Mittelalterliche Schriften sind heute noch ein wichtiges Kulturgut. Sie resultieren aus dem Entstehen eines regen Literaturbetriebes an den deutschen Höfen im 12. und 13. Jahrhundert. Die Frage wie die Literatur an den hochmittelalterlichen Hof kam ist dabei besonders interessant. Welche Umstände ermöglichten überhaupt diese Entwicklung und welche Voraussetzungen waren dafür nötig?
„Wie die Literatur an den hochmittelalterlichen Fürstenhof kam und organisiert war“
Mittelalterliche Schriften sind heute noch ein wichtiges Kulturgut. Sie resultieren aus dem Entstehen eines regen Literaturbetriebes an den deutschen Höfen im 12. und 13. Jahrhundert. Die Frage wie die Literatur an den hochmittelalterlichen Hof kam ist dabei besonders interessant. Welche Umstände ermöglichten überhaupt diese Entwicklung und welche Voraussetzungen waren dafür nötig?
Vor der höfischen Dichtung diente Literatur vor allem dem Gebrauch der Geistlichkeit. Darüber hinaus existierten lediglich mündliche Überlieferungen, beispielsweise von Heldensagen und Sangspruchdichtungen. Zu beachten ist ferner der geringe Bildungsstand der Bevölkerung, denn nicht nur das einfache Volk auch die Fürsten und Adeligen waren größtenteils Analphabeten. Umso bemerkenswerter ist die Wandlung des Hofes zum Literaturzentrum, welche unter diesen Gesichtspunkten zunächst mit einer Wandlung der Gesellschaftskultur am Hof erklärt werden kann.
Essentiell war für die Entfaltung der Literatur zunächst die Entstehung der Schriftlichkeit. Begünstig wurde dies durch die räumliche Verbindung von Hauskloster[1] und Fürstenhof. Diese Entwicklung lässt sich in drei Phasen gliedern. Zuerst entstanden die sog. Stifterchroniken, welche sowohl die Familiengeschichte der jeweiligen Stifter als auch die Geschichte der Gründung des Klosters schriftlich bewahrten. Jener Entwicklung folgte die sog. dynastische Geschichtsschreibung. Diese Art von Literatur lässt sich beispielsweise für das Geschlecht der Ludowinger – also für die Landgrafen von Thüringen – nachweisen, aber auch für alle anderen großen Fürstenhäuser, die künftig als Gönner und Auftraggeber volkssprachlicher Dichtung bedeutsam wurden. In der letzten Phase der Entwicklung entstanden schließlich eigenständige Haus- und Landesgeschichten. In Abgrenzung zu den beiden Phasen wurde diese Literatur nicht mehr ausschließlich an Hausklöstern produziert, sondern fand zunehmend an den Fürstenhöfen statt. Gemeinsam bleibt, dass in jeder Stufe der Entwicklung die Autoren der Texte unbekannt bleiben.
Mit dem Entstehen von Residenzen und Kanzleien werden weitere wichtige Voraussetzungen für den Literaturbetrieb an den Fürstenhöfen geschaffen. Die Beschränkung des Fürsten auf wenige Burgen und der Ausbau von Residenzen ermöglicht es den Dichtern auch über einen längeren Zeitraum ungestört an ihren Werken arbeiten zu können. Durch die Errichtung der Kanzleien entsteht an Fürstenhöfen erstmals eine geregelte Schriftlichkeit.[2]
Für die Organisation des Literaturbetriebes an den Fürstenhöfen war vor allem das Mäzenatentum der Fürsten von großer Bedeutung. Im Hochmittelalter traten die Fürsten erstmals als Gönner und Auftraggeber von Literatur in Erscheinung und beförderten damit die Entstehung der volkssprachlichen Dichtung, an den großen Fürstenhöfen jener Zeit. Im Zuge ihrer Territorialisierung wollten sich die Fürsten vom Hof des Kaisers abgrenzen, an welchem ausschließlich lateinische Dichtung gefördert wurde und damit ihre Eigenständigkeit und Macht zur Schau stellen. Auch lag die Förderung der volkssprachlichen Dichtung an den Bildungsverhältnissen der Zeit. An den Höfen der weltlichen Fürsten war kaum jemand der lateinischen Sprache mächtig. Nicht zuletzt galt die Tätigkeit des Mäzens als Repräsentation für Herrschaftlichkeit, denn einen Dichter unterhielt nur, wer sich diesen Luxus auch leisten konnte. Das fürstliche Literaturinteresse wurde ferner durch die neuen Ideale der adeligen Gesellschaft bedient, welche sich überwiegend in den Vorlagen des französischen Königshofes fanden. Die zunehmende Hinwendung zur klerikalen Erziehung hielt unter dem Vorbild des Pariser Hofes auch an den deutschen Höfen Einzug. Es bildete sich eine neue Gesellschaftskultur des Adels, welcher nun als Publikum die Literatur am Fürstenhof rezipierte. Für die Dichter war der Gönner hinsichtlich der Beschaffung der französischen Vorlagen bedeutend, denn die Originaltexte waren für die Dichter selbst unerschwinglich. Das lag vor allem daran, dass die Texte auf kostbaren Pergament standen, welches damals noch aufwendig aus Tierhäuten hergestellt werden musste und daher sehr teuer war. dieser Zeit auch thematisch Einfluss auf die literarische Produktion. Ihr persönliches Interesse lag zum einen daran, dass sie häufig selbst Minnesänger und Dichter waren, zum anderen ließen sie auch ihre persönlichen Neigungen in die literarische Produktion einfließen. Der Ludowinger Landgraf Hermann I. interessierte sich vermutlich für die Bearbeitung der Geschichte, da er sowohl den Abschluss von Heinrich von Veldekes ‚Eneit‘ ermöglichte als auch den Auftrag an Herbort von Fritzlar zur Bearbeitung des ,Trojanerkrieg’ erteilte. Bemerkenswerter Weise befasst sich jedes Werk mit einem historischen Stoff, ein Fakt, welcher Aufschluss über die inhaltlichen Präferenzen des Landgrafen gibt.
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[1] Ein Kloster, welches von einer Adelsfamilie auf ihrem Privatbesitz gegründet wurde, bezeichnet man als Hauskloster. Dieses dient weniger der Darstellung des tief verwurzelten christlichen Glaubens, als der Erschließung des Landes.
[2] Die Kanzleien stellten volkssprachliche Urkunden aus. Auch hier lassen sich Bezüge zu den Hausklöstern herstellen, da die Notare häufig auch Geistliche waren, die an den Höfen zusätzlich literarisch tätig waren.
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- Katja Neumann (Author), 2010, „Wie die Literatur an den hochmittelalterlichen Fürstenhof kam und organisiert war“ , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/172077