Naturzustand ist charakterisiert als
„ein Zustand vollkommener Freiheit, innerhalb der Grenzen des Gesetzes der Natur ihre Handlungen zu regeln und über ihren Besitz und ihre Persönlichkeit so zu verfügen, wie es ihnen am besten scheint, ohne dabei jemanden um Erlaubnis zu bitten oder vom Willen eines anderen abhängig zu sein.“[12]
Das natürliche Gesetz entspricht der Vernunft, die jeden Menschen verpflichtet, sich selbst zu erhalten. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, muß es von Natur aus ein Recht auf Eigentum an den natürlichen Dingen geben, die zum Lebensunterhalt erforderlich sind.
Die These, daß im Naturzustand alle Macht und Rechtsprechung wechselseitig seien, setzt eine Gesetzgebung voraus, oder zumindest ein gewisses Maß an allgemein verbindlichen und bekannten Regeln des Zusammenlebens. Wie zitiert handelt es sich hierbei um das natürliche Gesetz. Es sei für jeden einleuchtend, daß niemand einem anderen an seinem Leben und Besitz einen Schaden zufügen soll, da alle Menschen Gottes Eigentum sind. Der Schöpfer hat die alleinigen Eigentumsrechte und daraus folgt für den Menschen die absolute Pflicht zur Selbsterhaltung. Der Mensch soll sich selbst, und nach Möglichkeit seine eigene Spezies erhalten. Vorrang hat aber die Erhaltung des eigenen Selbst.[13] Hier wird eine wichtige Position des klassischen Liberalismus deutlich, welcher die Rechte des Individuums an erste Stelle setzt. Auch für Locke ergibt sich an dieser Stelle im Naturzustand das Problem des „Wettstreits der Egoismen“ und er stellt sich die Frage, wie man ohne höhere Instanzen verhindern kann, daß sich die Menschen gegenseitig benachteiligen. Da es im hierarchielosen Naturzustand weder Richter noch Schlichter gibt, an die sich die Menschen im Streitfall wenden können, müssen sie untereinander für die Vollstreckung des natürlichen Gesetzes sorgen. So kann es sein, daß im Naturzustand, in dem es zuerst kein Mächteungleichgewicht gab, durchaus „ein Mensch die Macht über einen anderen erlangen“[14] kann. Das Gesetz der Natur wäre nichtig, wenn niemand im Besitz der Vollstreckungsmacht wäre. So haben alle von Anfang an gleichermaßen die Gewalt zur Wiedergutmachung und zur Abschreckung, der es Bedarf um die Menschheit vor Unrecht und Gewalttätigkeit zu schützen. Kommt es zu einer Straftat endet das Mächtegleichgewicht. Der Missetäter verliert seine Rechte auf Freiheit und Gleichheit und gibt seine Strafgewalt in die Hände eines Richters. Jeder Mensch ist im Naturzustand berechtigt zu urteilen und zu bestrafen, da „ein jeder durch das Recht, die Menschheit zu erhalten [...] die Macht hat, das Verbrechen zu bestrafen.“[15] Diese Selbstjustiz im Naturzustand birgt die Gefahr einer ungerechten Bestrafung des Verbrechers durch den von seiner „hitzigen Leidenschaft und unbegrenzten Zügellosigkeit“ getriebenen Rächer. Locke erkennt das, und er weiß, daß ein Rächer selten in „ruhiger Überlegung“ ein „ausgewogenes“ Strafmaß findet.[16] Eine weitere große Problematik im Naturzustand ist der Mordfall.
„Jeder Mensch hat die Macht, einen Mörder zu töten, einerseits um durch das Beispiel der Bestrafung, die ihm von jedem droht, andere von der Verübung des gleichen Verbrechens abzuschrecken, für das es keine Wiedergutmachung gibt, andererseits um die Menschen vor den Angriffen eines Verbrechers zu schützen“.
[...]
[1] Die Okkupationstheorie geht nach Marcus Cicero davon aus, daß die occupatio, die physische Inbesitznahme, die Rechtsgrundlage für die Aneignung von Eigentum aus der ursprünglichen Gütermeinschaft ist. vgl. auch Brocker (1992) S. 69;76
[2] II, § 3
[3] Locke muß sich den Menschen im Naturzustand als modernen Homo sapiens gedacht haben, da die ersten frühmenschlichen Fossilien erst 1856 im Neandertal entdeckt worden sind. Tatsächlich geht die Geschichte des modernen homo sapiens nur 30.000 Jahre zurück, während Paläoanthropologen gezeigt haben, daß unsere ältesten Vorfahren, die Australopithecinen, bereits vor ungefähr 3 Millionen Jahren gelebt haben.
[4] II, § 4
[5] II, § 4
[6] II, § 25
[7] Die Patriarchaltheorie führt den Ursprung der Staatsgewalt auf Gott zurück, der die Erde dem ersten Souverän Adam übergeben hat. Sie proklamiert eine Vermischung der Gewalten: die Gewalt des Vaters über die Kinder, des Gatten über die Gattin, des Herrn über den Knecht und der Obrigkeit über die Untertanen.
[8] II, § 4
[9] II, § 4
[10] vgl. dazu den Naturzustand bei Hobbes, Thomas. Leviathan. Reclam. Stuttgart. Kap. 13; Im Folgenden Lev. und Kapitelnummer.
[11] II, § 26
[12] II, § 4
[13] vgl. II, §6
[14] II, § 8
[15] II, § 11
[16] vgl. II, § 8
- Citation du texte
- Christian Freiburg (Auteur), 2001, Darstellung der Eigentumstheorie von John Locke im Naturzustand, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17267
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