Diese Arbeit befasst sich als Grundlage mit dem Buch „Gottes Geist“ von Michael Welker; allerdings beschränkt sie sich auf die Lehre des Heiligen Geistes (Pneumatologie) im Alten Testament. Besonders interessant fand ich das zweite Kapitel1, da mein Schwerpunkt des Theologiestudiums im Bereich Biblische Theologie vorrangig auf dem Alten Testament liegt. Von daher scheint es mir am sinnvollsten zu sein, nun einmal die Systematische Theologie mit der Biblischen Theologie zu verbinden. Die Pneumatologie, die Lehre vom Heiligen Geist als dem Geist Christi in der Geschichte, wurde in der Geschichte des Christentums oft vernachlässigt, deshalb bildet die Pneumatologie so zu sagen das jüngste Traktat in der Dogmatik. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bewusstsein von der Notwendigkeit der pneumatologischen Dimension in christlichen Glaubensfragen herauskristallisiert. Müller sagt deshalb auch: „In der klassischen Gestalt der katholischen Dogmatik kommt ein eigener Traktat ‚Pneumatologie’ als Lehre von Person, Wesen und Wirken des Heiligen Geistes nicht vor.“2 Weiterhin betont er allerdings auch, dass man bei der „Neuentwicklung“ des Traktates der Pneumatologie nicht über das Ziel hinaus schießen dürfe, indem man die Pneumatologie als gleichwertiges Traktat zur Christologie sehe.3 Wer sich nun fragt warum man sich denn nun mit der Pneumatologie beschäftigen müsse, wenn man es doch Jahrhunderte lang auch nicht getan habe, so muss man denen entgegnen, dass der Geist Gottes eine Schlüsselstellung in der Theologie des Alten Testaments einnimmt. Nicht weniger als 378-mal erscheint das Wort „Geist“ rûah in der hebräischen Bibel, in der griechischen Fassung, der Septuaginta (LXX), nicht weniger als 274-mal.4 Somit wird schon deutlich welche Stellung Gottes Geist in der Bibel zukommt und weshalb die neueren Forschungen ihren Blick immer mehr auf das Wirken und das Wesen des Geistes Gottes gerichtet haben. Wenn man sich das Wort rûah im Alten Testament näher ansieht kann man erkennen, dass dasselbe Wort für Geist, Hauch, Atem und Wind verwendet wird.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Geist und Emergenzprozesse
3. Gottes Geist und Simson
4. Gottes Geist und Umwandlung von Macht
5. Böse Geister und Lügengeister
6. Geist als Numinosum
7. Literarurverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit befasst sich als Grundlage mit dem Buch „Gottes Geist“ von Michael Welker; allerdings beschränkt sie sich auf die Lehre des Heiligen Geistes (Pneumatologie) im Alten Testament.
Besonders interessant fand ich das zweite Kapitel[1], da mein Schwerpunkt des Theologiestudiums im Bereich Biblische Theologie vorrangig auf dem Alten Testament liegt. Von daher scheint es mir am sinnvollsten zu sein, nun einmal die Systematische Theologie mit der Biblischen Theologie zu verbinden.
Die Pneumatologie, die Lehre vom Heiligen Geist als dem Geist Christi in der Geschichte, wurde in der Geschichte des Christentums oft vernachlässigt, deshalb bildet die Pneumatologie so zu sagen das jüngste Traktat in der Dogmatik. Erst in den letzten Jahrzehnten hat sich das Bewusstsein von der Notwendigkeit der pneumatologischen Dimension in christlichen Glaubensfragen herauskristallisiert. Müller sagt deshalb auch: „In der klassischen Gestalt der katholischen Dogmatik kommt ein eigener Traktat ‚Pneumatologie’ als Lehre von Person, Wesen und Wirken des Heiligen Geistes nicht vor.“[2] Weiterhin betont er allerdings auch, dass man bei der „Neuentwicklung“ des Traktates der Pneumatologie nicht über das Ziel hinaus schießen dürfe, indem man die Pneumatologie als gleichwertiges Traktat zur Christologie sehe.[3]
Wer sich nun fragt warum man sich denn nun mit der Pneumatologie beschäftigen müsse, wenn man es doch Jahrhunderte lang auch nicht getan habe, so muss man denen entgegnen, dass der Geist Gottes eine Schlüsselstellung in der Theologie des Alten Testaments einnimmt.
Nicht weniger als 378-mal erscheint das Wort „Geist“ rûah in der hebräischen Bibel, in der griechischen Fassung, der Septuaginta (LXX), nicht weniger als 274-mal.[4]
Somit wird schon deutlich welche Stellung Gottes Geist in der Bibel zukommt und weshalb die neueren Forschungen ihren Blick immer mehr auf das Wirken und das Wesen des Geistes Gottes gerichtet haben. Wenn man sich das Wort rûah im Alten Testament näher ansieht kann man erkennen, dass dasselbe Wort für Geist, Hauch, Atem und Wind verwendet wird.
Davon ausgehend, dass immer dasselbe Wort für verschiedene Bedeutungen benutzt wurde, diskutierte man, ob der Geist Gottes eine ungreifbare, numinose Macht sei, von der man nur sagen könne, dass man nichts Genaues wisse.
Zu diesen Meinungen passt nach Welker der Vers:
„Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, weißt aber nicht, woher es kommt und wohin er geht. So ist jeder, der aus dem Geist gekommen ist.“ (Joh 3,8)
Welker bedauert, dass man anhand dieser Textstelle die Unbestimmtheit des Geistes nicht „im Licht der Klarheit und Deutlichkeit vermittelnden Zeugnisse zu lesen“[5] wusste und stattdessen die Unerfassbarkeit des Geistes betont wurde, indem gefolgert wurde, dass man über den Geist Gottes nichts weiter sagen könne und dieser unsichtbar und so wenig greifbar sei wie der Wind.
Welker meint, dass Gottes Geist zwar schwer greifbar sei, aber dass die realistische Theologie davor nicht resignieren dürfe. Weiterhin erörtert er, dass der Geist Gottes in der Rettung einer Gemeinschaft am Werk gesehen werden kann.
Meist wird Gottes Geist mit dem Wirken einer Führergestalt in Verbindung gebracht, „die in keine Gemeinschaft wirklich passt und so gerade auf diese Weise zerrissene Gemeinschaften über die Zeiten hinweg verbindet und ihnen Halt und Orientierung gibt“[6].
Allerdings räumt Welker ein, dass die frühen Zeugnisse vom Geist Gottes (im Alten Testament) keine umfassende, klare und unzweideutige Erkenntnis des Geistes zulassen.
Er sieht sie jedoch als Wegweiser, die der Geist Gottes schon in frühster Zeit hinterlassen hat.
2. Geist und Emergenzprozesse
Frühe Zeugnisse[7] vom Wirken des Geistes Gottes zeigen uns Situationen, in denen kein Ausweg absehbar war, von Situationen der Not, wo keine Hoffnung blieb und keine Rettung zu erwarten war.
Als Beispiele können folgende Situationen dienen:
- Das Volk Israel leidet unter schwerer anhaltender Unterdrückung durch ein anderes Volk
- Überlegende Mächte sammeln sich zum Großangriff auf Israel
- Verständigungsversuche zur Abwehr eines Angriffskrieges schlagen fehl
In allen Fällen wird Gottes Geist als die Kraft Gottes erfahren, die letztlich das drohende Schicksal abwendet. Gottes Geist ist weder Kriegsgeist noch der Geist der Helden und Sieger. Er ist auch nicht der Geist, der mit einem Schlag rettet. Die wohl ersten dichten Zeugnisse vom Wirken des Geistes Gottes berichten von einer „unerwarteten nicht vorhersehbaren Erneuerung der Handlungsfähigkeit und Einmütigkeit des Volkes, von einer Erneuerung seiner Widerstandskraft inmitten der allgemeinen Verzweiflung und von einer daraus resultierenden Wende des Geschicks“[8].
Diese Erneuerung und Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit und Widerstandskraft wird auf einen bestimmten Menschen zurückgeführt, der von Gottes Geist überkommen wurde. Diesem Menschen gelingt es dann Loyalität, Solidarität und gemeinsame Handlungsfähigkeit im Volk wieder herzustellen.
Welker führt als Beispiel folgende Textstelle an:
„Und Israel tat, was schlimm war in den Augen Gottes, und vergaß Jahwe, seinen Gott, und diente dem Baalen und dem Ascheren.
Da entbrannte der Zorn Gottes gegen Israel, und Gott lieferte es der Gewalt des Kuschan-Rischatajim aus, des Königs von Aram in Mesopotamien. Und Israel war den Kuschan-Rischatajim acht Jahre lang unterworfen. Da schrie Israel zu Gott, und Gott ließ Israel einen Retter erstehen; der hat es gerettet: Otniel, den Sohn des Kenas, den jüngsten Bruder Kalebs.“[9] (Ri 3,7-11)
Die frühen Zeugnisse vom Wirken des Geistes Gottes vermitteln allerdings keine erschöpfende Erkenntnis dieses Geistes, sondern stellen sie wohl eher vor die Aufgabe der „Unterscheidung der Geister“[10] ; denn Gottes Geist ist weder Zaubergeist noch Kriegsgeist.
In solchen Situationen der Ohnmacht, wo man erwarten würde, dass jeder einzelne Mensch sein Heil in der Flucht suchen würde, stellt Gott durch den Geistträger wieder Loyalität und Handlungsfähigkeit her.
Aber Gottes Geist produziert keine Supermenschen, Übermenschen oder strahlende Sieger. Der Geist überkommt sterbliche Menschen. In keiner Weise werden die vom Geist Gottes überkommenen Menschen höherer Ordnung oder Idealgestalten. Die „frühen Charismatiker“, die in den biblischen Texten gezeichnet werden, sind nicht nur unvollkommene und sterbliche Menschen, sondern auch Außenseiter, Zweifler und Misstrauische.
[...]
[1] Vgl. dazu Welker, Michael, Gottes Geist, 58-108
[2] Müller, Gerhard L., Der Heilige Geist, 10
[3] Vgl. dazu Ebenda, 10-12
[4] Vgl. dazu Koch, Robert, Der Geist Gottes, 13
[5] Welker, Michael, Gottes Geist, 58
[6] Welker, Michael, Gottes Geist, 58
[7] Exkurs: Emergenz lässt sich verstehen als Umkonfiguration von Teilen zu einem neuen Ganzen. Zwar ist im eigentlichen Sinne dadurch nichts passiert, aber trotzdem existiert plötzlich ein anderes Ganzes. Dieser Emergenzbegriff geht zurück auf A. N. Whitehead und Nicklas Luhmann. Auch G. H. Mead schließt an Whitehead an, wenn er Emergenz beschreibt als eine Gegenwart von Dingen in zwei oder mehreren Systemen, deren Auftreten im ersten System verändert wird durch das gleichzeitige Auftreten im zweiten System. Die Welt wird also von einem neuen Blickwinkel aus neu begriffen und gesehen, es entwickelt sich eine neue Gesamtheit trotz durchgehender, kontinuierlicher Einzelteile. Es entsteht eine neue Qualität durch eine veränderte Wechselwirkung der Teile, die nicht aus den Eigenschaften der Komponenten ableitbar ist, die aber trotzdem allein in der Wechselbeziehung der einzelnen Komponenten besteht
[8] Welker, Michael, Gottes Geist, 60-61
[9] Die Bibel, Elberfelder Übersetzung, Wuppertal 2001
[10] Welker, Michael, Gottes Geist, 62
- Citation du texte
- Carla Gröne (Auteur), 2003, Pneumatologie: Michael Welker - Gottes Geist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16957
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