In unserer Alltagswelt sind wir ständig von konkreten und abstrakten Gegenständen umgeben, wir sprechen mit unseren Mitmenschen über sie und denken über sie nach. Wir träumen auch von solchen Gegenständen und teilen unsere Träume mit. Doch manchmal stoßen wir dabei an die Grenzen unserer Alltagssprache und es fällt schwer unsere persönliche Gedanken- oder Traumwelt mit den uns zu Verfügung stehenden Alltagsbegriffen zu umschreiben. Denn die Alltagssprache gibt Vergegenständlichungen, so genannte Objektivationen vor, derer wir uns bedienen müssen. Welche Rolle spielen nun diese Objektivationen für die Alltagswelt und was genau sind sie eigentlich, wie funktionieren sie? Und was hat Sprache mit all dem zu tun? Diese Fragen sollen im Folgenden geklärt werden.
In unserer Alltagswelt sind wir ständig von konkreten und abstrakten Gegenständen umgeben, wir sprechen mit unseren Mitmenschen über sie und denken über sie nach. Wir träumen auch von solchen Gegenständen und teilen unsere Träume mit. Doch manchmal stoßen wir dabei an die Grenzen unserer Alltagssprache und es fällt schwer unsere persönliche Gedanken- oder Traumwelt mit den uns zu Verfügung stehenden Alltagsbegriffen zu umschreiben. Denn die Alltagssprache gibt Vergegenständlichungen, so genannte Objektivationen vor, derer wir uns bedienen müssen. Welche Rolle spielen nun diese Objektivationen für die Alltagswelt und was genau sind sie eigentlich, wie funktionieren sie? Und was hat Sprache mit all dem zu tun? Diese Fragen sollen im Folgenden geklärt werden. Ein erster Anhaltspunkt findet sich am Anfang des Kapitels I. Die Grundlagen des Wissens in der Alltagswelt, genauer auf Seite 22 oben:
„So müssen wir also doch […] die Grundlagen des Wissens in der Alltagswelt herausfinden, das heißt die Objektivationen subjektiv sinnvoller Vorgänge, aus denen die inter subjektive Welt entsteht.“
Was will uns dieser Satz sagen? Zum einen, dass die intersubjektive Welt aus subjektiv sinnvollen Vorgängen entsteht, das heißt Vorgängen, die ein Mensch aus seiner individuellen Perspektive heraus als sinnvoll erachtet. Das in diesem Sinne „eigensinnige“ Handeln eines jeden von uns trägt also dazu bei, unsere gemeinsame Welt entstehen zu lassen. Zum anderen sagt uns der oben zitierte Satz, dass die Objektivationen eben dieser „ die Grundlagen des Wissens in der Alltagswelt “ bilden. Daraus ließe sich folgern: ohne Objektivationen kein Wissen in der Alltagswelt. Sie spielen also eine essentielle Rolle für die Alltagswelt, gerade in einer arbeits- und wissensteiligen Gesellschaft wie der unsrigen. Auf den Aspekt der Auf- und Zuteilung von Wissen gehen Berger/Luckmann zumindest kurz ein. Dafür ebenfalls essentiell ist die Sprache, denn durch sie werden erst die nötigen Objektivationen geliefert, die ich täglich brauche und nutze, wie etwa „Baum“, „Jeans“ oder „Uni“. Dazu, vielleicht noch wichtiger, erhalte ich durch Sprache auch die Ordnung, den Kontext, in dem die Objektivationen erst ihren Sinn haben. Daran anschließend könnte gefolgert werden: ohne Sprache keine Objektivationen, und daher: ohne Sprache kein Wissen in der Alltagswelt. Das erscheint dann nachvollziehbar, wenn zum Beispiel ein komplizierter geistiger Vorgang oder die physikalischen Gesetze zur Schwerkraft erklärt werden soll, ohne dabei Sprache in irgendeiner Form zu gebrauchen. Wer ein pantomimisches Über-Talent hat, mag das vielleicht versuchen, für den täglichen Gebrauch ist es aber schon aus Gründen der Praktikabilität sinnvoller zu sprechen.
Die Vergegenständlichungen sind ja bereits in der Sprache vorhanden, ich brauche sie mir nur noch anzueignen und das passiert im Alltagsgebrauch fast von selbst. Nehmen wir zum Beispiel einen Baum von dem ich eine bestimmte Vorstellung habe. Dieser Baum existiert als Bild, vielleicht verbunden mit bestimmten Assoziationen, in meinen Gedanken, ist also ein subjektiver Baum. Ich weiß, das andere Menschen auch einen solchen subjektiven Baum haben, genauso wie ich weiß oder zumindest vermute, dass der subjektive Baum meiner Mutter sich von dem meines Freundes und beide sich wiederum von meinem unterscheiden. Wie genau sie aussehen oder mit welchen Assoziationen sie verbunden sind, ist aber in vielen Kontexten gleich. Erzähle ich eine Anekdote vom Nachbarshund, der sein Bein an einem Baum hebt, dann ist es egal, ob es eine Eiche, eine efeuumrankte Birke oder eine Tanne war, an der er sein Revier markiert hat. Deshalb gebrauche ich in der intersubjektiven Welt die Objektivation Baum, weil es die Kommunikation immens erleichtert. Es ist selten wichtig, wie mein subjektiver Baum, mein subjektives Auto, mein subjektives Haustier aussieht. Wichtig ist, dass meine Botschaft bei einem Gesprächspartner ankommt.
Objektivationen erleichtern Kommunikation nicht nur, sie verkürzen sie auch. Wenn ich von einem Spaziergang im Wald erzählen will, sage ich eben das: ein Spaziergang im Wald – und nicht: gemütliches Gehen durch eine große Ansammlung dicht beieinander stehender Bäume. Eine Bibliothek kann ich auch Bibliothek nennen, ich spreche nicht von einem Raum voller Bücher. Anders kann es sich verhalten, wenn ich nicht von einem realen Erlebnis, sondern von einem Traum berichten will. In meiner subjektiven, ungeteilten Traumwelt war ein Wald vielleicht viel mehr als ein Wald und ganz anders als ein realer Wald. Dennoch bleibt mir nicht viel übrig, als die Objektivation „Wald“ zu gebrauchen und dann weiter zu beschreiben, wie mein Traumwald sich von dem unterscheidet, was diese Objektivation in der Alltagswelt meint.
Man kann sicher der Meinung sein, dass es in bestimmten Situationen unglaublich wichtig ist, sich von der Alltagssprache zu lösen, um ein andersweltliches Erlebnis ohne Objektivationen schildern zu können. Das könnte, neben einem Traum, auch eine religiöse Erfahrung oder eine künstlerische Idee sein – es fehlen die Worte für eine treffende Beschreibung. Andere Ausdrucksformen, wie Tanz, Musik oder Kunst, können sich hier anbieten, um so ein Erlebnis dennoch in die Alltagswelt „hinein zu holen“, es in ihr verständlich zu machen. Doch stellt sich die Frage, ob es nicht auch hier allzu leicht zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen kommen kann. Denn man muss nicht zwingend miteinander sprechen, um sich falsch zu verstehen. Mancher Kunstgegenstand etwa ist nicht auf den ersten Blick als solcher zu erkennen, wie eine Aktion während der ARTotale bewies. Im Rahmen der einwöchigen Zusammenkunft von Künstlern aus aller Welt zur Startwoche der Leuphana Universität Lüneburg gab es verschiedene Projekte zum Thema Streetart. Eine Künstlerin hatte auf Paletten gestapelten und mit Plastikfolie umwickelten Müll in der Lüneburger Fußgängerzone präsentiert. Die subjektive Intention hinter den so entstandenen Müllwürfeln wurde auch auf dem kleinen Schild daneben nicht deutlich. Deutlich wurde nur, dass etwas proklamiert werden sollte, was, wurde von Passanten diskutiert: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Objektivationen können also auch problematisch sein, nämlich dann, wenn sie zu sehr vereinfachen oder verkürzen. Oder auch dann, wenn ich mich in einer fremden Sprache bewege, derer Objektivationen und Konnotationen ich nicht ganz gewahr bin. Versuche ich einem Englisch sprechenden Gast von einem besonders hübschen Kater zu berichten, den eine Freundin sich angeschafft hat, dann verwende ich die Übersetzung „tomcat“. Ich erwarte, dass derjenige versteht, dass ich von einem männlichen Exemplar der Spezies Felidae spreche. Ich erwarte nicht, dass „tomcat“ auch ein männliches Exemplar der Spezies Homo sapiens bezeichnen kann, das ständig auf der Suche nach weiblichen Exemplaren selbiger Spezies ist. Diese Doppeldeutigkeit erkenne ich nur, wenn ich entweder mit dem Hintergrund der englischen Sprache aufgewachsen bin oder durch Lernen und Erfahrung mit ihr vertraut geworden bin.
Objektivationen haben also Vor- und Nachteile, einerseits vereinfachen sie unserer Alltagskommunikation mit anderen Menschen, andererseits bergen sie Schwierigkeiten, wenn ein Wechsel zwischen der Alltagswelt und anderen Welten stattfindet, von denen ich berichten möchte. Noch schwieriger wird es, wenn ich mich dann noch in einer fremden Sprache ausdrücken will. Da Objektivationen aber so tief mit unserer Alltagswelt und unserer Alltagssprache verbunden sind, fallen diese Schwierigkeiten meistens erst dann auf, wenn sie uns begegnen.
Literatur:
Berger, P.L./Luckmann, T./Plessner, H. (2007): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. 21. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl. S. 21-48.
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- Citar trabajo
- Katharine Pusch (Autor), 2009, Zu Berger/Luckmanns "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/168223