Der Raumbegriff hat spätestens in den 1970er Jahren, als ein „Spatial Turn“ für die
Kulturwissenschaften festgestellt wurde, auch in der Philosophie wieder erhöhte Aufmerksamkeit
erhalten. Erneute Beschäftigung mit dem Raum könnte auch erneute Beschäftigung mit klassischer
und moderner Philosophie bedeuten, die sich seit Aristoteles mit Fragen der Räumlichkeit
auseinander setzte. Einer der einflussreichsten Philosophen der klassischen Philosophie auch auf
diesem Gebiet war Immanuel Kant. Er bezog sich auf die Ansätze anderer wichtiger Philosophen
und Wissenschaftler wie zum Beispiel Isaac Newton oder Wilhelm Leibniz, entwickelte diese
weiter und kam so zu einem a priorischen Begriff des Raumes.
Die Literaturwissenschaft hingegen nahm lange Zeit an, dass Räumlichkeit der bildenden Kunst
vorbehalten war, während die Literatur zeitlichen Ordnungsparametern gehorchte (dies besagte
Lessings Laokoon-These von 1766). Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandelte sich diese
Grundannahme zu Gunsten eines Raumwissens in der Literatur. Mit dem oben bereits erwähnten
„Spatial Turn“ setzte dann auch in dieser Wissenschaft eine rege Beschäftigung mit dem Thema
Raum ein. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich allerdings nicht mit Fragen der Räumlichkeit der
Literatur an sich, sondern untersucht, wie die philosophische Diskussion zum Thema Raum in der
Gegenwartsliteratur verarbeitet wird. Literatur wurde als Medium gewählt, da es ein Kulturprodukt
ist, welches stets auch einen Beitrag zu aktuellen Diskursen leisten kann.
Der Roman „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann deutet bereits im Titel die enge
Verbindung zum Thema des Raumes an. Greift der Autor aber tatsächlich Gedanken aus der
konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Raumbegriff auf, um diese an seinen Protagonisten
Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt deutlich zu machen?
Da Kant mit seinem a priorischen Raumbegriff der Mathematik, wie sie vom Protagonisten Carl
Friedrich Gauß vertreten wird, eher nahe steht als der empirischen Forschung, die hier an Alexander
von Humboldt gezeigt wird, ist es wahrscheinlich, dass Kehlmann mit Gauß einen Wissenschaftler
beschreibt, der den a priorischen Gedanken der Raumkonzeption verfolgt und umsetzt. Der
Charakter Alexander von Humboldts fungiert aus dieser Perspektive eher als Abgrenzung und zeigt
die Überflüssigkeit seiner eigenen Vorgehensweise, die durch reine Berechnung ersetzt werden
kann.
Inhalt
1. Einleitung
2. Kurze historische Verortung Kants und seines a-priorischen Raumbegriffs
2.1 Der Raumbegriff in „Von dem ersten Unterschiede der Gegenden im Raume“
2.2 Der Raumbegriff in ,,Von dem Raume“
2.3 Der Raumbegriff in ,,Was heifit: sich im Denken orientieren?“
2.4 Zwischenfazit
3. Der Roman „Die Vermessung der Welt“
3.1 CarlFriedrichGaufi
3.1.1 Der a priorische Raumgedanke
3.1.2 Geometrie vor Empirie
3.1.3 Korper sind Grenzen
3.1.4 Unwissenheit ist die Schranke der Erkenntnis
3.1.5 Wo Gaufi uber Kant hinaus wachst
3.2 Alexander von Humboldt
3.3 Unterschiede von Humboldts Arbeitsweise in Abgrenzung zu Gaufi
3.4 Gemeinsamkeiten
3.5 Wertung
4. Fazit
5. Literatur
- Citar trabajo
- Mareike Höckendorff (Autor), 2010, Klassische Raumkonzeptionen Kants in Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/169225
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