Einen anderen Menschen zu töten, erscheint uns im Normalfall wohl als eines der schwersten Vergehen, das sich jemand überhaupt zuschulden kommen lassen kann. Dieser Überzeugung wird durch die Verankerung eines strikten Tötungsverbots in unserem Rechtssystem entsprochen. Wer dagegen verstößt, hat mit mehr oder weniger schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen.
Der allgemeine Konsens über die gravierende Unrechtmäßigkeit des Tötens schwindet jedoch, sobald es um die Beurteilung von ,,Sonderfällen" geht: Abtreibung, Tötung während des Kriegs, Notwehr, Sterbehilfe usw.. Wie es scheint, läßt sich die Uneinigkeit bezüglich dieser ,,Sonderfälle" vor allem auf die Uneinigkeit darüber zurückführen, welche Gründe es sind, die uns das Töten überhaupt, im Normalfall, als unrecht erscheinen lassen. Je nach dem, warum wir es normalerweise für unrecht halten, zu töten, werden wir die Frage unterschiedlich beantworten, in welchen konkreten Fällen es sich tatsächlich um ein Vergehen handelt und in welchen Fällen es sich nicht um einen Verstoß gegen ein fundamentales moralisches Prinzip handelt. Unterschiedliche Begründungen eines Tötungsverbots führen zu einer unterschiedlichen Beurteilung konkreter Fälle.
Das Kernstück einer bedeutenden Position im gegenwärtigen moral- und rechtsphilosophischen Diskurs ist es, moralische beziehungsweise rechtliche Normen (d.h. Gebote, Verbote usw.) insofern zu begründen, als sie den Schutz bestimmter Interessen gewährleisten sollen. Nur weil und insofern solche Normen den Schutz bestimmter Interessen gewährleisten sollen, besitzen sie begründete Geltung. Eine Ethik, die diese These zu ihrem Prinzip hat, bezeichne ich im Folgenden als präferenzutilitaristische beziehungsweise interessensorientierte Ethik.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1 Exposition des utilitaristisch-interessensorientierten Begründungsansatzes
- 1.1 Absolut begründete Norm und interessensbegründete Norm
- 1.2 Die Kritik des Speziezismus
- 1.3 Überlebensinteresse als Anknüpfungspunkt eines Tötungsverbots
- 1.3.1 Der Begriff des Interesses
- 1.3.2 Bedingungen und Formen des Überlebensinteresses sowie deren ethische Relevanz
- 1.3.3 Tötungsverbot und Personalität
- 1.4 Folgen eines utilitaristischen Begründungsansatzes
- 2 Kritische Auseinandersetzung
- 2.1 Eigenschaften als Anknüpfungspunkte eines Tötungsverbots
- 2.2 Die Achtung des Menschen als Menschen — ein ungerechtfertigter Speziezismus?
- 2.2.1 Versuch eines exkursorischen Hinweises zum Begriff der Menschenwürde
- 2.3 Allgemein-kritische Überlegungen zum Konzept einer interessensorientierten Ethik
- 2.3.1 Die Voraussetzungen einer utilitaristisch-interessensorientierten Ethik
- Schlußbemerkungen
- Verwendete Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Begründung eines Tötungsverbots im Kontext einer utilitaristisch-interessensorientierten Ethik. Sie analysiert die Argumentation, die ein Tötungsverbot auf den Schutz eines bestimmten Interesses, nämlich das Überlebensinteresse eines Individuums, zurückführt. Die Arbeit untersucht die Voraussetzungen, unter denen ein Lebewesen ein solches Überlebensinteresse besitzen kann, und analysiert die Folgen dieses Begründungsansatzes.
- Der Begriff der Person im Kontext einer interessensorientierten Ethik
- Die Kritik am Speziezismus und die Frage nach moralisch relevanten Eigenschaften
- Die Rolle des Selbstbewusstseins und die Unterscheidung zwischen gegenwartsbezogenen und zukunftsbezogenen Wünschen
- Die Implikationen des utilitaristischen Begründungsansatzes für die Beurteilung von Abtreibung, Tötung von Embryonen und Föten, Sterbehilfe und anderen ethischen Fragen
- Die Voraussetzungen einer interessensorientierten Ethik und die Kritik an der These, dass Interessen das Fundament von Moralität bilden
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der Begründung eines Tötungsverbots im Kontext von "Sonderfällen" wie Abtreibung, Tötung im Krieg oder Sterbehilfe dar und führt den präferenzutilitaristischen beziehungsweise interessensorientierten Begründungsansatz ein.
Kapitel 1 analysiert den präferenzutilitaristischen Begründungsansatz anhand der Werke von Norbert Hoerster und Peter Singer. Es werden die zentralen Argumente dieser Ethikkonzeption dargestellt, die ein Tötungsverbot auf den Schutz von Interessen zurückführt. Die Arbeit beleuchtet die Kritik am Speziezismus und zeigt auf, wie das Überlebensinteresse als Anknüpfungspunkt eines Tötungsverbots verwendet wird.
Kapitel 2 unterzieht den präferenzutilitaristischen Begründungsansatz einer kritischen Betrachtung. Es werden Einwände gegen die These erhoben, dass der Besitz von Selbstbewusstsein die Grundlage für ein Tötungsverbot bildet. Die Arbeit diskutiert die Bedeutung der Achtung des Menschen als Menschen und zeigt die Widersprüchlichkeit des biologischen Reduktionismus auf.
Kapitel 2.3 befasst sich mit allgemeinen kritischen Überlegungen zum Konzept einer interessensorientierten Ethik. Es werden die Voraussetzungen dieser Ethikkonzeption hinterfragt und die Kritik an der These, dass Interessen das Fundament von Moralität bilden, dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Tötungsverbot, die utilitaristische Ethik, das Überlebensinteresse, der Speziezismus, die Personalität, das Selbstbewusstsein, die Menschenwürde und die Kritik an der interessensorientierten Ethik.
- Citar trabajo
- Michael Turinsky (Autor), 1999, Die Begründung des Tötungsverbots im Kontext interessensorientierter bzw. präferenzutilitaristischer Ethik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1710
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