Kurze Zusammenfassung der bindungstheoretischen Grundlagen nach Bowlby /Ainsworth, die auf die Problematik der Adoption angewandt werden.
Inhalt
1 Einleitung : Überblick zur Bindungstheorie
2 Bindungsforschung
a) Konzept der Feinfühligkeit
b )Bindungsqualität des Kindes
c) Möglichkeit der Ursache von Bindungsstörungen
3 Adoption / Pflegschaft
a) Bindung
b) Störung im Heilungsprozess
c) Therapiemöglichkeiten
4 Fazit
Literatur
1 Einleitung: Überblick zur Bindungstheorie
John Bowlby, Psychiater und Psychoanalytiker begründete in den 50er Jahren die Bindungstheorie. Die bedeutende Aussage dieser ist es, dass Säuglinge in ihren ersten 12 Lebensmonaten eine starke soziale Bindung zu einer Hauptbezugsperson, auf der Grundlage eines biologisch angelegten Verhaltenssystems, entwickeln. Inhaltlich ist diese soziale Bindung gekennzeichnet dadurch, dass der Säugling nach einer Bindungsperson sucht, sich an ihr festhält, nachschaut, bei Trennung weint und durch interne und externe Bedrohung und Gefahr aktiviert wird. Die Schutz- und Pflegefunktion der Bindungsperson ist für das unselbstständig abhängige Neugeborene lebenswichtig und symbolisiert einen „sicheren Hafen“, der ebenso Hilfe bietet. Ein Säugling, der sich dieser Funktionen sicher ist, kann sich explorativ seiner Umwelt hingeben, da er auf seine Mutter bzw. Bindungsperson als „sichere emotionale Basis“ zurückgreifen kann, um auch in Gefahrensituationen Geborgenheit zu verspüren. Idealerweise kann die Bezugsperson bei Abwesenheit durch eine sekundäre Bezugsperson, wie etwa Vater, Großmutter oder Großvater ersetzt werden. Das Bindungssystem, welches ein Kind in seinem ersten Lebensjahr erfahren hat, bleibt ein Leben lang konstant aktiv. So lässt es sich erklären, dass auch Erwachsene in Gefahrensituationen Nähe zu Personen suchen, denen sie vertraut sind und sich Unterstützung erwarten. Folglich ist ohne eine sichere Bindung kein gelöstes Explorationsverhalten möglich.
2 Bindungsforschung
a) Konzept der Feinfühligkeit
Mary Ainsworth, enge Mitarbeiterin Bowlbys, untersuchte das sensible Pflegeverhalten der Bindungsperson. Ihre Ergebnisse zeigten, dass sich ein Säugling stets an diejenige Person bindet, die ihre Bedürfnisse in feinfühliger Weise beantwortet, d.h. die Signale des Kindes werden korrekt wahrgenommen und interpretiert, ohne Verzerrung durch eigene Wünsche und Bedürfnisse. Hinzukommt, dass auf die Bedürfnisse entsprechend und in einer bestimmten Zeit reagiert werden muss, wobei mit zunehmendem Alter der Zeitabstand durchaus wachsend sein kann. Einflussreich sind auch die Erinnerungen und Gefühle, die die Bindungsperson im spielerischen und pflegerischen Umgang mit dem Kind hat, und die sie an die eigenen Bindungserfahrungen erinnern. Dabei kommt es nicht selten zur Projektion dieser Emotionen auf den Säugling, diese kann die Sensibilität und das Verhalten gegenüber dem Kind bereichern, aber auch erheblich behindern, wenn z.B. Gewalt- oder Verlassenheitserfahrungen gemacht worden sind und diese mit dem eigenen Kind wiederholt werden.
Neuerungen dieses Konzeptes sind, dass es in der Interaktion mit dem Säugling um die Bedeutung der Sprache erweitert wurde ebenso wie ein Fokus auf den Einfluss von Rhythmus und Zeit der Interaktion gelegt wird. So konnten sichere Bindungsentwicklungen vorhergesagt werden, wenn die Bindungsperson empathisch in der Lage war, die affektiven Zustände des Kindes sprachlich zu formulieren. Daher ist davon auszugehen, dass Kinder nicht nur auf der direkten Ebene des Verhaltens die konkrete Pflege wahrnehmen, sondern sich auch durch empathische Verbalisation feinfühlig verstanden fühlen, wenngleich aufgrund des Verständnisses nur eine Aufnahme von prosodischen Sprachmerkmalen der Bezugsperson möglich ist. Dennoch erfolgt eine Widerspiegelung des Gesamtzustandes des Säuglings, der sich somit sensibel verstanden fühlt. Hierin kann ein Zusammenhang darin bestehen, dass sicher gebundene Kinder die Fähigkeit einer selbstreflexiven mentalen Funktion inne haben, die es ihnen ermöglicht auf einfühlende Weise über sich, andere und die Welt nachzudenken.
b) Bindungsqualität des Kindes
Im günstigsten Fall wird die Bindung auf der Grundlage des Konzeptes für Feinfühligkeit, nach Ainsworth, aufgebaut. So besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich eine sichere Bindung (Typ B) entwickelt. Eine angemessene Regulation von Nähe und Distanz zeichnet Kinder diesen Bindungstyps aus. Eine kurzfristige Irritation, recht schnelle Beruhigung, wenn die Bezugsperson außerhalb der Sichtweise ist und ein freudiges Wiedersehen bei der Rückkehr der Bindungsperson, sind Indikatoren für eine Bindung des Typs B. Reagiert die Bezugsperson im Umgang mit dem Säugling eher zurückweisend bezüglich seiner Bedürfnisse, wird sich eine unsicher- vermeidende Bindung (Typ A) ausprägen. Diese Kinder zeigen eine Pseudoabhängigkeit von ihrer Bezugsperson, die auffällig kontaktvermeidend ist und entwickeln Stresskompensationsstrategien in Form der Beschäftigung mit Spielzeugen. Bei der Trennung und Wiederkehr von der Bindungsperson zeigen sie sich unberührt und lehnen diese ignorant ab, auffallend oft beschäftigen sie sich in solchen Situationen allein. Ein drittes Bindungsmuster kommt zustande, wenn die Bezugsperson ambivalent auf die Bedürfnisse des Säuglings reagiert, manchmal zuverlässig und feinfühlig, ein anderes Mal zurückweisend und ablehnend. Unter diesen Umständen entwickelt sich eine unsicher-ambivalente Bindung. Diese spiegelt sich in den Kindern wider, denn auch sie verhalten sich widersprüchlich gegenüber der Bindungsperson.
Eine Trennung wirkt absolut verunsichernd, sie finden keine Beruhigung, aber auch bei der Rückkehr der Bezugsperson zeigt sich ein wechselndes Verhalten von anklammern bis hin zu aggressiv- abweisendem Verhalten. Ein letzter Typus der sich bindungstheoretisch konstruieren kann, ist der der desorganisierten Bindung (Typ D). Die Kinder zeigen sich ebenso wie der Bindungsname besagt, desorganisiert und reagieren auf Trennung mit bizarren Verhaltensweisen, die neben einer Mischform der anderen genannten Bindungstypen auftreten.
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- Arbeit zitieren
- Julia Böhm (Autor:in), 2011, Bindungstheorie und -störung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167483
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