Es gibt wohl kaum eine Religion, die solch extrem konträre
Meinungen in der Wissenschaft und Gesellschaft hervorgerufen hat,
wie der Buddhismus. Lange Zeit wurde der Buddhismus als eine
tolerante und gewaltfreie Religion angesehen, welche statt Dogmen
philosophische Lehren verbreite. Seit den 90er Jahren begann man,
kritischer mit dem Buddhismus umzugehen und zu versuchen, die
Gewalt Japans in der Showa-Ära mit der buddhistischen Tradition des
japanischen Volkes zu verbinden. Doch sollte die Wissenschaft sich
sowohl davor hüten, den Buddhismus zu romantisieren, als auch ihn
zu verteufeln. Dennoch ist es wichtig, den Buddhismus auf sein
Gewaltpotential hin zu untersuchen. Immerhin gibt es selbst in unserer
Zeit buddhistische Mönche, beispielsweise in Sri Lanka, die zum
Völkermord an den hinduistischen, muslimischen und christlichen
Tamilen aufrufen und dies mit der Religion begründen wollen.
Dieser Text wird versuchen, Gewalt in Zusammenhang mit der
Religion in historischer Perspektive zu untersuchen, um die Frage zu
beantworten, ob denn nicht auch ein politischer Faktor für die Gewalt
verantwortlich sein kann. Die Betrachtung Japans für diese
Fragestellung bietet sich an, da die Quellenlage in der westlichen Welt
für dieses Thema dichter ist als in den aktuellen Konflikten wie in Sri
Lanka. Drei historische Beispiele werden uns den Zusammenhang
zwischen Gewalt und Religion in Japan verdeutlichen. Das erste ist die
Bildung der Mönchssoldaten, das zweite die Christenverfolgung nach
dem Sengoku-Jidai und das dritte Beispiel ist die Integrationspolitik in
der Showa-Ära. Eine Betrachtung der Buddhismus-Kritiker folgt
anschließend. Bevor wir uns der konkreten Auseinandersetzung des Themas widmen, ist es jedoch erforderlich, dass wir uns einen groben
Überblick über die zwei bedeutendsten Religionen Japans verschaffen.
Inhalt
Einleitung
1. Buddhismus und Shintoismus
2. Mönchssoldaten
3. Christenverfolgung im feudalen Japan
4. Staatsshintoismus is der Meiji- und Showa-Ära
5. Buddhismuskritik in der jüngeren Forschung
6. Fazit
Literatur
Einleitung
Es gibt wohl kaum eine Religion, die solch extrem konträre Meinungen in der Wissenschaft und Gesellschaft hervorgerufen hat, wie der Buddhismus. Lange Zeit wurde der Buddhismus als eine tolerante und gewaltfreie Religion angesehen, welche statt Dogmen philosophische Lehren verbreite. Seit den 90er Jahren begann man, kritischer mit dem Buddhismus umzugehen und zu versuchen, die Gewalt Japans in der Showa-Ära1 mit der buddhistischen Tradition des japanischen Volkes zu verbinden. Doch sollte die Wissenschaft sich sowohl davor hüten, den Buddhismus zu romantisieren, als auch ihn zu verteufeln. Dennoch ist es wichtig, den Buddhismus auf sein Gewaltpotential hin zu untersuchen. Immerhin gibt es selbst in unserer Zeit buddhistische Mönche, beispielsweise in Sri Lanka, die zum Völkermord an den hinduistischen, muslimischen und christlichen Tamilen aufrufen und dies mit der Religion begründen wollen.
Dieser Text wird versuchen, Gewalt in Zusammenhang mit der Religion in historischer Perspektive zu untersuchen, um die Frage zu beantworten, ob denn nicht auch ein politischer Faktor für die Gewalt verantwortlich sein kann. Die Betrachtung Japans für diese Fragestellung bietet sich an, da die Quellenlage in der westlichen Welt für dieses Thema dichter ist als in den aktuellen Konflikten wie in Sri Lanka2. Drei historische Beispiele werden uns den Zusammenhang zwischen Gewalt und Religion in Japan verdeutlichen. Das erste ist die Bildung der Mönchssoldaten, das zweite die Christenverfolgung nach dem Sengoku-Jidai und das dritte Beispiel ist die Integrationspolitik in der Showa-Ära. Eine Betrachtung der Buddhismus-Kritiker folgt anschließend. Bevor wir uns der konkreten Auseinandersetzung des
Themas widmen, ist es jedoch erforderlich, dass wir uns einen groben Überblick über die zwei bedeutendsten Religionen Japans verschaffen.
1. Buddhismus und Shintoismus
In Japan herrscht eine besondere Form der Religiosität. Der Shintoismus und der Buddhismus sind die vorherrschenden Religionen. Sie existieren nicht nur parallel nebeneinander, sondern miteinander. Viele Japaner nehmen an Kulthandlungen beider Religionen teil. Beispielsweise ist es auch bei Anhängern des Shintoismus nicht selten, dass die Bestattung durch buddhistische Priester ausgeführt wird.3 Hinzu kommt die Tatsache, dass der Buddhismus durch den Tenno nach Japan „importiert“ wurde. Der Tenno ist nach shintoistischem Glauben als Nachfahre des ersten Tenno Jimmu ein direkter Nachfahre der Sonnengöttin Amiterasu und Oberhaupt des Shintoismus. Somit ist der Buddhismus nicht durch Missionierung, sondern durch einen Import seitens des Oberhauptes des Shintoismus nach Japan gekommen. Der Buddhismus hat die Existenz der Kami4 nicht bestritten, sondern die Kami - so wie auch die Menschen - als gequälte Seelen im Kreislauf der Wiedergeburt aufgefasst bzw. werden einige Kami als Inkarnationen Buddhas begriffen. Anfangs ist der Buddhismus mit der chinesischen bzw. koreanischen Kultur und Technologie gleichgesetzt worden. Die neue Religion wurde nur vom Kaiserhof und einem Teil des Adels praktiziert. Es gab ausdrücklich Verbote, die Lehren außerhalb der Klöster zu verbreiten und der Eintritt in die Klöster war nicht jedem gestattet, auch wenn es einzelne Priester gab, die sich über dieses Verbot hinwegsetzten. Insgesamt wurde der Buddhismus jedoch nicht bekämpft als „feindliche Religion“, sondern nahm Aufgaben im Bereich der Verwaltung wahr.5 Hier wird schon deutlich, dass Religion von der Politik instrumentalisiert wird. Dieser Gedanke wird später wieder aufgegriffen werden, wenn wir den Zusammenhang zwischen Gewalt und Religion betrachten.
2. Mönchssoldaten
Ab dem 11. Jahrhundert begannen sich buddhistische Klöster als politischer Faktor in Japan durchzusetzen. Einige Orden besaßen riesige Ländereien und eigene Heere. Die Möchssoldaten wurden eingesetzt zur Bekämpfung von Rivalen im eigenen Orden, zur Bekämpfung von feindlichen Orden, zum Landgewinn, zur Kontrolle von heiligen Orten und zum Protest gegen bestimmte Regierungsentscheidungen. Es sind uns Berichte überliefert, in denen beispielsweise Soldaten des Tendai-Ordens, der auf dem Berg Hiei nahe Kyoto ansässig war, hinabgestiegen sind und die Hauptstadt Kyoto verwüsteten, um den Regenten zu zwingen, eine AbtErnennung zu widerrufen.6 Die Tatsache, dass Orden eigene Heeresverbände hatten und über 400 registrierte Gewaltaktionen von Mönchssoldaten zwischen dem 10. und 16. Jahrhundert begangen wurden7, klingt verwunderlich, wenn wir in Betracht ziehen, dass buddhistischen Mönchen das Töten verboten ist8, jedoch nennt uns Kleine in seinem Essay plausible Gründe, die zu der Einrichtung dieser Armeen geführt haben. Zum einen sei der rege Zustrom von Bevölkerungsschichten relevant, die keinerlei Talente für das Schrifttum oder das Mönchsleben mitbrachten, sodass man sie mit der Aufgabe betraute, die Ländereien des Ordens zu bewachen, und zum anderen wollte man die einfache Bevölkerung nicht mit dieser Aufgabe betrauen und mit Waffen ausstatten, was bei einem Aufstand fatal gewesen wäre. Eine Legitimation wurde im Nachhinein konstruiert. Man nahm an, dass man sich in einer Endzeit befinde, in der keine Regeln mehr gölten. So könne jemand, der die Mönchskutte anlege, aber sich an die Regeln nicht halte, nicht bestraft werden. Auch sei dies ein Verbrechen vergleichbar dem „Vergießen des Blutes einer Trillion Buddhas“, wenn man einen solchen Mönch bestrafe. Diese Legitimation, wie sie in der Schrift „Mappou toumyou ki“ steht, war eine totale Immunisierung der Orden nach außen hin, da das Bestrafen eines solchen Mönches zum höchstmöglichen Frevel erhoben wurde.9 An diesem Beispiel der Ordenskrieger wird deutlich, dass religiöse Institutionen auch im Buddhismus sich militärisch organisieren können, jedoch wird auch eindeutig gezeigt, dass die Gewalt nicht von der Religion an sich ausging, sondern die Religion sich den Strukturen der Politik anpasste. Eine Erklärung bietet uns die Bemerkung des britischen Psychologen Robert Thouless, der sagte, dass Religionen - ganz gleich wie ihr Ursprung auch sein mag - die Eigenschaft besitzen, in ihrer Struktur einander ähnlicher zu werden.10
[...]
1 In Japan wird die Zeitrechnung in Epochen ausgedrückt, die die Spanne der jeweiligen Amtsperioden der Tenno/Mikado/Kaiser umfassen. Die Bezeichnungen der Epochen sind gleichzeitig die Ehrennamen des jeweiligen Tenno nach seinem Tode und das „Motto“ der Regierung, das der jeweilige Tenno zu Beginn seiner Amtsperiode ausspricht. Die Showa-Ära entspricht der Regierungzeit Hirohitos, also der Zeit des Zweiten Weltkrieges.
2 Da in Sri Lanka ein ethnischer Konflikt seit Beginn der Unabhängigkeit tobt, der selbst die Wissenschaftler Sri Lankas politisiert hat und wir widersprüchliche, angeblich objektive Untersuchungen haben, ist die wissenschaftliche Untersuchung dieses Konfliktes für uns erschwert. Auch Quellen aus der Kolonialzeit sind auf Grund der damaligen Sprachbarrieren nicht ohne weiteres als Mittel einer kritischen Untersuchung geeignet.
3 Um diesen speziellen Sachverhalt zu verstehen, sollte man beachten, dass der Shintoismus den Tod generell als etwas „Unreines“ betrachtet. So war es im vorbuddhistischen Japan üblich, dass sogar Häuser, in denen Menschen verstorben waren, verbrannt wurden. Im modernen Japan ist es an heiligen Stätten des Shintoismus nicht erlaubt, zu gebären oder zu sterben. Deswegen werden bei einigen heiligen Orten alte Menschen nicht geduldet.
4 Der Begriff Kami wird oftmals als „Gott“ übersetzt, jedoch wird an dieser Stelle der japanische Begriff verwendet, da das Konzept „Gott“ in Europa eine andere Konnotation als das Konzept „Kami“ hat. Kami sind fehlbar und können leben und sterben. Gott ist allmächtig, ewig und transzendent.
5 Buddhistische Mönche wurden zum Zweck der Verwaltung eingesetzt, da Japan zu diesem Zeitpunkt über keine Schriftlichkeit verfügte und die Mönche damals als einzige in Japan eine Schrift beherrschten. Der Import des chinesischen Schrifttums wird an Hand der Betrachtung der Kanji-Schrift deutlich. Die Kanji sind eine nur leicht abgewandelte Form des Han-Systems.
6 Vgl.: Kleine, C.: Shaolin-Kungfu, Mönchssoldaten, Tyrannenmörder: Wie friedfertig war und ist "der Buddhismus" wirklich?, http://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/fileadmin/pdf.
7 Die Zahl stammt aus Kleines Essay. Vgl.: Kleine, C.: Shaolin-Kungfu, Mönchssoldaten, Tyrannenmörder: Wie friedfertig war und ist "der Buddhismus" wirklich?, http://www.buddhismuskunde.uni-hamburg.de/fileadmin/pdf.
8 Kleine zitiert in seinem Aufsatz einige buddhistische Texte, wonach sowohl das direkte Töten als auch das indirekte Töten durch zureden zum Suizid durch einen entgültigen Verstoß geahndet wird. Vgl.: Kleine, C.: Shaolin-Kungfu, Mönchssoldaten, Tyrannenmörder.
9 Die Schrift wird gemeinhin dem Tendai-Gründer Saichou zugeordnet. Über die Authentizität der Schrift ist sich die Wissenschaft nicht einig. Man nimmt eher an, dass die Schrift im Nachhinein verfasst wurde und ein Erklärungsversuch bestehender Verhältnisse war. Vgl.: Kleine.
10 Das Zitat entstammte dem Werk Schmidthausens. Vgl.: Schmidthausen, L.: Gewalt und Gewaltlosigkeit im Buddhismus, http://www.buddhismuskunde.uni- hamburg.de/fileadmin/pdf, 26.02.09.
- Citation du texte
- Achuthan Thanabalasundaram (Auteur), 2009, Religion und Gewalt in Japan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/167432
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