Einen anderen Menschen zu töten, erscheint uns im Normalfall wohl als eines der schwersten Vergehen, das sich jemand überhaupt zuschulden kommen lassen kann. Dieser Überzeugung wird durch die Verankerung eines strikten Tötungsverbots in unserem Rechtssystem entsprochen. Wer dagegen verstößt, hat mit mehr oder weniger schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen.
Der allgemeine Konsens über die gravierende Unrechtmäßigkeit des Tötens schwindet jedoch, sobald es um die Beurteilung von ,,Sonderfällen" geht: Abtreibung, Tötung während des Kriegs, Notwehr, Sterbehilfe usw.. Wie es scheint, läßt sich die Uneinigkeit bezüglich dieser ,,Sonderfälle" vor allem auf die Uneinigkeit darüber zurückführen, welche Gründe es sind, die uns das Töten überhaupt, im Normalfall, als unrecht erscheinen lassen. Je nach dem, warum wir es normalerweise für unrecht halten, zu töten, werden wir die Frage unterschiedlich beantworten, in welchen konkreten Fällen es sich tatsächlich um ein Vergehen handelt und in welchen Fällen es sich nicht um einen Verstoß gegen ein fundamentales moralisches Prinzip handelt. Unterschiedliche Begründungen eines Tötungsverbots führen zu einer unterschiedlichen Beurteilung konkreter Fälle.
Das Kernstück einer bedeutenden Position im gegenwärtigen moral- und rechtsphilosophischen Diskurs ist es, moralische beziehungsweise rechtliche Normen (d.h. Gebote, Verbote usw.) insofern zu begründen, als sie den Schutz bestimmter Interessen gewährleisten sollen. Nur weil und insofern solche Normen den Schutz bestimmter Interessen gewährleisten sollen, besitzen sie begründete Geltung. Eine Ethik, die diese These zu ihrem Prinzip hat, bezeichne ich im Folgenden als präferenzutilitaristische beziehungsweise interessensorientierte Ethik.
Inhaltsverzeichnis
- Exposition des utilitaristisch-interessensorientierten Begründungsansatzes
- Absolut begründete Norm und interessensbegründete Norm
- Die Kritik des Speziezismus
- Überlebensinteresse als Anknüpfungspunkt eines Tötungsverbots
- Der Begriff des Interesses
- Bedingungen und Formen des Überlebensinteresses sowie deren ethische Relevanz
- Tötungsverbot und Personalität
- Folgen eines utilitaristischen Begründungsansatzes
- Kritische Auseinandersetzung
- Eigenschaften als Anknüpfungspunkte eines Tötungsverbots
- Die Achtung des Menschen als Menschen – ein ungerechtfertigter Speziezismus?
- Versuch eines exkursorischen Hinweises zum Begriff der Menschenwürde
- Allgemein-kritische Überlegungen zum Konzept einer interessensorientierten Ethik
- Die Voraussetzungen einer utilitaristisch-interessensorientierten Ethik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Das Ziel dieser Arbeit ist es, dem präferenzutilitaristischen beziehungsweise interessensorientierten Ansatz der Begründung eines Tötungsverbots und den sich daraus ergebenden erschreckenden Konsequenzen ein theoretisches Fundament zu liefern. Der Fokus liegt dabei auf der kritischen Auseinandersetzung mit den Thesen von Norbert Hoerster und Peter Singer, die exemplarisch für diesen Ansatz stehen. Die Arbeit beleuchtet die Problematik des Tötungsverbots im Kontext utilitaristisch-interessensorientierter Ethik und zeigt die daraus resultierenden ethischen und rechtlichen Herausforderungen auf.
- Die Begründung eines Tötungsverbots auf der Grundlage von Interessen
- Die Kritik des Speziezismus und die Frage nach der Schutzwürdigkeit von Menschen
- Der Begriff des Überlebensinteresses und seine ethische Relevanz
- Die Problematik der Personalität und ihre Implikationen für das Tötungsverbot
- Die kritische Auseinandersetzung mit der utilitaristischen Ethik und ihren Voraussetzungen
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt den präferenzutilitaristischen beziehungsweise interessensorientierten Begründungsansatz dar. Es werden die zentralen Argumente dieses Ansatzes erläutert und die Problematik der Unterscheidung zwischen absolut begründeten Normen und interessensbegründeten Normen beleuchtet. Die Frage nach der Schutzwürdigkeit von Menschen wird im Kontext des Überlebensinteresses diskutiert, und es werden die Bedingungen und Formen des Überlebensinteresses sowie deren ethische Relevanz untersucht. Das Kapitel schließt mit einer Analyse der Folgen eines utilitaristischen Begründungsansatzes.
Das zweite Kapitel befasst sich mit einer kritischen Auseinandersetzung mit den im ersten Kapitel dargestellten Thesen. Es werden immanente Widersprüche und Ungereimtheiten innerhalb der Argumentation aufgezeigt und die Voraussetzungen des Ansatzes selbst angegriffen. Die Frage nach der Schutzwürdigkeit von Menschen wird im Kontext des Begriffs der Menschenwürde und der Problematik des Speziezismus diskutiert. Das Kapitel schließt mit einer Analyse der Voraussetzungen einer utilitaristisch-interessensorientierten Ethik.
Schlüsselwörter
Tötungsverbot, utilitaristische Ethik, Präferenzutilitarismus, Interessensorientierung, Speziezismus, Überlebensinteresse, Personalität, Menschenwürde, Schutzwürdigkeit, ethische Normen, Rechtsethik, moralphilosophischer Diskurs.
- Citar trabajo
- Michael Turinsky (Autor), 1999, Die Begründung des Tötungsverbots im Kontext interessensorientierter bzw. präferenzutilitaristischer Ethik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1710