Die öffentliche Auseinandersetzung um den Sozialstaat und seine Funktion
bietet ein weitreichendes Spektrum von Argumenten pro und contra. Im
vorliegenden Aufsatz wird die öffentliche Auseinandersetzung anhand der
Auswertung der Darstellung des Sozialstaates und seiner historischen und
geistigen Grundlagen und der Diskussion um ihn in verschiedenen
Tageszeitungen und Büchern untersucht.
Um den Sozialstaat wird immer wieder gestritten. Für die einen ist er Ursache
wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, weil er immer und
überall helfend einspringen will und so die Bereitschaft und Fähigkeit zur
eigenen Anstrengung schwächt. Den anderen geht der Sozialstaat nicht weit
genug; sie beklagen die bestehenden Unterschiede in den Lebensbedingungen
und fordern mehr soziale Gerechtigkeit. „Der Sozialstaat ist ein Staat, der den
wirtschaftlichen und wirtschaftlich bedingten Verhältnissen auch in der
Gesellschaft wertend, sichernd und verändernd mit dem Ziel gegenübersteht,
jedermann ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten,
Wohlstandsunterschiede zu verringern und Abhängigkeits-verhältnisse zu
beseitigen oder zu kontrollieren.“1
Den historischen und geistigen Grundlagen des Sozialstaats ist das zweite
Kapitel gewidmet. Die Idee des Sozialstaats hat ihren historischen
Ausgangspunkt in der sozialen Frage im 19. Jahrhundert. Im dritten Kapitel
wird die Entstehung und Entwicklung des Sozialstaats in Deutschland
untersucht, und zwar bis hin zur Bundesrepublik. Denn der Siozialstaat hat in
Deutschland eine lange Tradition. Im vierten Kapitel wurde das System der
sozialen Sicherung untersucht. Die soziale Sicherung ist ein Bereich, um den
viel gestritten wird, seit die wirtschaftliche Entwicklung nur noch schwach
und die Arbeitslosenzahl hoch ist.
1 Hans Zacher: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften. Stuttgart, 1977, S. 154.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung: Welche Funktion hat der Sozialstaat?
2. Historische und geistige Grundlagen der Sozialstaatsidee.
2.1. Industrielle Revolution und ihre Bedeutung für Sozialismus
2.2. Das Gedankengut des Liberalismus
2.3. Grundwerte und Programmatik des Sozialismus
3. Sozialstaatliche Politik in Deutschland bis 1945
3.1. Die Anfänge sozialstaatlichen Handelns
3.2. Die Entwicklung der sozialstaatlichen Ansätze in der Weimarer Republik
4. Die soziale Sicherung
4.1. Ziele, Inhalt und Gestaltungsgrundsätze
4.2. Die Sozialversicherung
5. Zusammenfassung
6. Literaturverzeichnis
1. Einführung: Welche Funktion hat der Sozialstaat?
Die öffentliche Auseinandersetzung um den Sozialstaat und seine Funktion bietet ein weitreichendes Spektrum von Argumenten pro und contra. Im vorliegenden Aufsatz wird die öffentliche Auseinandersetzung anhand der Auswertung der Darstellung des Sozialstaates und seiner historischen und geistigen Grundlagen und der Diskussion um ihn in verschiedenen Tageszeitungen und Büchern untersucht.
Um den Sozialstaat wird immer wieder gestritten. Für die einen ist er Ursache wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, weil er immer und überall helfend einspringen will und so die Bereitschaft und Fähigkeit zur eigenen Anstrengung schwächt. Den anderen geht der Sozialstaat nicht weit genug; sie beklagen die bestehenden Unterschiede in den Lebensbedingungen und fordern mehr soziale Gerechtigkeit. „Der Sozialstaat ist ein Staat, der den wirtschaftlichen und wirtschaftlich bedingten Verhältnissen auch in der Gesellschaft wertend, sichernd und verändernd mit dem Ziel gegenübersteht, jedermann ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, Wohlstandsunterschiede zu verringern und Abhängigkeits-verhältnisse zu beseitigen oder zu kontrollieren.“[1]
Den historischen und geistigen Grundlagen des Sozialstaats ist das zweite Kapitel gewidmet. Die Idee des Sozialstaats hat ihren historischen Ausgangspunkt in der sozialen Frage im 19. Jahrhundert. Im dritten Kapitel wird die Entstehung und Entwicklung des Sozialstaats in Deutschland untersucht, und zwar bis hin zur Bundesrepublik. Denn der Siozialstaat hat in Deutschland eine lange Tradition. Im vierten Kapitel wurde das System der sozialen Sicherung untersucht. Die soziale Sicherung ist ein Bereich, um den viel gestritten wird, seit die wirtschaftliche Entwicklung nur noch schwach und die Arbeitslosenzahl hoch ist.
2. Historische und geistige Grundlagen der Sozialstaatsidee
2.1. Industrielle Revolution und ihre Bedeutung für Sozialismus
Die von England ausgehende industrielle Revolution griff nach und nach auf Europa und hier vor allem auch auf Deutschland über. Große technische Erfindungen und Neuerungen (Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl, neue Methoden der Eisen- und Stahlerzeugung) machten es in einer wachsenden Zahl von Gewerbezweigen lohnend, von der bisher überwiegenden Handarbeit zu einer industriellen, das heißt maschinen-orientierten Produktionsweise überzugehen.[2] Im Ergebnis setzte sich die industrielle Produktionsweise mehr und mehr durch; das bedeutete zugleich, dass viele Menschen durch die Konkurrenz der Fabriken brotlos wurden und, weil sie praktisch kein Vermögen hatten, sich als Arbeiter in den Fabriken verdingen mußten.
Der technisch – organisatorische Wandel wurde wesentlich begünstigt durch die Liberalisierung weiterer Lebensbereiche. Nach dem Programm des politischen Liberalismus, der seit dem Ende des 18. Jahrhunderts wirksam geworden war, sollte der bisher in vielfältige Abhängigkeit verstrickte Mann zum freien und gleichberechtigten Staatsbürger werden, also gleiche politische Rechte wie die bisher privilegierten Kreise bekommen. Das bedingte auch Freiheiten im wirtschaftlichen Bereich. Die strenge wirtschaftliche, soziale und persönliche Abhängigkeit der unfreien und leibeigenen Bauern wurde beseitigt.
Die Industrialisierung war begleitet von einem fast explosionsartigen Bevölkerungswachstum. Dies bewirkte wiederum einen enormen Angebots-druck auf dem Arbeitsmarkt und führte insgesamt zu äußerst elenden Existenzbedingungen. „Die bezahlten Stundenlöhne waren extrem niedrig, was zur 80-Stunden-Woche führte. Weil der Verdienst des Mannes allein oft nicht ausreichte, waren Frauen- und Kinderarbeit an der Tagesordnung. Die Arbeitsverhältnisse in den Betrieben waren gekennzeichnet durch völlig unzureichende sanitäre Anlagen und schlechte Licht- und Luftverhältnisse. Es gab keine Kündigungsfristen.“[3] Bedauerlich waren auch die Wohnverhältnisse in den schnell wachsenden Städten.
Im Hindergrund dieser elenden Zustände entwickelte sich die breite politische Strömung des Sozialismus. Liberalismus und Sozialismus beinhalten unterschiedliche Auffassungen von einer freiheitlichen und gerechten Gesellschaftsordnung, insbesondere über die Rolle des Staates beim Herstellen und Sichern einer derartigen Ordnung.
2.2. Das Gedankengut des Liberalismus
Der Liberalismus war im 18. Jahrhundert entstanden als allgemeine geistig-politische Bewegung gegen die umfassende und willkürliche Herrschaft des absolutistischen Staates. Der Absolutismus war damals die in Europa verbreitete Staatsform. Die Staatsgewalt lag beim Monarchen und war meist nahezu absolut, das heißt unbegrenzt. Herrscherhaus, Adel und hohe Geistlichkeit bildeten eine gesellschaftliche Elite, deren herausgehobene soziale Stellung durch zahlreiche Privilegien abgesichert war. Bürger, Bauern und die anderen Gruppen des Volkes waren dagegen rechtlich und politisch benachteiligt. [4]
Dem absolutistischen Herrschaftssystem stellte der Liberalismus die zentrale Idee entgegen, daß die Menschen von Natur aus frei und gleich seien. Die geistigen Wurzeln dieser Idee liegen in der philosophischen Bewegung der Aufklärung, die im Menschen ein vernunftbegabtes Wesen erkannte und daraus folgerte, dass dieser zu immer höherem Wissen aufsteigen und so sich selbst und die Welt immer besser und vollkommener machen könne, wenn man ihm nur den nötigen Spielraum freier Entfaltung gäbe. Die Einsicht in die Existenz der menschlichen Vernunft verband sich mit der Vorstellung, dass es grundlegende menschliche Naturrechte auf Freiheit und Gleichheit gebe, die jedem vom Staat gesetzten Recht übergeordnet seien.
Aus der Idee freier und gleicher Menschen ergab sich als allgemeine Forderung, dass der Staat seine Bürger nicht bevormunden oder gar über sie nach Gutdünken verfügen darf, er muß vielmehr jedem einzelnen von ihnen die freie Selbstentfaltung ermöglichen und sichern. Im klassischen Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts erhielt diese Forderung eine ganz bestimmte Ausformung, die sich mit den Begriffen persönliche Freiheit, rechtliche Gleichheit und privates Eigentum beschreiben läßt.
In diesen Grundwerten wird eine ganz bestimmte Auffassung vom Staat sichtbar. Der Staat soll die Freiheit seiner Bürger garantieren, indem er ihnen erstens möglichst viele und gleiche Rechte zuerkennt, insbesondere das Recht auf unbehinderte Bildung und Nutzung privaten Eigentums, und indem er zweitens diese Rechte vor Verletzungen von außen und vor Verletzungen im Innern und hier wieder insbesondere vor Verletzungen durch den Staat selbst schützt. In dem so geschaffenen rechtlichen Rahmen kann sich der einzelne frei entfalten und seine eigenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen verfolgen. Der Wettbewerb ist dabei die regulierende Kraft, die dafür sorgt, dass die einzelnen bei der Verfolgung ihrer eigenen Interessen zugleich dem Wohle der Gesamtheit dienen; denn im Wettbewerb um soziale Positionen, um Einkommen und Eigentum, um Ämter, um Sozialprestige und anderes mehr, wird es eine mehr
oder weniger scharfe Auslese geben, in der sich zum Nutzen aller die leistungsfähigsten Anbieter, die besten Produkte, die besten Ideen, die geeignesten Politiker und Parteien durchsetzen werden. Da es im Wettbewerb nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer gibt, können sich im Ergebnis zwar beträchtliche Unterschiede im sozialen Status und insbesondere Wohlstandsunter-schiede ergeben; insofern können Freiheit und Rechtsgleichheit mu a inverses Element. Dann giltit tatsächlicher sozialer Ungleichheit einhergehen. Diese Ungleichheit ist aber im wesentlichen Folge unterschiedlicher Leistungen und muß schon deshalb hingenommen werden, weil der nur dann richtig funktioniert, wenn es nicht nur Gewinnchancen, sondern auch Verlustrisiken und damit einen doppelten Ansporn für möglichst gute Leistungen gibt.
[...]
1 Hans Zacher: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften. Stuttgart, 1977, S. 154.
2 Vgl. Igor P. Ilinski: Organizacja polityczna społeczeństwa socjalistycznego. Warszawa, 1980, S. 12-30.
3 Gregor Schirmer: Problemy demokracji i praw człowieka w procesie kształtowania się rozwiniętego społeczeństwa socjalistycznego. In: Anna Łopatka (Hg.): Demokracja, prawa człowieka, socjalizm. Warszawa, 1980, S. 56.
4 Vgl. Jerzy Muszyński: Socjalizm w państwach środkowej i południowo-wschodniej Europy. Warszawa, 1975, S. 16-22.
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