Die Schweiz zählt zu den konkurrenzfähigsten Ländern der Welt. Es werden enorme Beträge in Forschung & Entwicklung investiert, woraus eine beachtliche Anzahl an Patenten resultiert. Doch gelingt es selten, diese Leistung und das Potential der Innovation zu nutzen. Hier sollten junge Start-Ups und Spin-Offs anknüpfen, doch diesen Unternehmen fehlt es oft am nötigen Kapital. In den USA ist daraus eine lukrative Finanzierungsform mit dem Namen „Venture Capital“ entstanden. Der Venture Capital Markt hierzulande steckt jedoch noch in den Anfängen. Verbesserungen und Weiterentwicklungen können an mehreren Stellen vorgenommen werden. Aus diesem Anlass befasst sich diese Master Thesis intensiv mit dem Investitionsprozess aus Sicht des Venture Capital Gebers. Die Resultate aus den Interviews mit erfahrenen Investoren aus der Schweiz und dem Silicon Valley zeigen, dass die grössten Unterschiede in den herrschenden Rahmenbedingungen liegen. Die Abweichungen im eigentlichen Investitionsprozess sind oftmals im Detail zu finden, können jedoch über Erfolg oder Misserfolg eines Investments entscheiden. Aus den gewonnenen Erkenntnissen leitete der Autor als Synthese ein für die Praxis weiterentwickelten Investitionsprozess ab.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
1. Forschungsproblem
2. Forschungsprozess
II. Theoretische Grundlagen
1. Definition und Phasen von Venture Capital
2. Rendite versus Risiko
3. Investoren
4. Der Investitionsprozess
III. Resultate der Forschung
1. Rahmenbedingungen in der Schweiz und im Silicon Valley
2. Investitionstätigkeit der Seed- & Start-Up-Investoren
3. Verhalten im Investitionsprozess
IV. Synthese: Der optimale Investitionsprozess
1. Rahmenbedingungen Fonds
2. Deal origination
3. Deal screening
4. Due Diligence
5. Deal structuring
6. Post Investment activities
7. Zusammenfassung Investitionsprozess
V. Schlusswort
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Forschungsprozess
Abbildung 2: Phasen der VC-Finanzierung
Abbildung 3: Funktionsweise von VC-Gesellschaften
Abbildung 4: Investmentprozess nach Tybjee und Bruno
Abbildung 5: Investitionskriterien von Investoren in der Schweiz
Abbildung 6: Theoretisches Framework Post-Investment activities
Abbildung 7: Aufbau der Forschungsresultate
Abbildung 8: Der optimale Investitionsprozess
Abbildung 9: Organisatorische Aufstellung Fonds
Abbildung 10: Tätigkeiten Due Diligence
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Zehn-Jahres-Vergleich verschiedener Anlagekategorien
Tabelle 2: Risiken bei Investition in der Frühphase
Tabelle 3: Verhandlungsunterschiede
Tabelle 4: Investitionskriterien von Investoren in den USA
Tabelle 5: Bewertungstechniken
Tabelle 6: Zusammenfassung Wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Tabelle 7: Zusammenfassung Rechtliche Rahmenbedingungen
Tabelle 8: Zusammenfassung Gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Tabelle 9: Zusammenfassung Überblick der Investmenttätigkeit der Unternehmen
Tabelle 10: Zusammenfassung Deal origination
Tabelle 11: Zusammenfassung Deal screening
Tabelle 12: Zusammenfassung Deal evaluation
Tabelle 13: Zusammenfassung Deal structuring
Tabelle 14: Zusammenfassung Post-investment activities
Tabelle 15: Zusammenfassung Investitionsprozess
Tabelle 16: Interviewpartner Venture Capital Fonds
Tabelle 17: Interviewpartner Fachexperten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
I. Einleitung
1. Forschungsproblem
Gemäss dem Global Competitiveness Report des World Economic Forums [WEF] ist die Schweiz das konkurrenzfähigste Land der Welt. Dieses Top-Ergebnis verdankt die Schweiz seiner exzellenten In-novationskapazität und der hervorragenden Unternehmenskultur. (World Economic Forum [WEF], 2010, S.14) Ein weltweiter Vergleich der Anzahl Patente pro Beschäftigten, die sogenannte Patentin-tensität, unterstreicht das vom WEF gezogene Bild zur Innovationsleistung der Schweiz. Das Land ist mit 576 Patenten auf dem ersten Platz zu finden (Expertenkommission Forschung und Innovation [EFI], 2009, S.100). Dementsprechend sind auch die Investitionen in Forschung und Entwicklung der Privatwirtschaft beträchtlich: Im Jahr 2008 waren es rund 31 Milliarden Franken. Diese Ausgaben entsprechen in einer internationalen Gegenüberstellung einem sehr hohen Anteil am Bruttoinland-produkt. (Signorell & Dietschi, 2010, o.S.) Hierzulande gelingt es jedoch zu selten, die Innovationsleis-tung in einen gesamtwirtschaftlichen Gewinn umzumünzen und grosse Erfolgsgeschichten wie in den USA zu schreiben. Um das angesprochene Potential der Schweiz besser auszuschöpfen, sollten junge Unternehmen (Start-Ups oder Spin-Offs) einen grossen Beitrag leisten. Doch viele dieser jungen Un-ternehmen sind im Kleingewerbe angesiedelt und verfügen über keine oder nur kleine Wachstums-ziele. Start-Ups und Spin-Offs, welche die Leistungsfähigkeit aufweisen würden um international er-folgreich zu sein, sind dünn gesät. Eines ihrer grössten Probleme bleibt die Kapitalbeschaffung. Im Jahr 2009 wurden rund CHF 400 Millionen an Venture Capital platziert, wobei lediglich 14% davon in die Seed- und 12% in die Start-Up-Phase fielen. Dies wären allerdings genau die Gelder um die ange-sprochenen Unternehmen zu unterstützen. In der Schweiz werden total rund 0.09% des BIP’s in Ven-ture Capital investiert, der europäische Durchschnitt liegt bei 0.12% und im Silicon Valley sogar bei 0.69%. Die aufgeführten Zahlen zeigen, dass neben den kleinen Volumina, Investoren hierzulande aus Risikogründen sogenannte „later-stage-investments“ bevorzugen. (Zürcher, zit. in Sieber, 2009, S.4-8; Gantenbein, Perdergnana & Engelhardt, 2010, S.21-23; Auchli, 2009, o.S.)
Eine weitere Schwierigkeit liegt im Auswahlprozess der Investitionsobjekte. Eine Faustregel besagt, dass von 100 Anfragen bei einer Venture Capital Firma, normalerweise 10 genauer angeschaut werden und davon lediglich ein Venture finanziert wird. (Venture Capital 101, o.D., o.S.) Dieses Auswahlverfahren ist sehr zeitaufwändig und wirkt auf Aussenstehende teilweise auch schwerfällig, um die speziell in der Schweiz kleinen Mengen an Kapital zu verteilen.
Pascal Sieber (2010, zit. in Signorell & Dietschi, o.S.) führt weiter aus, dass es in der Schweiz zu wenig spezielle Risikokapitalisten gebe und die wenigen, die vorhanden seien, noch nicht genügend ver-netzt sind. Ein Blick in die USA zeigt, dass im Jahr 2009 794 Venture Capital Firmen betrieben wurden mit rund 6‘800 angestellten Experten, was neben den Investmentzahlen ebenfalls für einen grossen Markt spricht (Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften [BVK], o.D., S.2). Der klei-ne Schweizer Marktes und das teilweise fehlende Wissen hemmen den flüssigen Investitionsprozess. Junge Unternehmen verlieren oft zu viel Zeit bei der Suche nach Kapital, wobei das richtige Timing so wichtig wäre, denn eine gute Idee entsteht oftmals nicht nur an einem Ort auf dieser Welt.
Einige Investoren und Experten machen sich zusätzlich Sorgen um das Image der bestehenden Ven-ture Capital Firmen in der Schweiz. Junge Unternehmer bzw. Entrepreneurs, aber auch die Bevölke-rung sehen in ihnen nicht nur unterstützende Partner sondern auch gewinnorientierte Gegner. Die Einstellung dieser zwei Anspruchsgruppen zählt zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die neben wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen, gegeben sein müssen für erfolgreiche In-vestments. Jedoch schneidet die Schweiz beim Benchmark-Vergleich der European Private Equity and Venture Capital Association [EVCA] zum steuerlichen und rechtlichen Umfeld ebenfalls nur durch-schnittlich ab. Zu viele Regulierungen und Vorschriften sind vorhanden, jedoch muss erwähnt wer-den, dass sich die Situation seit Beginn des Vergleiches im Jahre 2004 verbessert hat. (EVCA, 2008, S.153)
Diese Arbeit soll ihren Teil dazu beitragen, den Investitionsprozess im Bereich des Seed- und Start-Up-Kapitals zu optimieren. Es werden Kernelemente und Erfolgsfaktoren im Investmentprozess aufgezeigt und der Ablauf unter Berücksichtigung der vorhandenen Rahmenbedingungen so ange-passt, dass er schneller, einfacher und hoffentlich erfolgreicher durchgeführt werden kann.
2. Forschungsprozess
In der Folge wird das genaue Ziel der Arbeit aufgezeigt und die angewandten Forschungsmethoden erklärt. Nachstehend eine Übersicht zum Forschungsprozess:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. Eigene Darstellung.
2.1. Forschungsziel
Das Ziel der Untersuchung ist es, ein optimales Vorgehen bei der Vergabe von Seed- & Start-Up-Kapital in der Schweiz zu entwickeln. Die im Vergabeprozess zu erledigenden Arbeitsschritte inklusive deren Erfolgsfaktoren werden aufgezeigt. Die Analyse basiert auf einem Vergleich zwischen dem Vorgehen im Silicon Valley und der Schweiz. Die Region in Kalifornien dient als Vergleichsobjekt, da es sich um den wohl bekanntesten und erfolgreichsten Venture Capital Markt der Welt handelt.
Als Forschungsziel gelten folgende Punkte:
- Auslegung der theoretischen Grundlagen zu Venture Capital und des dazugehörigen Prozes- ses bei Seed- & Start-Up-Investitionen.
- Erforschung des empirisch angewendeten Ablaufs bei Seed- & Start-Up-Investitionen in der Schweiz und im Silicon Valley.
- Erörterung der markanten Unterschiede und der Erfolgskomponenten im Investitionspro- zess.
- Entwicklung des optimalen Prozesses für Seed- & Start-Up-Investitionen in der Schweiz aus Sicht der Venture Capital Gesellschaften.
2.2. Forschungsmethoden
Um die oben erwähnten Ziele zu erreichen, wurden qualitative Forschungsmethoden angewendet. Diese wissenschaftlichen Methoden ermöglichten dem Autor einen Überblick zu erhalten, wie die einzelnen Teilnehmer am Venture Capital Markt in der Schweiz und im Silicon Valley handeln. Die im Bereich von Venture Capital bereits vorhandene Literatur konnte in der Arbeit genutzt werden, um das Thema näher kennen zu lernen und den theoretischen Hintergrund einer Investition aufzuzeigen. Weiter konnten mit Hilfe von bisherigen Studien und Fachartikeln die gesammelten Erkenntnisse zu den Rahmenbedingungen untermauert werden.
Wie im Kapitel „Forschungsziel“ erwähnt, wurde ein Problem aus der Praxis gelöst. Daher musste ein induktiver Ansatz und „exploratory research“ angewendet werden. So konnte von den einzelnen Investoren ausgegangen werden, um Rückschlüsse auf den allgemein gültigen Prozess in beiden Re-gionen zu ziehen. Die qualitativen Daten der Analyse wurden mittels einer Umfrage gesammelt. Ba-sierend auf einem semi-strukturierten Fragebogen konnten elf Venture Capital Fonds in der Schweiz und acht im Silicon Valley befragt werden (siehe „Anhang 1“). Zeitliche Gründe verunmöglichten das Befragen weiterer Gesellschaften, obwohl dies die Validität der Forschung erhöht hätte.
Die Auswahl der Interviewpartner basierte auf folgenden Kriterien:
- Strategische Ausrichtung des Fonds, sprich Erfahrung mit Early-Stage-Deals muss vorhanden
sein.
- Fonds muss in einer der beiden Regionen (Schweiz/Silicon Valley) ansässig und aktiv sein.
- Interview muss innerhalb des zeitlich sinnvollen Fensters (November 2010 bis Januar 2011) für die Arbeit möglich sein.
Zusätzlich wurde versucht, einige bekanntere Namen der Branche mit in die Untersuchung einzubeziehen. Die Befragungen in der Schweiz wurden vom Autor persönlich vor Ort durchgeführt. Die Interviews im Ausland konnten via Onlinetelefon (Skype) vollzogen werden.
Den auf dem theoretischen Wissen ausgearbeiteten semi-strukturierte Fragebogen (siehe „Anhang 3“ und „Anhang 4“) besprach der Autor vorab mit einem Experten aus dem Fachgebiet des Venture Capitals. Dies geschah um die Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit des Bogens zu testen. Die während der Experteninterviews aufgezeichneten Antworten wurden zu einem späteren Zeit-punkt transkribiert und kategorisiert. Die Einteilung erfolgte anhand der verschiedenen Themenbe-reiche im Investmentprozess, welche bereits im Fragebogen verankert waren. Bei der Auswertung galt es zu beachten, dass von den künftigen Lesern keine Rückschlüsse auf die Angaben der einzelnen Fonds gezogen werden können.
Die Resultate konnten in einer zweiten Runde mit drei Experten aus der Praxis und Forschung auf ihre Validität kontrolliert werden (siehe „Anhang 1“). Eine Fokusgruppe sollte dies überprüfen. Da der Autor keinen passenden Termin innerhalb eines sinnvollen Zeitrahmens fand, an dem alle Betei-ligten verfügbar gewesen wären, musste die Fokusgruppe in zwei Expertengespräche umgewandelt werden. Die Gruppendiskussion, wie sie eine Fokusgruppe zum Ziel hat, konnte so nur bei dem Ex-pertengespräch mit zwei Teilnehmern entstehen. Dies soll aber auf keinen Fall die für die Arbeit wertvollen Hinweise mindern. Die Gespräche wurden auf Basis eines vom Autor erstellten Thesenpa-piers geführt (siehe „Anhang 5“). Dieses umfasste die wichtigsten Erkenntnisse aus den Interviews mit den Venture Capital Fonds.
Aus den Resultaten der beiden Interviewrunden wurde daraufhin der Schlussbericht erstellt. Die Konsistenz dieser Arbeit ist gewährleistet durch das korrekte methodische Vorgehen und das Einbinden von Fachleuten.
II. Theoretische Grundlagen
1. Definition und Phasen von Venture Capital
Der Begriff „Venture Capital“ ist in den USA entstanden und lässt sich mit „Risikokapital“ oder „Wagniskapital“ übersetzen. Doch die deutschen Begriffe bringen einen negativen Aspekt mit sich, da der Schwerpunkt eher auf das Risiko ausgelegt ist. Doch der Begriff „Venture“ wird in den USA eher mit dem Wagnis einer Neugründung und des daraus möglichen Erfolges verbunden. (Ermisch & Thoma, 2002, S.5; Jessen, 2002, S.57)
Ein Unternehmen kann sich über Eigenkapital, Fremdkapital oder über eine Kombination der beiden Formen finanzieren. Der grosse Unterschied liegt in den Eigentumsverhältnissen und des daraus fol-genden Risikos bzw. der Ertragschancen. (Isaksson, 2006, S.13) Venture Capital tritt am häufigsten in der Finanzierungsform Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Mezzanine-Kapital bzw. Wandelan-leihen auf. Es funktioniert ohne standardisierte Nachfrage- und Angebotsmechanismen und ist somit eine Finanzierungsform ausserhalb des geregelten Kapitalmarktes. (Sieber, 2009, S.28)
Venture Capital ist unter der Sparte „Private Equity“, sprich privates Beteiligungskapital, einzuord-nen. Als Differenzierungsmerkmal der einzelnen Sparten dient der Investitionszeitpunkt, gemessen an den unterschiedlichen Phasen des Unternehmens-Lebenszyklus. Jedoch sind der Verkauf und die zeitliche Dauer der einzelnen Phasen von Fall zu Fall unterschiedlich und somit auch nicht genau dif-ferenzierbar. (Baumgärtner, 2005, S.35; Busch, 2008; S.15; Isaksson, 2006, S.16; Sieber, 2009, S.28)
Abbildung 2: Phasen der VC-Finanzierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: C. Baumgärtner (2005), S.36.
Jede der Phasen hat ihre Eigenheiten. Das Augenmerk wird in dieser Arbeit ausschliesslich auf die Early-Stage-Phase gelegt. Die Investitionen in diesem Zeitraum lassen sich in zwei Bereiche aufteilen: Seed sowie Start-Up. Die Seed-Phase dient zur Ausreifung und Umsetzung der Idee zu einem ver-wertbaren Resultat, worauf ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftskonzept gebaut werden kann. Das neue Unternehmen weisst zu dieser Zeit mehrheitlich noch keine Organisation- und Management-struktur auf, was bedeutet, dass die zu verwirklichende Innovation voll mit der Person des Unter-nehmensgründers verbunden ist. Einfachste Ansprechpartner für die Finanzierung in dieser Phase sind die sogenannten „5F“: Founder (Gründer), Family (Familie), Friends (Freunde), Fools (Verrückte) und Foundations (Stiftungen). Weiter kommen jedoch auch Business Angels oder Venture Capitalists in Frage (siehe Kapitel „Investoren“). Die Start-Up-Phase dient der Weiterentwicklung des Produktes bis hin zur Produktionsreife und der darauf folgenden Markteinführung. Ebenfalls findet zu dieser Zeit oftmals die Unternehmensgründung aus rechtlicher Sicht statt. Die Start-Up-Phase ist sehr kapi-talintensiv und die Finanzierungen stammen von Business Angels und von Venture Capitalists. (Baumgärtner, S.36-39; Busch, S.16; Dannat, 2003, S.44-45; Schefczyk, 2000, S.22; Sieber, 2009, S.27-28; Van Osnabrugge & Robinson, 2000, S.19; Vuilleumier, 2009, S.34)
2. Rendite versus Risiko
Eine Investition in einer solch frühen Phase eines Unternehmens verspricht Chancen auf einen hohen Return on Investment, birgt aber auch etliche Gefahren in sich. Hier ein von Nicolas Berg (2009, zit. in Wunderlin, Banik & Gayler, 2009, S.82) erstellten Vergleich verschiedener Anlagekategorien:
Tabelle 1: Zehn-Jahres-Vergleich verschiedener Anlagekategorien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. Aus: Swiss Equity Guide - Innovationsfinanzierung (S.82) Wunderlin, Banik & Gayler (2009).
Wie in der oben aufgeführten Tabelle ersichtlich ist, sind Private Equity Investitionen hinsichtlich der Rendite sehr attraktiv. Aber wie bei jeder Anlage können Rendite, Liquidität und Risiko nicht gleich gut abgedeckt werden. Hohe Rendite ist oft mit hohem Risiko verbunden. Dies ist auch bei Finanzie-rungen innovativer Frühphasenunternehmen der Fall. Hierbei lassen sie sich in interne und externe Risiken unterteilen. Auslöser dafür ist der Charakter von Innovationen und deren Lebenszyklus. (Jes-sen, 2002, S.104)
Tabelle 2: Risiken bei Investition in der Frühphase
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3. Investoren
Wie bereits erwähnt bestehen in der Seed- und Start-Up-Phase verschiedene Möglichkeiten für Unternehmer, Gelder zu generieren. Beliebteste und erste Ansprechpartner von jungen Unternehmen bleiben Familie und Freunde, gefolgt von Business Angels und Venture Capitalists. (Van Osnabrugge & Robinson, 2000, S.37; Vuilleumier, 2009, S.34)
Business Angels sind Einzelpersonen, die sich an jungen Unternehmen mit grossem Wachstumspotential in Form von Kapital, Wissen und ihrem Sozial-Netzwerk beteiligen. Ihre Motivation ist nicht nur finanzieller Natur, daher arbeiten sie oftmals Seite an Seite mit den Entrepreneurs. Viele dieser Investoren sind in Business-Angels-Netzwerken organisiert, was die Kontaktaufnahme für die Unternehmer erleichtert. (Sieber, 2009, S.21; Van Osnabrugge & Robinson, 2000, S.39-40)
Venture Capital Gesellschaften verwalten Fonds, über die sie sich an jungen Firmen beteiligen. Der grosse Unterschied zu Business Angels sind die zu erfüllenden finanziellen Ziele hinter den Investitionen und die Herkunft der Gelder. Wo Business Angels ihr privates Vermögen investieren, werden Fonds über verschiedene Quellen mit den nötigen liquiden Mitteln versorgt. (Sieber, 2009, S.26; Van Osnabrugge & Robinson, 2000, S.47-48)
Abbildung 3: Funktionsweise von VC-Gesellschaften
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: Landström (2007), S.6.
Ebenfalls bestehen Unterschiede in den Verhandlungsmethoden zwischen VC-Gesellschaften und Business Angels.
Tabelle 3: Verhandlungsunterschiede
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. Aus: Angel Investing - Matching Start-Up funds with Start-Up companies (S.187) Van Osnabrugge & Robinson (2000).
4. Der Investitionsprozess
Egal ob VC-Gesellschaft oder Business Angel, die Struktur des Investmentprozesses bleibt gleich. Ein Vier-Phasen-Modell wird von Bygrave und Timmons (zit. in Isaksson, 2006, S.43) vorgeschlagen:
1) the investmen decision, 2) contracting, 3) control and value adding, 4) exit. Das Model von Van Osnabrugge & Robinson (2000, S.116) ist mit acht Schritten etwas ausführlicher gehalten: 1) Investment motivations, 2) Investment criteria, 3) Finding deals, 4) Initial screening, 5) Due Dili-gence, 6) Negotiations and actual investment, 7) Post-investment monitoring, 8) Exiting and realizing returns. Aber das wohl bekannteste Model wurde von Tybjee und Bruno (zit. in Sieber, 2009, S.16; Isaksson, 2006, S.43; Schefczyk, 2000, S.26) im Jahr 1984 entwickelt, welches seine Anwendung findet. Es unterscheidet fünf Phasen:
Abbildung 4: Investmentprozess nach Tybjee und Bruno
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: Tyejee und Bruno (zit. in Sieber, 2009, S.16; Isaksson, 2006, S.43; Schefczyk, 2000, S.26).
4.1. Deal origination
Diese Phase steht für die Suche nach der gewünschten Unternehmung für eine Investition. Grund-sätzlich gibt es zwei verschiedene Ansätze um an die gewünschten Objekte zu gelangen. Auf der ei-nen Seite der passive Investor, der basierend auf seiner Bekanntheit nur zuwarten muss, da ihm die möglichen Deals zugetragen werden. Auf der anderen Seite der aktive Investor, der gezielt nach ge-wünschten Investitionen sucht. Mögliche Informationsquellen sind Investorenmeetings, Kontakt-plattformen, Adressdatenbanken oder Internetverzeichnisse. Doch es gilt: Je länger ein Investor aktiv tätig ist, desto weniger muss er nach Deals suchen. (Sieber, 2009, S.15-16; Isaksson, 2006, S.48)
Gemäss Isaksson (2006, S.49) zeigen Investoren grosses Interesse, weitere Investoren für das Projekt zu gewinnen, um sogenannte „Syndikat- oder Co-Investitionen“ zu tätigen. Der Grund liegt in der Risikoverteilung und in der breiteren Wissensbasis.
Die typische Durchfallquote von möglichen Deals ist bei diesem Schritt am Kleinsten. Sie beläuft sich gegen 0%. (Schefczyk, 2000, S.26)
4.2. Deal screening
Das Screening dient der Reduktion der Anfragen auf die interessanten Projekte. Anhand folgender Kriterien findet eine Kurzbewertung statt: Unternehmensgründer, Markt und Geschäftsmodell. Diese Prüfsteine variieren jedoch von Firma zu Firma. Unterschiedlich ist auch der Prozess. Die Einen ver-trauen auf ihre Intuition, Andere wiederum arbeiten sehr strukturiert. Die Ablehnungsquote liegt bei diesem Schritt in der Grössenordnung von 75%. (Sieber, 2009, S.16; Schefczyk, 2000, S.27)
4.3. Deal evaluation
Die Deal evaluation wird auch Due Diligence Prüfung genannt und ist eine sehr wichtige und zeitaufwändige Aktivität. Die möglichen Deals werden intensiv getestet. Tybjee und Bruno (zit. in Isaksson, 2006, S.50) ermittelten, dass dieser Teil des Prozesses rund 50% der Zeit beansprucht. Das grösste Problem, in dieser Phase, ist die Informationsasymmetrie zwischen den Entrepreneurs und den Investoren. Wichtig ist, unabhängig wie gut die Informationen fliessen, dass das Geschäftsmodell gute Chancen auf einen Erfolg verspricht. (Sieber, 2009, S.17; Isaksson, 2006, S.50)
Weitere Prüfsteine sind gemäss Schefczyk (2000, S.25) und Van Osnabrugge & Robinson (2000, S.152):
- Managementkompetenz: Sind die Fähigkeiten der Unternehmensführung als Team und in den Einzelaufgaben durch bisherige Erfolge und Referenzen nachgewiesen?
- Marktpotential: Wie gross ist der Markt? Wie gross ist das Wachstum im Markt? Wie sieht die Akzeptanz für das Produkt im Markt aus?
- Produktdifferenzierung: Wie gut ist das neue innovative Produkt durch Schutzrechte abgesi- chert? Besteht die Gefahr einer einfachen Kopie?
- Wettbewerbsposition: Ist das Unternehmen fähig, den Erfolg im Markt zu sichern (z.B. Ein- trittsbarrieren oder konkurrenzierende Unternehmen)?
- Finanzplan: Wie realistisch sind die aufgeführten Werte im Finanzplan?
- Zeithorizont: Wie lange braucht das junge Unternehmen bis es einen positiven Cash-Flow ausweisen kann?
Welche dieser Kriterien bei der Auswahl wirklich ausschlaggebend sind, hängt von der VCGesellschaft ab. Hier können auch Rendite-/Risiko-Überlegungen oder Diversifizierungsstrategien des Portfolios eine Rolle spielen. In der Schweiz werden gemäss André (2009, zit. in Sieber, 2009, S.17), die Kriterien wie folgt angewandt:
Abbildung 5: Investitionskriterien von Investoren in der Schweiz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. Aus: Der Venture-Capital-Markt in der Schweiz: Treibfeder der Innovationsfähigkeit (S.17) von Sieber (2009).
In den USA sieht die Gewichtung der einzelnen Kriterien nur teilweise gleich aus:
Tabelle 4: Investitionskriterien von Investoren in den USA
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: Van Osnabrugge & Robinson (2000), S.121.
Die Durchfallquote ist aufgrund der vorgelagerten Schritte massiv gesunken. Es werden nur wenige Deals so genau geprüft und von diesen kommen rund 8% der ursprünglichen 100% zum Deal structuring. (Schefczyk, 2000, S.27)
4.4. Deal structuring
Beim Deal structuring geht es um die Ausarbeitung und Aushandlung der Investitionsverträge. Das Ziel der Phase ist eine Einigung über den Wert des Unternehmens, die Beteiligungshöhe, die einzusetzenden Finanzierungsinstrumente sowie Informations- und Kontrollrechte zu erzielen. Wichtige Kennzahlen für die Verhandlungen sind:
- Pre-Money-Wert: Der Wert der Unternehmung vor der Investition
- Post-Money-Wert: Pre-Money-Wert addiert mit der Investitionssumme
- Preis der Investition: Anteil am Aktienkapital, den der Investor für seine Investition erhält
Es bestehen verschiedene Methoden für die Bewertung des Start-Up’s. Je nach Vorliebe der Investoren wird ein anderer Ansatz gewählt. (Sieber, 2009, S.18-21; Isaksson, 2006, S.53-56)
Nachstehend eine Übersicht der meist genutzten Bewertungstechniken gemäss Manigart et al. (1997, zit. in Isaksson, 2006, S.52):
Tabelle 5: Bewertungstechniken
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: Isaksson (2006), S.52.
Bei der Verhandlungsdauer gibt es markante Unterschiede zwischen Business Angel und Venture Capitalist. Während Business Angels rund eine Woche in Verhandlungen aufwenden, liegt der Durchschnitt bei Venture Capitalists bei sieben Wochen. Der Hauptgrund für diese Differenz liegt im viel formaleren Prozess der VC-Gesellschaften. (Van Osnabrugge & Robinson, 2000, S.173)
Rund 3% aller Deals werden schliesslich finanziert (Schefczyk, 2000, S.27).
4.5. Post-Investment activities
Ist das Vertragsverhältnis erstmals erstellt, bleibt für die Geldgeber bei Frühphasen-Investitionen oftmals noch viel Arbeit. Das theoretische Framework für die Zusammenarbeit sieht folgendermas-sen aus:
Abbildung 6: Theoretisches Framework Post-Investment activities
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkung. In Anlehnung an: Landström (2007), S.195.
Venture Capital Gesellschaften üben neben den Kontrollaufgaben auch gerne den ausgehandelten Einfluss auf das Management und die Strategie aus. Dies geschieht oftmals durch eine Einsitznahme im Verwaltungsrat und bei Business Angels durch das aktive Unterstützen der Unternehmung. Inves-toren räumen sich spezielle Informations- und Zustimmungsrechte in den Verträgen ein. Zusätzlich spielen inhaltliche Beratungen bei Fachfragen oder Methoden- und Prozessunterstützung eine wich-tige Rolle. Das oberste Ziel aller Aktionen ist Dasselbe, nämlich einen möglichst grossen Wertgewinn mit der Unternehmung zu erzielen. (Sieber, 2009, S.21; Isaksson, 2006, S.56-58; Schefczyk, 2000, S.27-29; Ludewig, Buschmann & Herbrand, 2000, S.39-40)
In diese Phase fällt auch das Umsetzen der geplanten Ausstiegsstrategie, des sogenannten Exits. Normalerweise endet gemäss Isaksson (2006, S.59-61) und Schefczyk (2000, S.29-20) ein Venture Capital-Prozess mit den folgenden fünf Exits:
- Börsengang (Initial Public Offering [IPO]): Die Aktien werden an der Börse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
- Akquisition: Die ganze Unternehmung wird an eine andere Firma verkauft.
- Zweit-Verkauf: Die Investoren verkaufen ihr Aktienpaket an Dritte weiter.
- Zurückkauf oder Management Buy Out (MBO): Der Entrepreneur oder das Management kauft das Aktienpaket der Investoren zurück.
- Liquidation oder Konkurs: Das Projekt ist gescheitert und das Unternehmen wird geschlos- sen. Entweder gelingt ein sauberer Ausstieg mit einer geregelten Liquidation oder es kommt zu einem Konkurs.
[...]
- Citar trabajo
- David Hug (Autor), 2011, Die Vergabe von Seed- & Start-Up-Kapital, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172408
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