Die vorliegende Sachunterrichtserzählung beschäftigt sich mit dem heiklen Thema 'Arbeitslosigkeit' und bietet diesbezüglich weder ein„Happy End“ noch Lösungsvorschläge. Im Vordergrund steht ein sozialwissenschaftlicher Aspekt in Form der Erfahrungen und Empfindungen eines jungen Mädchens namens Julia, die mit den Folgen der Arbeitslosigkeit des Vaters konfrontiert wird. Die Geschichte soll und kann aufgrund ihrer Unvollkommenheit nur als Einführung in die Thematik dienen und verpflichtet somit zur weiteren Vertiefung. Da das Geschehen über die Perspektive des Mädchens vermittelt wird und in möglichst kindgerechter Sprache verfasst ist, befähigt die Erzählung den Zuhörer zum Hineinversetzen in die beschrieben Situation.
Sachunterrichtserzählung zum Thema
,Arbeitslosigkeit in der Familie'
Die Erzählung
„Guten Abend ihr beiden", sagte mein Papi. Ich stand gerade mit meiner Mutter in der Küche, als er zur Tür hereinkam. Er setzte seine Tasche auf den Küchenstuhl, legte seinen Mantel über dessen Lehne und ging zum Herd, um Mami über die Schulter zu schauen. Er wollte bestimmt wieder gucken, ob es Knödel zu essen gab. Er liebte Knödel über alles.
Doch da war er schon wieder, dieser Gesichtsausruck auf Papis Gesicht. Er sah ernster aus als früher. Schon seit einer ganzen Weile war das so. Beim Abendessen plapperte Papi auch nicht mehr so viel wie früher. Früher sprach er von sich und seiner Arbeit in der Autofirma und hatte von Mama und mir immer wissen wollen, wie unser Tag gewesen war. Einmal hatte Papi sogar wissen wollen, was ich in der Fünf-Minuten-Pause gemacht hatte. Das hatte ich doch schon selber nicht mehr gewusst. Beim Abendessen aber saß er nun nur noch da und starrte auf sein Essen. Dabei gab es doch Knödel. Wenn Papi die nicht mal essen mochte, dann musste er wohl krank sein.
Eine Woche später war Papi bereits zu Haus, als ich von der Schule kam. Als ich wissen wollte, ob er krank ist und deswegen schon da sei, antwortete er nur, dass er nicht krank sei. „Ich bin jetzt eben ein paar Tage zu Haus", sagte er mit tiefer Stimme und schaute mich dabei nicht mal an. Da erschrak ich und ging lieber weg, denn so hatte Papi noch nie etwas zu mir gesagt.
Die Woche verging und Papi war nicht nur jeden Tag zu Haus, er kochte auch jeden Tag. Mal gab es Nudeln mit Soße, mal Kartoffelbrei mit Eiern und einmal sogar Bohnen mit Speck. Ich finde aber, dass Mama besser kocht. Doch die sagte nur, dass Papi kochen wollte. Abends saß Papi wieder mit uns am Tisch und guckte mehr auf sein Essen als zu mir oder Mama. Wie es bei mir in der Schule gewesen ist, hatte er auch schon lange nicht mehr gefragt. Ob er doch krank war? Dann sollte er sich besser ins Bett legen, das half doch immer.
Am Wochenende stand ich wie jeden Samstag um neun Uhr morgens auf, um die Zeitung aus dem Briefkasten zu holen, doch diesmal war keine da. Nachmittags schien die Sonne super schön. Also ging ich zu Papi ins Wohnzimmer, um ihn zu fragen, ob er mit mir im Garten spielen würde, denn am Wochenende hatte er immer Zeit für mich und wir spielten auch jedes Wochenende etwas zusammen - sogar Spiele, die Papi eigentlich nicht mag. Papi saß
mit Stift und Zettel in den Händen am Esstisch und als ich ihn fragte, sagte er: „Nein, ich kann jetzt nicht. Ich muss hier einen Brief schreiben und dazu brauche ich Ruhe". Wie böse er das gesagt hatte. Nun war mir klar, dass Papi nicht krank war. Er war sauer! Er sprach ja kaum noch mit mir und Spielen wollte er auch nicht. Also war Papa sauer, und zwar auf mich...
Ich ging wieder ins Wohnzimmer zurück, stellte mich neben Papi und sprach ihn an, denn ich wollte nicht, dass er sauer auf mich war. Ich fragte ihn: „Papi, habe ich dir etwas getan, dass du sauer auf mich bist?" „Was? Nein, du hast mir nichts getan. Lass mich jetzt bitte weiterarbeiten!", antwortete er darauf. „Du bist WOHL sauer auf mich. Du bist überhaupt nicht mehr wie früher, du redest nicht mehr mit mir, du hast keine Zeit mehr für mich und schaust mich nicht mal mehr an, wenn ich mit dir spreche.", konnte ich noch sagen, bevor ich zu weinen anfing. Doch dann schaute Papi mich plötzlich an, stand vom Stuhl auf und nahm mich in den Arm. „Aber Julia, ich bin doch nicht sauer auf dich", sagte Papi, bevor auch er zu weinen begann. Er nahm mich auf den Arm und trug mich auf unser Sofa. Dort erzählte mein Papi mir, warum er in letzter Zeit so verändert war. In der Firma gab es immer weniger Arbeit zu erledigen und schließlich überhaupt keine Arbeit mehr und darum entließen sie ihn, sagte Papi. Deshalb war er nun täglich zuhause. Er sagte, dass er nie sauer auf mich war, aber ihm gingen ständig so viele Gedanken durch den Kopf. Es wäre nicht mehr genug Geld für die Zeitung da gewesen und er müsste sich bei unzähligen Firmen um neue Arbeit bewerben und noch viel mehr. Dann lief ihm noch eine Träne über sein Gesicht, als er mir sagte: „Deswegen habe ich oft schlechte Laune und keine Zeit zum Spielen, aber ich habe dich genau so lieb wie früher, Julia!"
Das Schönste an dem Gespräch mit Papi war, dass er überhaupt wieder mit mir zu sprechen begann, denn nichts war für mich schlimmer als die Zeit, in der ich nicht wusste, was in meinem Papi vorging.
Didaktische Analyse
Die Erzählung beschäftigt sich mit dem heiklen Thema Arbeitslosigkeit und bietet in diesem Bereich weder „Happy End" noch Lösungsvorschläge. Im Vordergrund steht ein sozialwissenschaftlicher Aspekt in Form der Erfahrungen und Empfindungen eines jungen Mädchens namens Julia, die mit den Folgen der Arbeitslosigkeit des Vaters konfrontiert wird.
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- Citation du texte
- M.Ed. Georg Rabe (Auteur), 2006, "Papi ist sauer!?", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170084