Anfang des Jahres 1935 verlegte das Zentralkomitee der in Deutschland verbotenen Kommunistischen Partei seinen Sitz vom Exil in Paris nach Moskau. Über das, was dort in den folgenden zehn Jahren bis zum Frühjahr 1945 geschah, gibt es bis heute nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Viele Geschehnisse dieser Zeit liegen nach wie vor im Dunkeln und die Liste der offenen Fragen ist lang.
Das hat mehrere, in Ost- und Westdeutschland zum Teil unterschiedliche Gründe. In der Bundesrepublik Deutschland blieb der Widerstand der KPD nicht nur in der Forschung, sondern auch im öffentlichen Diskurs jahrzehntelang Randthema. An der ideologischen Mauer des Kalten Krieges scheiterte jeder Versuch, sich dem Thema zu nähern. Erst in den späten 60-er Jahren wurde mit einer, wenn auch zaghaften und oft einseitigen, Aufarbeitung des kommunistischen Widerstandes begonnen.
War der kommunistische Widerstand in der BRD lediglich Randthema, stand er in der DDR im Vordergrund von Forschung, Lehre und gesellschaftlichem Leben. Dabei suggerierte die Geschichtsschreibung "Allwissen" über die Geschehnisse in Deutschland und im Exil während des Nationalsozialismus. Die Darstellungen des ZKs der KPD in Moskau beruhen in großem Umfang auf Berichten der damals führenden Mitglieder Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck und anderer überzeugter und "linientreuer" Kommunisten. Nach den Vorgaben der SED wurde ein glattes Bild der Moskauer Geschehnisse gemalt, das keine Fragen mehr zuließ und jegliche weitere Forschung unterband. Die Quellen in Moskau oder in den Archiven der SED waren zudem nur bedingt einsehbar, so dass eine unabhängige Recherche zu diesem Thema ohnehin unmöglich war.
Wie und wann es in der DDR zur Herausbildung des Mythos über die Rolle des ZK der KPD in Moskau kam, wer dessen Entstehung maßgeblich beeinflusst hat und welche Ziele damit verfolgt wurden, wird in diesem Buch untersucht. In chronologischer Reihenfolge wird analysiert, ob und wie sich die Darstellung der Moskauer Zeit der KP-Führung während des Zweiten Weltkrieges in der DDR-Geschichtsschreibung geändert hat. Wo liegen dafür die Ursachen? Darüber hinaus wird auf den Umgang mit diesem Thema nach dem Fall der Mauer eingegangen. Gegenwärtige Forschungsdefizite sollen aufgezeigt werden, wobei es im Rahmen dieser Arbeit selbstverständlich nicht möglich ist, Antworten auf die vielen offenen Fragen zu geben, die sich heute zum realhistorischen Geschehen in Moskau stellen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. DIE DDR-GESCHICHTSWISSENSCHAFT
2.1. Der ursprüngliche Ansatz der Geschichtswissenschaft
2.2. Die Realisierung des Ansatzes
2.3. Der SED-Geschichtsbeschluß
3. DIE DARSTELLUNG DES ZKs DER KPD IN MOSKAU VON 1939-1945 IN DER DDR-GESCHICHTSSCHREIBUNG
3.1. Die Regierungszeit von Wilhelm Pieck 1949-1960
Die KPD als „einzig wirkliche Widerstandskraft“
3.2. Die Regierungszeit von Walter Ulbricht 1960-1973
„Die KPD und ihr Zentralkomitee“
3.3. Die Regierungszeit von Erich Honecker 1973-1989
„Das ZK der KPD und die Solidarität der Sowjetunion“
4. NACH 1989 - FORSCHUNG ÜBER FORSCHUNG
5. SCHLUSSFOLGERUNG
Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
Anfang des Jahres 1935 verlegte das Zentralkomitee der in Deutschland verbotenen Kommunistischen Partei seinen Sitz vom Exil in Paris nach Moskau. Über das, was dort in den folgenden zehn Jahren bis zum Frühjahr 1945 geschah, gibt es bis heute nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Viele Geschehnisse dieser Zeit liegen nach wie vor im Dunkeln. Es ist beispielsweise kaum erforscht, welche Betätigungsmöglichkeiten das ZK der KPD in Moskau wirklich hatte, wie die Verbindungen zu den illegal operierenden Parteimitgliedern in Deutschland konkret aussahen oder wie umfangreich der Einfluß der Parteiführung im Exil über die Parteigruppen im Land war. Auch die Ausmaße Stalinscher Säuberungspolitik in den Reihen der KPD sind weitgehend unbekannt. Personelle Entscheidungen innerhalb des Zentralkomitees können noch heute schlecht nachvollzogen werden.
Die Liste der offenen Fragen ist lang. Das hat mehrere, in Ost- und Westdeutschland zum Teil unterschiedliche Gründe. In der Bundesrepublik Deutschland blieb der Widerstand der KPD nicht nur in der Forschung, sondern auch im öffentlichen Diskurs jahrzehntelang Randthema. An der ideologischen Mauer des Kalten Krieges scheiterte jeder Versuch, sich dem Thema zu nähern. Eine offizielle Würdigung des kommunistischen Widerstandes und die Unterstützung von Forschungsprojekten wäre nach damaliger Einschätzung einer Anerkennung der DDR-Führungen unter Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht - beide ehemals Mitglieder des ZKs der KPD - gleichgekommen. Erst in den späten 60-er Jahren wurde mit einer, wenn auch zaghaften und oft einseitigen, Aufarbeitung des kommunistischen Widerstandes begonnen. Die Forschung beschränkte sich zum größten Teil auf die Auswertung von Gestapoakten; Erinnerungen und Nachlässe kommunistischer Widerstandskämpfer fanden bei westdeutschen Historikern wenig Beachtung. Ein Zugang zu anderen Quellen war ihnen indes kaum möglich. Denn über einen Teil des KPD-Archivs wachte Moskau. Der andere befand sich in der DDR unter Aufsicht der SED, die sich als legitime Nachfolgerin und Erbin der KPD sah und entschied, wer Akteneinsicht erhielt und wer nicht.
War der kommunistische Widerstand in der BRD lediglich Randthema, stand er in der DDR im Vordergrund von Forschung, Lehre und gesellschaftlichem Leben. Dabei suggerierte die Geschichtsschreibung „Allwissen“ über die Geschehnisse in Deutschland und im Exil während des Nationalsozialismus. Die Darstellungen des ZKs der KPD in Moskau beruhen in großem Umfang auf Berichten der damals führenden Mitglieder Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck und anderer überzeugter und „linientreuer“ Kommunisten. Nach den Vorgaben der SED wurde ein glattes Bild der Moskauer Geschehnisse gemalt, das keine Fragen mehr zuließ und jegliche weitere Forschung unterband. Die Quellen in Moskau oder in den Archiven der SED waren zudem nur bedingt einsehbar, so daß eine unabhängige Recherche zu diesem Thema ohnehin unmöglich war.
Wie und wann es in der DDR zur Herausbildung des Mythos über die Rolle des ZK der KPD in Moskau kam, wer dessen Entstehung maßgeblich beeinflußt hat und welche Ziele damit verfolgt wurden, soll in den folgenden Ausführungen untersucht werden. In chronologischer Reihenfolge wird analysiert, ob und wie sich die Darstellung der Moskauer Zeit der KP-Führung während des Zweiten Weltkrieges in der DDR-Geschichtsschreibung geändert hat. Wo liegen dafür die Ursachen?
Darüber hinaus wird auf den Umgang mit diesem Thema nach dem Fall der Mauer eingegangen. Gegenwärtige Forschungsdefizite sollen aufgezeigt werden, wobei es im Rahmen dieser Arbeit selbstverständlich nicht möglich ist, Antworten auf die vielen offenen Fragen zu geben, die sich heute zum realhistorischen Geschehen in Moskau stellen .
2. DIE DDR-GESCHICHTSWISSENSCHAFT
Will man das Wesen politischer und gesellschaftlicher Vorgänge in der DDR verstehen, so muß man sich auf die allgegenwärtige Schizophrenie dieses Landes einlassen. DDR-Realität war gekennzeichnet vom Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Viele der politischen und gesellschaftlichen Ansätze in der DDR hatten ursprünglich durchaus ihre Berechtigung. Sie waren im historischen Kontext vor allem der frühen Jahre der Republik erklär- und zum größten Teil nachvollziehbar. Die Art ihrer Umsetzung jedoch karikierte oft schon bald den eigentlichen Ansatz, verkehrte ihn ins Gegenteil und/oder führte ihn ad absurdum. Berücksichtigt man diesen Spagat zwischen Idee und Realisierung jedoch nicht, so kann nur ein einseitiges und unverständliches Bild der DDR entstehen, das vorschnell verurteilt, wo Differenzierung von Nöten wäre. Dies trifft auch auf die DDR-Geschichtswissenschaft zu. Es soll deshalb hier versucht werden, sowohl den ursprünglichen Ansatz dieser Wissenschaft und die Motivation von Historikern und Parteigenossen herauszuarbeiten als auch das, was im Laufe der Jahre daraus gemacht wurde.
2.1. Der ursprüngliche Ansatz der Geschichtswissenschaft
Die Entstehung der DDR barg für ihre Gründungsväter die erstmalige Chance, auf deutschem Boden eine Gesellschaftsform zu errichten, die in ihrer Art neu war. Diese Neuartigkeit sollte sich in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen widerspiegeln. So wurde auch auf dem Gebiet der Wissenschaft tabula rasa gemacht und mit eigenen Methoden neu angefangen. Vor allem die Gesellschaftswissenschaften und in besonderem Maß die Geschichtswissenschaft sollten einen „neuartigen Wissenschaftstypus“ repräsentieren.[1] Kennzeichnend dabei war die extrem enge Zusammenarbeit zwischen der SED und den Historikern. „Es gehört zu den wohl seltenen Ausnahmen, daß sich eine Staatsführung so gründlich, so intensiv und langdauernd mit einer einzigen Wissenschaftsdisziplin befaßte.“[2] Diese Zusammenarbeit entsprach zumindest in der ersten DDR-Generation den Interessen beider Seiten. Viele Historiker waren selbst SED-Mitglieder oder aber der Partei eng verbunden.[3] Die Vorstellungen der SED-Führung über die Ansätze und Grundzüge der neuen Geschichtswissenschaft gingen wenigstens zu Zeiten der „Grundsteinlegung“ derselbigen konform mit den Vorstellungen der Wissenschaftler. Entgegen der weitverbreiteten Meinung waren „viele DDR-Historiker nicht einfach nur ausführende Figuren auf dem Schachbrett der SED-Führung ..., sondern [griffen] selbst aktiv ins strategische, taktische und propagandistische Spiel mit [ein].“[4]
Die DDR-Geschichtswissenschaft sollte sich bewußt von der „bürgerlichen“ Geschichtswissenschaft abgrenzen und ganz im Sinne der neuen, „besseren“ Gesellschaft stehen. Wissenschaftstheoretisch geschah dies in erster Linie durch die ausschließliche Anwendung marxistisch-leninistischer Wissenschaftskonzepte. Inhaltlich sollte der kapitalistischen „Miserentheorie“ vor allem die Darstellung des Fortschritts in der Gesellschaft entgegengestellt werden. Und praktisch kam der Geschichte eine ganz konkrete Aufgabe zu - die Erziehung zum sozialistischen Menschen. Das Zusammenspiel von Politik und Geschichte wurde also mit Einwilligung der Historiker gezielt für die Geschichtsschreibung der DDR angestrebt. Absicht war es, die neue, sozialistische Gesellschaft gemeinsam zu gestalten.
Hauptschwerpunkt dabei war die Erforschung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Denn erstmalig wurde in der deutschen Geschichte durch die Machtübernahme der Arbeiter[5] ihnen selbst die Chance zuteil, sich ihrer eigenen Geschichte von Staats wegen zu widmen und sie so aus dem Randgebiet herauszuholen, in das sie bisher mangels politischem Interesse gedrängt worden war.
2.2. Die Realisierung der Ansätze
Schon wenige Jahre nach der Gründung der DDR nahm jedoch der die Kontrolle der Politik auch in der Geschichtsschreibung überhand. Parteibeschlüsse gaben die Linie vor, nach denen Historiker zu forschen hatten. Doch selbst das war nicht genug. Denn nach Ansicht der SED setzten die Wissenschaftler in ihrer „selbständigen“ Arbeit die Forderungen der Partei nicht mit der nötigen Vehemenz um. So kritisierte beispielsweise Walter Ulbricht: „Viele Mängel unserer Geschichtswissenschaft erklären sich aus dem falschen Verhältnis von Genossen Historikern zu den Parteibeschlüssen. Von diesen Genossen werden Parteibeschlüsse sozusagen als Sache der Tagespolitik betrachtet und nicht als wissenschaftliche Dokumente, die auf neue Fragen des Klassenkampfes, auf neue Probleme des sozialistischen Aufbaus eine Antwort geben und die damit auch für die schöpferische wissenschaftliche Arbeit neue Probleme stellen und die Richtung weisen.“[6]
Eine nennenswerte Gegenwehr bei den Historikern gegen eine solche Einflußnahme und Fremdbestimmtheit durch die SED gab es nicht. Im Gegenteil, nach Einschätzung von Ilko-Sascha Kowalczuk „zählten die historischen Institute insgesamt zu den ideologischen Vorposten an den Universitäten.“[7] Die Geschichtswissenschaft gab in enormem Umfang ihre Selbständigkeit auf. Sie wurde instrumentalisiert und ließ sich instrumentalisieren.
Freie Forschung war nicht möglich. Das Institut für Marxismus-Leninismus (IML), das dem ZK der SED unterstand, verteilte die Forschungsaufträge und gab die Grenzen der Interpretationsspielräume vor. Archive, v.a. das Parteiarchiv der SED, waren nur unter bestimmten Auflagen und nicht für jedermann zugänglich. Die Herausgabe von Akten für die Forschung wurde sehr restriktiv betrieben. „Die Gepflogenheit der Staatspartei, den Zugang zu ‘ihren’ Akten - wenn überhaupt - nur auf Zuteilung zu ermöglichen, gehörte zu den wohl ärgsten der vielfältigen Dauerprobleme der forschenden Historiker der DDR.“[8]
Nur was der SED-Führung wirklich genehm war und in ihr Geschichtsbild paßte, wurde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das traf in erster Linie auf die Publikationen über die Geschichte der Arbeiterbewegung und der KPD zu. Denn die hatte zwei besondere Aufgaben zu erfüllen:
Zum einen sollte die Geschichtswissenschaft in ihrer Forschung die gesetzmäßige Entwicklung der Arbeiterklasse hin zum Sozialismus nachweisen. „Das Ergebnis war dabei in jedem Fall vorgegeben: Die DDR sollte als logische Folge, als Konsequenz und als einzig mögliches positives Ergebnis der deutschen Geschichte erscheinen.“[9] Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei der Widerstand der Kommunisten gegen den Nationalsozialismus, „gehörte er doch als ‘antifaschistisches Erbe’ zu jener moralischen Ursubstanz, auf die sich die DDR stets bezog und aus der sie ihre Existenz ableitete.“[10] Der Staat an sich und seine Ideologie sollten durch dieses Geschichtsbild legitimiert werden.
Zum anderen kam den Historikern die Aufgabe zu, die KPD als führende Kraft in der Arbeiterbewegung darzustellen und diese Führungsrolle historisch zu begründen. Denn auf dieser Darstellung baute die SED, die sich als Nachfolgerin und Erbin der KPD sah, ihren eigenen Führungsanspruch auf.
Diese beiden politischen Ansprüchen hatte die Geschichte der Arbeiterbewegung und der KPD zu erfüllen. Was an Fakten des realhistorischen Geschehens nicht hineinpaßte oder den Thesen entgegenlief, wurde verschwiegen, verdreht oder gar erlogen. Diese Tatsache macht die Bewertung historischer Forschung in der DDR zu diesem Thema heute besonders schwierig. Nur bei genauster Untersuchung der Veröffentlichungen gelangt man zu einem differenzierten Bild der Arbeit der DDR-Geschichtswissenschaft und lassen sich wertvolle Beiträge finden. Denn es wäre „trotz der leninistischen Basis der DDR-Geschichtswissenschaft ... verfehlt, jede historische Arbeit eines DDR-Historikers abzuqualifizieren.“[11]
2.3. Der SED-Geschichtsbeschluß
Der Führungsanspruch des ZK der SED in der Geschichtswissenschaft findet seinen besonderen Ausdruck im sogenannten Geschichtsbeschluß vom Juli 1955. Keine weitere Wissenschaft der DDR ist jemals mit einem solchen Grundsatzbeschluß „bedacht“ worden. Schon auf der 7. Tagung der SED 1951 kritisierte das Politbüro die Historiker wegen unzureichender ideologischer Militanz.[12] Vier Jahre später wurden dann mit dem Beschluß zur „Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik“ die „ideologischen Hauptaufgaben“ für die weitere geschichtswissenschaftliche Forschung festgeschrieben. Von „erstrangiger Bedeutung“ war demnach „die Erforschung und Darstellung der revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung.“[13] Ihre Geschichte sollte neu geschrieben werden. Dabei war „die Hauptaufmerksamkeit ... der Darstellung des Kampfes der Kommunistischen Partei gegen Imperialismus, Militarismus und Faschismus, für die Aktionseinheit der deutschen Arbeiterklasse, für die nationale und soziale Befreiung des deutschen Volkes und für die Festigung der Partei auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus zuzuwenden.“[14] Es sollte nachgewiesen werden, daß die KPD der Arbeiterklasse „Ziel und Richtung“ wies und durch ihren „heroischen, opferreichen Kampf“ gegen Faschismus und Krieg die „Ehre der deutschen Nation rettete“.[15] Die Hinweise zur Erforschung von KPD und Arbeiterbewegung „gerieten fast zu einer thesenhaften, kurzgefaßten Parteigeschichte - wobei jedoch die heiklen Fragen konsequent ausgeklammert blieben.“[16]
So wurde durch den Geschichtsbeschluß eine „selektive Geschichtsforschung präzise vorgegeben“[17]. Die KPD und die Geschichte der Arbeiterbewegung erhielten innerhalb eines festen ideologischen und wissenschaftlichen Programmes eine Monopolstellung in der DDR-Geschichtsschreibung. „Generell ablehnende Äußerungen zum ‘Grundsatz’-Papier der SED-Führung finden sich nicht; es wurde mit der üblichen allgemeinen Zustimmung und wohl mehr noch mit Gleichgültigkeit bedacht.“[18] Der Geschichtsbeschluß war mindestens bis 1962 von zentraler Bedeutung für die DDR-Geschichtswissenschaft. Er verlor seine Gültigkeit bis zum Zusammenbruch der DDR nicht und „half in nicht geringem Maße mit, einer von der SED abhängigen und ihr bis zuletzt treu ergebenen Geschichtswissenschaft den Weg zu bereiten.“[19]
[...]
[1] vgl. Kowalczuk, Ilko-Sascha: Legitimation eines neuen Staates - Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin, 1997, S. 342
[2] Haun, Horst: Der Geschichtsbeschluß der SED 1955. Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Dresden, 1996, S.6
[3] vgl. ebenda, S.342
[4] ebenda, S. 344
[5] Daß diese Machtübernahme vor allem auf Betreiben der Sowjetunion hin geschah und an der Mehrzahl der Arbeiter vorüber ging, wird im Text nicht berücksichtigt, da es für die Erklärung der Hervorhebung der Geschichte der Arbeiterklasse in der Forschung nur bedingt von Belang ist. Wichtiger ist hierbei das Selbstverständnis der SED-Führung.
[6] Ulbricht, Walter: Zum „Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“. Referat auf der 16. Tagung des ZK der SED vom 26. Bis 28. Juni 1962. Dietz Verlag, Berlin (Ost), 1963, S.28f (im folgenden zitiert als Ulbricht: Referat 16.Tagung)
[7] Kowalczuk, S.331
[8] Haun, S.21
[9] Kowalczuk, S.321
[10] Mallmann, Klaus Michael: Kommunistischer Widerstand 1933-1945. Anmerkungen zu Forschungsstand und Forschungsdefiziten. In: Steinbach, Peter/Tuchel, Johannes (Hrsg.): Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 1994, S.113
[11] Kowalczuk, S. 343
[12] vgl. hierzu Kowalczuk, S. 40 und Finker, Kurt: Zwischen Integration und Legitimation - Der antifaschistische Widerstand in Geschichtsbild und Geschichtsschreibung der DDR. Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, 1999, S.77
[13] Dokumente der SED. Beschlüsse Band V. Berlin (Ost), 1956, S.348; zitiert nach: Finker, S.77f, Kowalczuk, S.232f, Haun, S.30f
[14] ebenda
[15] ebenda
[16] Haun, S.31
[17] Reich, Ines: Das Bild vom deutschen Widerstand in der Öffentlichkeit und Wissenschaft der DDR. In: Steinbach/Tuchel, S.563
[18] Haun, S. 40; Kritik kam lediglich von Alfred Meusel, Fritz Klein, Jürgen Kuczynski, Günter Mühlpfordt und Joachim Streisand. Sie blieb allerdings erfolglos.
[19] Haun, S.49
- Citation du texte
- Antje Krüger (Auteur), 2000, Beschlossene Geschichte - Die Darstellung der Tätigkeit des ZK der KPD in Moskau während des Zweiten Weltkrieges in der DDR-Geschichtsschreibung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17174
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