Der vorliegende Text „Erwachsenwerden“ von Peter Bichsel, erschienen 1979, handelt vom Erwachsenwerden. Der Autor, der gleichzeitig Erzähler ist, schreibt über seine Probleme mit dem Erwachsenwerden.
Peter Bichsel
„Erwachsenwerden"
Analyse von Tim Blume
Der vorliegende Text „Erwachsenwerden“ von Peter Bichsel, erschienen 1979, handelt vom Erwachsenwerden. Der Autor, der gleichzeitig Erzähler ist, schreibt über seine Probleme mit dem Erwachsenwerden.
Der über 40-jährige Ich-Erzähler schreibt, dass er als Kind „Lust darauf bekam“, erwachsen zu werden. Doch nach verzweifelten Bemühungen, habe er sich entschieden, nicht erwachsen zu werden. Als Gründe für diese Entscheidung nennt er unter anderem seine Versuche, so zu sein wie Ältere, die jedoch scheiterten, denn er blieb immer derselbe. Weiterhin hat er eingesehen, dass ihn Erwachsene, wenn sie etwas nicht wussten, angelogen haben; sie hätten ihn in kritischen Situationen immer auf das Erwachsensein vertröstet, anstatt ihm zu antworten. Den Autor stört es vor allem, dass Kinder in Fragen leben könnten, Erwachsene - nach eigener Aussage - aber nur in Antworten. Wenn ein Kind eine ungewöhnliche Frage stellt, die ihm ein Erwachsener nicht beatworten kann, so könne es darüber durchaus froh sein, weil es in seiner Frage bleiben könne. Bei Erwachsenen ginge das nicht, sie könnten nur in Antworten leben: Statt „Warum gibt es Kriege?“ nur „Es gibt Kriege.“. Den Autor grämt, dass niemals jemand kommen würde und sagen könne „Es war falsch!“.
Am Text ist auffällig, dass der Autor gleichzeitig Ich-Erzähler ist. Im ersten Teil des Textes beschreibt der Autor seine Erfahrungen mit Erwachsenen, er verwendet dabei überwiegend ein Tempus der Vergangenheit. Im folgenden Teil verwendet er dann überwiegend das Präsens. Er lässt die Ereignisse seiner Vergangenheit hinter sich und versucht das Verhalten der Erwachsenen zu erklären. Diese Textgestaltung ist geschickt gewählt, da der Autor den Leser im ersten Teil an seine eigene Kindheit erinnern kann. Der Leser wird feststellen, dass es sich in seiner Kindheit ganz ähnlich verhalten hat. Im zweiten Teil versucht Bichsel dann dem Leser das Verhalten der Erwachsenen zu erklä- ren. Zum Schluss gesteht er, dass er all das, von dem ihm gesagt wurde, dass er es begreifen würde wenn er erwachsen ist, nicht begriffen hat.
Der Autor selbst schreibt, dass ihm immer noch Jugend vorgeworfen wird; tatsächlich tauchen im Text auch einige Anzeichen für einen jugendlichen Schreibstil auf: So benutzt er zum Beispiel die Kurzform „andern“ statt „anderen“ auszuschreiben. Weiterhin nutzt er die verkürzten Wendungen „ich's“ und „hab's“, anstatt auch diese Formen auszuschreiben. Auf diese Weise wirkt auch der Schreibstil des Autors ein wenig „jugendlich“. Ob diese Wörter allerdings bewusst oder unbewusst verwendet wurden, geht aus dem Text nicht hervor. Zu Ende des Textes wiederholt der Autor zweimal seinen Satzanfang „Ich weiß, [...]“. Im Anschluss daran erinnert er sich noch einmal an einen Satz aus seiner Kindheit, um mit dem Ergebnis zu schließen, dass er es („du's“) nicht begriffen hat.
Insgesamt finde ich die Gestaltung des Textes ungewöhnlich. Der Tempuswechsel ist zwar passend, aber das ewige Erinnern an die Vergangenheit des Autors wird langwierig und ermüdend. Auf den Leser wirkt der Text im ersten Moment interessant und ansprechend, wenig später, beziehungsweise nach mehrmaligem Lesen wird er lästig.
Dementsprechend bin ich der Ansicht, dass die Einstellung, die der Ich-Erzähler gegenüber den Erwachsenen zum Ausdruck bringt, nicht gerechtfertigt ist. Zwar kann ich verstehen, dass es ihn grämt, dass ihn seine Eltern angelogen haben wenn sie etwas nicht wussten und ihn auf das Erwachsensein vertrösteten, aber die sehr stark erläuterte und präzisierte Sicht ist meiner Meinung nach überflüssig. Der Autor nimmt es mit dem Begriff „erwachsen“ sehr genau, denn sonst könnte er - ohne lange Texte zu schreiben - hinnehmen, dass er, aus Sicht einiger anderer und seiner eigenen, nicht erwachsen ist.
Der Autor untersucht den Begriff „erwachsen“ dabei überhaupt nicht: Bedeutet „erwachsen“ ein bestimmtes Alter erreicht zu haben? Oder verheiratet zu sein? Diese Frage bleibt offen. Ich bin der Ansicht, dass der Autor, wenn er herausfinden will, ob er „erwachsen“ ist, erst einmal herausfinden muss, was „erwachsen“ genau bedeutet. Die Tatsache, dass er Ältere dabei für erwachsener hält als sich selbst ist dazu nicht ausreichend. Der Autor hat sich nun entschieden, „nicht erwachsen zu werden“, obwohl er nicht weiß, ob er es nicht schon ist.
Somit halte ich die Einstellung, die er gegenüber „Erwachsenen“ zum Ausdruck bringt, für nicht gerechtfertigt. Dieser Text ist zu schwammig und - in Sachen Begriffsklärung - unpräzise formuliert, als das man die Position rechtfertigen könnte. In meinen Augen ist es selbstverständlich, dass die Eltern oder auch jeder andere Mensch dieser Welt nicht alle Fragen beantworten können. Will man dennoch eine Antwort finden, sollte man sich auf die Suche danach begeben und sich nicht durch das Schreiben solcher Texte selbst bemitleiden.
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- Tim Blume (Autor), 2009, Peter Bichsel: „Erwachsenwerden“ – eine Analyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170179